Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-6498/2017 |
Datum: | 11.01.2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Recht; Beschwerdeführers; Person; Verfügung; Wegweisung; Alter; Bundes; Bundesverwaltungsgericht; Französisch; Schweiz; Minderjährigkeit; Behörde; Behörden; Vollzug; Verfahren; Knochenalter; Guinea; Vorinstanz; Anhörung; Deutsch; Zeitpunkt; Urteil; Ergebnis; Sinne; EMARK; Identität; Geburtsdatum |
Rechtsnorm: | Art. 25 BV ;Art. 33a VwVG ;Art. 44 BV ;Art. 48 VwVG ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-6498/2017
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Besetzung Richter Walter Lang (Vorsitz), Richter Simon Thurnheer, Richterin Claudia Cotting-Schalch,
Gerichtsschreiberin Claudia Jorns Morgenegg.
Parteien A. , angeblich geboren am ( ), Guinea,
vertreten durch Nicolas Brügger, avocat, Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 17. Oktober 2017 / N ( ).
Der Beschwerdeführer reiste eigenen Angaben zufolge am 22. November 2016 in die Schweiz ein, wo er am gleichen Tag um Asyl nachsuchte. Am 29. November 2016 wurde er durch das SEM zu seiner Person und seinem Reiseweg befragt (Befragung zur Person; BzP). Dabei wurde ihm unter anderem das rechtliche Gehör zu der von ihm behaupteten Minderjährigkeit gewährt und die Gelegenheit erteilt, Stellung zum Ergebnis einer vom SEM in Auftrag gegebenen Knochenaltersbestimmung vom 25. November 2016, zu nehmen.
Eine einlässliche Anhörung des Beschwerdeführers zu den Asylgründen erfolgte durch das SEM am 15. Juni 2017.
In den Befragungen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen zu Protokoll, er sei minderjährig, gehöre der Ethnie der Peul an und habe sein Heimatland am 22. Januar 2015 verlassen, weil damals sein Elternhaus durch Angehörige der Ethnie der Malinké nachts angegriffen und angezündet worden und dabei sein Vater ums Leben gekommen sei. Nach diesem
Vorfall sei er nach B. dem Auto nach C.
(Mali) und von dort zwei Monate später mit (Niger) gereist. Nach zweiwöchigem Aufenthalt
in Niger habe er sich mit dem Auto nach D. Libyen habe er sich vier Monate in E.
(Libyen) begeben. In und danach noch etwas län-
ger in F.
aufgehalten. Dann sei er mit einem Boot nach Italien ge-
fahren. Gegen Ende Oktober 2016 sei er in G. einem Bus habe er sich von dort nach H.
angekommen. Mit und weiter in die Schweiz
begeben, wo er am 22. November 2017 eingereist sei.
Gemäss einer Abklärung des SEM war der Beschwerdeführer in
G. am 5. Oktober 2016 durch die italienischen Behörden daktylo-
skopiert worden.
Auf Anfrage des SEM vom 16. Dezember 2016 teilten die italienischen Behörden dem SEM am 6. Februar 2017 mit, der Beschwerdeführer sei in Italien mit den Geburtsdaten ( ) und ( ) registriert worden. Es handle sich um einen ( ), der aus einem Zentrum für ( ) verschwunden sei. Eine Rücküberstellung nach Italien falle nicht in Betracht.
Mit Verfügung vom 17. Oktober 2017 stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte sein Asylgesuch vom 22. November 2016 ab. Gleichzeitig ordnete es die Wegweisung aus der Schweiz an und verfügte den Vollzug der Wegweisung.
Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 17. November 2017 erhob der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht gegen den Entscheid des SEM vom 17. Oktober 2017 Beschwerde. Darin wurde beantragt, die vorinstanzliche Verfügung sei aufzuheben und das SEM sei anzuweisen, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren. Eventualiter sei die Verfügung aufzuheben und die vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers anzuordnen, subeventualiter sei die Sache zwecks Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um Erlass von der Kostenvorschusspflicht und (sinngemäss) um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung ersucht. Ausserdem wurde beantragt, das Beschwerdeverfahren sei auf Französisch zu führen.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte am 23. November 2017 den Eingang der Beschwerde.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor.
Die Beschwerde ist fristund formgerecht (108 Abs. 1 AsylG; Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 52 Abs. 1 VwVG) eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
In der in Französisch verfassten Beschwerde wird beantragt, das Beschwerdeverfahren sei auf Französisch zu führen, da der Beschwerdeführer über Französischkenntnisse verfüge und schon dem SEM gegenüber beantragt habe, die Anhörungen seien auf Französisch zu führen.
