2004 Beschwerden gegen Einspracheentscheide des Migrationsamtes
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II. Beschwerden gegen Einspracheentscheide des
Migrationsamts
106 Familiennachzug eines Adoptivsohnes Zuständigkeit des Rekursgerichts zur vorfrageweisen Prüfung der Aner- kennung eines ausländischen Adoptionsentscheids (Erw. II/2c) Voraussetzungen der Anerkennung eines ausländischen Adoptionsent- scheids in der Schweiz (Erw. II/2).
Aus dem Entscheid des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom 15. Oktober 2004 in Sachen S.A. gegen einen Entscheid des Migrationsamts (BE.2004.00010).
Bestätigt durch den Entscheid des Bundesgerichts vom 11. April 2005 (2A.655/2004).
Sachverhalt
A. Der Beschwerdeführer erhielt im Jahre 1996 eine Jahresaufenthaltsbewilligung und verfügt seit Oktober 2002 über eine Niederlassungsbewilligung im Kanton Aargau. Zusammen mit seiner Ehefrau adoptierte er am 11. Januar 2001 in Mazedonien seinen Neffen, A.K. geb. 1990. Am 9. Februar 2001 reisten seine Ehefrau sowie die beiden gemeinsamen Töchter (geb. 1983 bzw. 1986) im Rahmen des Familiennachzuges in die Schweiz ein. Die Ehefrau verfügt heute über eine Jahresaufenthaltsbewilligung, die beiden Töchter sind im Besitz der Niederlassungsbewilligung. Am 27. Juni 2001 beantragte der Beschwerdeführer den Familiennachzug für seinen Adoptivsohn. Mit Verfügung vom 11. Dezember 2001 trat die Fremdenpolizei, Sektion Aufenthalt, auf das Familiennachzugsgesuch mit der Begründung nicht ein, dem Adoptionsentscheid könne nicht entnommen werden, ob es sich um
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eine vollständige Adoption handle. Trotz Aufforderung habe der Beschwerdeführer die erforderlichen Dokumente nicht nachgereicht. B. Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 21. Dezember 2001 Einsprache, welche von der Vorinstanz am 17. März 2004 abgewiesen wurde. C. Mit Eingabe vom 6. April 2004 erhob der Beschwerdeführer gegen den Einspracheentscheid Beschwerde.
Aus den Erwägungen
II. 2. Der Beschwerdeführer beantragt den Familiennachzug für seinen in Mazedonien adoptierten Sohn. Strittig ist, ob die Adoption in der Schweiz anerkannt werden kann. a) Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in der Schweiz richtet sich nach Art. 25 ff. IPRG. Dies gilt auch für den vorliegenden mazedonischen Adoptionsentscheid, da Mazedonien dem Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Internationalen Adoption vom 29. Mai 1993 (Haager Adoptionsübereinkommen [HAÜ], SR 0.211.221.311) bislang nicht beigetreten ist. b) Gemäss Art. 25 IPRG wird eine ausländische Entscheidung in der Schweiz anerkannt, wenn die Zuständigkeit der entscheidenden Behörde im Sinne von Art. 26 IPRG begründet war, kein ordentliches Rechtsmittel geltend gemacht werden kann der Entscheid endgültig ist und zudem kein Verweigerungsgrund im Sinne von Art. 27 IPRG vorliegt (insbesondere Verstoss gegen den Ordre public). Das Begehren auf Anerkennung ist an die zuständige Behörde des Kantons zu richten, in dem die ausländische Entscheidung geltend gemacht wird. Dabei ist gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. a und b IPRG unter anderem eine vollständige und beglaubigte Ausfertigung der Entscheidung und eine Bestätigung vorzulegen, dass gegen die Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann, dass sie endgültig ist. Wird die Anerkennung einer Entscheidung vorfrageweise geltend gemacht, kann die angerufene
