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73 Ursprünglicher Beitragsplan nach §§ 34/35 BauG
- Grundsätzlich kann auch eine Fläche in der Zone für öffentliche Bauten mit Beiträgen belastet werden (Erw. 5.3.1. - 5.3.4.3.)
- Ist ein Sondervorteil bei Geltung der objektiven Methode zumindest kurzfristig nicht realisierbar, sollen Zahlungserleichterungen (z.B.
Stundung) gewährt werden (Erw. 5.4.1. - 5.4.3.)
Aus dem Entscheid der Schätzungskommission nach Baugesetz vom 6. Dezember 2006 in Sachen P.-Stiftung gegen Einwohnergemeinde B.
Aus den Erwägungen
5.3.1. Es ist nachstehend zu prüfen, ob unter den gegebenen Umständen ein wirtschaftlicher Sondervorteil eingetreten ist. 5.3.2. Die Parzelle 339 der Beschwerdeführerin umfasst eine Fläche von insgesamt 414'629 m2, wovon für den Strassenausbau unter Berücksichtigung einer Neuzuweisung von 24 m2 per Saldo 60 m2 abzutreten sind (vgl. Landerwerbsund Enteignungstabelle vom 3. März 2003, in: VB 9 im Verfahren EB.2003.50023). Das Grundstück ist vollständig der Spezialzone N. zugeordnet, welche gemäss § 6 der Bauund Nutzungsordnung (BNO) vom 23. Mai 1997 die Errichtung von drei Vollgeschossen gestattet. Im Weiteren wird die Spezialzone N. in § 14 BNO wie folgt umschrieben: "1 Die Spezialzone SN umfasst das Areal des (...) (Stiftung). Zugelassen sind alle mit dem Stiftungszweck verbundenen Nutzungen wie Heimerziehung, Berufsbildung, Landwirtschaft, Gartenbau und Gewerbebetriebe und die dafür erforderlichen Bauten und Anlagen. 2 Die Bauten und Anlagen müssen sich einwandfrei in die
bauliche und landschaftliche Umgebung einpassen. Mit dem Baugesuch ist ein Umgebungsplan einzureichen." Eigentümerin der Parzelle 339 ist, wie bereits dargelegt, die P.stiftung, eine privatrechtlich Stiftung mit folgenden im Handelsregister eingetragenen Zwecken: "Erziehung und Berufsbildung von Jugendlichen, für die sich besondere pädagogisch-therapeutische Mass-
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nahmen als notwendig erweisen, mit dem Ziel sozialer und beruflicher Integration; Betrieb der Wohnund Ausbildungsstätte für Jugendliche (...)" 5.3.3. Vorweg ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber im geltenden Baugesetz bezüglich der Erhebung von Beiträgen weder eine Unterscheidung nach privaten und öffentlichen Grundstücken vorgenommen hat, noch nach Grundstücken, die einem privaten und solchen, die einem öffentlichen Zweck dienen. Wie im Steuerrecht müssen auch im Kausalabgaberecht die Ausnahmen von der Abgabepflicht im Sinne des Legalitätsprinzips ausdrücklich normiert werden. Hingegen kann sich bei Grundstücken öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten, aber auch bei privaten Institutionen, die einen öffentlichen einen gemeinnützigen Zweck verfolgen, die Frage nach einem ausnützbaren Sondervorteil stellen. 5.3.4.1. Grundsätzlich ist ein wirtschaftlicher Sondervorteil dann zu bejahen, wenn der Vorteil objektiv betrachtet realisierbar ist. Nicht erforderlich ist, dass der Vorteil auch effektiv realisiert wird. Unerheblich ist auch, ob der Sondernutzen sofort erst zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden kann. Bei noch nicht überbauten Liegenschaften besteht der abzugeltende Sondervorteil in der Überbaubarkeit und der damit verbundenen Wertsteigerung der Grundstücke (...). 