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105 Vertrauensschutz (§ 127 Abs. 2 StG). - Werden Pauschalspesen während mehreren Steuerperioden unwider- sprochen akzeptiert, darf die Veranlagungspraxis nicht geändert werden, ohne dass die Steuerpflichtigen vorgängig davon in Kenntnis gesetzt werden.
16. November 2000 in Sachen W., RV.2000.50007/K 7018
Aus den Erwägungen
5. a) Die Rekurrenten haben den belegmässigen Nachweis für
die Verwendung der Pauschalspesen nicht erbringen können. Die
Vorinstanz erachtet deswegen die Aufrechnung eines nach Ermessen
geschätzten Anteils als gerechtfertigt. Die Steuerkommission A. und
das KStA berufen sich dabei auf die Grundsätze, wonach in früheren
Veranlagungen anerkannte pauschale Aufwendungen die Veran-
lagungsbehörden in späteren Perioden nicht binden, weil darin keine
Zusicherung für künftige Veranlagungen zu sehen ist. Auch könne es
den Behörden nicht verwehrt sein, frühere Fehlleistungen zu
korrigieren.
b) Ob die früheren Veranlagungen, in denen die ausbezahlten
Pauschalspesen akzeptiert wurden, fehlerhaft waren, steht nicht fest,
weil die Angemessenheit der Zahlungen gar nicht näher überprüft
wurde. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass
frühere Fehlleistungen korrigiert werden müssen, was zweifellos
zulässig wäre.
c) Zutreffend ist, dass es nach der Beweislastverteilung
grundsätzlich dem Rekurrenten obliegt, den Nachweis dafür zu er-
bringen, dass die Pauschalspesen in vollem Umfang durch seine
Arbeitstätigkeit bedingt sind. Richtig ist auch, dass in jeder Steuerpe-
riode eine neue, unabhängige Prüfung der Deklarationen zulässig ist.
Dieser Grundsatz kann indessen mit dem Grundsatz von Treu und
Glauben kollidieren, der im Steuerrecht ebenfalls zu beachten ist
(§ 127 Abs. 2 StG). Der Steuerpflichtige hat insbesondere Anspruch
auf Schutz berechtigten Vertrauens in eine behördliche Zusicherung
(ein Sachverhalt, der hier nicht vorliegt) und in sonstiges, bestimmte
Erwartungen begründendes Verhalten der Steuerbehörden (dazu aus-
führlich B. Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht,
Basel 1983, insbesondere S. 234 ff.; Baur/Klöti/Koch/Meier/Ur-
sprung, Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri-Bern 1991,
N 7 zu § 127 StG; RGE vom 29. Juni 1994 in Sachen D.).
Anerkennen die Steuerbehörden während Jahren Pauschalspesen,
ohne Belege dafür zu verlangen, dürfen die Steuerpflichtigen an-
nehmen, dass auch künftig bei gleichbleibenden Verhältnissen kein
Verwendungsnachweis gefordert wird. Wollen die Steuerbehörden
ihre Veranlagungspraxis überprüfen, so haben sie die Steuer-
pflichtigen so rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass es diesen möglich
ist, die entsprechenden Belege zu beschaffen und vorzulegen (RGE
vom 29. Juni 1994 in Sachen D.). Andernfalls werden die
Steuerpflichtigen in einen nicht zumutbaren Beweisnotstand versetzt
(Baur/Klöti/Koch/Meier/Ursprung, a.a.O., N 17 zu § 24 StG), insbe-
sondere beim geltenden System mit Vergangenheitsbemessung. So
verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Pauschalspesen wurden
mindestens seit den Steuerjahren 1995/96 (frühere Akten wurden
vom StRG nicht beigezogen) in vollem Umfang als Entgelt für Ar-
beitskosten akzeptiert. Aus den entsprechenden Steuerakten geht
nicht hervor, dass den Rekurrenten angekündigt worden wäre, dies
werde in kommenden Steuerperioden nicht mehr der Fall sein. Die
Rekurrenten durften sich deshalb darauf verlassen, dass die Veranla-
gungspraxis der Steuerkommission A. nicht geändert werde, ohne
dass sie vorgängig davon in Kenntnis gesetzt würden, um entspre-
chende Dispositionen (Sammeln und Aufbewahren von Belegen)
treffen zu können. Wegen der fehlenden Belege ist deshalb eine Auf-
rechnung in den Steuerjahren 1999/2000 nicht zulässig.