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Behörde gemäss Art. 29 Abs. 3 IPRG selber über die Anerkennung entscheiden. c) Ausländische Adoptionsentscheide mit ausländischen Adoptiveltern und ausländischen Adoptivkindern werden nicht in schweizerische Register eingetragen (vgl. Art. 27 ff. der Zivilstandsverordnung [ZStV] vom 1. Juni 1953). Dementsprechend wird im Hinblick auf die Anerkennung der Adoption in der Schweiz auch kein förmliches Anerkennungsverfahren durchgeführt. Unter diesen Umständen obliegt es im fremdenpolizeilichen Verfahren derjenigen Behörde, die über die Bewilligung des Familiennachzuges eines adoptierten Kindes entscheidet, vorfrageweise über die Anerkennung des auslän- dischen Adoptionsentscheides zu befinden, ohne dass eine andere Behörde zur Frage der Anerkennung Stellung nehmen müsste. Nachdem das Rekursgericht kantonal letztinstanzlich über die Bewilligung des Familiennachzuges entscheidet, ist es gestützt auf Art. 29 Abs. 3 IPRG auch zuständig, vorfrageweise über die Anerkennung der ausländischen Adoption zu befinden. d) Gemäss Art. 78 Abs. 1 IPRG werden ausländische Adoptionen in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat des Wohnsitzes im Heimatstaat der adoptierenden Ehegatten ausgesprochen worden sind. Im vorliegenden Fall wurde die Adoption durch das Zentrum für Sozialangelegenheiten in T. (Mazedonien) ausgesprochen und es liegt eine vollständige und beglaubigte Ausfertigung des Adoptionsentscheides vor. Nachdem beide Adoptiveltern mazedonische Staatsangehörige sind, ist die Voraussetzung von Art. 78 Abs. 1 IPRG erfüllt. Dass das Zentrum für Sozialangelegenheiten in T. innerstaatlich für die Adoption zuständig war, ergibt sich aus dem Wohnsitz des adoptierten Sohnes und aus Art. 97 und 104 des mazedonischen Familiengesetzes. e) Der Adoptionsurkunde kann zudem entnommen werden, dass die Adoption rechtskräftig ist, womit auch die Voraussetzung von Art. 25 lit. b IPRG erfüllt ist. f) Fraglich bleibt damit einzig, ob ein Verweigerungsgrund im Sinne von Art. 27 IPRG vorliegt (Art. 25 lit. c IPRG).
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aa) Einer im Ausland ausgesprochenen Adoption ist die Anerkennung zu verweigern, wenn sie mit dem schweizerischen Ordre public offensichtlich unvereinbar wäre (Art. 27 Abs. 1 IPRG). bb) Auf Anfrage der Vorinstanz hin teilte der Leiter der Sektion Bürgerrecht und Personenstand des Departements des Innern des Kantons Aargau am 20. Dezember 2002 mit, es handle sich vorliegend um eine gemäss mazedonischem Recht zweifellos rechtswirksame Volladoption. Das Bundesgericht habe jedoch in BGE 120 II 87, E. 3 festgehalten, der schweizerische Ordre public stehe einer Anerkennung einer ausländischen Adoption entgegen, wenn diese ohne Zustimmung der leiblichen Eltern des Kindes ausgesprochen worden sei. Die Behörde, welche über die Adoption befinde, müsse sich deshalb vergewissern, dass die Zustimmung der leiblichen Eltern vorlag. Der hier zu beurteilende Adoptionsentscheid spreche sich über diesen Punkt nicht aus. Darüber dürfe nicht einfach hinweggesehen werden. Das Bundesgericht habe allerdings festgehalten, dass die Zustimmung nicht notwendigerweise direkt aus dem Adoptionsentscheid hervorgehen müsse. Es genüge, wenn aus anderen amtlichen Dokumenten ersichtlich sei, dass die leiblichen Eltern der Adoption zugestimmt haben. Wenn der Nachweis, dass die leiblichen Eltern der Adoption zugestimmt haben, erbracht werde, sei die Adoption als Volladoption zu anerkennen. cc) Die Vorinstanz verlangte sodann vom Beschwerdeführer, er habe den Nachweis zu erbringen, dass die leiblichen Eltern der Adoption zugestimmt haben. dd) Der Beschwerdeführer reichte hierauf die einschlägigen Gesetzesbestimmungen des mazedonischen Rechts betreffend Adoption samt Übersetzung ein und führte aus, der Nachweis der erfolgten Zustimmung zur Adoption sei darin zu erblicken, dass die Zustimmung der leiblichen Eltern eine zwingende Voraussetzung für eine Adoption gemäss mazedonischem Recht darstelle. ee) Die Vorinstanz geht offenbar davon aus, eine im Ausland vollzogene Adoption verstosse nur dann nicht gegen den schweizerischen Ordre public, wenn eine explizite Zustimmung der leiblichen Eltern zur Adoption vorliege eine behördliche Erklärung, wes-
