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Urteil Obergericht (AG)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2006 10: Obergericht

Die Angeklagte hat mehrere Verstösse begangen, darunter grobe Verletzungen der Verkehrsregeln und mehrfache Vergehen gegen das Tierschutzgesetz. Sie wurde schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt, die nicht aufgeschoben wurde. Die Gerichtskosten wurden auf CHF 1'800.00 festgesetzt. Die Angeklagte ist weiblich. Die Gegenseite, bestehend aus dem Veterinäramt des Kantons Zürich und der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis, hat in Bezug auf die Vergehen gegen das Tierschutzgesetz Berufungsanträge gestellt, die jedoch abgewiesen wurden. Der Richter in diesem Fall war lic. iur. Th. Meyer. Die Angeklagte hat in mehreren Fällen gegen das Tierschutzgesetz verstossen, indem sie Hunde vernachlässigte und in unangemessenen Bedingungen hielt. Der Betrag der Gerichtskosten betrug CHF 1'800.00. Die Angeklagte ist weiblich.

Urteilsdetails des Kantongerichts AGVE 2006 10

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2006 10
Instanz:Obergericht
Abteilung:Handelsgericht
Obergericht Entscheid AGVE 2006 10 vom 20.09.2006 (AG)
Datum:20.09.2006
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:AGVE 2006 10 S.46 2006 Obergericht 46 B. Anwaltsrecht 10 Art. 9 und 12 BGFA; Konsequenzen einer strafrechtlichen Verurteilung...
Schlagwörter : Anwalt; Anwaltsberuf; Verurteilung; Anwältin; Register; Handlung; Registereintrag; Recht; Handlungen; Voraussetzungen; Register; Schutz; Löschung; Anwaltes; Klienten; Obergericht; Anwaltsregister; Drohung; Anwälte; Privatleben; Rolle; Eintrag
Rechtsnorm:Art. 27 BV ;Art. 5 BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts AGVE 2006 10

2006 Obergericht 46

B. Anwaltsrecht

10 Art. 9 und 12 BGFA; Konsequenzen einer strafrechtlichen Verurteilung für den ins Anwaltsregister eingetragenen Anwalt - Strafrechtliche Verurteilung wegen Handlungen aus dem Privatbe- reich ist disziplinarrechtlich nicht relevant. - Keine Löschung des Registereintrages im konkreten Fall: Bezüglich der Frage der Vereinbarkeit einer strafrechtlichen Verurteilung mit dem Anwaltsberuf spielen die Aspekte der Zutrauenswürdigkeit des Anwaltes, der Seriosität und der Ehrenhaftigkeit eine entscheidende Rolle; Überprüfung der konkreten Handlung(en) im Einzelfall.
Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 20. September 2006 i.S.
RA X.
Sachverhaltszusammenfassung
RA X. wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Y vom 14. Mai
2004 bzw. des Obergerichts vom 28. Juli 2005 der Beschimpfung
und mehrfachen Drohung sowie der ungenügenden Aufmerksamkeit
beim Rückwärtsfahren und des pflichtwidrigen Verhaltens nach ei-
nem Unfall schuldig gesprochen. Sie wurde mit einer Busse von
Fr. 1'500.-bestraft.

Aus den Erwägungen
3.
Während Art. 12 BGFA die Berufsregeln für Anwältinnen und
Anwälte festhält, sind in Art. 7 und 8 BGFA die fachlichen und per-
sönlichen Voraussetzungen für den Registereintrag geregelt.
2006 Zivilprozessrecht 47

