Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-5520/2021 |
Datum: | 04.01.2022 |
Leitsatz/Stichwort: | Nichteintreten auf Asylgesuch (sicherer Drittstaat 31a I a,c,d,e) und Wegweisung |
Schlagwörter : | Griechenland; Recht; Behörde; Behörden; Wegweisung; Schutz; Vorinstanz; Flüchtling; Vollzug; Bundesverwaltungsgericht; Urteil; Verfügung; Schweiz; Person; Drittstaat; Asylgesuch; Personen; Beschwerdeführers; Akten; Gericht; Sinne; Situation; Ausländer; Familie |
Rechtsnorm: | Art. 25 BV ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 AIG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-5520/2021
Besetzung Einzelrichterin Chiara Piras,
mit Zustimmung von Richterin Daniela Brüschweiler; Gerichtsschreiberin Martina von Wattenwyl.
Parteien A. , geboren am (…), Afghanistan,
BAZ (…),
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch (sicherer Drittstaat) und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 16. Dezember 2021 / N (…).
A. (nachfolgend: der Beschwerdeführer) reiste am 19. oder am 22. Oktober 2021 in die Schweiz ein und ersuchte am 22. Oktober 2021 um Asyl. Er wurde dem Bundesasylzentrum (BAZ) B. zugewiesen.
Ein Abgleich mit der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (Zentraleinheit Eurodac) vom 26. Oktober 2021 ergab, dass der Beschwerdeführer am 20. August 2018 in Griechenland um Asyl ersucht hatte und ihm die griechischen Behörden am 17. Februar 2020 Schutz gewährt hatten.
Am 27. Oktober 2021 ersuchte das SEM die griechischen Behörden gestützt auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal anwesender Drittstaatsangehöriger (nachfolgend: Rückführungs-Richtlinie) und auf das Abkommen zwischen der Schweiz und der Hellenischen Republik über die Rückübernahme von Personen mit irregulärem Aufenthalt vom 28. August 2006 (SR 0.142.113.729) schriftlich um Rückübernahme des Beschwerdeführers.
Am 27. Oktober 2021 fand die Personalienaufnahme (PA) statt.
Die griechischen Behörden stimmten am 2. November 2021 dem Rückübernahmeersuchen durch die schweizerischen Behörden explizit zu und hielten zudem fest, dass der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden sei und über eine bis am 16. Februar 2023 gültige Aufenthaltsbewilligung verfüge.
Am 5. November 2021 fand das persönliche Gespräch (Dublin) gemäss Art. 5 der EU-Verordnung Nr. 604/2013 statt. Im Anschluss daran wurde dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zu einer Wegweisung nach Griechenland gewährt.
Darin machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass er seinen Heimatstaat Afghanistan 2017 verlassen und danach rund drei Jahre in Griechenland gelebt habe. Er sei dort als Flüchtling anerkannt worden, habe jedoch unter prekären Bedingungen gelebt. Er habe in alten
Gebäuden übernachten müssen und sei jeweils verjagt worden. Weil er keine Unterstützung seitens der Behörden oder das für Flüchtlinge zuständige rote Kreuz erhalten habe, habe er oft betteln müssen. Manchmal habe er als Tagelöhner arbeiten können, aber insgesamt sei das Leben schwierig gewesen.
Im Rahmen des rechtlichen Gehörs erklärte der Beschwerdeführer, die griechischen Behörden seien nicht in der Lage für seine Sicherheit zu sorgen. Nachdem drei seiner ehemaligen Arbeitskollegen aus Afghanistan von unbekannten Personen mit einem Messer attackiert worden seien, habe er vergeblich versucht, auf dem Polizeiposten Anzeige zu erstatten. Aus Angst habe er C. , wo er ungefähr zwei Jahre gelebt habe, verlassen und sei nach D. gereist. Dort sei er nicht mehr bedroht worden. Auch habe er keine genügende medizinische Hilfe erhalten. Er sei zwar wegen seinen (…) dreimal mit einer Lasertherapie behandelt worden, jedoch habe er sich vergeblich gewünscht, von Fachspezialisten anstatt von Krankenschwestern operiert zu werden. Zudem habe er seine in Afghanistan lebende Familie nicht im Rahmen der Familienzusammenführung nach Griechenland holen können, da für den Familiennachzug in Griechenland ein geregeltes Einkommen notwendig sei, welches er aber nicht habe vorweisen können.
