92 Nachträglicher Beitragsplan nach § 37 Abs. 2 BauG
- Die Grenze zwischen überwälzbaren Bauzinsen und nicht im nach-
träglichen Beitragsplan zu verteilenden Vorfinanzierungszinsen muss
nach objektiven Gesichtspunkten bestimmt werden (Erw. 3.4.).
- Am Stichtag für das Bauende muss die Erschliessungsanlage im We-
sentlichen erstellt sein und allen Grundeigentümern im Bei-
tragsperimeter zur Benutzung freistehen (Erw. 3.5. ff.).
Aus einem Entscheid der Schätzungskommission nach Baugesetz vom 6. September 2005 in Sachen Erschliessungsgesellschaft G. gegen Einwohnergemeinde B.
Aus den Erwägungen
3.4. Der öffentlich-rechtliche Erschliessungsvertrag (ÖREV) sieht ausdrücklich vor, dass die vorfinanzierenden Grundeigentümer die gesamten Kosten vollumfänglich und zinslos bevorschussen (...). Dies entspricht der gesetzlichen Konzeption der Vorfinanzierung von Erschliessungsanlagen durch Private (...). Die während der Bauphase anfallenden Zinskosten, die ja auch im Falle eines ursprünglichen Beitragsplans auf alle Grundeigentümer zu verteilen wären, gehören dagegen zu den ordentlichen, auf sämtliche Grundeigentümer zu verteilenden Erschliessungskosten. Entscheidend ist nun, wann die Bauphase bzw. die in dieser Zeitspanne anfallenden Bauzinsen enden. Dieser Zeitpunkt ist sowohl im Interesse der vorfinanzierenden Grundeigentümer wie auch im Interesse der nicht vorfinanzierenden Grundeigentümer nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen. Es kann nicht im Belieben der Vertragsparteien des ÖREV stehen, den Zeitpunkt der Bauvollendung "nach hinten" zu verschieben, indem sie beispielsweise im Voraus und abstrakt ein für die Bauzinsen relevantes Bauende zwei Jahre nach Baubeginn festlegen würden. Aus der Sicht der nicht vorfinanzierenden Grundeigentümer läge ein unzulässiger echter Vertrag zu Lasten Dritter vor. Wird die "Bauzinsgrenze" dennoch vertraglich "nach hinten" verschoben, so kann dieser Regelung lediglich eine Bedeutung
zwischen den Vertragsparteien zukommen. Ebenso muss ausgeschlossen werden, dass das Bauende von Tatsachen abhängig gemacht wird, die nicht unmittelbar mit der Bauausführung zusammenhängen und von den Beschwerdeparteien beliebig verzögert werden können. Eine zeitliche Anknüpfung an die endgültige Vorlage der Kostenzusammenstellung durch die vorfinanzierenden Grundeigentümer ist ebenso abzulehnen wie jene an die Feststellungsverfügung zur Eigentumsübertragung der Erschliessungsanlagen an das Gemeinwesen. 3.5. Das Ergebnis der Erschliessung - die Erschliessungsanlage kann dem Werkbegriff des Art. 363 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR; SR 220) vom 30. März 1911 untergeordnet werden. Die Bestimmung in Art. 367 Abs. 1 OR schreibt vor, dass der Besteller, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist, die Beschaffenheit des Werkes zu prüfen und den Unternehmer von allfälligen Mängeln in Kenntnis zu setzen hat. Ablieferung und Abnahme eines Werkes setzen immer dessen Vollendung voraus. Vollendet ist ein Werk, sobald sämtliche vereinbarten Arbeiten ausgeführt sind, das Werk also fertig gestellt ist. Nichts ändert an der Vollendung des Werkes, wenn Nachbesserungsarbeiten zur Beseitigung von Werkmängeln ausstehen. Das fertig gestellte Werk ist vor der Nachbesserung vollendet (vgl. Gaudenz G. Zindel / Urs Pulver, in: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 3. Aufl., Basel / Genf / München 2003; Art. 367 N 3; Peter Gauch, Der Werkvertrag, 3. Aufl., Zürich 1985, N 94). Anzufügen bleibt allerdings, dass das Ausbleiben ganz unbedeutender, völlig nebensächlicher Arbeiten, die im Verhältnis zum ganzen Werk geringfügig sind, unter dem Gesichtspunkt der Ablieferung so zu halten ist, wie wenn das Werk vollendet wäre (Gauch, a.a.O., N 95). Ist der Moment der Vollendung der Erschliessungsanlage festzulegen, so erscheint es sachgerecht, sich mangels gesetzlicher Regelung im Kanton Aargau an eine Formel des bernischen Erschliessungsabgaberechts anzulehnen. Das Berner Dekret über die Beiträge der Grundeigentümer an Erschliessungsanlagen und an weitere öffentliche Werke und Massnahmen vom 12. Februar 1985