4.
4.1.
Die Berufspflichten für Anwälte gemäss Art. 12 BGFA beziehen
sich nicht auf sein Privatleben. Während unter altem Recht teilweise
bei der Beurteilung der ,,Ehrenhaftigkeit und Zutrauenswürdigkeit"
des Anwaltes auch dessen private Lebenshaltung und Lebensführung
mitberücksichtigt wurde (allerdings nur in ,,Extremfällen"; vgl. dazu
ZR 93 Nr. 39, S. 147; F. WOLFFERS, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Bern 1986, S. 181 f.), beschränkt das BGFA die Relevanz
des Privatlebens auf Art. 8 BGFA (Voraussetzungen für den Register-
eintrag) und spielt bei den Berufsregeln keine Rolle mehr (vgl. auch
Entscheid der Zürcher Aufsichtskommission in ZR 103 [2004] Nr.
11). Einzig bei den persönlichen Voraussetzungen für den
Registereintrag können Vorkommnisse im Privatleben eine Rolle
spielen, sofern eine strafrechtliche Verurteilung wegen Handlungen
vorliegt, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind (zum
Ganzen: WALTER
FELLMANN in: WALTER FELLMANN / GAUDENZ G. ZINDEL [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich 2005, Art. 12 N 52 f. [zit. NAME, BGFA-Kommentar]). 4.2.
Die vorliegend gemäss rechtskräftigem Urteil von der beanzeig-
ten Anwältin erfüllten SVG-Tatbestände berühren nur das Privatle-
ben und sind deshalb vom Gesichtspunkt der Berufsregelverletzung
her nicht relevant. Dasselbe gilt für die Beschimpfung und die
Drohungen. Auch diese Sachverhalte spielten sich im privaten Um-
feld der beanzeigten Anwältin ab. Sie hatten grundsätzlich mit ihrer
beruflichen Tätigkeit als Anwältin nichts zu tun. [...]
4.3.
Nachdem weder die SVG-Tatbestände noch die Drohungen und
die Beschimpfung etwas mit der Anwaltstätigkeit der beanzeigten
Anwältin zu tun haben, besteht kein Anlass für die Einleitung eines
Disziplinarverfahrens und es ist zu überprüfen, ob die beanzeigte An-
wältin die Voraussetzungen für den Eintrag im Anwaltsregister im-
mer noch erfüllt, nachdem eine strafrechtliche Verurteilung mit Ein-
trag im Strafregister vorliegt.
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5.
Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA lautet wie folgt:
1 Für den Registereintrag müssen die Anwältinnen und An-
wälte folgende persönliche Voraussetzungen erfüllen:
[...]
b.
es darf keine strafrechtliche Verurteilung vorliegen wegen
Handlungen, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren
sind und deren Eintrag im Strafregister nicht gelöscht ist;
Konkret stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die
Handlungen der beanzeigten Anwältin, derentwegen sie verurteilt
wurde, mit dem Anwaltsberuf vereinbar sind nicht (Art. 8
Abs. 1 lit. b BGFA). Im Zusammenhang mit dem Registereintrag
können auch Handlungen aus dem Privatbereich des Anwaltes rele-
vant sein (vgl. N. STUDER
, Neue Entwicklungen im Anwaltsrecht, in: SJZ 100 [2004] S. 233).
5.1.
Beim Registereintrag gemäss BGFA handelt es sich um eine
grundsätzlich widerrufbare Polizeierlaubnis, durch die mittels Verfü-
gung auf Gesuch hin festgestellt wird, dass die zum Schutz der
Polizeigüter aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen für die Aus-
übung dieser Tätigkeit erfüllt sind (U. HÄFELIN
/G. MÜLLER, Allge- meines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Rz. 2523; 2525). Die Lö-
schung des Registereintrages qualifiziert sich somit als Widerruf der
einst erteilten Bewilligung (HÄFELIN
/ MÜLLER, a.a.O., Rz. 2552). Der Widerruf ist in Art. 9 BGFA unter dem Marginale ,,Löschung"
vorgesehen, sofern auch nur eine der Eintragungsvoraussetzungen
nachträglich wegfällt.