Mit Eingabe vom 8. November 2021 reichte die damalige Rechtsvertretung Videos der Unterkunft des Beschwerdeführers in Griechenland sowie einen ärztlichen Kurzbericht vom 27. Oktober 2021 ein. Aus dem Arztbericht geht hervor, dass sich der Beschwerdeführer in Griechenland zwei Monate vor seiner Einreise in die Schweiz wegen (…) einer Lasertherapie unterzogen habe, jedoch weiterhin unter Schmerzen leide und (…) aufweise. Es bestehe der Verdacht auf einen Infekt, weshalb er an einen (…) und zum Röntgen seines (…) überwiesen worden sei. Weiter wurde in der Eingabe beantragt, mit dem Entscheid abzuwarten, bis der medizinische Sachverhalt vollständig abgeklärt worden sei.
Die damalige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers nahm am 15. Dezember 2021 Stellung zum Urteilsentwurf der Vorinstanz vom 13. Dezember 2021.
Mit Verfügung vom 16. Dezember 2021 – gleichentags eröffnet – trat die Vorinstanz im Sinne von Art. 31a Abs. 1 Bst. a des Asylgesetzes vom
26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein. Sie wies den Beschwerdeführer aus der Schweiz weg und forderte ihn auf, die Schweiz am Tag nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung zu verlassen, ansonsten er in Haft genommen und unter Zwang nach Griechenland zurückgeführt werde. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, sollte wegen der ausserordentlichen Lage aufgrund des Coronavirus die Ausreisefrist nicht eingehalten werden können, es ihm offenstehe, beim SEM vor Ablauf der Ausreisefrist ein schriftliches sowie begründetes Gesuch um Fristerstreckung einzureichen. Weiter beauftragte die Vorinstanz den zuständigen Kanton mit dem Vollzug der Wegweisung und händigte dem Beschwerdeführer die editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis aus.
Gleichentags legte die Rechtsvertretung ihr Mandat nieder.
Der Beschwerdeführer focht die vorinstanzliche Verfügung vom 16. Dezember 2021 mit Beschwerde vom 20. Dezember 2021 (Datum Poststempel) beim Bundesverwaltungsgericht an und beantragte, die vorinstanzliche Verfügung sei aufzuheben und sein Asylgesuch sei von der Vorinstanz in der Schweiz materiell prüfen zu lassen. Weiter beantragte er die Erteilung der aufschiebenden Wirkung. In prozessualer Hinsicht ersuchte er um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
Die vorinstanzlichen Akten lagen dem Bundesverwaltungsreicht am
21. Dezember 2021 in elektronischer Form vor.
Gemäss Art. 31 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG, SR 173.32) ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls
in der Regel – wie auch vorliegend – endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG, SR 173.110]; Art. 105 AsylG). Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist – unter Vorbehalt der nachstehenden Erwägung – einzutreten (Art. 108 Abs. 3 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Der Beschwerde kommt von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu und die Vorinstanz hat diese nicht entzogen (Art. 55 VwVG). Auf das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wird daher mangels Rechtsschutzinteresses nicht eingetreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).
Auf einen Schriftenwechsel wurde gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG verzichtet.
Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es die Vorinstanz ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 31a Abs. 1–3 AsylG), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2012/4 E. 2.2 m.w.H.).
Bezüglich der Frage der Wegweisung und des Wegweisungsvollzugs hat die Vorinstanz eine materielle Prüfung vorgenommen, weshalb dem Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich volle Kognition zukommt.
