[...]
94 Anschlussgebühren; Gebührenhoheit - Für die Abgabeerhebung ist im Sinne des Territorialitätsprinzips die Gemeinde zuständig, in der das anschlusspflichtige Grundstück liegt (Erw. 4.2.3.1.). - Kommen zwei Gemeinden ihrer Planungsund Koordinationspflicht bei grenzüberschreitenden Entwässerungsanlagen nicht nur un- genügend nach, so darf dem privaten Grundeigentümer daraus kein Nachteil entstehen (Erw. 4.2.3.2.).
Aus einem Entscheid der Schätzungskommission nach Baugesetz vom
6. September 2005 in Sachen F. AG gegen Einwohnergemeinde O.
Aus den Erwägungen
4.2.2. (...) Die Schmutzwasserleitung im Grenzweg unter-
liegt weder einem Zweckverband noch einer vertraglichen Regelung
zwischen der Beschwerdegegnerin und der Gemeinde A. [Anmer-
kung: die Nachbargemeinde A. hat bereits Anschlussgebühren erho-
ben, weil das Grundstück der F. AG auf ihrem Territorium liegt].
Eine vertragliche Regelung fehlt, wonach jener Gemeinde die
Zuständigkeit für die Erhebung von Anschlussgebühren zufallen
solle, die den Leitungsabschnitt, an den angeschlossen wird, erstellt
hat und für den Unterhalt sorgt. Als (generelle) Regelanknüpfung
taugt jedoch die Tatsache der Erstellung und/oder des Unterhalts der
Leitung nicht. Gerade bei Leitungen, die von verschiedenen Gemein-
wesen ohne entsprechende vertragliche Regelung erstellt und unter-
halten werden - und nur in diesen Fällen sind Zuständigkeitskonflikte
der vorliegenden Art zu erwarten zeigt sich die Unzulänglichkeit
dieser Anknüpfung.
4.2.3.1. Klarer und ohne weiteres vorhersehbar ist dagegen
die Zuordnung nach der Lage des anschlusspflichtigen Grundstücks
(...). Allein dies spricht an sich für den Vorrang dieser Anknüpfung.
Auch deutet die Formulierung in § 1 Abs. 1 des Abwasserreglements
(AR) der Beschwerdegegnerin vom (...) diese räumliche Anknüp-
fung an, indem sie die Planung, Organisation und Überwachung der
Ableitung und Reinigung der Abwässer auf dem ganzen Gemein-
degebiet zur Gemeindeaufgabe zählt. Die Gemeinde hat mit anderen Worten für die Beseitigung des gesamten Schmutzund Sauberwas-
seranfalls auf dem Territorium der Gemeinde zu sorgen. Sie trägt die
Erschliessungspflicht für die Bauzonen (§ 33 Abs. 1 BauG), weshalb
ihr in diesem Sachbereich auch die Abgabehoheit zusteht. Der für die
Anknüpfung wesentliche Sachverhalt ist der Ort des Abwasseran-
falls, also das in der Gemeinde gelegene, abwasserverursachende
Grundstück. Andere, auswärtige Grundstücke muss sie weder er-
schliessen, noch kann sie diese ausserhalb ihrer Hoheitsgewalt lie-
genden Flächen belasten (vgl. dazu auch AGVE 2004, S. 329; Erich
Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage,
Aarau 1985, § 31 N 4; Bernhard Staehelin, Erschliessungsbeiträge,
Diss., Diessenhofen 1980, S. 154).
4.2.3.2. Für die Anknüpfung an die Standortgemeinde spricht
im Weiteren, dass die Gemeinden ein generelles Kanalisationsprojekt
(GKP) ausarbeiten müssen, dessen Umfang dem im Zonenplan aus-
geschiedenen Baugebiet entspricht und das alle bestehenden und
geplanten öffentlichen Kanalisationsleitungen, deren Nebenanlagen
sowie die zentrale Abwasserreinigungsanlage enthält (§ 7 Abs. 1 EG
GSchG). Dies erhellt, dass sich auch die kommunale Planung räum-
lich am Abwasseranfall auf dem eigenen Gemeindegebiet zu orien-
tieren hat. Folgerichtig erstellen und betreiben die Gemeinden öffent-
liche Abwasserleitungen innerhalb des GKP (§ 10 Abs. 1 EG
GSchG).
Anlässlich der Verhandlung zeigte sich, dass die Leitung im
Grenzweg sowohl im Generellen Entwässerungsplan (GEP) der Ge-
meinde A. als auch im GKP und Entwurf des GEP der Beschwerde-
gegnerin enthalten ist (...). Im Rahmen der kommunalen Entwässe-
rungsplanung haben die Gemeinden auch die Aufgabe, grenzüber-
schreitende Entwässerungsanlagen zu koordinieren. Kommen sie
dieser Planungsund Koordinationspflicht nicht nur ungenü-
gend nach, so darf dem privaten Grundeigentümer daraus kein Nach-
teil entstehen. Er darf sich darauf verlassen, dass eine im GEP der
Standortgemeinde enthaltene Leitung, an die er anschliesst, zur Ab-
gabepflicht gegenüber diesem Gemeinwesen führt. Im Weiteren ist
anzumerken, dass spätestens im Rahmen eines grenzüberschrei-
tenden Baugesuchs, wie es ja auch hier der Fall war (wenn auch nur
bezüglich einer nebensächlichen Passarelle, weshalb auf ein se-
parates Baubewilligungsverfahren in O. verzichtet wurde), nicht nur
das Baubewilligungsverfahren, sondern auch die Anschlussge-
bührenerhebung zu koordinieren ist. Wird die Abgabeerhebung in
diesem Zusammenhang, aus welchen Gründen auch immer, nicht
thematisiert (...), so darf dies nicht zur doppelten Gebührenerhebung
zu Lasten des Privaten führen.