5.3.4.2. Diese Realisierung der Wertvermehrung durch Verkauf ist bei Grundstücken ausgeschlossen, die sich im Gemeingebrauch befinden zum Verwaltungsvermögen gehören, wie z.B. Schulhäuser, Spitäler, Verwaltungsgebäude, Kirchen, und infolge ihrer Widmung dem rechtsgeschäftlichen Verkehr entzogen sind. Allerdings erfahren diese Grundstücke gleichwohl einen ausnützbaren Sondervorteil angesichts der Tatsache, dass öffentliche Grundstücke genauso wie private erschlossen sein müssen, bevor sie überbaut werden können. Für Vorteile, welche dem Gemeinwesen zukommen, können nicht die privaten Grundeigentümer zu Beitragsleistungen herangezogen werden. Eine Gemeindeparzelle in der Zone für öffentliche Bauten (Zone öB) ist daher in den Beitragsperimeter einzubeziehen es ist der Gemeindeanteil entsprechend dem gesteigerten öffentlichen Interessen an der Benutzung der Anlage zu er-
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höhen (SKE EB.2000.50027 vom 27. März 2001, Erw. 6.1.3.1.; AGVE 1985, S. 170 f.; Vera Marantelli-Sonanini, Erschliessung von Bauland, Bern 1997, S. 104; Armin Knecht, Grundeigentümerbeiträge an Strassen im aargauischen Recht, Aarau 1975, S. 52; Bernhard Staehelin, Erschliessungsbeiträge, Diss., Diessenhofen 1980, S. 158 f. mit weiteren Hinweisen). 5.3.4.3. Anders kann es sich verhalten, falls nicht eine Gemeindeparzelle, sondern ein privates Grundstück in der Zone öB liegt. Es rechtfertigt sich eine Beitragserhebung mithin nur, soweit der in der Erschliessung liegende Vorteil für den betreffenden Privateigentümer realisierbar ist. Dies trifft regelmässig dann zu, wenn es sich bei der Eigentümerschaft des in der öffentlichen Zone gelegenen Grundstücks um die den öffentlichen Zweck verfolgende Eigentümerschaft (Gemeinwesen entsprechend berechtigte Private) handelt (vgl. etwa das Beispiel einer privaten Aktiengesellschaft, die als Eigentümerin der Zone öB im öffentlichen Interesse Sonderabfall entsorgt, in: Solothurnische Gerichtspraxis [SOG] 1991 Nr. 31). Ansonsten ergibt sich aber für einen privaten Eigentümer in der Regel kein realisierbarer Sondervorteil (Baurecht [BR] 2000, S. 20), weil für sie eine dem öffentlichen Zweck entsprechende bauliche Nutzung ausser Betracht fällt. (...) 5.4.1. Entlang des R.weges liegt auf der Parzelle der Beschwerdeführerin ein über 70 m breiter, unüberbauter Streifen. Diese Fläche liegt innerhalb des Bauzonenplan-Perimeters. Auch die Entschädigung von Fr. 350.pro Quadratmeter im Rahmen der Landabtretung für den Strassenbau (60 m2 x Fr. 350.-/m2 = Fr. 21'000.-) zeigt, dass von einer Bauzone auszugehen ist. Tatsächlich ist eine Überbauung im Rahmen der Zonenordnung zulässig, d.h. Bauten und Anlagen für Heimerziehung, Berufsbildung, Landwirtschaft, Gartenbau und Gewerbebetriebe mit bis zu drei Vollgeschossen. Einer zukünftigen Realisierung des Mehrwerts durch eine Überbauung steht zumindest aus zonenrechtlicher Sicht nichts im Wege. Gleich wie bei Gemeindeparzellen im Gemeingebrauch im Verwaltungsvermögen (Erw. 5.3.4.2.) ist allerdings die Realisierung des Mehrwerts durch einen Verkauf praktisch ausgeschlossen, würden einem Käufer doch
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nur mit dem Stiftungszweck verbundene Nutzungen wie Heimerziehung, Berufsbildung, Landwirtschaft, Gartenbau und in diesem Zusammenhang stehende Gewerbebetriebe offen stehen. So betrachtet besteht tatsächlich ein Unterschied zu "gewöhnlichem" unüberbauten Bauland, das nach einer Erschliessung zu einem höheren Preis verkauft mit einer höheren Hypothek beliehen werden kann. Aus diesem Umstand kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ein wirtschaftlicher Sondervorteil vollständig dahinfalle. An der objektiven Methode zur Bestimmung des Sondervorteils ist daher festzuhalten. Weil der Vorteil