5.2.
Bei der Beurteilung des Vorliegens eines ,,Löschungsgrundes"
(bzw. Wegfall einer Eintragungsvoraussetzung) gemäss Art. 9 BGFA
ist vorweg zu klären, welche polizeilichen Rechtsgüter durch
Art. 8 lit. b BGFA geschützt werden sollen, wenn im Gesetz von
,,Unvereinbarkeit mit dem Anwaltsberuf" die Rede ist.
Im Vernehmlassungsentwurf war unter den persönlichen
Voraussetzungen noch das Vorliegen eines ,,guten Leumundes"
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gefordert worden. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen Handlun-
gen ,,die das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigen" sollte zu-
dem den Registereintrag ausschliessen. Aufgrund des Ergebnisses
des Vernehmlassungsverfahrens wurde auf das Kriterium des Vorlie-
gens eines ,,guten Leumundes" verzichtet (Botschaft des Bundesrates
zum BGFA vom 28. April 1999, BBl 1999 6013 ff, [Botschaft], Ziff.
252.5). Hinsichtlich der Bewertung einer strafrechtlichen Verurtei-
lung wurde an Stelle der ,,Beeinträchtigung des Ansehens des
Berufsstandes" die ,,Unvereinbarkeit mit dem Anwaltsberuf" gesetzt.
Im Zusammenhang mit dem von einigen kantonalen Anwaltsge-
setzen unter altem Recht für die Berufsausübung noch geforderten
,,guten Leumund" wurden als polizeilich geschützte Rechtsgüter ,,der
Schutz der Klienten" und ,,das Interesse des Ansehens der Rechts-
pflege bzw. des Berufsstandes der Anwaltschaft schlechthin" heran-
gezogen. WOLFFERS (a.a.O., S. 179) qualifiziert den an erster Stelle genannten ,,Schutz der Klienten" als polizeiliches Motiv ,,im engsten
Sinne". Das BGFA hat aber auf das Erfordernis des guten Leumun-
des verzichtet und die Betonung auf die Unvereinbarkeit mit dem
Anwaltsberuf gesetzt. Es muss deshalb davon ausgegangen werden,
dass es dem Gesetzgeber bei den persönlichen Zulassungsvorausset-
zungen gemäss Art. 8 BGFA um den konkreten, polizeilich motivier-
ten Schutz ,,im engeren Sinne" der Klienten ging, wogegen das Inter-
esse des Ansehens der Rechtspflege bzw. des Berufsstandes der An-
waltschaft in den Hintergrund trat und nicht mehr ein massgebendes
Kriterium ist.
5.3.
Wird der Widerruf der Berufsausübungsbewilligung im Rahmen
eines Verwaltungsaktes in Erwägung gezogen, so ist der Grundsatz
der Verhältnismässigkeit zu beachten (vgl. HÄFELIN
/ MÜLLER, a.a.O., Rz. 581 f. und 585). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit
hat Verfassungsrang, gemäss Art. 5 Abs. 2 BV muss alles staatliche
Handeln verhältnismässig sein. Dieser Grundsatz fordert, dass die
Verwaltungsmassnahmen zur Verwirklichung des im öffentlichen
Interesse liegenden Ziels geeignet und notwendig sind. Ausserdem
muss der angestrebte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zu den
Freiheitsbeschränkungen stehen, die dem Privaten auferlegt werden.
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Gemäss Rechtssprechung des Bundesgerichts steht der An-
waltsberuf unter dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit gemäss
Art. 27 BV. Der Entzug (bzw. die Verweigerung) der Berufsaus-
übungsbewilligung stellt somit einen Eingriff in ein verfassungsmäs-
sig geschütztes Rechtsgut dar. Durch die polizeilich motivierte
Bewilligungspflicht gemäss Art. 4 ff. BGFA wird auf der anderen
Seite der im öffentlichen Interesse liegende Schutz der potentiellen
Klienten vor persönlich zum Anwaltsberuf generell ungeeigneten
Personen angestrebt.
Für die Löschung aus dem Register muss demnach aus der
strafrechtlichen Verurteilung des Anwaltes mit einiger Wahrschein-
