2004 Besoldung 387
I. Besoldung
111 Sozialversicherung. Arbeitgeberbeiträge. - Betreibungsbeamte sind öffentlichrechtlich angestellt, selbst wenn sie im Sportelsystem entlöhnt werden (Erw. I/1). - Eine Anstellung mittels Verfügung schliesst die vertragliche Rege- lung einzelner Punkte des Anstellungsverhältnisses nicht aus (Erw. I/2). - Die Vereinbarung, wonach der Betreibungsbeamte auf eigene Rech- nung Dritte anstellen kann, jedoch selber die Arbeitgeberbeiträge für deren Sozialversicherungen bezahlen muss, verstösst in concreto nicht gegen zwingendes Recht (Erw. II).
Aus dem Entscheid des Personalrekursgerichts vom 15. September 2004 in Sachen B. gegen Einwohnergemeinde X. (BE.2004.50001).
Aus den Erwägungen
I. 1. a) Gemäss § 48 Abs. 1 PersG gelten bei Streitigkeiten aus
einem öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnis zwischen Gemeinden,
Gemeindeverbänden anderen öffentlichrechtlichen Körper-
schaften und ihren Mitarbeitenden die Bestimmungen über das ge-
richtliche Klageund Beschwerdeverfahren gemäss §§ 39 und 40
PersG; das Schlichtungsverfahren nach § 37 PersG entfällt.
b) Vorliegend stellt sich die Frage, ob zwischen der Beklagten
und dem Kläger ein öffentlichrechtliches Anstellungsverhältnis vor-
lag ein privatrechtlicher Vertrag (Arbeitsvertrag, Auftrag oder
dergleichen) abgeschlossen wurde.
Die Betreibungsbeamten werden durch den Gemeinderat ge-
wählt (§ 2 Abs. 1 AG SchKG). Sie üben Funktionen der kantonalen
Rechtspflege aus, die den Gemeinden zur Erfüllung übertragen sind.
Die Gemeinden regeln die Besoldung und das übrige Dienstverhält-
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nis (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AG SchKG). Die Haftung der Betreibungsbe-
amten richtet sich nach dem Verantwortlichkeitsgesetz (§ 5 Abs. 1
AG SchKG). Sie unterstehen der Disziplinargewalt der Aufsichtsbe-
hörden (§ 12 AG SchKG).
Aufgrund der vorstehenden gesetzlichen Grundlagen ergibt sich
zweierlei: Zum einen stehen Betreibungsbeamte in einem Anstel-
lungsverhältnis ("Dienstverhältnis"; § 4 Abs. 1 Satz 1 AG SchKG),
zum anderen ist dieses öffentlichrechtlicher Natur (Bezeichnung als
"Beamte", Anstellung durch "Wahl", Wahrnehmung von Funktionen
der kantonalen Rechtspflege, Disziplinargewalt der Aufsichtsbe-
hörde, Verantwortlichkeit). Dies gilt entsprechend den dargestellten
Kriterien - unabhängig davon, ob sich die Entschädigung nach einer
bestimmten Besoldungsordnung richtet ob der Betreibungsbe-
amte das Amt auf eigene Rechnung organisiert (Sportelsystem). Im
Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass auch das Bundesgericht bei ei-
nem im Sportelsystem entlöhnten Betreibungsbeamten von einem öf-
fentlichrechtlichen Anstellungsverhältnis ausging (vgl. Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 25. November 1980).
c) Somit lässt sich festhalten, dass der Kläger öffentlichrecht-
lich angestellt war. Entsprechend gelangen für die vorliegend zu be-
urteilende Streitigkeit § 48 Abs. 1 PersG und damit die Bestimmun-
gen über das gerichtliche Klageund Beschwerdeverfahren gemäss
§§ 39 und 40 PersG zur Anwendung; das Schlichtungsverfahren nach
§ 37 PersG entfällt.
2. Der Kläger beantragt die Rückerstattung der in den Jahren
1998 bis 2001 durch ihn bezahlten Arbeitgeberbeiträge für die Sozi-
alversicherungen der Angestellten des Betreibungsamtes im Betrag
von Fr. 70'003.85. Es ist zu prüfen, ob dieses Begehren im Be-
schwerdeoder im Klageverfahren zu beurteilen ist.
