2001 Beschwerden gegen Einspracheentscheide der Fremdenpolizei
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115 Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung
- Das Berufen auf eine nur noch formell bestehende Ehe, mit dem einzigen Ziel, die Anwesenheitsbewilligung nicht zu ver-
lieren, ist rechtsmissbräuchlich. Dies auch dann, wenn der
Scheidungsrichter die Scheidungsklage wegen angeblicher Un-
zumutbarkeit abweist (Erw. II/4a-b).
- Massgeblich ist, ob aus dem Verhalten und den Aussagen des betroffenen Ausländers beziehungsweise ob aufgrund der ge-
samten Umstände geschlossen werden kann, der betroffene
Ausländer wolle die Ehe effektiv nicht mehr fortführen und er
willige nur deshalb nicht in die Scheidung ein, um sich hin-
sichtlich seines Aufenthaltsrechts in der Schweiz einen Vorteil
zu verschaffen (Erw. II/4c).
- Die Prüfung im vorliegenden Fall ergibt, dass sich die Be- schwerdeführerin nicht rechtsmissbräuchlich auf die Ehe be-
ruft (Erw. 4d).
Aus dem Entscheid des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom 7. September 2001 in Sachen L.U. gegen einen Entscheid der Fremdenpolizei (BE.2001.00004).
Sachverhalt
A. Die Beschwerdeführerin reiste nach eigenen Angaben am
2. August 1992 erstmals als Touristin in die Schweiz ein. 1998 hei-
ratete sie in A. den schweizerischen Staatsangehörigen R.U.. Hierauf
wurde ihr am 2. April 1998 durch die Fremdenpolizei eine Aufent-
haltsbewilligung erteilt und diese in der Folge verlängert. Am
1. April 1999 reichte der Ehemann der Beschwerdeführerin beim Be-
zirksgericht B. eine Scheidungsklage wegen tiefer Zerrüttung ein.
Mit Präliminarurteil des Gerichtspräsidiums B. vom 13. Januar 2000
wurde die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes der Parteien
festgestellt. Am 6. März 2000 gewährte die Fremdenpolizei der Be-
schwerdeführerin das rechtliche Gehör im Hinblick auf einen Wider-
ruf ihrer Aufenthaltsbewilligung. Sie stellte sich dabei auf den
2001 Rekursgericht im Ausländerrecht 500
Standpunkt, dass die Eheschliessung von seiten der Beschwerdefüh-
rerin einzig zum Zweck des Erhaltes eines geregelten Aufenthalts-
rechts in der Schweiz eingegangen worden sei. Am 10. Mai 2000
nahm der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zu diesen Vorwür-
fen Stellung. Mit Verfügung vom 17. Juli 2000 verweigerte die
Fremdenpolizei die Verlängerung der am 28. Februar 2001 ablaufen-
den Aufenthaltsbewilligung und setzte die Ausreise auf 30 Tage nach
Rechtskraft des laufenden Scheidungsverfahrens fest. Dies allerdings
nicht, weil sie von einer Scheinehe ausging, sondern, weil sie der
Beschwerdeführerin vorwarf, sie berufe sich rechtsmissbräuchlich
auf eine nur noch formell bestehende Ehe.
B. Gegen diese Verfügung erhob die Beschwerdeführerin mit
Eingabe vom 9. August 2000 Einsprache. Am 21. Dezember 2000
wies der Rechtsdienst der Fremdenpolizei die Einsprache ab.
C. Mit Eingabe vom 17. Januar 2001 erhob die Beschwerdefüh-
rerin gegen den Einspracheentscheid Beschwerde.
Aus den Erwägungen
II. 4. Auch wenn die Ehe nicht bloss zum Schein eingegangen
worden ist, erlischt der Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung, wenn sich die Berufung auf die Ehe als
rechtsmissbräuchlich erweist. Dies ist dann der Fall, wenn sich ein
Ausländer allein deshalb auf eine nur noch formell bestehende Ehe
beruft, um sich hinsichtlich seines Aufenthaltsrechts in der Schweiz
einen Vorteil zu verschaffen. In diesem Zusammenhang hielt das
Bundesgericht fest, Rechtsmissbrauch dürfe nicht leichthin ange-
nommen werden. Von Rechtsmissbrauch könne namentlich nicht
schon deshalb gesprochen werden, weil die Ehegatten nicht mehr
zusammen lebten ein Eheschutzoder Scheidungsverfahren
eingeleitet worden sei. Gerade weil der ausländische Ehegatte nicht
der Willkür seines Schweizer Ehepartners ausgeliefert sein solle,
habe der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Erteilung der Aufent-
haltsbewilligung vom ehelichen Zusammenleben abhängig zu ma-
chen (BGE 127 II 49, E. 5a, S. 56). Den Weisungen des BFA ist zu
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501
entnehmen, dass nur der offensichtliche Rechtsmissbrauch geahndet
werden soll (Weisungen BFA Ziffer 611.13).
a) Bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs ist vom aktuellen
Status der Ehe auszugehen. Dabei ist zu unterscheiden, ob sich die
Ehegatten in Scheidung befinden nicht.
aa) Ist kein Scheidungsverfahren pendent, besteht regelmässig
auch keine Veranlassung, dem betroffenen Ausländer zu unterstellen,
er berufe sich rechtsmissbräuchlich auf die Ehe, es sei denn, es kann
ihm klar nachgewiesen werden, dass er die eheliche Gemeinschaft
gar nicht mehr will und dass er diese nur noch aufrecht erhält, um
seinen ausländerrechtlichen Status nicht zu verschlechtern (vgl.
Sachverhalt in BGE 127 II 49).
bb) Ist ein Scheidungsverfahren hängig, sind verschiedene Vari-
anten denkbar. Klar rechtsmissbräuchliches Berufen auf die Ehe liegt
vor, wenn der betroffene Ausländer selbst die Scheidung anstrebt, sei
es durch Einreichung eines gemeinsamen Scheidungsbegehrens (Art.
111 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB] vom 10. Dezem-
ber 1907) einer selbständigen Scheidungsklage (Art. 113 ff.
ZGB). Problematisch wird es, wenn aus der Parteirollenverteilung
des Scheidungsverfahrens nicht auf den fehlenden Ehewillen des
betroffenen Ausländers geschlossen werden kann. Dies ist dann der
Fall, wenn der Schweizer Ehegatte die Scheidungsklage einreicht
und der Scheidungsrichter die Voraussetzungen für eine Scheidung
wegen Unzumutbarkeit (Art. 115 ZGB) als nicht erfüllt betrachtet. In
diesem Falle besteht die Ehe formell weiter. Erst nach einer Tren-
nungszeit von 4 Jahren kann die Scheidungsklage erneut anhängig
gemacht werden (Art. 114 ZGB). Der Scheidungsrichter geht damit
davon aus, dass den Parteien zugemutet werden kann, ihre Ehe wei-
ter aufrecht zu erhalten. Dieser besonderen Konstellation ist bei Be-
urteilung der Frage, ob sich ein betroffener Ausländer rechtsmiss-
bräuchlich auf die Ehe beruft, Rechnung zu tragen. In einem kürzlich
ergangenen Scheidungsurteil hat es das Bundesgericht zwar als frag-
lich bezeichnet, ob einer scheidungsunwilligen Partei überhaupt vor-
geworfen werden könne, sie widersetze sich rechtsmissbräuchlich
der Scheidung, dies jedoch letztlich aus prozessualen Gründen offen
gelassen (unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom
2001 Rekursgericht im Ausländerrecht 502
2. April 2001, 5C.1/2001, E. 5). Aus fremdenpolizeilicher Sicht er-
scheint hingegen klar, dass das Berufen auf eine nur noch formell
bestehende Ehe mit dem einzigen Ziel, die Anwesenheitsbewilligung
nicht zu verlieren, rechtsmissbräuchlich ist. Dies auch dann, wenn
der Scheidungsrichter die Scheidung wegen angeblicher Unzumut-
barkeit versagt. Ob ein aus fremdenpolizeilicher Sicht rechtsmiss-
bräuchliches Verhalten im Rahmen des Scheidungsverfahrens gleich
gewertet wird, ist dabei nicht von Bedeutung. Selbstverständlich
wäre es im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung erstrebenswert,
wenn sowohl der Scheidungsrichter als auch die fremdenpolizeili-
chen Instanzen denselben Sachverhalt rechtlich gleich bewerten
würden. Es sollte insbesondere vermieden werden, dass der Schei-
dungsrichter auf der einen Seite die Ehe als weiterhin zumutbar be-
zeichnet und gleichzeitig eine andere staatliche Behörde dem betrof-
fenen Ausländer versagt, sich auf das Bestehen derselben Ehe zu
berufen. Trotzdem ist an dieser Stelle festzuhalten, dass es für das
Scheidungsverfahren allein dem Scheidungsrichter obliegt, zu be-
stimmen, ob einer scheidungsunwilligen Partei rechtsmissbräuchli-
ches Festhalten an der Ehe vorgeworfen werden kann und welches
die Kriterien für die Feststellung dieses Rechtsmissbrauchs sind.