(Bernische Systematische Gesetzessammlung 732.123.44) bestimmt in Art. 5 Abs. 2 Folgendes: "Ein Werk gilt als vollendet, wenn es im wesentlichen erstellt (bei Strassen Einbau des Deckbelages der Verschleissschicht) und zur Benützung freigegeben ist." Massgebliche Merkmale der Bauvollendung sind somit die Erstellung der wesentlichen Teile und die Freigabe zur Benützung. Dass der Zeitpunkt der Benützung der neu erstellten Anlage durch die nicht vorfinanzierenden Grundeigentümer relevant sein muss, folgt indirekt auch aus § 38 BauG. Ein Anspruch auf Mitbenutzung der erstellten Erschliessungsanlagen ist erst ab diesem Moment denkbar und ein Begehren der vorfinanzierenden Grundeigentümer auf vorläufige Kostenbeteiligung kann frühestens ab der tatsächlichen Benutzung durch die übrigen Grundeigentümer im Erschliessungsperimeter gestellt werden. So lassen sich abseitsstehende, aber dennoch begünstigte Grundeigentümer, welche die Erschliessungsanlage nach Vollendung mitbenutzen, ohne zeitliche Lücke in die Pflicht nehmen, falls die Gemeinde die Anlage vorerst nicht übernimmt und keinen nachträglichen Beitragsplan erlässt. 3.6.2. (...) Das Datum der definitiven Rechnungsstellung ist nicht mit dem Bauende gleichzusetzen. Dass insgesamt über 40 Rechnungen erst im Oktober und November 2001 [Anmerkung: Stichtag in casu: 30. Juni 2001] vorlagen, ist für die Bauvollendung nicht massgebend. Vielmehr entspricht es dem üblichen Geschäftsgang, dass die Endabrechnungen erst nach Vollendung der Bauarbeiten zugestellt werden. Betrachtet man im Weiteren die "noch nicht ausgeführten Arbeiten" der Bauabrechnung (...), so handelt es sich um Begrünungsarbeiten (...), Grabund Verlegearbeiten an Hydrant Nr. 44 (...), Grabarbeiten für Leitung Beleuchtung bei noch fehlenden Kandelabern (...), zusätzliche Hecke bei Parz. 2106 (...) sowie Strassenbeleuchtung (...). Alle diese Positionen im Gesamtumfang von Fr. 44'297.25 sind im Verhältnis zum Total der Erschliessungskosten von Fr. 2'396'500.95 marginal. Auch haben sie mit den Erschliessungsanlagen (Strassen, Abwasserkanalisation, Wasserversorgung, Elektrische Energie, Telekommunikation und Kabelnetz Radio/TV) nur am Rande unwesentlich zu tun (...). Diese Restarbeiten vermögen die Bauvollendung - die Erstellung der Erschlies-
sungsanlagen im Wesentlichen - nicht aufzuschieben. Der Zinsenlauf für die gesamten Bauarbeiten im Umfang von circa Fr. 2.4 Mio. kann nicht durch restliche Begrünungsarbeiten u.ä. von einigen Zehntausend Franken in die Länge gezogen werden. 3.6.3. Wesentlich ist hingegen, dass die im vorangehend umschriebenen Sinne vollendeten Bauten der Benützung zugänglich sind. Die Beschwerdeführer haben nichts vorgebracht, was an der Benutzbarkeit der Anlagen per 30. Juni 2001 Zweifel erweckt. Im Gegenteil machen sie geltend, dass eine allfällige Nutzung der Erschliessung schon vor dem Abrechnungsdatum allen Grundeigentümern, nicht nur den Mitgliedern der Erschliessungsgesellschaft offen gestanden habe, weshalb es unverständlich sei, dass die Grundeigentümer ausserhalb der Erschliessungsgesellschaft weniger belastet würden (...). Die Beschwerdeführer verkennen damit aber das System der Vorfinanzierung von Erschliessungsanlagen, welches vorsieht, dass die erschliessungswilligen Grundeigentümer auf eigene Kosten erschliessen und den Vorschuss zinslos erbringen (...). Die Beschwerdeführer haben sich mit anderen Worten die Vorzeitigkeit mit einem Zinsverzicht "erkauft". (...) Auf die anderen Grundeigentümer, die von den Erschliessungsanlagen profitieren, ihrer vorzeitigen Errichtung aber nicht zugestimmt haben, können in jedem Fall nur die ordentlichen Bauzinsen bis zur - nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmenden - Bauvollendung verteilt werden.