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3 Art. 559 ZGB; Erbbescheinigung - Definition und Wesen (Erw. 2c) - Die Verweigerung der Ausstellung einer Erbbescheinigung ist ein be- schwerdefähiger Endentscheid im summarischen Verfahren gemäss § 335 lit. a ZPO. Zur Beschwerdeführung sind die eingesetzten Erben, nicht aber der Willensvollstrecker legitimiert (Erw. 2). - Zur Einsprache gegen die Ausstellung der Erbbescheinigung i.S.v. Art. 559 Abs. 1 ZGB berechtigt sind nicht nur die Pflichtteils-, son- dern auch andere durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossene
gesetzliche Erben; die Bestreitung bewirkt, dass die Erbbescheinigung nicht ausgestellt werden darf (Erw. 3b).
Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 15. August 2000 in Sachen M.K. u.a. gegen D.P.S. u.a.
Aus den Erwägungen
2. a) Die Beschwerdegegner beantragen Nichteintreten auf die
Beschwerde, da kein (anfechtbarer) Endentscheid i.S.v. § 335 lit. a
ZPO vorliege und die Beschwerdeführer nicht beschwert seien.
b) Die Sicherungsmassregeln über den Nachlass i.S.v. Art. 551 -
559 ZGB werden im Verfahren der freiwilligen, nichtstreitigen Ge-
richtsbarkeit erlassen. Dieses richtet sich nach kantonalem Recht.
Gemäss § 72 EG ZGB ist der Gerichtspräsident am letzten Wohnsitz
des Erblassers die zuständige Behörde für alle den Erbgang betref-
fenden Massnahmen. Gestützt auf § 300 Abs. 1 ZPO gelangt das
summarische Verfahren zur Anwendung (Bühler/Edelmann/Killer,
Kommentar zur aarg. Zivilprozessordnung, 2. A., Aarau 1998,
N 5(33) zu § 300 ZPO). Gegen Endentscheide im summarischen Ver-
fahren ist gemäss § 335 lit. a ZPO die Beschwerde zulässig. Der
Ausdruck Endentscheid umfasst Prozessund Sachurteile sowie Ab-
schreibungsbeschlüsse, die das summarische Verfahren als Ganzes
abschliessen. Unerheblich ist, ob der Summarentscheid in materielle
Rechtskraft erwachsen ist (Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., N 1 ff. zu
§ 335 ZPO). Mit dem Entscheid des Gerichtspräsidiums K. wurde
das summarische Verfahren betreffend Ausstellung einer Erbbe-
scheinigung abgeschlossen; er ist daher nach § 335 lit. a ZPO mit
Beschwerde anfechtbar.
c) Die Erbbescheinigung ist die von der zuständigen Behörde
ausgestellte Bestätigung, welche Person(en) die alleinigen Erben ei-
nes bestimmten Erblassers sind und somit das ausschliessliche Recht
haben, den Nachlass in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen.
Sie wird nach Art. 559 Abs. 1 ZGB ausdrücklich unter Vorbehalt der
Ungültigkeitsund Erbschaftsklage ausgestellt und ist daher stets nur
ein provisorischer Ausweis ohne materiellrechtliche Bedeutung für
die Erbenstellung der darin erwähnten Personen; über diese Fragen
kann nur der ordentliche Richter definitiv entscheiden. Die Erbbe-
scheinigung verleiht aber den prima facie berechtigt erscheinenden
Erben einen provisorischen Legitimationsausweis zur Inbesitznahme
und Verfügungsmöglichkeit über die Erbschaftsgegenstände (Martin
Karrer, Basler Kommentar, Basel 1988, N 2 f. zu Art. 559 ZGB;
Peter Tuor/Vito Picenoni, Berner Kommentar, 2. A., Bern 1964, N 23
ff. zu Art. 559 ZGB; Arnold Escher, Zürcher Kommentar, 3. A., Zü-
rich 1960, N 8 f. zu Art. 559 ZGB). Keinen Anspruch auf eine Erb-
bescheinigung hat der Vermächtnisnehmer, denn diesem kommt
keine Erbenqualität zu (Karrer, a.a.O., N 9 zu Art. 559 ZGB;
Tuor/Picenoni, a.a.O., N 3 zu Art. 559 ZGB).
Die eingesetzten Erben M.K. und M.K. erleiden durch die
Nichtausstellung der Erbbescheinigung zweifellos einen Rechts-
nachteil, indem ihnen versagt ist, den Nachlass (vorläufig) zu behän-
digen und darüber zu verfügen. Ihre Beschwerdelegitimation ist da-
her zu bejahen. Der Willensvollstrecker ist dagegen zur Beschwerde-
führung nur insoweit legitimiert, als es um seine Einsetzung, Stel-
lung Funktion geht (Karrer, a.a.O., N 11 der Vorbemerkungen
zu Art. 551 - 559 ZGB). Da vorliegend der eingesetzte Willensvoll-
strecker durch den angefochtenen Entscheid keine Verletzung in ei-
nem subjektiven Recht erfährt, kann auf seine Beschwerde nicht
eingetreten werden. Auf die Beschwerde der Vermächtnisnehmerin
ist ebenfalls nicht einzutreten, nachdem diese nicht als Adressatin der
angefochtenen Verfügung berührt ist.
3. b) Die eingesetzten Erben machen geltend, ihre Erbberechti-
gung ergebe sich zweifelsfrei aus dem Testament; die Erblasserin
habe keine pflichtteilsberechtigten Nachkommen hinterlassen und
über ihr Vermögen frei verfügen können. Zur Bestreitung gemäss
Art. 559 Abs. 1 ZGB berechtigt sind nicht nur die Pflichtteils-, son-
dern auch andere durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossene
gesetzliche Erben (ZR 1986 S. 25 f.; Karrer, a.a.O., N 10 zu Art. 559
ZGB; Tuor/Picenoni, a.a.O., N 4 zu Art. 559 ZGB). Die Bestreitung
bewirkt, dass die Erbbescheinigung nicht ausgestellt werden kann.
Dies ist auch dann der Fall, wenn sie nur von einem einzigen hiezu
Berechtigten erhoben wurde bzw. wenn sie sich nicht gegen alle ein-
gesetzten Erben richtet, denn die Erbbescheinigung muss sämtliche
Personen anführen, die zusammen die Erbengemeinschaft bilden und
gesamthänderisch über den Nachlass verfügen können (Karrer,
a.a.O., N 13 zu Art. 559 ZGB; Tuor/Picenoni, a.a.O., N 16 zu
Art. 559 ZGB; Paul Piotet, Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/2,
Basel/Stuttgart 1981, S. 725 f.; Eduard Sommer, Die Erbbeschei-
nigung nach schweiz. Recht, Diss. Zürich 1941, S. 45; AGVE 1984
S. 676). Die Verweigerung der Erbbescheinigung verhindert lediglich
die (vorläufige) Auslieferung der Erbschaft an die eingesetzten
Erben; über den Bestand des Erbanspruchs besagt sie nichts. Dieser
ist im Rahmen der erbrechtlichen Klagen durch den ordentlichen
Richter zu klären. Die Einsprache bezweckt einzig die
Aufrechterhaltung einer prozessualen Situation. Ihre Wirkungen
bestehen daher längstens bis zur Verjährung bzw. Verwirkung der
erbrechtlichen Klagen (ZR 1986 S. 27; Sommer, a.a.O., S. 49).