Dazu ist zunächst festzustellen, dass sich den vorinstanzlichen Akten nicht entnehmen lässt, dass der Beschwerdeführer beim SEM den Wunsch geäussert hat, in Französisch angehört zu werden. Seine Muttersprache ist auch nicht Französisch, sondern Peul (vgl. act. SEM A8/14 S. 3), in welcher denn auch die Anhörungen stattfanden (vgl. act. SEM A8/14 S. 2 u. S. 10, act. SEM A23/11 S. 10).
Für das das Beschwerdeverfahren ist die Sprache des angefochtenen Entscheides massgebend. Verwenden die Parteien eine andere Amtssprache, so kann das Verfahren in dieser Sprache geführt werden (Art. 33a Abs. 2 VwVG).
Die angefochtene Verfügung wurde von der Vorinstanz auf Deutsch erlassen, womit das Beschwerdeverfahren grundsätzlich auf Deutsch zu führen ist. Der Beschwerdeführer verfügt zwar über Französischkenntnisse (vgl. act. SEM A8/14 S. 2) und der Rechtsvertreter hat - wie erwähnt - die Beschwerde in Französisch verfasst. Zur Urteilsbildung bedarf es vorliegend aber weder einer Anhörung des Beschwerdeführers noch weiterer Instruktionsmassnahmen. Nicht nur die angefochtene Verfügung wurde in
Deutsch verfasst, sondern das gesamte vorinstanzliche Verfahren wurde in Deutsch geführt respektive die in der Muttersprache Peul erfolgten Aussagen des Beschwerdeführers wurden ins Deutsche übersetzt (vgl. act. SEM A8/14 S. 1 ff., act. SEM A23/11 S. 1 ff.). Der Rechtsvertreter hat trotz dieses Umstandes die Vertretung des Beschwerdeführers übernommen und gegen die in Deutsch verfasste Verfügung des SEM vom 17. Oktober 2017 Beschwerde erhoben. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er über die dazu erforderlichen Deutschkenntnisse verfügt. Es besteht somit für das Gericht keine Veranlassung, das vorliegende Beschwerdeverfahren auf Französisch zu führen. Der entsprechende Antrag wird abgewiesen.
5.1 Die vom Beschwerdeführer behauptete Minderjährigkeit wurde vom SEM zufolge vager und unterschiedlicher Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Alter sowie dem Ergebnis einer vom SEM in Auftrag gegebenen Knochenaltersanalyse für nicht glaubhaft befunden (vgl. angefochtene Verfügung Ziffer II 1. S. 2 f.). In der Beschwerde wird daran festgehalten, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei. Unter Hinweis auf verschiedene Urteile des Bundesverwaltungsgericht wird gerügt, die ihm als Minderjährigen zustehenden Verfahrensgarantien seien ihm verwehrt und damit sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Diese verfahrensrechtliche Rüge ist vorab zu prüfen, da sie allenfalls geeignet wäre, eine Kassation des vorinstanzlichen Entscheides zu bewirken (vgl. KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 1151 ff.).
Im ordentlichen Asylund Wegweisungsverfahren ist es zulässig, vor der einlässlichen Anhörung zu den Asylgründen - ohne Beiordnung einer Vertrauensperson - vorfrageweise über die Frage der Glaubhaftigkeit einer geltend gemachten Minderjährigkeit zu befinden (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der [ehemaligen] Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2004 Nr. 30).
Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken; insbesondere müssen sie ihre Identität offenlegen und Reisepapiere sowie Identitätsausweise abgeben (Art. 8 Abs. 1 Bst. a und b AsylG). Die asylsuchende Person trägt grundsätzlich die Beweislast für die von ihr behauptete Minderjährigkeit (vgl. EMARK 2004 Nr. 30 E. 5.2). Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist eine Abwägung aller Anhaltspunkte,
die für oder gegen die Richtigkeit der betreffenden Altersangabe sprechen, vorzunehmen (vgl. EMARK 2004 Nr. 30 E. 5.3.4, vgl. zum Ganzen auch etwa die Urteile des BVGer E-2488/2017 vom 20. Juni 2017 E. 4.3.2, BVGer D-6422/2016 vom 10. Januar 2017 E. 5.5.). Bei Fehlen rechtsgenüglicher Identitätsausweise kann im Rahmen der Feststellung des Sachverhalts mit Unterstützung wissenschaftlicher Methoden - beispielsweise Knochenaltersanalysen (Art. 17 Abs. 3bis AsylG) - abgeklärt werden, ob die Altersangabe der asylsuchenden Person dem tatsächlichen Alter entspricht (Art. 7 Abs. 1 AsylV 1). Die asylsuchende Person hat bei der entsprechenden Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken.