b) Hinsichtlich eines durch den Schweizer Ehegatten eingelei-
teten Scheidungsverfahrens drängt sich in diesem Zusammenhang
ein Blick auf das seit dem 1. Januar 2000 geltende neue Scheidungs-
recht, insbesondere auf die vierjährige Trennungszeit auf. Da der
ausländische Ehegatte eines Schweizers gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG
nach fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz einen Anspruch auf
Erteilung der Niederlassungsbewilligung hat, kann es vorkommen,
dass der ausländische Ehegatte trotz nur sehr kurz gelebter Ehe spä-
ter Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung hat. Dies
zum Beispiel dann, wenn sich der Schweizer Ehegatte bereits kurz
nach Eheschliessung von seinem ausländischen Partner trennt, dann
erfolglos eine Scheidung gestützt auf Art. 115 ZGB anstrebt und das
spätere Scheidungsverfahren nach Art. 114 ZGB so lange dauert,
dass der ausländische Ehegatte insgesamt während mehr als 5 Jahren
verheiratet in der Schweiz gelebt hat. Im Gegensatz zur Ehe unter
Ausländern (Art. 17 ANAG) ist für den Anspruch auf Aufent-
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haltsbewilligung eines Ausländers während der Ehe mit einem
Schweizer nicht von Bedeutung, ob die Ehegatten zusammenleben.
Massgebend ist nur, ob die Ehe formell besteht.
In der Botschaft des Bundesrates über die Änderung des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995 (Bot-
schaft, BBl 1996 I 1 ff.) wurde hinsichtlich der Dauer der obligatori-
schen Trennungszeit festgehalten, dass die Trennung auf der einen
Seite so lange gedauert haben müsse, dass der Scheidungsgrund nicht
einer eigentlichen Verstossung gleichkomme und dass auch ein In-
teresse bestehe, sich mit dem Partner über die Scheidung zu verstän-
digen. Auf der anderen Seite dürfe die Frist aber auch nicht zu lange
bemessen sein, denn die Ehegatten müssten ihr Leben kurzoder
mittelfristig wieder neu gestalten können (Botschaft, S. 91; BBl I 1,
S. 91).
In den darauffolgenden Parlamentsberatungen wurde die Dauer
der Trennungszeit vereinzelt im Zusammenhang mit den ausländer-
rechtlichen Bestimmungen betrachtet und gleichzeitig betont, dass
ein besonderes Schutzbedürfnis des ausländischen Ehegatten bestehe
(Amtl. Bull. NR 1997, 2689, Thanei, Aeppli). Weiter wurde erläutert,
dass bei einer fünfjährigen Trennungsfrist der ausländische Ehepart-
ner nach diesen fünf Jahren das "Permis B" (vermutlich war damit
"C" gemeint) erhalte und sich damit ein ausländerrechtliches Pro-
blem lösen lasse. Treffend wurde dem entgegnet, dass es nicht die
Aufgabe des Scheidungsrechtes sei, ausländerrechtliche Probleme zu
lösen (Amtl. Bull. NR 1997 2691, Nabholz). Immerhin lässt sich der
parlamentarischen Beratung entnehmen, dass es dem ausländischen
Ehegatten eines Schweizers nach wie vor erlaubt sein soll, trotz Ge-
trenntleben und mutmasslich bevorstehender Scheidung während der
Trennungszeit in der Schweiz zu weilen und später sogar eine Nie-
derlassungsbewilligung zu erhalten. Auch wenn aus diesen Erwä-
gungen nicht direkt ableitbar ist, unter welchen Umständen sich ein
betroffener Ausländer rechtsmissbräuchlich auf das Bestehen einer
Ehe beruft, erhellt klar, dass die Beurteilung eines allfälligen
Rechtsmissbrauchs immer im Kontext dieses neuen Scheidungs-
rechts vorzunehmen ist.