allenfalls nicht effektiv realisiert werden kann, die Beiträge aber dennoch fällig werden, führt dies zwangsläufig zu Härtefällen. Diese lassen sich jedoch nicht vermeiden, indem auf die subjektive Methode (auch Realisierungsprinzip genannt) abgestellt wird; denn dadurch wird eine Beitragspflicht ausgeschlossen, obschon dem Grundstück ein realisierbarer Sondervorteil erwächst. Vielmehr ist der subjektiven Situation des Betroffenen im Rahmen des Vollzugs der Beitragsleistung Rechnung zu tragen. Wer die Wertzunahme seines Grundstückes aus bestimmten Gründen nicht ausnützen kann, soll einen Zahlungsaufschub erhalten, entgeht jedoch der Beitragspflicht nicht (Armin Knecht, Grundeigentümerbeiträge an Strassen im aargauischen Recht, Aarau 1975, S. 75 f.). Die Stundung eines Beitrages bedeutet nicht, dass dieser im Beitragsplan zu streichen wäre; er kann lediglich trotz Rechtskraft des Beitragsplans nicht eingezogen werden, solange die Stundung gilt (AGVE 1980, S. 170). 5.4.2. Die Sachund Rechtslage ist vergleichbar mit unüberbauten, in der Bauzone liegenden Grundstückteilen, die dem bäuerlichen Bodenrecht unterstehen. Es besteht gemäss § 35 Abs. 4 BauG ein Rechtsanspruch auf Stundung für die auf diesen Flächen erhobenen Beiträge. Eine Befreiung von der Beitragspflicht die Verneinung eines wirtschaftlichen Sondervorteils ist auch in diesen Fällen nicht vorgesehen. Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass beispielsweise auch einem Einfamilienhaus in einer Mehrfamilienhauszone trotz der nicht vollständig beanspruchten Ausnützungsziffer ein Sondervorteil aufgrund des Nutzungspotentials entsteht, unabhängig davon, ob vom Grundeigentümer ein Ausoder Neubau geplant ist nicht.
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Auch hier entfällt nicht der objektiv realisierbare Sondervorteil, sondern es ist im Härtefall eine Stundung zu gewähren (vgl. Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 33 N 3 aBauG). Schon aus Gründen der Rechtsgleichheit verbietet es sich, im vorliegenden Fall den Sondervorteil aufgrund der subjektiven Methode, also in Berücksichtigung der subjektiven Situation zu bestimmen, während in vergleichbaren Fällen kraft Gesetzes und/oder herrschender Lehre und Praxis der Sondervorteil nach objektiven Kriterien bestimmt wird und allenfalls aufgrund der subjektiven Verhältnisse Zahlungserleichterungen gewährt werden. 5.4.3. Auch im Bundesgerichtsentscheid 1P.721/1999 vom 14. März 2000 (...) wird deutlich gesagt, dass für den Fall einer künftigen intensiveren Überbauung die Erschliessungsbeiträge ohne weiteres durch den entsprechenden Mehrwert kompensiert werden. Nur unter Beibehaltung des Status quo hätte sich eine Beitragserhebung als unverhältnismässig erweisen können. Dass und wann die entsprechenden Beiträge zu leisten waren, stand noch nicht fest, weshalb es laut Bundesgericht Sache des Gemeinderates war, zu gegebe- ner Zeit die Kosten so festzulegen, dass für den Beschwerdeführer
keine unverhältnismässige Belastung entsteht. Dieser Entscheid lässt genügend Raum, eine unverhältnismässige, möglicherweise den Gewerbebzw. Heimbetrieb eines Grundeigentümers gefährdende Belastung dadurch zu vermeiden, dass Zahlungserleichterungen gewährt werden. Ein Wechsel von der objektiven zur subjektiven Methode der Beitragsbemessung lässt sich daraus nicht ableiten. Wichtig ist dagegen, dass die subjektive Situation bei der Beurteilung einer Härtefall-Konstellation nach pflichtgemässem Ermessen gebührend berücksichtigt und eine Unverhältnismässigkeit im Einzelfall vermieden wird.