2000 Steuerrekursgericht 430
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101 Abzüge vom Roheinkommen; Weiterbildungskosten (§ 24 lit. c Ziff. 5 StG). - Die Kosten für den Besuch einer Abendhandelsschule stellen bei ei- nem gelernten Mechaniker Weiterbildungskosten dar, wenn die kaufmännische Bildung für den Aufstieg im angestammten techni- schen Beruf dient bzw. vorausgesetzt wird.
17. August 2000 in Sachen F., RV.2000.50101/K 7034
Aus den Erwägungen
2. Der Rekurrent beantragt, es seien die Kosten von Fr. 3'300.--
für den Besuch der Abendhandelsschule an der Kaufmännischen
Berufsschule in Sursee als Weiterbildungskosten zu qualifizieren und
vollumfänglich zum Abzug zuzulassen. Die Vorinstanz geht davon
aus, dass es sich dabei um Ausbildungskosten handelt, was zur Folge
hat, dass kein Abzug gewährt werden kann.
3. Gemäss § 24 lit. c Ziff. 5 StG können die mit dem Beruf un-
mittelbar zusammenhängenden Kosten für die Weiterbildung, Um-
schulung und Fachliteratur vom Roheinkommen abgezogen werden.
4. a) Das Verwaltungsgericht legt den Begriff der "Ausbildung"
wie folgt aus (VGE vom 4. November 1999 in Sachen B., unter
Hinweis auf den VGE vom 3. Dezember 1991 in Sachen KStA/B.):
"Unter Ausbildung ist nicht nur die unmittelbare Vermittlung von
Kenntnissen in bezug auf einen spezifischen Beruf (z.B. Berufslehre, Stu-
dium) zu verstehen. Eine gewisse Durchmischung beruflicher Sonderaus-
bildung mit allgemeinbildenden Fächern ist gleichermassen gedeckt wie der
beschränkte, unter dem Aspekt 'Erziehung' erwünschte Einbezug musischer
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Fächer und sportlicher Betätigung. Umfasst ist der Besuch von Schulen und
Kursen, soweit dieser notwendige, allgemeinbildende Grundvoraussetzung
zur Erlernung ganzer Berufsgattungen darstellt (z.B. Mittelschule) die
Gesamtumstände (Alter, bisherige Ausbildung und berufliche Tätigkeit,
wirtschaftliche und berufliche Aussichten, Berufsziel, Intensität des Schul-
bzw. Kursbesuchs sowie Art des Lehrganges) einen Zusammenhang mit
einer zukünftigen beruflichen Tätigkeit nahelegen. Immerhin reicht nicht
jede vage Andeutung Wahrscheinlichkeit einer denkbaren späteren
beruflichen Auswertung für den steuerlich erforderlichen beruflichen Zu-
sammenhang aus. Es hat ein zumindest mittelbarer Zusammenhang zu der
zum Lebensunterhalt dienenden künftigen Einkommenserzielung zu beste-
hen."
b) Unter "Weiterbildung" versteht das Verwaltungsgericht das
Folgende (VGE vom 28. März 2000 in Sachen A.):
"Weiterbildung (ist) die Erweiterung bereits erworbener Kenntnisse in
einem bestimmten Beruf. Es ist diejenige Art von Ausbildung im weiteren
Sinn, die jemand auf sich nimmt, um in seinem Beruf auf dem Laufenden
zu bleiben, den steigenden Anforderungen einer beruflichen Stellung ge-
wachsen zu bleiben. Weiterbildung ist nicht bloss, was zur Beibehaltung der
bisherigen Anstellung geradezu unerlässlich ist. Abziehbar sind alle Kosten
der Weiterbildung, die mit dem gegenwärtigen Beruf des Steuerpflichtigen
in einem unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang stehen und auf die zu
verzichten dem Pflichtigen nicht zugemutet werden kann. Als Weiterbildung
gelten die Aufwendungen zur Erhaltung und Sicherung der Stellung im
Beruf, aber auch die Aufwendungen für den Aufstieg. Als Weiterbildung
anerkannt ist, was objektiv mit dem gegenwärtigen Beruf im Zusammen-
hang steht und was der Pflichtige selber für seine Weiterbildung als not-
wendig erachtet und tatsächlich aufwendet."