In der Stellungnahme zum Entscheidentwurf monierte der Beschwerdeführer, dass die Situation für Personen, welche den Schutzstatus in Griechenland erhalten hätten, prekär sei. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen würden nicht eingehalten. Zudem hätten der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und verschiedene deutsche Verwaltungsgerichte festgehalten, dass die in Griechenland herrschenden Umstände für anerkannte Flüchtlinge Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) verletzen würden. Von diesen unhaltbaren Zuständen sei der Beschwerdeführer betroffen und habe erklärt, weder Zugang zu Unterkunft oder Lebensmitteln, noch über einen wirksamen Schutz durch die Polizei zu verfügen. Zu diesen desolaten Lebensbedingungen käme hinzu, dass er psychisch angeschlagen sei und sich in Griechenland nicht adäquat habe behandeln lassen können. Sodann sei der medizinische Sachverhalt nicht ausreichend abgeklärt worden. Er ersuchte deshalb, mit dem Entscheid abzuwarten, bis der medizinische Sachverhalt vollständig abgeklärt worden und die notwendige Therapie erfolgt sei sowie die entsprechenden Arztberichte zu den Akten gereicht werden könnten. Ohne die entsprechenden Abklärungen oder das Einholen individueller Garantien sei der Vollzug der Wegweisung nach Griechenland als unzulässig und unzumutbar zu qualifizieren. Es sei ihm deshalb die vorläufige Aufnahme in der Schweiz zu gewähren.
Die Vorinstanz argumentierte im Wesentlichen, dass Griechenland ein Rechtsstaat mit funktionierendem Justizsystem und Polizeibehörden sei, welcher seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkomme. Der Beschwerdeführer könne sich hinsichtlich des Messerangriffs durch Drittpersonen und im Zusammenhang mit der gewünschten Familienzusammenführung an die entsprechenden Behörden wenden. Als in Griechenland anerkannter Flüchtling stünden ihm gemäss Richtlinie 20011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) auch Sozialleistungen und der Zugang zu Wohnraum, Beschäftigung und medizinsicher Versorgung zu, welche er – im Bedarfsfall auch auf dem Rechtsweg – einfordern könne. Zudem wurde in der Verfügung auf verschiedene mögliche Unterstützungsangebote und Organisationen hingewiesen, welche dem Beschwerdeführer in Griechenland unterstützend zur Seite stehen könnten. Auch wenn die ökonomische Situation und die Lebensbedingungen in Griechenland schwierig seien, würden sie die gesamte Bevölkerung betreffen, und eine Wegweisung dorthin sei zulässig und zumutbar. Sodann seien keine konkreten Hinweise ersichtlich,
dass Garantien eingeholt werden müssten. Des Weiteren wurde im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung in Griechenland einerseits auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-4866/2019 vom 2. Oktober 2019 hingewiesen, wonach die griechischen Behörden Personen mit Schutzstatus den kostenlosen Zugang zum Gesundheitssystem gewährten. Anderseits wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Griechenland bereits medizinisch behandelt und versorgt worden sei.
Schliesslich würden keine Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, welche ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers in der Schweiz begründen könnten, zumal ein Drittstaat bereits seine Flüchtlingseigenschaft festgestellt und ihm Schutz vor Verfolgung gewährt habe. Dementsprechend könne er nach Griechenland zurückkehren, ohne eine Rückschiebung in Verletzung des Non-Refoulement-Prinzips befürchten zu müssen.
In seiner Beschwerde hielt der Beschwerdeführer dem entgegen, dass seine Situation in Griechenland äusserst schwierig gewesen sei. Er habe seit ungefähr dreieinhalb Jahren in Griechenland gelebt, jedoch weder eine Unterkunft noch Nahrungsmittel erhalten. Sporadisch habe er zwar arbeiten können und dann über etwas Geld verfügt, oft habe er jedoch mit Betteln über die Runden kommen müssen. Des Weiteren habe er keine medizinische Hilfe erhalten, obwohl er diese benötigt hätte. Erst in der Schweiz sei er wegen seinen (…) operiert worden. Einmal habe er in Griechenland einen Messerangriff erlitten, welcher in der Folge im Fernsehen zu sehen gewesen sei. Nachdem er sich deswegen an die Polizei gewandt habe, habe ihm diese jegliche Hilfe verweigert. Schliesslich sei auch seine private Situation äusserst schwierig. Seine Ehefrau und die gemeinsamen vier Kinder würden sich nach wie vor in Afghanistan befinden. Er verfüge nicht über die notwendigen finanziellen Mittel, seine Familie nach Griechenland bringen oder ihnen zumindest etwas Geld senden zu können.
Gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG wird auf ein Asylgesuch in der Regel nicht eingetreten, wenn die asylsuchende Person in einen nach Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG als sicher bezeichneten Drittstaat zurückkehren kann, in welchem sie sich vorher aufgehalten hat.
Der Bundesrat bezeichnet Staaten, in denen nach seinen Feststellungen effektiver Schutz vor Rückschiebung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 AsylG besteht, als sichere Drittstaaten (Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG). Durch den
Beschluss des Bundesrats vom 14. Dezember 2007 wurden sämtliche Länder der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) als sichere Drittstaaten bezeichnet.
Die Vorinstanz kam in der angefochtenen Verfügung somit korrekterweise zum Schluss, dass es sich bei Griechenland – als Mitglied der EU – um einen sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG handelt, und legte in ihrer Verfügung ausführlich und zutreffend dar, weshalb sie nicht auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers eingetreten ist.
Sodann geht aus den Akten hervor, dass der Beschwerdeführer von den griechischen Behörden am 17. Februar 2020 als Flüchtling anerkannt wurde und er über eine Aufenthaltsbewilligung – mit Gültigkeit bis zum
16. Februar 2023 – verfügt. Schliesslich stimmten die Behörden am 2. November 2021 seiner Rückübernahme explizit zu.
Vorliegend kommt das Gericht folglich zum Schluss, dass die Voraussetzungen für einen Nichteintretensentscheid (Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG) erfüllt sind, weshalb die Vorinstanz zu Recht nicht auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers eingetreten ist.
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration [AIG, SR 142.20]).
Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).
Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz (insbesondere Art. 5 Abs. 1 AsylG, Art. 33 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30], Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101], Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [FoK, SR 0.105] und Art. 3 EMRK)
einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).
Gemäss Art. 6a AsylG besteht zugunsten sicherer Drittstaaten – wie Griechenland einer ist (vgl. E. 6.2 hiervor) – die Vermutung, dass diese ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen, darunter im Wesentlichen das Refoulement-Verbot und grundlegende menschenrechtliche Garantien, einhalten. Es obliegt der betroffenen Person, diese Legalvermutung umzustossen. Dazu hat sie ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorzubringen, dass die Behörden des in Frage stehenden Staates im konkreten Fall das Völkerrecht verletzen, ihr nicht den notwendigen Schutz gewähren oder sie menschenunwürdigen Lebensumständen aussetzen würden respektive, dass sie im in Frage stehenden Staat aufgrund von individuellen Umständen sozialer, wirtschaftlicher oder gesundheitlicher Art in eine existenzielle Notlage geraten würde (vgl. statt vieler das Urteil des BVGer E-2617/2016 vom
28. März 2017 E. 4; FANNY MATTHEY, in: Amarelle/Nguyen [Hrsg.], Code annoté de droit des migrations, Bern 2015, N 12 zu Art. 6a AsylG, S. 68).
Das Gericht geht in konstanter Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass Griechenland als Signatarstaat der EMRK, des FoK und des FK sowie des Zusatzprotokolls des FK vom 31. Januar 1967 (SR 0.142.301) seinen entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Es sind keine Anhaltspunkte für eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne von Art. 25 Abs. 3 BV und von Art. 3 FoK ersichtlich, die dem Beschwerdeführer in Griechenland droht. Gemäss Auskunft der griechischen Behörden wurde der Beschwerdeführer in Griechenland als Flüchtling anerkannt, weshalb er in diesem sicheren Drittstaat auch Schutz vor Rückschiebung findet.
