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Bundesverwaltungsgericht Urteil B-6609/2016

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts B-6609/2016

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung II
Dossiernummer:B-6609/2016
Datum:07.03.2018
Leitsatz/Stichwort:Arbeitslosenversicherung
Schlagwörter : Vorinstanz; Urteil; Beweis; Unterlagen; Schlechtwetter; Arbeitszeit; Schlechtwetterentschädigung; Arbeitgeber; Entscheid; Recht; Arbeitslosenversicherung; Einsprache; Schlechtwetterentschädigungen; Arbeitgeberkontrolle; Bundesverwaltungsgericht; Urteile; Gericht; Leistung; Revision; Revisionsverfügung; Arbeitszeiterfassung; Verfahren; Gehör; BVGer; Parteien; Rückforderung; Einspracheentscheid; Begründung; ässlich
Rechtsnorm: Art. 11 VwVG ;Art. 25 ATSG ;Art. 29 BV ;Art. 29 VwVG ;Art. 31 AVIG;Art. 42 AVIG;Art. 47 VwVG ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 53 ATSG ;Art. 60 ATSG ;Art. 61 ATSG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 83 AVIG;Art. 83a AVIG;Art. 95 AVIG;
Referenz BGE:126 V 399; 132 V 368; 136 V 376; 137 II 266; 138 I 232; 138 V 218
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung II B-6609/2016

U r t e i l  v o m  7.  M ä r z  2 0 1 8

Besetzung Richterin Eva Schneeberger (Vorsitz), Richter Pascal Richard,

Richter Pietro Angeli-Busi, Gerichtsschreiberin Myriam Senn.

Parteien A. _,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Matthias Steiner, Beschwerdeführerin,

gegen

Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Arbeitsmarkt / Arbeitslosenversicherung, Juristischer Dienst,

Vorinstanz.

Gegenstand Rückforderung von Schlechtwetterentschädigung, Einspracheentscheid zur Revisionsverfügung.

Sachverhalt:

A.

Die A.

(nachfolgend: Beschwerdeführerin) mit Sitz in ( ) be-

zweckt gemäss Handelsregistereintrag das Erbringen von Dienstleistungen in der Baubranche, insbesondere die Vornahme von Armierungsarbeiten. Sie beanspruchte in den Monaten Januar und Februar ( ) sowie Februar ( ) Schlechtwetterentschädigungen von der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Kanton ( ) (nachfolgend: Arbeitslosenkasse).

B.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO (nachfolgend: Vorinstanz) überprüfte im Rahmen einer Arbeitgeberkontrolle am ( ) die Rechtmässigkeit der von der Beschwerdeführerin beanspruchten Schlechtwetterentschädigungen.

Mit Revisionsverfügung AGK ( ) vom ( ) (nachfolgend: Revisionsverfügung) entschied die Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin Versicherungsleistungen von insgesamt Fr. 359'295.50 unrechtmässig bezogen und daher zurückzuerstatten habe. In prozessualer Hinsicht entzog sie einer allfälligen Einsprache die aufschiebende Wirkung.

Zur Begründung führte die Vorinstanz aus, die ihr anlässlich der Arbeitgeberkontrolle vorgelegten handschriftlichen Tagesund Monatsrapporte sowie die monatlichen Excel-Listen hätten keinerlei Einträge von wetterbedingten Arbeitsausfällen enthalten. Aus diesen Unterlagen sei vielmehr hervorgegangen, dass die Beschwerdeführerin für Tage wetterbedingte Arbeitsausfälle gelten gemacht habe, an denen Arbeitnehmer gearbeitet, gar Mehrstunden geleistet, sowie Ferien bezogen hätten oder krankheitsbzw. unfallbedingt zu 100% arbeitsunfähig gewesen seien. So sei im Monat Februar ( ) für insgesamt 98 Tage Schlechtwetterentschädigung geltend gemacht worden, obwohl die betreffenden Arbeitnehmer in dieser Zeit Ferien bezogen hätten. Zudem seien im selben Monat rund 47 Stunden Mehrstunden nicht vom anrechenbaren Arbeitsausfall abgezogen worden. Die Beschwerdeführerin habe für diese Differenzen keine plausible Erklärung abgeben können. Die von ihr vorgebrachte Behauptung, bei den handschriftlichen Tagesund Monatsrapporten handle es sich nicht um Belege zur Arbeitszeiterfassung, sondern lediglich um interne Dokumente zur Arbeitsvorbereitung, sei unglaubwürdig. Es sei unbestritten und aktenkundig, dass sich die Beschwerdeführerin in der Folge geweigert habe, der Vorinstanz diese Unterlagen zwecks vertieftem Einblick und Kontrolle vorübergehend zu überlassen bzw. Kopien davon zu erstellen. Dies, obwohl die Vorinstanz

die Beschwerdeführerin darauf aufmerksam gemacht habe, dass für die Prüfung der Schlechtwetterentschädigungen grundsätzlich die Quellbelege, das heisst die handschriftlichen Tagesund Monatsrapporte, massgeblich seien und dass im Nachgang zur Arbeitgeberkontrolle eingereichte Unterlagen in der Regel nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Die von der Beschwerdeführerin nachträglich eingereichten elektronischen Tagesund Monatsrapporte stünden in einem krassen Widerspruch zu den von der Vorinstanz anlässlich der Arbeitgeberkontrolle eingesehenen Unterlagen und gäben keine verlässliche Auskunft über die effektiv geleisteten Arbeitsstunden und die wetterbedingten Arbeitsausfälle.