Der Beschwerdeführer bezeichnete auf dem Personalienblatt vom
22. November 2016 sein Geburtsdatum mit dem ( ) (vgl. act. SEM A1/2,
S. 1). Im Zeitpunkt seines Gesuchs vom 22. November 2016 reichte er weder Identitätspapiere noch andere Dokumente zu den Akten, die Rückschlüsse auf seine Identität oder sein Alter zulassen würden. Auch im Rahmen der BzP gab er keine solchen beim SEM ab. Das Vorgehen des SEM, die Glaubhaftigkeit der nicht belegten Minderjährigkeit des Beschwerdeführers vorfrageweise zu überprüfen und zu diesem Zweck eine Knochenaltersanalyse durchzuführen, ist daher nicht zu beanstanden.
Die radiologische Untersuchung vom 25. November 2016 ergab - unter Berücksichtigung allfälliger ethnischer Unterschiede und einer gewissen statistischen Streubreite sowie in Abwesenheit allfälliger Gesundheitsstörungen - ein Knochenalter des Beschwerdeführers von ( ) oder mehr Jahren (vgl. act. SEM A7/1). Der Unterschied zu des von ihm im Zeitpunkt der Durchführung der Handknochenanalyse angegeben Alters ([ ] Jahre und fast [ ] Monate) beträgt somit ( ) Jahre und rund ( ) Monat. Zwar lassen - wie in der Beschwerde unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Société suisse de pédiatrie (SSP) in der Schweizerischen Ärztezeitung (2017;98 [21-22]:680-681) zu Recht eingewandt wird - die Ergebnisse einer radiologischen Untersuchung keine sicheren Schlüsse auf die Voll- o- der Minderjährigkeit zu. Sie weisen generell nur einen beschränkten Aussagewert zur Bestimmung des tatsächlichen Alters auf, insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - das behauptete Alter mit dem festgestellten Knochenalter um weniger als drei Jahre variiert (vgl. EMARK 2000 Nr. 19, bestätigt u.a. in EMARK 2000 Nr. 28, 2001 Nr. 23, 2004 Nr. 30, vgl. auch statt vieler: Urteil des BVGer D-1872/2017 vom 14. Juni 2017 E. 5.2.2). Dem Ergebnis der vorliegenden Handknochenanalyse kommt somit zwar kein erhöhter Beweiswert zu. Dieses bildet dennoch ein Indiz für eine unzutreffende Altersangabe des Beschwerdeführers respektive seine mögliche Volljährigkeit. Angesichts dessen, dass er die objektive Beweislast für die von ihm behauptete Minderjährigkeit trägt, hegte das SEM vor der Befragung berechtigte Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit. Die Durchführung der BzP ohne Vertrauensperson (Art. 17 Abs. 3 AsylG) ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden.
Nach Vorliegen des Knochenaltersgutachtens hat das SEM den Beschwerdeführer zur weiteren Abklärung seines Alters im Rahmen der BzP vom 29. November 2016 befragt respektive ihm das rechtliche Gehör zum Ergebnis der Analyse gewährt (vgl. act. SEM A8/14 S. 4 und S. 8 ff.). Dazu entgegnete er, er sei ( ) Jahre alt, er kenne nur dieses Alter. Er könne zu Hause anrufen, um eine Bestätigung einzuholen. Beim Brand des Elternhauses sei seine Geburtsurkunde verbrannt. Er habe das von ihm angegebene Geburtsdatum von seiner Familie respektive seiner älteren Schwester erfahren. Er kenne dieses Datum auch deshalb, weil es auf einem Dokument eines Spitals, in welchem er mal wegen Zahnschmerzen in Behandlung gewesen sei, vermerkt gewesen sei (vgl. act. SEM A8/14 S. 9).
Diese Angaben widersprechen jedoch eindeutig dem vom Beschwerdeführer den italienischen Behörden gegenüber genannten Geburtsdatum. Gemäss Auskunft derselben wurde er in Italien zwar - wie in der Beschwerde erwähnt wird - als minderjährig erachtet. Hingegen wurde er nicht etwa mit erwähntem ( ) als Geburtsdatum sondern - nach seiner Registrierung
vom 5. Oktober 2016 in G.