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c) Damit ist aber noch nicht gesagt, aufgrund welcher Kriterien
zu prüfen ist, ob ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf die Ehe
vorliegt. Das Bundesgericht hat dazu ausgeführt, dass von einem
Rechtsmissbrauch nicht schon dann ausgegangen werden könne,
wenn der Schweizer Ehegatte die Ehe nicht mehr als Lebensgemein-
schaft weiterführen wollen. Auf das Verhalten und die Äusserungen
des Schweizer Ehegatten dürfe nur insofern abgestellt werden, als
sich daraus Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen des schei-
dungsunwilligen Ausländers ziehen liessen (unveröffentlichter Ent-
scheid des Bundesgerichts vom 31. Januar 2000, 2A.545/1999, E. 3).
Massgeblich ist damit einzig, ob aus dem Verhalten und den
Aussagen des betroffenen Ausländers beziehungsweise ob aufgrund
der gesamten Umstände geschlossen werden kann, der betroffene
Ausländer wolle die Ehe effektiv nicht mehr fortführen und er wil-
lige nur deshalb nicht in die Scheidung ein, um sich hinsichtlich
seines Aufenthaltsrechts in der Schweiz einen Vorteil zu verschaffen.
Wie es sich damit verhält, entzieht sich wie bei der Scheinehe in der
Regel einem direkten Beweis und ist durch Indizien zu erstellen (vgl.
dazu die Beispiele im unveröffentlichten Entscheid des Bundesge-
richts vom 14. September 2000, 2A.298/2000, E. 3c und 4a). Dabei
sind sämtliche Anhaltspunkte, welche für gegen die Annahme
eines Rechtsmissbrauchs sprechen, in die Beurteilung miteinzube-
ziehen.
d) Im vorliegenden Fall reichte der Schweizer Ehemann der Be-
schwerdeführerin am 6. April 1999 beim Bezirksgericht B. eine
Scheidungsklage ein. Er verlangte dabei in erster Linie, die Ehe sei
nach Art. 107 Ziffer 3 ZGB für ungültig zu erklären, da er von der
Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Motivation zum Eheschluss
getäuscht worden sei. Es sei letzterer nie um das Eingehen einer
echten Lebensgemeinschaft gegangen, sondern einzig um die Siche-
rung von Unterhalt und Aufenthaltsstatus. Eventualiter beantragte er,
es sei die Ehe nach Art. 115 ZGB wegen Unzumutbarkeit zu schei-
den. Das Bezirksgericht B. urteilte am 1. März 2001, dass die geltend
gemachte Scheinehe keinen Ungültigkeitsgrund darstelle. Hinsicht-
lich der Unzumutbarkeit wurde zwar festgehalten, bei arrangierten,
von einem Ehegatten nicht gewollten Ehen (Scheinehen) dürfte der
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Scheidungsgrund von Art. 115 ZGB ebenfalls zur Anwendung kom-
men (Fankhauser, in: Schwenzer [Hrsg.], Praxiskommentar Schei-
dungsrecht, 2000, N 4 zu Art. 114 ZGB mit Verweis auf die deutsche
Lehre und Rechtsprechung; Steck, Scheidungsklagen, in: Das neue
Scheidungsrecht, Stiftung für juristische Weiterbildung Zürich, 1999,
S. 36 f.). Nachdem sich die Klage auf Scheidung wegen Unzumut-
barkeit aber vorliegend als unbegründet erweise, sei sie ebenfalls
abzuweisen.
