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76 Abzüge vom Roheinkommen; Gewinnungskosten des unselbstständig Erwerbenden; Fahrtkosten (§ 35 Abs. 1 lit. a StG). - Ist streitig, ob für den Arbeitsweg die Autokosten zu gewähren sind, kann zur Berechnung der Fahrtzeit mit den öffentlichen Verkehrsmit- teln eine kurze Fahrt mit dem Auto bis zum Bahnhof berücksichtigt werden, selbst wenn für diese Teilstrecke ein öffentliches Verkehrs- mittel zur Verfügung steht.
17. November 2005 in Sachen A.S., RV.2005.50261/K 0149
Aus den Erwägungen
2. a) Die Rekurrentin wohnt an der L.-strasse in A. und war im
Jahr 2003 an der R.-strasse in Z. tätig. Sie beantragt, es seien für die
Fahrten an den Arbeitsplatz die Autokosten zum Abzug zuzulassen,
da die tägliche Zeitersparnis im Vergleich zu den öffentlichen Ver-
kehrsmitteln 88 Minuten betrage.
b) Die Steuerkommission A. stellte fest, die tägliche Zeiterspar-
nis betrage lediglich 49 Minuten, wenn die Rekurrentin mit dem
Auto an den Bahnhof in L. fahre und ab dort mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln nach Zumikon. Die Benützung der Park & Ride-
Parkplätze sei der Rekurrentin zumutbar. Entsprechend wurden die
Autokosten nach L., die Kosten des Parkplatzes und die Kosten der
öffentlichen Verkehrsmittel von L. nach Z. gewährt.
3. Gemäss § 35 Abs. 1 lit. a StG werden bei unselbstständiger
Erwerbstätigkeit unter anderem die notwendigen Kosten für Fahrten
zwischen Wohnund Arbeitsstätte als Berufskosten vom
Reineinkommen abgezogen. Dabei gilt als Grundsatz, dass die
Kosten des öffentlichen Verkehrsmittels abziehbar sind. Wird das
Auto nicht zur Berufsausübung benötigt, und bestehen keine anderen
Gründe wie
· körperliche Gebrechen des Steuerpflichtigen,
· Missverhältnis des Zeitaufwandes für die Zurücklegung des
Arbeitsweges bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel
zur Dauer der Arbeitsleistung,
· durch den Betriebsablauf vorgegebene unregelmässige Ar-
beitszeit und ungünstige Verbindungen der öffentlichen Ver-
kehrsmittel,
so ist in der Regel die Zumutbarkeit der Benützung der öffentli-
chen Verkehrsmittel davon abhängig, ob sich der bei Autobenützung
ergebende Zeitgewinn täglich auf mehr als eine Stunde beläuft. Nach
der mit RGE vom 28. Mai 1997 in Sachen K.G. (= AGVE 1997
S. 404) eingeleiteten Rechtsprechung wird jedoch nicht mehr nur
(schematisch) auf die Zeitersparnis von mehr als einer Stunde abge-
stellt, sondern primär auf die Quantität (Fahrplandichte) und die
Qualität (direkte Verbindungen, S-Bahn Bummelzüge) des An-
gebotes an öffentlichen Verkehrsmitteln, die Umsteigeverhältnisse
und die Distanzen zu den Haltestellen. Die Differenz zwischen der
Zeit, die mit öffentlichen und derjenigen, die mit privaten Verkehrs-
mitteln benötigt wird, ist als zusätzliches Kontrollinstrument
einzusetzen. Überschreitet die Zeitersparnis den Zeitraum von einer
Stunde, so deutet dies auf ungenügende öffentliche Verkehrsmittel
hin. Je grösser der Zeitunterschied, umso eher wird es unzumutbar,
die öffentlichen Verkehrsmittel zu benützen. Im Bereich von einer
Stunde Zeitersparnis hängt der Entscheid von der Würdigung aller
Umstände ab (so auch RGE vom 7. Juni 2001 in Sachen H.S.). Das
Steuerrekursgericht führte im RGE vom 19. Juni 2003 in Sachen J.S.