(vgl. act. SEM A4/1) - mit dem ( ) als
Geburtsdatum sowie auch mit dem Alias-Geburtsdatum ( ) vermerkt (vgl. act. SEM A16/1). Stützt man auf diese Daten ab, so wäre der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der BzP vom 29. November 2016 entweder bereits ( ) oder ( ) Jahre, im Zeitpunkt der einlässlichen Anhörung vom 15. Juni 2017 ( ) oder fast ( ) Jahre alt gewesen. Vor diesem Hintergrund stellt die Qualifizierung des Beschwerdeführers durch die italienischen Behörden als Minderjährigen - entgegen der Argumentation in der Beschwerde
- kein verlässliches Kriterium dafür dar, dass er durch die Schweizerischen Behörden ebenfalls als Minderjähriger zu erachten wäre.
Der Beschwerdeführer betonte zwar im Rahmen der einlässlichen Anhörung - und desgleichen in der Beschwerde - er sei im Jahre ( ) geboren. Auch führte er aus, er habe die Schule, die er sechs Jahre besucht habe, im Jahre ( ) abgebrochen und sei damals ( ) oder ( ) Jahre alt gewesen (vgl. act. SEM A23/11 S. 3). Stellt man darauf ab, dass er im Zeitpunkt des Schulabbruchs ( ) Jahre gewesen wäre, liesse sich dies zwar mit dem
von ihm den schweizerischen Behörden angegebenen Geburtsjahr ( ) vereinbaren. Es fällt aber auch auf, dass er sein Alter im Zeitpunkt des Schulabbruchs nicht konkret anzugeben vermag, indem er aussagt, ( ) oder ( ) Jahre alt gewesen zu sein. Ungenau und vage fallen auch seine Auskünfte über das Alter der Geschwister und seiner Eltern aus. So legt er lediglich dar, seine Geschwister seien viel älter als er und das Alter seiner Eltern kenne er nicht (vgl. act. SEM A23/11 S. 4).
Dem SEM ist demzufolge zuzustimmen, wenn es die Aussagen des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Alters als vage und unterschiedlich bezeichnet, zumal sich insbesondere - wie besehen - sein Vorbringen, am ( ) geboren zu sein, nicht mit den beiden Geburtsdaten, die er den italienischen Behörden gegenüber nannte, vereinbaren lässt. Er hat zudem keine Identitätspapiere oder andere Ausweise eingereicht, die über sein Alter Aufschluss geben könnten. Auch deutet das Ergebnis der Knochenaltersanalyse auf ein anderes als das von ihm angegebene Alter hin.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Nach Lehre und Rechtsprechung erfüllt eine asylsuchende Person die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG und Art. 1 A des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30), wenn sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft mit gutem Grund Nachteile von bestimmter Intensität befürchten muss, die ihr gezielt und aufgrund bestimmter Verfolgungsmotive zugefügt zu werden drohen und vor denen sie keinen ausreichenden staatlichen Schutz erwarten kann (vgl. BVGE 2013/11 E. 5.1, 2011/51 E. 6.1, 2008/4 E. 5.2).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
Vorliegend wurden die vom Beschwerdeführer dargelegten Ausreisegründe in Form eines innerethnischen Konflikts zwischen Angehörigen der Volksgruppe der Peul und der Malinké, im Rahmen dessen sein Elternhaus angezündet wurde und dem sein Vater zum Opfer fiel, durch das SEM nicht bezweifelt. Das SEM hat allerdings diesen Vorbringen die Asylrelevanz abgesprochen. Diese Einschätzung ist zutreffend.
Wie das SEM ausführt, mangelt es vorliegend am Merkmal der gezielt gegen die Person des Beschwerdeführers gerichteten Verfolgung. Seinen Angaben zufolge waren nicht nur sein Elternhaus sondern auch weitere Häuser Brandanschlägen im Rahmen eines ethnischen Konflikts in I. ausgesetzt, wobei sein Vater bei der Flucht aus dem Haus von einem Stein getroffen wurde (vgl. act. A23/11 S. 6). Wie vom SEM zutreffend gefolgert, war der Vater demnach - so bedauerlich dies auch ist - ein zufälliges Opfer jenes vorübergehenden ethnischen Konflikts zwischen zwei Volksgruppen. Der Beschwerdeführer selber war keinen gezielt auf seine Person gerichteten Massnahmen ausgesetzt. Auch sind - entgegen der Auffassung in der Beschwerde - keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft aus einem der in Art. 3 AsylG genannten Motive gezielt gegen seine Person gerichtete Massnahmen zu befürchten hätte. Auch wenn - wie das SEM ebenso zutreffend festhält - ethnische Spannungen in Zukunft nicht ausgeschlossen werden können, kann mit Bezug auf Guinea auch nicht von einer systematischen Verfolgung einer oder mehrerer Volksgruppen die Rede sein.
Den vom Beschwerdeführer beschriebenen Fluchtgründen kommt demzufolge keine Relevanz im Sinne von Art. 3 AsylG zu, weshalb das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu Recht verneint und dessen Asylgesuch abgewiesen hat.
Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).
Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung nach Guinea dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06, §§ 124-127 m.w.H.). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in Guinea lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.
Wie vom SEM festgehalten, kam es im Vorfeld vergangener Präsidentschaftswahlen in Guinea in den Jahren 2013 und 2015 zu gewaltsamen politischen und ethnischen Auseinandersetzungen sowie im Februar dieses Jahres zu Gewaltausbrüchen infolge von Protesten (vgl. angefochtene Verfügung Ziffer III 2. S. 4 f.) Auch wenn allfällige ethnische oder politisch motivierte Zusammenstösse auch künftig nicht ausgeschlossen werden können, lassen diese vereinzelten Ereignisse jedoch - übereinstimmend mit dem SEM und entgegen der dahingehenden Ansicht in der Beschwerde - nicht auf eine Situation allgemeiner Gewalt schliessen. Mit Bezug auf Guinea kann demnach nicht von einer Kriegsoder Bürgerkriegssituation oder einer Situation allgemeiner Gewalt gesprochen werden (vgl. dazu auch statt vieler Urteil des BVGer D-2401/2016 vom 7. Dezember 2017 m.w.H.).
Auch sprechen keine individuellen Gründe gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs. So handelt es sich beim als volljährig zu erachtenden Beschwerdeführer (vgl. E. 5) um einen jungen Mann, der in Guinea seinen Vorbringen zufolge zumindest die Grundschule abgeschlossen haben dürfte (vgl. act. SEM A23/11 S. 3). Ausserdem verfügt er über etwas Arbeitserfahrung als ( ) und in der ( ) (act. SEM A23/11 S. 5 f.). In Gui-
nea lebt in J.
seine Mutter, zu der er Kontakt hat und der es dort
seinen Angaben zufolge gut gehe. Ausserdem leben in J.
ein On-
kel und seine Grossmutter (vgl. act. SEM A8/14 S. 5, act. SEM A23/11 S. 4 f.). Vor diesem Hintergrund ist einhergehend mit der Vor-instanz von einem tragfähigen Beziehungsnetz im Heimatland auszugehen, welches ihm bei einer Wiedereingliederung und dem Aufbau einer Existenzgrundlage behilflich sein kann. Der Vollzug der Wegweisung erweist sich daher nicht als unzumutbar.
Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AuG).
Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.
Mit vorliegendem Direktentscheid in der Hauptsache wird das Gesuch um Erlass von Kostenvorschusspflicht gegenstandslos.
Der Datenbank des "Zentralen Migrationssystems" (ZEMIS; vgl. ZEMIS-Verordnung vom 12. April 2006 [SR 142.513]) lässt sich entnehmen, dass der Beschwerdeführer nicht erwerbstätig ist, womit sich seine Darstellung in der Beschwerde als zutreffend erweist und von seiner Bedürftigkeit ausgegangen werden kann. Die Beschwerdebegehren erweisen sich zudem nicht als aussichtslos. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG ist daher gutzuheissen und auf die Erhebung von Verfahrenskosten ist zu verzichten.
Angesichts der als nicht aussichtslos zu bezeichnenden Begehren sind auch die Voraussetzungen für eine Rechtsverbeiständung, welche sich vorliegend nach Art. 110a Abs. 1 AsylG beurteilt, erfüllt und das entsprechende Gesuch ist unter Beiordnung des rubrizierten Rechtsvertreters als amtlicher Rechtsbeistand gutzuheissen. Rechtsanwalt Nicolas Brügger ist ein entsprechendes Honorar zulasten des Gerichts auszurichten. Die Festsetzung des Honorars erfolgt gemäss Art. 12 des Reglements vom
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) in sinngemässer Anwendung von Art. 8-11 sowie Art. 14 VGKE. Eine Kostennote wurde nicht zu den Akten gereicht, weshalb die Entschädigung auf Grund der Akten festzusetzen ist (Art. 14 Abs. 2 VGKE). Gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 913 VGKE) wird das Honorar auf Fr. 1700. (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuerzuschlag) festgesetzt. Dieser Betrag ist dem Rechtsbeistand vom Bundesverwaltungsgericht auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird gutgeheissen und auf die Erhebung von Verfahrenskosten verzichtet.
Das Gesuch um amtliche Rechtsverbeiständung durch Rechtsanwalt Nicolas Brügger wird gutgeheissen.
Rechtsanwalt Nicolas Brügger wird durch die Gerichtskasse ein Honorar von Fr. 1700.- ausgerichtet.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Walter Lang Claudia Jorns Morgenegg
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