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halb die Zustimmung nicht erfolgt sei, beigebracht werde. Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden. Richtig ist, dass die Behörde im Zweifelsfall den Nachweis verlangen kann, dass kein Verstoss gegen den Ordre public vorliegt. Im Bereich der Adoption bedeutet dies insbesondere, dass der Betroffene entweder nachweisen muss, dass die Adoption nicht ohne die Zustimmung der leiblichen Eltern erfolgte, dass bei fehlender Zustimmung trotzdem kein Verstoss gegen den schweizerischen Ordre public vorliegt, weil das ausländische Adoptionsrecht, gleich wie das schweizerische Adoptionsrecht, Ausnahmen kennt, bei denen von einer Zustimmung abgesehen werden kann. Liegen keine gegenteiligen Anhaltspunkte vor, ist davon auszugehen, dass eine ausländische Adoption unter Beachtung der entsprechenden Adoptionsbestimmungen vollzogen wurde. Weist ein Betroffener nach, dass gemäss ausländischem Adoptionsrecht eine Zustimmung der leiblichen Eltern zur Adoption erforderlich ist, auf eine Zustimmung verzichtet werden kann und in ähnlichen Fällen auch in der Schweiz von einer Zustimmung abgesehen wird (vgl. Art. 265c des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB] vom 10. Dezember 1907), muss dies für den Nachweis, dass kein Verstoss gegen den Schweizerischen Ordre public vorliegt, genügen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann aus der Stellungnahme des Leiters der Sektion Bürgerrecht und Personenstand nichts anderes abgeleitet werden. Aufgrund der damaligen Aktenlage konnte nicht auf eine Zustimmung der leiblichen Eltern geschlossen werden, da der Beschwerdeführer die mazedonischen Adoptionsbestimmungen noch nicht ins Recht gelegt hatte. Entsprechend verlangte der Leiter der Sektion Bürgerrecht und Personenstand den Nachweis, dass die Zustimmung erfolgt war, nicht aber, dass Zustimmung mittels separatem Dokument nachgewiesen wird. Auch aus dem in der Stellungnahme zitierten BGE 120 II 87 kann nicht geschlossen werden, es müsse in jedem Fall eine Zustimmungserklärung der leiblichen Eltern vorliegen, damit ein Verstoss gegen den Ordre public ausgeschlossen werden könne. Bei genauer Betrachtung von BGE 120 II 87 sind die Ausführungen des Bundesgerichts so zu verstehen, dass der schweizerische Ordre public die Anerkennung
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einer ausländischen Adoption verbietet, wenn sie ohne Zustimmung der leiblichen Eltern erfolgt ist. Hingegen genügt es, wenn aufgrund der Akten von einer Zustimmung ausgegangen werden kann. Davon ist auf jeden Fall dann auszugehen, wenn die leiblichen Eltern eine entsprechende eidesstattliche Erklärung abgegeben haben. Ein explizite Zustimmungserklärung wäre nur dann beizubringen, wenn entweder das ausländische Adoptionsrecht eine Zustimmung der leiblichen Eltern nicht vorsieht wenn sich aus den Akten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Adoption trotz fehlender Zustimmung der leiblichen Eltern ausgesprochen wurde und bei der Adoption die den leiblichen Eltern zustehenden Verfahrensrechte (rechtliches Gehör) missachtet wurden. ff) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer bereits während des Einspracheverfahrens nachgewiesen, dass die Zustimmung der leiblichen Eltern auch nach mazedonischem Recht verlangt wird. Nachdem der Adoptionsentscheid beglaubigt wurde und die Schweizerische Botschaft in S. zudem Abklärungen bezüglich der Adoption vorgenommen und eine Stellungnahme des Direktors des Sozialamtes T. eingeholt hat, sind keine Anzeichen vorhanden, die auf ein unkorrektes Adoptionsverfahren in Mazedonien hindeuten würden. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Zustimmung der leiblichen Eltern zur Adoption vorlag und ein Verstoss gegen den schweizerischen Ordre public ausgeschlossen werden kann. Damit bedarf es nicht zusätzlich einer expliziten Zustimmungserklärung der leiblichen Eltern. gg) ... g) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sämtliche Voraussetzungen für die Anerkennung der in Mazedonien erfolgten Adoption des Sohnes des Beschwerdeführers erfüllt sind und keine Hinweise auf einen Verstoss gegen den schweizerischen Ordre public vorliegen. Die Adoption ist damit zu anerkennen.