a) Es kann vorliegend offen bleiben, ob die Anstellung des Klä-
gers mittels Verfügung mittels Vertrag erfolgte. Eine vertragli-
che Anstellung schliesst die Festsetzung des Lohnes mittels Verfü-
gung nicht aus (vgl. § 8 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 PLV, wonach das
Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kantons
mittels Vertrag begründet wird, die Festsetzung des Lohns jedoch
mittels Verfügung erfolgt); ebenso können im Rahmen einer Anstel-
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lung mittels Verfügung bestimmte Punkte vertraglich geregelt wer-
den. In Bezug auf die gegenseitigen finanziellen Verpflichtungen der
Parteien erscheint wesentlich, dass gemäss Wortlaut des Protokoll-
auszuges des Gemeinderates X. vom 23. Oktober 1987 die gegensei-
tigen Leistungen mit dem Kläger "bereinigt" worden sind. Dieser
Begriff weist klar auf eine vertragliche Regelung hin. Effektiv hätte
der Kläger mangels entsprechender gesetzlicher Grundlage kaum
mittels Verfügung zu finanziellen Leistungen verpflichtet werden
können, wie sie gemäss dem erwähnten Protokollauszug fixiert wur-
den (u. a. Löhne und Weiterbildungskosten der Angestellten, Tele-
fonabonnement, Gesprächstaxen; vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2002,
Rz. 1077). Für eine vertragliche Lösung spricht auch der erhebliche
Ermessensspielraum bei der Festlegung der gegenseitigen Rechte
und Pflichten im Rahmen des Sportelsystems (vgl. Häfelin/Müller,
a.a.O., Rz. 1078).
Streitgegenstand ist vorliegend die Frage, ob im Rahmen der
erwähnten vertraglichen Regelung dem Kläger die Bezahlung der
Sozialversicherungsbeiträge seiner Angestellten überbunden werden
durfte ob diese Regelung gegen zwingendes Recht verstiess.
Entsprechend den obigen Darlegungen handelt es sich dabei um eine
vertragliche Streitigkeit.
b) Gemäss § 39 lit. a PersG sind vertragliche Streitigkeiten aus
dem Arbeitsverhältnis vom Personalrekursgericht im Klageverfahren
zu beurteilen. Die Bestimmung trat wie die übrigen Rechtsschutz-
bestimmungen des Personalgesetzes auch am 1. November 2000 in
Kraft (RRB vom 27. September 2000, AGS 2000, S. 248). Der
Grundsatz, wonach neue Verfahrensvorschriften grundsätzlich sofort
und uneingeschränkt anzuwenden sind, gilt auch in Bezug auf das
Personalgesetz (AGVE 2001, S. 519). Da der Kläger seine Begehren
erst nach Inkrafttreten von § 39 lit. a PersG einreichte, ist folglich die
Bestimmung für sämtliche geltend gemachten Ansprüche anzuwen-
den.
c) Zusammenfassend ist das vorliegende Begehren vom Perso-
nalrekursgericht im Klageverfahren zu beurteilen. Die Sachzustän-
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digkeit ist gegeben und auf die formgerecht eingereichte Klage ist
einzutreten.
II. 1. a) Arbeitnehmer und Arbeitgeber übernehmen je einen be-
stimmten Anteil der Sozialversicherungsbeiträge. Der von den Ar-
beitnehmern zu bezahlende Teil wird direkt vom Lohn abgezogen
(Arbeitnehmerbeitrag) und ist durch den Arbeitgeber zusammen mit
dem durch ihn zu tragenden Teil (Arbeitgeberbeitrag) den entspre-
chenden Ausgleichskassen bzw. Vorsorgeeinrichtungen periodisch zu
entrichten. Gegenüber einer Ausgleichskasse bzw. einer Vorsorgeein-
richtung ist der Arbeitgeber in Bezug auf den Arbeitgeberanteil Bei-
tragsund gleichzeitig Erfüllungsschuldner; betreffend dem Arbeit-
nehmeranteil ist er hingegen nur Erfüllungsschuldner (vgl. Alfred
Maurer, Bundessozialversicherungsrecht, 2. Auflage, Basel/Frankfurt
a.M. 1994, S. 69; Thomas Locher, Grundriss des Sozialversiche-
rungsrechts, 3. Auflage, Bern 2003, S. 167).
Im Verhältnis gegenüber der Sozialversicherung ist folglich
zwischen der Zahlungsbzw. Beitragspflicht einerseits und der Ab-
rechnungsbzw. Erfüllungspflicht anderseits zu unterscheiden: Ar-
beitnehmer und Arbeitgeber bezahlen je bestimmte Anteile der Sozi-
alversicherungsbeiträge; die Abrechnungspflicht trifft hingegen aus-
schliesslich den Arbeitgeber.
b) Die Abrechnungspflicht der Beklagten ist in concreto unbe-
stritten. Sie ergibt sich auch aus dem Schreiben der Sozialversiche-
rungsanstalt des Kantons Aargau (SVA) vom Januar 1995 sowie aus
dem Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom
25. November 1980. Zu prüfen ist vorliegend die Frage, wer die Ar-
beitgeberbeiträge der Angestellten des Betreibungsamtes zu bezahlen
hat bzw. wer in Bezug auf die Sozialversicherungsbeiträge der Ange-
stellten als beitragspflichtig anzusehen ist. Diesbezüglich lässt sich
den erwähnten Dokumenten keine Aussage entnehmen.