Es gelten also auch Aufwendungen für den beruflichen Aufstieg
als Weiterbildungskosten. Voraussetzung ist, dass der Aufstieg im
angestammten (ausgeübten) Beruf erfolgt (Richner/Frei/Kaufmann,
Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, Zürich 1999,
N 34 zu § 26; E. Höhn/R. Waldburger, Steuerrecht, Band II,
8. Auflage 1999, Rz 62 zu § 35; StE 1997 B 27.6 Nr. 12; P. Funk,
Der Begriff der Gewinnungskosten nach schweizerischem Einkom-
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menssteuerrecht, Grüsch 1989, S. 99; Baur/Klöti/Koch/Meier/Ur-
sprung, Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri-Bern 1991,
N 330 zu § 24 StG). Es wird anerkannt, dass es dem Steuer-
pflichtigen nicht zuzumuten ist, sich mit der im Beruf erreichten
Stellung zu begnügen. Es ist zumeist das natürliche und berechtigte
Streben jedes Berufstätigen, im Beruf vorwärtszukommen. Dazu ist
vielfach eine Weiterbildung notwendig, woraus erhebliche Kosten
erwachsen können (H. Zehnder, Die Behandlung der Kosten für
Ausbildung und berufliche Weiterbildung im schweizerischen
Steuerrecht, Diss. Zürich 1985, S. 65 f.).
5. a) Der Rekurrent trat 1990 in die T. AG in B. ein. Die T. AG
ist ein Anbieter von Präzisionsinstrumenten im medizinischen, fein-
chirurgischen Bereich. Zu Beginn seiner Tätigkeit hat der Rekurrent
als gelernter Mechaniker vorallem feinmechanische Arbeiten erle-
digt. Mit der Zeit hat er mehr und mehr die Verantwortung für ganze
Arbeitsabläufe (Einkauf und Kontrolle von Materialien, Bearbeitung
und Montage von optischen Medizinalinstrumenten) übernommen.
Im Jahr 1996 hat ihm seine Arbeitgeberin in Aussicht gestellt, die
Funktion des "Leiter Werkstatt Optik" (mit 1 - 2 unterstellten Mitar-
beitern) auch formell zu übertragen, wenn er dafür die notwendigen
fachlichen Qualifikationen auch im sprachlichen und administrativen
Bereich mitbringe. Aus diesem Grund hat der Rekurrent einerseits
Englischkurse und anderseits die Abendhandelsschule besucht. In der
Folge wurde ihm die Funktion als "Leiter Werkstatt Optik" übertra-
gen. Diese umfasst die folgenden Haupttätigkeiten (vgl. Stellenbe-
schrieb der T. AG):
- Koordination der Reparaturen
- AVOR für Techniker
- Kostenanalyse, Offertstellung und Reparatur von flexiblen und
starren Endoskopen
- Detailabklärungen mit Kunden
- Beschaffung und Materialbewirtschaftung von Ersatzteillager
FUJINON, WOLF
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- Qualitätsüberwachung und Protokollerstellung Reparaturwesen
nach ISO 9001/EN46001
- Führen der Reparaturstatistik
- Kundenbetreuung bei Reparaturfragen
- Rapportwesen Qualitätssystem, Troublereport Erstellung
FUJINON
- Bewirtschaftung der englischen und deutschen technischen
Unterlagen (Servicemanuals)
- Ausführen von Reparaturen nach Service Manual Vorgaben der
Herstellerfirma
- Überwachung des Leihgeräteparks
- Schulung von Technikern
- Ausführung von mechanischen Reparaturen an Hilfsinstrumen-
ten
- Vorbereitung von Demosystemen für den Aussendienst
b) Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass die Absolvierung der
Handelsschule nicht als Weiterbildung im angestammten Beruf (Me-
chanikerlehre) angesehen werden könne, da dort im Wesentlichen
betriebswirtschaftliche und nicht handwerkliche Fächer unterrichtet
worden seien. Unter Weiterbildung könnten grundsätzlich die Kosten
für das Auffrischen und Überarbeiten von bereits Erlerntem (z.B.
