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18 Verbot aufdringlicher Werbung (§ 16 Abs. 1 AnwG). Fall eines Zeitungsinserates, worin für ein Seminar geworben und eine Anwältin als eine der Referentinnen vorgestellt wird.
Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 13. Dezember 2000
Aus den Erwägungen
2. (...) d) Die Werbung des Anwaltes unterliegt in vierfacher Hinsicht
Beschränkungen: Rechtfertigung, Inhalt, Form und Art der Verbrei-
tung.
aa) Die Nennung des Namens in Verbindung mit der Berufsbe-
zeichnung ist grundsätzlich als Werbung anzusehen. Diese darf nicht
dem Zweck dienen, den Anwalt gegenüber seinen Kollegen hervor-
zuheben und ihm eine besondere Nachfrage zu verschaffen, sondern
braucht eine besondere Rechtfertigung, einen besonderen Anlass
(vgl. dazu Michael Pfeifer, Der Rechtsanwalt in der heutigen Gesell-
schaft, ZSR 115 (1996) II, S. 345; Felix Wolffers, Der Rechtsanwalt
in der Schweiz, Schulthess Polygraphischer Verlag, Zürich 1986,
S. 145; Verein Züricherischer Rechtsanwälte (Hrsg.), Handbuch über
die Berufspflichten des Rechtsanwaltes im Kanton Zürich, Zürich
1988, S. 195; Christof Bernhart, Die Werbebeschränkungen für
wissenschaftliche Berufsarten als Problem der Grundrechte, Berner
Diss., Barnberg 1994, S. 81). Zumeist wird dieser in Praxiseröff-
nungen, Adressänderungen, längeren Abwesenheiten etc. erblickt.
Vorliegend kann die Rechtfertigung der Namensund Berufsnennung
in der Teilnahme als Referentin an einem Seminar (....) erblickt
werden.
bb) Die Werbung muss inhaltlich wahr sein und keine Über-
treibungen Irreführungen enthalten (Christof Bernhart, Werbung
der Rechtsanwälte - Ansätze für verfassungsrechtliche Neubewer-
tung, in: plädoyer 1993, S. 34; Handbuch, S. 196). Sie darf keine un-
richtigen Erwartungen wecken (BGE 123 I 17). Unwahre irre-
führende Aussagen über die (Anwalts-)Tätigkeit der beschuldigten
Anwältin sind dem beanstandeten Inserat nicht zu entnehmen.(...)
Die Werbemassnahme darf keine übertrieben auffällige re-
klamehafte Form haben (Handbuch, S. 199). Marktschreierische und
auf eigentlichen Kundenfang ausgerichtete Werbung ist nicht erlaubt.
Sie soll zurückhaltend sein und auf sensationelles und reklamehaftes
Sichherausstellen gegenüber Berufskollegen verzichten (BGE 123 I
17).
cc) Vorliegend erfolgt der Auftritt der beschuldigten Anwältin in
einem Zeitungsinserat, das allerdings nicht für ihre Anwaltstätigkeit
sondern für ein Seminar, an dem sie als Referentin teilnimmt, wirbt
(vgl. lit. aa vorstehend). Das Hauptgewicht des Inserateauftrittes liegt
somit klar in der Werbung für das Seminar als solches, ein allfälliger
Werbeeffekt erfolgt nur indirekt. Dass die Gestaltung des Inserates
als wenig zurückhaltend angesehen werden kann, stellt für sich allein
noch keinen Verstoss gegen das Verbot aufdringlicher Werbung dar.
Vielmehr massgebend ist, dass die knapp gehaltene - Vorstellung
der beschuldigten Anwältin in der Gesamterscheinung des Inserates
einen relativ kleinen Platz einnimmt und neben der Vorstellung der
anderen Referenten sowie dem übrigen Textteil nicht besonders her-
vorsticht sowie keine anpreisende, sich hervorhebende Werbewir-
kung für die Anwaltstätigkeit der beschuldigten Anwältin und auch
keine herabsetzende Wirkung in Bezug auf andere Anwälte zeitigt.
Auch die Abbildung der Anwältin mit Foto ist nicht zu bean-
standen. Während früher der Hinweis des Anwaltes auf seinen Beruf
mit Foto grundsätzlich verpönt war, ist ein Verbot der Werbung mit
Foto heute nicht mehr zeitgerecht und kann daher entsprechend der
eingetretenen Lockerung der Vorschriften über die anwaltliche Wer-
bung nicht mehr aufrechterhalten werden, solange das Bild selbst,
allein im Zusammenhang mit dem übrigen Text, keine auf-
dringliche, marktschreierische Anpreisung darstellt (Maya Stutzer,
Der Anwalt zwischen Werbung und Würde, in: Anwaltswerbung und
-marketing, DACH Schriftenreihe 10, Verlag Dr. Otto Schmidt
Köln/Schulthess Polygraphischer Verlag Zürich 1999, S. 89). Eine
solche aufdringliche Anpreisung ist im vorliegenden Fall zu vernei-
nen. Weder hinsichtlich der Grösse noch der Art der Abbildung hebt
sich die Fotografie der beschuldigten Anwältin aus dem Inserat be-
sonders hervor. Gesamthaft kann festgehalten werden, dass die Wer-
bewirkung des Inserates für die Anwaltstätigkeit der beschuldigten
Anwältin gegenüber dem Informationsgehalt für das Seminar in den
Hintergrund tritt.
Nicht zu beanstanden ist vorliegend auch die Angabe der Pra-
xisausrichtung. Mit zunehmender Dichte der Rechtsnormen ist eine
klare Tendenz zur Spezialisierung anwaltlicher Tätigkeit auszuma-
chen. Deshalb wird der Hinweis auf bevorzugte Tätigkeitsgebiete
heute als zulässig erachtet (vgl. Pfeifer, S. 339 ff.). Nicht erlaubt ist
hingegen, den Eindruck eines staatlich geprüften Spezialisten zu
erwecken (Handbuch, S. 198), was auf den vorliegenden Fall ein-
deutig nicht zutrifft. Im Zusammenhang mit der Vorstellung als Refe-
rentin entspricht die Angabe der Praxisausrichtung sodann dem Be-
dürfnis der Seminarteilnehmerinnen, sich ein Bild über den berufli-
chen Hintergrund der Referentin machen zu können.
dd) Die in einem Zeitungsinserat enthaltene Information erfährt
wohl eine breite Streuung, ist aber naturgemäss weniger aufdringlich,
als an bestimmte Personen direkt abgegebene respektive verschickte
Werbung. Es rechtfertigt sich vorliegend nicht, allein aus der Ver-
breitungsart einen Verstoss gegen das Verbot aufdringlicher Werbung
abzuleiten, nachdem die Darstellung der beschuldigten Anwältin
innerhalb des Inserates in Bezug auf Rechtfertigung, Inhalt und Form
nicht zu beanstanden ist.
e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die beschuldigte An-
wältin sich keines Verstosses gegen das Verbot aufdringlicher Wer-
bung i.S.v. § 16 Abs. 1 AnwG schuldig gemacht hat.