Der Vorwurf des Ehemannes der Beschwerdeführerin, diese
habe gar keine wirkliche Lebensgemeinschaft mit ihm eingehen
wollen und der fehlende Wille des Ehemannes, die vierjährige Tren-
nungszeit nach Art. 114 ZGB abzuwarten, lässt nicht darauf
schliessen, dass die Beschwerdeführerin sich rechtsmissbräuchlich
auf die Ehe beruft. Entscheidend ist, ob die Beschwerdeführerin nur
deshalb nicht in die Scheidung einwilligt, um sich einen aufenthalts-
rechtlichen Vorteil zu verschaffen.
e) aa) Die Vorinstanz geht in ihrem Entscheid davon aus, dass
es schon während des Zusammenlebens vor der Ehe zu heftigen
Auseinandersetzungen gekommen sei. Dennoch habe man am
13. März 1998 geheiratet. Bereits zwischen Mitte und Ende 1998 sei
dann die Ehe nicht mehr gut gegangen. Rund eineinhalb Jahre nach
der Heirat habe der Ehemann der Beschwerdeführerin die Schei-
dungsklage eingereicht und seit Januar 2000 schliesslich lebten die
Ehegatten nicht mehr in derselben Wohnung. Der Umstand, dass die
Beschwerdeführerin sich im Juni 1997 in die Kundenkartei einer
Partnervermittlungsinstituts einschreiben liess und gleichzeitig die
ersten Vorbereitungen zum Eheschluss mit ihrem Mann traf (Papier-
beschaffung im Heimatland), legt die Vorinstanz dahingehend aus,
dass der Beschwerdeführerin bereits vor dem geplanten Eheschluss
nicht an der Fortsetzung der Beziehung zu ihrem heutigen Ehemann
gelegen war, sondern dass sie offensichtlich einen neuen Partner
gesucht habe. So habe sie im November 1997 auch einem Inserenten
geantwortet, der eine Partnerin durch ein Inserat in einer Tageszei-
tung suchte und habe auch selbst mindestens zwei entsprechende
Inserate in einer anderen Zeitung aufgegeben. Zwei Monate nach
ihrer Heirat habe sie von der Partnervermittlung weitere Vorschläge
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erhalten und auch im Juni 1998 seien zwei weitere gefolgt. Mit ei-
nem der vorgeschlagenen Herren habe sie am 17. Juni 1998 über das
Natel Kontakt aufgenommen und während einer Minute telefoniert.
Weiter wird ausgeführt, dass mehrere Personen den Eindruck ge-
wonnen hätten, die Beschwerdeführerin heirate lediglich zu Bewilli-
gungszwecken. So unter anderem ein Angestellter eines Treuhandbü-
ros, bei dem sie sich darüber informiert habe, wie lange sie verhei-
ratet sein müsse, damit sie in der Schweiz bleiben könne und ob sich
ihr Ehegatte auch gegen ihren Willen scheiden lassen könne. Eben-
falls habe eine Arbeitskollegin des Ehemannes der Beschwerdeführe-
rin zu Protokoll gegeben, dass der Sohn der Beschwerdeführerin auf
die Frage, weshalb seine Mutter trotz der angespannten Beziehung
heirate, geantwortet habe, es sei wegen der Papiere.
Auch wenn diese Umstände nicht dazu geeignet sind, das Vor-
liegen einer Scheinehe nachzuweisen (vgl. oben E. 3c), sind die ge-
nannten Umstände bei der Prüfung des rechtsmissbräuchlichen Beru-
fens auf die Ehe zu berücksichtigen.
bb) Die Beschwerdeführerin führt aus, sie habe ihren Ehemann
nicht nur für ein paar Jahre, sondern für immer geheiratet. Sie wolle
die Scheidung nicht bloss deshalb verhindern, um ihren ausländer-
rechtlichen Status zu wahren, sondern weil sie vielmehr ethische und
als Katholikin religiöse Motive habe, an der Ehe festzuhalten. Sie
liebe ihren Mann immer noch, auch wenn dieser sie wiederholt ge-
schlagen habe.
cc) Dahingehend äusserte sich die Beschwerdeführerin auch im
Rahmen des Scheidungsverfahrens. Gegenüber dem Bezirksgericht
B. führte sie an, ihr katholischer Glaube verbiete es, die Ehe als gott-
gewollte Gemeinschaft zu brechen. Ihr Mann habe zudem während
der Ehe verschiedene sexuelle Beziehungen zu anderen Frauen un-
terhalten und sie selbst mehrmals geschlagen (was durch den Ehe-
mann anlässlich einer Konfrontationseinvernahme bei der Fremden-
polizei am 6. Juli 2000 bestätigt wurde). Zur Rettung der Ehe habe
sie ihrerseits ihren Pfarrer sowie weitere Personen konsultiert. Der
Vorwurf, sie habe während der Ehevorbereitungen Heiratsinserate
aufgegeben, sei eine Unterstellung. Vielmehr seien ihr vom Vermitt-
lungsinstitut unaufgefordert weitere Adressen zugesandt worden.