Das Vorliegen eines Vollzugshindernisses unter dem Aspekt der Zulässigkeit bei Personen, welche als Flüchtlinge anerkannt wurden oder denen von den griechischen Behörden ein Schutzstatus verliehen wurde, wird vom Bundesverwaltungsgericht praxisgemäss nur dann bejaht, wenn im jeweiligen Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für Völkerrechtsverletzungen vorliegen. Obgleich die Lebensbedingungen in Griechenland schwierig sind, ist gemäss Rechtsprechung diesbezüglich nicht von einer generellen unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung von Schutzberechtigten im Sinne von Art. 3 EMRK respektive einer existenziellen Notlage auszugehen (so insbesondere das Urteil des BVGer D-559/2020 vom 13. Februar 2020 E. 8.2 m.w.H. [als Referenzurteil publiziert]). Die bekannten Un-
zulänglichkeiten treten nicht in einer Weise auf, die darauf schliessen liessen, dass Griechenland grundsätzlich nicht gewillt oder nicht fähig wäre, Schutzberechtigten die ihnen zustehenden Rechte und Ansprüche zu gewähren, beziehungsweise dass diese bei Bedarf nicht auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden könnten (vgl. etwa Urteile des BVGer D-3708/2021 vom 27. August 2021, E-319/2021 vom 27. Januar 2021 und E-4617/2020 vom 24. September 2020). Personen mit Schutzstatus sind griechischen Bürgerinnen und Bürgern gleichgestellt in Bezug auf Fürsorge und den Zugang zu Gerichten respektive anderen Ausländern und Ausländerinnen gleichgestellt beispielsweise in Bezug auf Erwerbstätigkeit oder die Gewährung einer Unterkunft (vgl. Art. 16-24 FK). Unterstützungsleistungen und weitere Rechte können direkt bei den zuständigen Behörden eingefordert werden, falls notwendig auf dem Rechtsweg. Nicht zuletzt können Schutzberechtigte sich auch auf die Garantien in der Qualifikationsrichtlinie berufen, insbesondere die Regeln betreffend den Zugang von Personen mit Schutzstatus zu Beschäftigung (Art. 26), Bildung (Art. 27), Sozialhilfeleistungen (Art. 29), Wohnraum (Art. 32) und medizinischer Versorgung (Art. 30). Im Falle einer Verletzung der Garantien der EMRK steht gestützt auf Art. 34 EMRK letztlich der Rechtsweg an den EGMR offen (vgl. Urteil des BVGer D-2873/2021 vom 3. September 2021 E. 7.2 m.H.a. Referenzurteil D-559/2020 vom 13. Februar 2020 E. 8.2).
Vorliegend sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich, dass für den Beschwerdeführer persönlich ein "real risk" bestehen würde, bei einer Rückkehr nach Griechenland dort einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt zu werden. Es ist unbestritten, dass die Lebensbedingungen in Griechenland schwierig sind. Die blosse Möglichkeit, in nicht absehbarer Zeit aus nicht vorausschaubaren Gründen in eine so missliche Lebenssituation getrieben zu werden, die einer Aussetzung einer existenziellen Notlage und andauernden menschenrechtswidrigen Behandlung gleichkäme, vermag die Schwelle zu einem entsprechenden "real risk" vorliegend nicht zu überschreiten.
Gemäss Praxis des EGMR kann der Vollzug der Wegweisung eines abgewiesenen Asylsuchenden mit gesundheitlichen Problemen im Einzelfall einen Verstoss gegen Art. 3 EMRK darstellen; hierfür sind jedoch ganz aussergewöhnliche Umstände Voraussetzung (vgl. Urteil Paposhvili gegen Belgien vom 13. Dezember 2016, 41738/10, § 183).
Aus den Akten (insbesondere dem Arztbericht vom 27. Oktober 2021) geht hervor, dass der Beschwerdeführer an (…) und den damit verbundenen Schmerzen leide sowie (…) aufweise, und er in der Folge an einen (…) überwiesen worden sei. Weitere Arztberichte liegen dem Gericht nicht vor, aus welchen hervorgeht, dass er aktuell unter gravierenden gesundheitlichen Problemen leiden oder eine Therapie benötigen würde, welche im Sinne der genannten Rechtsprechung relevant sein könnten. Zudem konnte er sich in Griechenland bereits erfolgreich medizinisch versorgen lassen und sich gegen seine Leiden einer Lasertherapie unterziehen. Demensprechend wird es ihm auch zukünftig möglich sein, bei Bedarf medizinische Unterstützung in Griechenland zu erhalten. Demensprechend fehlt es auch an der Grundlage für eine allfällige Einholung von Zusicherungen bei den griechischen Behörden oder für weitere Abklärungen des medizinischen Sachverhalts.