ergänzend aus, der ,,Bereich von einer Stunde" könne nicht beliebig
ausgedehnt werden, weder zu Gunsten noch zu Ungunsten der steu-
erpflichtigen Person. Die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel
sei bei einer täglichen Zeitersparnis bei Benützung des Fahrzeugs
von über 70 Minuten nicht mehr zumutbar, unabhängig von der
Qualität und Quantität der Verbindungen, der Fahrplandichte und den
Distanzen zu den Haltestellen. Wie es sich bei einer Zeitersparnis
zwischen 60 und 70 Minuten verhält, wurde offen gelassen.
4. a) Die Vorinstanz ist der Ansicht, die Benützung von Park &
Ride-Parkplätzen sei der Rekurrentin zumutbar. Dagegen erachtet die
Rekurrentin diese Mischvariante als realitätsfremd. Zudem sei ein
Parkplatz im P+R vor einer Wartezeit von 18 Monaten gar nicht er-
hältlich.
b) Das Steuerrekursgericht berücksichtigte bereits in einem Fall
Park & Ride-Parkplätze (RGE vom 15. März 2003 in Sachen T.R.).
Dabei betrug die Distanz zwischen dem Wohnort der steuerpflichti-
gen Person und dem Bahnhof 1,8 km. Öffentliche Verkehrsmittel
standen für diesen Weg nicht zur Verfügung. Da eine solche Distanz
nicht zu Fuss zurückgelegt werden muss und der Gebrauch eines
Fahrrades nicht vorgeschrieben werden kann, wurden die Autokosten
für die Fahrten an den Bahnhof, die Parkplatzkosten und ab dort die
Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel bis zum Arbeitsort zum Ab-
zug zugelassen.
c) Nach Ansicht des Steuerrekursgerichtes ist auch im
vorliegenden Fall der Rekurrentin die Benützung der Park & Ride-
Parkplätze in L. zumutbar. Durch eine kurze Fahrt mit dem Auto
kann der Grossteil des Arbeitsweges mit den öffentlichen Verkehrs-
mitteln zurückgelegt und dennoch eine Zeitersparnis von unter einer
Stunde erreicht werden. Damit wird auch dem Grundsatz, dass die
Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel als Fahrtkosten zum Abzug
zuzulassen sind (Erw. 3), Rechnung getragen. Entgegen den Ausfüh-
rungen der Rekurrentin ist diese ,,Mischvariante" auch nicht realitäts-
fremd, benutzen doch jeden Tag sehr viele erwerbstätige Personen
die Park & Ride-Parkplätze, um zum Arbeitsort zu gelangen. Dies ist
auch daraus ersichtlich, dass nach Aussagen der Rekurrentin in L. für
die Zuteilung eines Parkplatzes 18 Monate gewartet werden muss.
Die Wartezeit ist hingegen kein Argument zur Gewährung der Auto-
kosten, da die Vorinstanz der Rekurrentin die Kosten für einen ,,nor-
malen Parkplatz" gewährt hat, nicht nur die reduzierten Kosten eines
Park & Ride-Parkplatzes.
d) Die Rekurrentin bestreitet nicht, dass die tägliche Zeiterspar-
nis bei Benützung der Parkplätze am Bahnhof L. weniger als eine
Stunde beträgt. Die übrigen Argumente der Rekurrentin vermögen
die Gewährung der Autokosten nicht zu begründen. Der Umstand,
dass nach 19.39 Uhr kein Bus mehr in Richtung A. verkehrt ist uner-
heblich, da diese Teilstrecke mit dem Auto zurückgelegt wird. Und
die möglichen Verspätungen der öffentlichen Verkehrsmittel werden
bei der Berechnung der Zeitersparnis ebenso wenig berücksichtigt
wie der mögliche Stau auf den Strassen. Der Rekurs erweist sich in
diesem Punkt als unbegründet und ist abzuweisen.