2001 Beschwerden gegen Einspracheentscheide der Fremdenpolizei
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Hinsichtlich des Vorwurfs, sie habe sich bei einem Treuhandbüro
über die Folgen der Eheschliessung informiert, gibt sie an, es sei ihr
gutes Recht, sich als juristisch ungebildete Person über ihre Rechte
zu informieren.
dd) Einem Protokoll der Fremdenpolizei vom 6. Juni 2000 ist
zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin wiederholt bei einer
Bekannten ihres Ehemannes nach letzterem erkundigt habe und dabei
einen eifersüchtigen Eindruck gemacht habe. Sie sei in ständiger
Sorge gewesen, dass ihr Ehemann mit anderen Frauen weggehen
würde. Am 8. Juni 2000 äusserten sich die Nachbarn der Beschwer-
deführerin gegenüber der Fremdenpolizei dahingehend, dass sie den
Eindruck gewonnen hätten, der Ehemann der Beschwerdeführerin sei
der Belastung, welche die Heirat einer Person aus einem anderen
Kulturkreis mit sich bringe, nicht gewachsen gewesen. Bezüglich der
Beschwerdeführerin sagten sie aus, man habe sie immer arbeiten
sehen, zum Beispiel im Garten. Auch führe sie einen ordentlichen
Haushalt. Wenn ihr Ehemann etwas von ihr gewollt habe, sei sie
"immer gesprungen". Am 9. Juni 2000 schliesslich, wurde auch ein
der Beschwerdeführerin bekannter Pfarrer des römisch-katholischen
Pfarramtes B. einvernommen. Dieser gab zu Protokoll, es hätten
sowohl mit ihm als auch mit dem kircheneigenen Sozialdienst Ge-
spräche mit der Beschwerdeführerin stattgefunden. Dabei habe die
Beschwerdeführerin ihm gegenüber geäussert, ihr Ehemann ignoriere
sie und behandle sie als inexistent. Sie könne zum Beispiel Essen für
ihn kochen und er koche danach dann doch für sich selbst. Zudem
geht aus dem Protokoll hervor, dass die Beschwerdeführerin trotz des
laufenden Scheidungsverfahrens noch im Hause ihres Ehemannes
wohnte, wo ihr dieser ein kleines Zimmer zur Verfügung gestellt
hatte.
ee) Aufgrund der Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres
durch andere Personen geschilderten Verhalten gegenüber ihrem
Ehemann, liegen keine Indizien vor, welche darauf hindeuten wür-
den, dass sich die Beschwerdeführerin rechtsmissbräuchlich auf eine
nur noch formell bestehende Ehe berufen würde. Es ist nicht davon
auszugehen, dass die Beschwerdeführerin einzig zu aufenthaltsrecht-
lichen Zwecken an der Ehe festhält. Im Gegenteil. Das Bestreben der
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Beschwerdeführerin mit Hilfe von Dritten ihre Ehe zu retten, zeigt,
dass es der Beschwerdeführerin um mehr geht, als bloss um einen
aufenthaltsrechtlichen Vorteil. Unabhängig von der Tatsache, dass
die Beschwerdeführerin nach wie vor zu ihrem Ehemann steht, stellt
sich im vorliegenden Fall aufgrund des Verhaltens des Ehemannes
(Beziehungen zu anderen Frauen, Tätlichkeiten gegenüber der Be-
schwerdeführerin) zudem die Frage, ob die Aufenthaltsbewilligung
der Beschwerdeführerin nicht auch dann zu verlängern gewesen
wäre, wenn sie in die Scheidung eingewilligt hätte. Nachdem die
Beschwerdeführerin aber weiterhin verheiratet ist, kein rechtsmiss-
bräuchliches Berufen auf eine nur noch formell bestehende Ehe vor-
liegt und die Beschwerdeführerin damit gestützt auf Art. 7 ANAG
einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung hat,
kann offen bleiben, ob die Aufenthaltsbewilligung in Übereinstim-
mung mit der Praxis zu Ziff. 644 Weisungen BFA nicht ohnehin zu
verlängern gewesen wäre.