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125 Anschlussgebühr. - Bestimmt das Erschliessungsreglement den Grundeigentümer im Zeitpunkt des Anschlusses an die Erschliessungsanlage als Abgabe- pflichtigen, kann nur dieser zur Zahlung verpflichtet werden (Erw. 4). - Wird die Gebührenverfügung einem Adressaten zugestellt, der den Grundeigentümer nicht vertritt, ist sie ebenso nichtig, wie der im da- gegen eingeleiteten Rechtsmittelverfahren ergangene Einspracheent- scheid (Erw. 5.1. ff.).
Aus einem Entscheid der Schätzungskommission nach Baugesetz vom 10. September 2002 in Sachen G. AG gegen Einwohnergemeinde H.
Aus den Erwägungen
... 4. Der Zeitpunkt, in dem die belastete Baute an die Wasser-
versorgung angeschlossen worden ist (§ 56 Abs. 1 des Wasserregle-
ments der Gemeinde H. [WR] ...), geht ebenso wenig aus den Akten
hervor wie der Zeitpunkt, an dem der Abwasseranschluss in Betrieb
genommen worden ist (§ 40 des Abwasserreglements der Ge-
meinde H. [AR] ...). Die genaue Ermittlung des relevanten Datums
ist für die Beurteilung des vorliegenden Falles jedoch nicht notwen-
dig, da sich die Parzelle X (...) in H. gemäss Auskunft des Grund-
buchamts L. (...) seit dem 26. August 1999 infolge einfacher Gesell-
schaft im Gesamteigentum der Ehegatten R. befindet, währenddem
sie vorher im Alleineigentum von R. stand, der die Liegenschaft
seinerseits durch Erbgang erworben hatte (...). Damit steht fest, dass
das Grundstück (...) im gesamten, für den Eintritt der Zahlungspflicht
in Frage kommenden Zeitraum, also die Zeit nach Erteilung der
Baubewilligung am 24. August 1998 (...), nie im Eigentum der Be-
schwerdeführerin stand. Entsprechend kann sie auch nicht Zahlungs-
verpflichtete im Sinne des WR und AR sein. Daraus folgt, dass die
Beschwerde gutzuheissen und der vorinstanzliche Entscheid (zumin-
dest) aufzuheben ist (vgl. dazu die nachfolgenden Erwägungen).
5.1. Fehlerhaft ist eine Verfügung, wenn sie inhaltlich rechts-
widrig ist in Bezug auf ihr Zustandekommen, das heisst die
Zuständigkeit und das Verfahren bei ihrer Entstehung, in Bezug
auf ihre Form Rechtsnormen verletzt (Ulrich Häfelin/Georg Müller,
Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Auflage, Zürich
1998, N 760). Die möglichen Rechtsfolgen der Fehlerhaftigkeit einer
Verfügung sind die Anfechtbarkeit, die Nichtigkeit und die Wider-
rufbarkeit der Verfügung (Häfelin/Müller, a.a.O., N 762). Während in
der Regel eine Verfügung lediglich anfechtbar ist, was heisst, dass sie
grundsätzlich wirksam ist, jedoch innert einer bestimmten Frist von
den Betroffenen angefochten und auf Anfechtung hin von den
zuständigen Behörden aufgehoben geändert werden kann, bildet
die Nichtigkeit die Ausnahme (Häfelin/Müller, a.a.O., N 763; Aar-
gauische Gerichtsund Verwaltungsentscheide [AGVE] 2001
S. 381).
5.2. Nichtigkeit bedeutet absolute Unwirksamkeit der Verfü-
gung; sie entfaltet keinerlei Rechtswirkungen. Sie ist vom Erlass an
(ex tunc) und ohne amtliche Aufhebung als nicht vorhanden, als
rechtlich unverbindlich zu betrachten. Die Nichtigkeit ist von Amtes
wegen zu beachten und kann von jedermann jederzeit geltend ge-
macht werden. Eine Verfügung ist unter den folgenden Vorausset-
zungen als nichtig zu betrachten (Häfelin/Müller, a.a.O., N 768 mit
Hinweisen; AGVE 2001 S. 381):
- Die Verfügung muss einen besonders schweren Mangel auf-
weisen.
- Der Mangel muss offensichtlich zumindest leicht er-
kennbar sein.
- Die Nichtigkeit darf die Rechtssicherheit nicht ernsthaft ge-
fährden. Dazu ist eine Abwägung zwischen dem Interesse an der
Rechtssicherheit und dem Interesse an der richtigen Rechtsanwen-
dung vorzunehmen.
5.3. Diese Voraussetzungen sind gemäss Rechtsprechung dann
erfüllt, wenn beispielsweise überhaupt keine Eröffnung an irgendeine
der betroffenen Rechtsparteien ergangen (Bundesgerichtsentscheid
[BGE] 122 I 97 Erw. 3 S. 98 ff.) eine Verfügung einem gänzlich
falschen Adressaten zugestellt worden ist (BGE 110 V 145 Erw. 2d
S. 151 f.). Ein solcher Mangel kann nur durch eine nachträgliche,
korrekt erfolgende Eröffnung geheilt werden (BGE 2A.293/2001
vom 21. Mai 2002 in Sachen X. gegen Steuerverwaltung des Kan-
tons Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Erw. 1b).
5.4.1. Nachdem der Einspracheentscheid vom 15. Oktober 2001
aufgrund fehlender Zahlungspflicht zumindest aufzuheben ist
(Erw. 4.), fragt sich, welches das rechtliche Schicksal der beiden mit
der Einsprache angefochtenen Verfügungen vom 10. August 2001 ist.
5.4.2. Die Verfügungen vom 10. August 2001 waren lediglich
an die heutige Beschwerdeführerin adressiert. Dass die Gemeinde sie
aufgrund entsprechender Mitteilung der Grundeigentümer der Be-
schwerdeführerin als Vertreterin zugesandt hat, lässt sich aus dem
Verfügungsinhalt nicht entnehmen. Insbesondere ist auch darauf
hinzuweisen, dass der "Wunsch" eines Vertreters ohne Genehmigung
des Vertretenen ebenso wenig ein Vertretungsverhältnis begründen
kann (...; vgl. Art. 39 f. des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Fünfter Teil: Obligationen-
recht; SR 220; OR] vom 30. März 1911; Entscheid der Schätzungs-
kommission [SKE] vom 4. Dezember 1995 in Sachen B. gegen
Kanton Aargau, Erw. 2.2. S. 2), wie die aufgrund eines privatrechtli-
chen Vertragsverhältnisses erfolgte Bezahlung einer Rechnung durch
einen dazu nicht vom Gesetz Verpflichteten (vgl. die Begleichung
der mit Erteilung der Baubewilligung an R. verfügten provisorischen
Anschlussgebühren durch die Beschwerdeführerin; ...). Die Verfü-
gungen vom 10. August 2001 wurden somit einem falschen Adres-
saten zugestellt; sie sind als nichtig zu qualifizieren.
5.5. Nachdem die beiden Grundverfügungen nichtig sind, trifft
dasselbe rechtliche Schicksal auch den vorinstanzlichen Einsprache-
entscheid, erging er doch in einem Rechtsmittelverfahren gegen eben
diese von Beginn weg rechtlich inexistenten Verfügungen. Damit ist
der Einspracheentscheid nicht (nur) aufzuheben, sondern es ist viel-
mehr seine Nichtigkeit festzustellen.
(...)
(Bemerkung: Beim Verfügungsadressaten handelte es sich um
den Generalunternehmer)