Gestützt auf Art. 83 Abs. 5 AIG besteht die Vermutung, dass eine Wegweisung in einen EUoder EFTA-Staat in der Regel zumutbar ist (vgl. Anhang 2 der Verordnung über den Vollzug der Wegund Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen [VVWAL, SR 142.281]). Der Bundesrat ist – auch in Anbetracht der gegenwärtigen Asylpolitik Griechenlands – auf seine diesbezügliche Einschätzung, welche periodisch zu überprüfen ist (vgl. Art. 83 Abs. 5bis AIG), bisher nicht zurückgekommen.
Nach Durchsicht der Akten lassen sich keine Hinweise darauf finden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückführung nach Griechenland in eine existenzielle Notlage geraten würde. Auch wenn anzuerkennen ist, dass die Situation für Flüchtlinge in Griechenland schwierig ist, bestehen keine stichhaltigen Hinweise darauf, dass der griechische Staat seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt (vgl. unter vielen Urteile des BVGer D-2197/2021 vom 29. September 2021 E. 7.3; D-5247/2021 vom 9. Dezember 2021). Der Beschwerdeführer hielt sich zudem bereits ungefähr dreieinhalb Jahre in Griechenland auf und konnte sporadisch einer Arbeit als Tagelöhner nachgehen. Es ist davon auszugehen, dass er auch zukünftig erneut Arbeit finden wird. Sodann ist es ihm möglich, sich für eine Unterkunft und Sozialleistungen an die entsprechenden Stellen zu wenden und im Bedarfsfall seine Rechte einzufordern. Indes geht aus den
Akten nicht hervor, dass er zuvor aktiv um Hilfe bei den griechischen Behörden oder Hilfsorganisationen ersucht hätte oder diese ihm grundsätzlich verweigert worden wäre. Auch im Zusammenhang mit der von ihm gewünschten Familienzusammenführung kann sich der Beschwerdeführer an die dafür zuständigen Stellen wenden, welche ihn diesbezüglich beraten und ihm die landesinternen Voraussetzungen erklären können.
Insgesamt lassen sich weder persönlichen Anhaltspunkte erkennen, welche auf eine konkrete Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Griechenland hinwiesen, noch kann aufgrund der allgemeinen Situation in Griechenland auf eine solche geschlossen werden. Der Vollzug der Wegweisung erweist sich damit auch als zumutbar.
Der Vollzug der Wegweisung erweist sich schliesslich auch als möglich, zumal die griechischen Behörden am 2. November 2021 der Rückübernahme des Beschwerdeführers explizit zugestimmt haben und er in Griechenland über eine bis 16. Februar 2023 gültige Aufenthaltsbewilligung verfügt.
Auch die Covid-19-Pandemie steht dem Wegweisungsvollzug nicht entgegen. Bei dieser handelt es sich – wenn überhaupt – um ein temporäres Vollzugshindernis, welchem im Rahmen der Vollzugsmodalitäten durch die kantonalen Behörden Rechnung zu tragen ist, indem etwa der Zeitpunkt des Vollzugs der Situation in Griechenland angepasst wird.
Zusammenfassend kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnete.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und – soweit diesbezüglich überprüfbar – angemessen ist. Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Der Antrag auf Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses erweist sich mit vorliegendem Urteil als gegenstandslos.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ist abzuweisen, zumal sich die Beschwerde entsprechend den vorstehenden Erwägungen bereits von vornherein als aussichtlos im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG erwiesen hat. Demzufolge sind die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 750.– (Art. 13 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Chiara Piras Martina von Wattenwyl
Versand:
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