branchenbedingte Wiederholungsoder Fortbildungskurse, Seminare,
Kongresse, usw.) wie auch der Aufbau auf einem bereits erlernten,
ausgeübten Beruf (z.B. Mechaniker legt Meisterprüfung ab, usw.)
subsumiert werden. Vorliegend handle es sich jedoch weder um das
Eine noch das Andere, so dass es sich bei den Kosten für die
Abendhandelsschule nicht um Weiterbildungs-, sondern um Ausbil-
dungskosten handle.
Dieser engen Auffassung kann das StRG unter den vorliegenden
Umständen nicht zustimmen. Der Rekurrent hat zu Beginn seiner
Tätigkeit bei der T. AG vorallem feinmechanische Arbeiten ausge-
führt, d.h. er war entsprechend seiner Ausbildung als Mechaniker
handwerklich tätig, wobei in den letzten Jahren offenbar die admini-
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strative Beanspruchung enorm zugenommen hat, da jeder Mitarbeiter
für die von ihm betreuten Arbeitsgänge Rapporte bzw. Protokolle zu
führen hat. Im Laufe der Zeit hat die Arbeitgeberin dem Rekurrenten
weitere, nicht mehr nur technische, sondern auch administrative
Aufgaben zur Erledigung übertragen. Sie hat jedoch die formelle
Uebernahme der Funktion "Leiter Werkstatt Optik" durch den Rekur-
renten u.a. vom Besuch einer Handelsschule abhängig gemacht (vgl.
Schreiben der T. AG vom 11. Januar 2000 und vom 10. November
1999). Wie dem oben wiedergegebenen Stellenbeschrieb entnommen
werden kann, ist der Rekurrent in seiner neuen Funktion als "Leiter
Werkstatt Optik" jedoch weiterhin auch handwerklich, d.h. in seinem
angestammten Beruf als Mechaniker, tätig (Reparatur von flexiblen
und starren Endoskopen, Ausführen von Reparaturen nach Service
Manual Vorgaben der Herstellerfirma, Ausführen von mechanischen
Reparaturen an Hilfsinstrumenten). Bei den hinzugekommenen ad-
ministrativen und organisatorischen Tätigkeiten handelt es sich le-
diglich um die "Folgen" seiner neuen Funktion als "Leiter Werkstatt
Optik". Es entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass in einer höhe-
ren Funktion auch in einem grundsätzlich technischen Bereich ver-
mehrt administrative und organisatorische Arbeiten anfallen. Der
Rekurrent hat jedoch nicht die ursprünglich vorwiegend handwerkli-
che Tätigkeit zugunsten eines andern (neuen) Berufs aufgegeben, bei
dem das Schwergewicht im betriebswirtschaftlichen Bereich liegt. Er
ist nach wie vor entsprechend seiner ursprünglichen Ausbildung in
einem technischen Bereich tätig. Die Ausbildung als Mechaniker
dürfte denn auch für die Funktion als "Leiter Werkstatt Optik" uner-
lässliche Voraussetzung sein. Nach Auffassung des StRG handelt es
sich vorliegend um einen Aufstieg im angestammten (technischen)
Beruf und nicht um einen mit einer zusätzlichen Ausbildung verbun-
denen eigentlichen Berufswechsel in einen (überwiegend) kaufmän-
nischen Bereich, auch wenn der Rekurrent neue, sich aus der Füh-
rungsposition ergebende Aufgaben nicht-technischer Art zu erfüllen
hat. Die Kosten für die Abendhandelsschule, welche dem Rekurren-
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ten entstanden sind, um bei der gleichen Arbeitgeberin im gleichen
Beruf eine gehobenere Stellung zu erreichen, sind daher als Weiter-
bildungskosten zu qualifizieren. Daran vermag auch der Umstand,
dass die Arbeitgeberin nicht bereit war, die Kosten für die Abend-
handelsschule zu übernehmen, nichts zu ändern.