2. a) Wesentliche Teile des schweizerischen Sozialversiche-
rungssystems sind soweit Arbeitnehmer betroffen sind geprägt
vom Grundsatz der Beitragsparität. Die Alters-, Hinterlassenenund
Invalidenversicherung der 1. Säule, die Erwerbsersatzordnung sowie
die Arbeitslosenversicherung werden durch Beiträge der Versicherten
finanziert, wobei die Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmenden die
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Hälfte der Beiträge zu bezahlen haben. An die Finanzierung der be-
ruflichen Vorsorge haben die Arbeitgeber mit mindestens der Hälfte
der Beiträge mitzuwirken. Dieses Finanzierungssystem ist nicht nur
auf gesetzlicher Ebene geregelt, sondern auch in der Bundesverfas-
sung verankert (Art. 112 Abs. 3 lit. a, Art. 113 Abs. 3 und Art. 114
Abs. 3 BV). Der Grundsatz der Beitragsparität ist seit langem Be-
standteil des schweizerischen Sozialversicherungssystems und kann
als tragendes Prinzip von verfassungsmässigem Rang bezeichnet
werden (vgl. zum Ganzen AJP 2002, S. 589, BGE 127 III 449 sowie
BGE 107 II 435 = Pra 1982 S. 139 f.).
b) Im Hinblick auf die tragende Funktion, die dem Beitragspa-
ritätsprinzip im schweizerischen Sozialversicherungssystem zu-
kommt, versteht es sich von selbst, dass nicht nur die einschlägigen
Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts zwingenden Charakter
haben müssen, sondern dass auch allfälligen Umgehungsversuchen
von Arbeitgebern, die der Abrechnungslast der Beitragslast ent-
gehen wollen, ein Riegel geschoben werden muss. Daher sind nach
einhelliger Rechtsprechung und Lehre vertragliche Vereinbarungen
widerrechtlich und somit nichtig, die es dem Arbeitgeber gestatten,
die ihm obliegenden Beiträge an die Sozialversicherungen neben
denjenigen des Arbeitnehmenden von dessen Bruttolohn abzuziehen.
Immerhin lässt die Rechtsprechung beim Vorliegen besonderer Um-
stände Ausnahmen zu, so etwa bei der Vereinbarung einer Umsatz-
beteiligung, sofern die Parteien der Überbürdung der gesamten Ab-
gabelast auf den Arbeitnehmer durch eine Erhöhung der Provision
Rechnung getragen haben. Massgebend ist dabei die Überzeugung,
dass es im Grunde materiell bedeutungslos ist, welche Art von
Lohnvereinbarungen die Parteien eines Arbeitsvertrages treffen, so-
fern sie sich nur einig sind, welches die Lohnkosten für den Arbeit-
geber insgesamt sein sollen bzw. welchen Betrag letztlich der Ar-
beitnehmer ausbezahlt erhalten soll. Insoweit ist es müssig, von der
zwingenden Natur der Beitragsparität zu sprechen. Etwas anderes
würde nur gelten, wenn bzw. insoweit gesetzliche kollektivver-
tragliche Mindestlohnvorschriften bestehen (vgl. AJP 2002, S. 589 f.
mit zahlreichen Hinweisen).
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c) Die Parteien haben die gegenseitigen finanziellen Rechte und
Pflichten eingehend geregelt. Ein zentraler Punkt der entsprechenden
Vereinbarung war, dass der Kläger auf eigene Rechnung Dritte an-
stellen könne, jedoch selber für die anfallenden Lohnkosten und So-
zialversicherungsbeiträge aufkommen müsse.
Die zitierte Regelung ist im erwähnten Protokollauszug un-
missverständlich und transparent formuliert. Dem Kläger muss folg-
lich bewusst gewesen sein, dass er die entsprechenden Sozialversi-
cherungsbeiträge zu bezahlen hatte; es wurde ihm keineswegs eine
zu hohe Entschädigung suggeriert (bezeichnenderweise unterlässt er
eine gegenteilige Behauptung). Dabei ist wesentlich, dass die um-
strittene Übernahme der Arbeitgeberbeiträge durch den Kläger kei-
nen Abzug von einem vorbestimmten Bruttolohn zur Folge hatte,
sondern einen von verschiedenen Faktoren für die vertragliche Fest-
legung der gegenseitigen Leistungen und Ansprüche bildete.
Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen (lit. a und b) liegt
kein Verstoss gegen zwingendes Recht vor; die umstrittene Regelung
lässt sich folglich nicht beanstanden. Dies gilt umso mehr, als ledig-
lich in Bezug auf die Angestellten die Pflicht zur Leistung der Ar-
beitgeberbeiträge auf den Kläger überbunden wurde; die Arbeitge-
berbeiträge für den Kläger selber wurden ausschliesslich von der Be-
klagten bezahlt. Missbräuchliche auf Gesetzesumgehung ge-
richtete Absichten der Beklagten sind nicht erkennbar.
3. Zusammenfassend ergibt sich, dass die vertraglich getroffene
Regelung betreffend Bezahlung der Arbeitgeberbeiträge für die Sozi-
alversicherungen zulässig war. Ein Anspruch auf Rückzahlung der
geleisteten Beiträge besteht daher nicht. Die Klage ist dementspre-
chend vollumfänglich abzuweisen.