C.

Am 19. September 2016 erhob die Beschwerdeführerin bei der Vorinstanz Einsprache gegen die Revisionsverfügung und beantragte deren vollumfängliche Aufhebung sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.

Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, dass es sich bei den von der Vorinstanz anlässlich der Arbeitgeberkontrolle eingesehenen Unterlagen - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nicht um die eigentlichen Quelldaten sondern um unternehmensinterne Formulare zur Arbeitsvorbereitung gehandelt habe. Diese Listen seien jeweils am Vortag pro Arbeitnehmer für den Einsatz am Folgetag erstellt worden. Folglich enthielten sie weder Aufzeichnungen des Arbeitstages noch wetterbedingte Ausfälle. Diese Ausfälle erfasse dagegen ihr Treuhänder elektronisch in einer ExcelListe, auf welche die Beschwerdeführerin keinen Zugriff habe. Die von der Vorinstanz festgestellten Differenzen zwischen den eingesehenen und den nachgereichten Unterlagen seien aufgrund fehlender Vergleichbarkeit somit unzutreffend. Zudem machte die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz habe den Prüfgegenstand und -zeitraum ohne Vorankündigung rückwirkend bis ( ) ausgedehnt. Für den früheren Zeitraum habe sie die Unterlagen nicht vorgängig von ihrem an der Kontrolle abwesenden Treuhänder einholen können. Die nachgereichten Unterlagen habe die Vorinstanz zu Unrecht nicht berücksichtigt.

D.

Mit Entschied vom 23. September 2016 wies die Vorinstanz die Einsprache ab und entzog einer allfälligen Beschwerde oder einem Erlassgesuch die aufschiebende Wirkung insofern, als aberkannte Leistungen mit bestehenden oder neuen Ansprüchen auf Kurzarbeits-/Schlechtwetterentschädigungen verrechnet werden könnten.

E.

Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin am 26. Oktober 2016 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragte die Aufhebung der Revisionsverfügung und des Einspracheentscheids sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Eventualiter sei die Verfügung aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sei das vorliegende Beschwerdeverfahren zu sistieren, bis die Arbeitslosenkasse über das von der Beschwerdeführerin eingereichte Erlassgesuch entschieden hat. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen.

Die Beschwerdeführerin rügt unter anderem die unrichtige Feststellung des Sachverhalts, die Verletzung des rechtlichen Gehörs, sowie in prozessualer Hinsicht, den Entzug der aufschiebenden Wirkung.

Mit Eingabe vom gleichen Datum reichte die Beschwerdeführerin bei der Arbeitslosenkasse ein Gesuch um Erlass der Rückerstattung von Leistungen ein.

F.

Am 10. November 2016 nahm die Vorinstanz Stellung zu den prozessualen Anträgen der Beschwerdeführerin. Sie beantragt, dem Gesuch der Beschwerdeführerin um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei stattzugeben und das Sistierungsgesuch sei abzuweisen.

G.

Mit Zwischenverfügung vom 15. November 2016 hiess die Instruktionsrichterin das Gesuch der Beschwerdeführerin um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gut und wies den Antrag auf Sistierung des Beschwerdeverfahrens ab.

H.

Mit Vernehmlassung vom 16. Januar 2017 beantragt die Vorinstanz, die Beschwerde sei abzuweisen. Sie verweist unter Bezugnahme auf die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen und die Rechtsprechung im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen in der Revisionsverfügung sowie im Einspracheentscheid, wonach die nachgereichten Unterlagen die Anforderungen an eine rechtsgenügliche Arbeitszeiterfassung nicht erfüllen würden und mangels Glaubhaftigkeit nicht berücksichtigt werden könnten.

I.

Auf die weiteren Vorbringen der Parteien sowie die eingereichten Aktenstücke wird - soweit entscheidrelevant - in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Einspracheentscheid der Vorinstanz vom 23. September 2016, mit welchem die Revisionsverfügung ( ) vom ( ) bestätigt wurde. Der angefochtene Entscheid stellt eine Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VwVG dar. Verfügungen der Vorinstanz unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 101 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982 [Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG, SR 837.0] i.V.m. Art. 5 Abs. 1 VwVG sowie Art. 31 und Art. 33 Bst. d VGG). Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist somit gegeben.