lichkeit der Schluss gezogen werden können, dieser biete keine oder
zu wenig Gewähr für die Einhaltung der Berufsregeln, weshalb seine
Verurteilung mit dem Anwaltsberuf unvereinbar erscheine.
5.4.
Bezüglich der Frage der Vereinbarkeit einer strafrechtlichen
Verurteilung mit dem Anwaltsberuf spielen die Aspekte der Zutrau-
enswürdigkeit des Anwaltes, der Seriosität und der Ehrenhaftigkeit
eine entscheidende Rolle. Die inkriminierte Handlung muss das vom
Gesetzgeber geschützte Vertrauen in den Anwaltsberuf tangieren, um
eine Auswirkung auf den Registereintrag entfalten zu können. Verur-
teilungen wegen Vermögensdelikten sind mit dem Anwaltsberuf klar
nicht vereinbar sind, weil sich Anwälte regelmässig eine Inkassovoll-
macht erteilen lassen und in einem solchen Fall keine zu wenig
Gewähr für die vorausgesetzte Einhaltung der Pflicht zur sorgfältigen
Verwahrung und Herausgabe anvertrauter Vermögenswerte bieten
würden (Art. 12 Abs. 1 lit. h BGFA). Demgegenüber wird eine
,,simple" Geschwindigkeitsübertretung in der Regel nicht relevant
sein (L. W. VALLONI / M. C. STEINEGGER, Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA], Zürich 2002,
Einführung Ziff. 5.5.2; STUDER
, a.a.O., S. 233). Grundsätzlich ist immer im Einzelfall aufgrund der konkreten
Handlung zu überprüfen, ob diese mit dem Anwaltsberuf noch ver-
einbar ist nicht. Von Bedeutung können insbesondere direkt-
oder eventualvorsätzlich begangene Handlungen sein, eher weniger
dagegen Fahrlässigkeitsdelikte. Eine gewisse Tatschwere ist Bedin-
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gung für die Unvereinbarkeit mit dem Anwaltsberuf, wobei die aus-
gesprochene strafrechtliche Sanktion ein Anhaltspunkt ist (STAEHE- LIN / OETIKER, BGFA-Kommentar, a.a.O., Art. 8 N 18). Mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind Delikte wie
Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Vermögens-
delikte, Delikte gegen die Willensfreiheit (Drohung, Nötigung),
Urkundenfälschungen, Geldwäscherei. Demgegenüber sind Delikte,
denen eine heftige Gemütsbewegung zugrunde liegt, die eine speziel-
le Seelenlage voraussetzen bei denen die kriminelle Energie ge-
ring ist (z.B. mässige Geschwindigkeitsüberschreitungen), eher mit
dem Anwaltsberuf vereinbar (STAEHELIN
/ OETIKER, BGFA-Kom- mentar, a.a.O., Art. 8 N 19 ff.).
[...]
6.
[...]
6.4.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Handlun-
gen, welche zur strafrechtlichen Verurteilung und zum Strafregister-
eintrag führten, nicht als ,,mit dem Anwaltsberuf unvereinbar" ge-
mäss Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA einzustufen sind. Es handelte sich
zwar unter anderem um Delikte gegen die Willensfreiheit, es bestand
aber eine starke seelische Drucksituation der beanzeigten Anwältin.
Zudem spielten sich die Handlungen nur im Privatleben ab und hat-
ten keinerlei Einfluss auf die berufliche Tätigkeit der beanzeigten
Anwältin. Insbesondere zeitigen sie keinerlei Auswirkungen hin-
sichtlich des vom Gesetz angestrebten Schutzes der Klienten. Die
vom Gericht ausgefällte, relativ tiefe Strafe weist darauf hin, dass
auch die Strafrichter zweifelsohne die immer noch schwierige per-
sönliche Situation der beanzeigten Anwältin (Arbeitslosigkeit des
Ehemannes, Kinder noch in Ausbildung) mitberücksichtigt haben.
Eine Löschung im Anwaltsregister würde als unverhältnismässig er-
scheinen. Unter all diesen Gesichtspunkten ist auf die Löschung aus
dem Anwaltsregister zu verzichten.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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