    2. Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, ist als Adressatin des angefochtenen Einspracheentscheids durch diesen besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 48 Abs. 1 VwVG; Art. 59 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom

      6. Oktober 2000 [ATSG, SR 830.1]). Sie ist daher zur Beschwerdeführung legitimiert.

    3. Die Eingabefrist sowie die Anforderungen an Form und Inhalt der Beschwerdeschrift sind gewahrt (Art. 50 und Art. 52 VwVG; Art. 60 Abs. 1 ATSG), der Vertreter hat sich rechtsgenüglich durch schriftliche Vollmacht ausgewiesen (Art. 11 Abs. 2 VwVG), der Kostenvorschuss wurde fristgemäss bezahlt (Art. 63 Abs. 4 VwVG) und die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt (Art. 47 ff. VwVG).

    4. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.

    1. Soweit das ATSG anwendbar ist, findet das VwVG in Sozialversicherungssachen keine Anwendung (Art. 3 Bst. dbis VwVG). Die Bestimmungen des ATSG sind auf die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung anwendbar, soweit das AVIG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht (Art. 1 Abs. 1 AVIG).

    2. Die Beschwerdeführenden können im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die Verletzung von Bundesrecht unter Einschluss der Überschreitung oder des Missbrauchs des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie die Unangemessenheit des Entscheids rügen (Art. 49 VwVG).

3.

Die Beschwerdeführerin macht vorab eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Namentlich sei die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen. Aus der Verfügung sei nicht ersichtlich, auf welche Fundstellen bzw. Unterlagen die Vorinstanz sich beziehe, und es seien keine Beilagen angefügt gewesen. Indem die Vorinstanz den Umfang der Arbeitgeberkontrolle nicht vorgängig angekündigt habe, habe sie ihr keine Gelegenheit gegeben, die erforderlichen Beweismittel rechtzeitig bei ihrem Treuhänder einzuholen. Die nachgereichten Unterlagen seien daher zu Unrecht nicht berücksichtigt worden.

3.1 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 29 ff. VwVG sowie Art. 42 ATSG). Dieses dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Die Betroffenen sollen sich vor Erlass des Entscheids zur Sache äussern, erhebliche Beweise beibringen, an der Erhebung von Beweisen mitwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis äussern können, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 132 V 368 E. 3.1; 127 I 54 E. 2b). Die Behörde muss die Vorbringen der Parteien tatsächlich hören, prüfen und in der Entscheidfindung berücksichtigen (Art. 32 VwVG). Die Begründung muss deshalb zumindest kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen die entscheidende Behörde sich hat leiten lassen und auf die sie ihren Entscheid stützt (vgl. BGE 138 I 232 E. 5.1; Urteile des BVGer B-822/2016 vom 24. August 2017 E.

5.5.1 und B-2686/2008 vom 5. Mai 2011 E. 3.1). Dagegen wird nicht verlangt, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich

auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (vgl. BGE 137 II 266 E. 3.2; MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, 2000, S. 402 ff. m.H.). Leichtere Verletzungen des rechtlichen Gehörs können unter bestimmten Voraussetzungen im Rechtsmittelverfahren geheilt werden (vgl. GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St.Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 29 N. 59).

    1. Im vorliegenden Fall ist eine Verletzung der Begründungspflicht durch die Vorinstanz nicht ersichtlich. Sowohl in der Revisionsverfügung als auch im Einspracheentscheid werden die wesentlichen Überlegungen genannt, von denen die Behörde sich hat leiten lassen und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Zudem hat sich die Vorinstanz sowohl im Einspracheentscheid als auch in ihrer Vernehmlassung im vorliegenden Beschwerdeverfahren mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin sofern stichhaltig und rechtlich relevant hinreichend auseinandergesetzt. Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, die von ihr nachgereichten Unterlagen seien nicht berücksichtigt worden, kann ihr daher nicht gefolgt worden. Die Vorinstanz hat diese sehr wohl zur Kenntnis genommen, jedoch als nicht beweistauglich erachtet. Ob diese Auffassung zutrifft, ist eine materielle Frage, keine Frage des rechtlichen Gehörs (vgl. hiernach E. 4.3).

      Inwiefern die Beschwerdeführerin aus ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör eine Pflicht der Vorinstanz ableiten können sollte, die Arbeitgeberkontrolle bzw. deren genauen Prüfumfang vorgängig anzukünden, ist unerfindlich und wird von ihr auch nicht dargetan.

    2. Die Rüge der Beschwerdeführerin, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, erweist sich demnach als offensichtlich unbegründet.

4.

Umstritten und zu prüfen ist vorliegend, ob die Rückforderung der für die Monate Januar und Februar ( ) sowie Februar ( ) ausbezahlten Schlechtwetterentschädigungen in der Höhe von insgesamt Fr. 359'295.50 rechtmässig erfolgte.

    1. Das sozialversicherungsrechtliche Verwaltungsund Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach hat die Verwaltung und im Beschwerdeverfahren das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des erheblichen Sachverhalts zu sorgen und dazu, soweit nötig, Beweis zu erheben (Art. 12

      VwVG; Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 Bst. c ATSG; vgl. BGE 136 V 376 E. 4.1.1; PATRICK KRAUSKOPF/KATRIN EMMENEGGER/FABIO BABEY, in: Praxiskom-

      mentar VwVG, 2. Aufl. 2016, Art. 12 N. 16 ff.). Der Untersuchungsgrundsatz ändert hingegen nichts an der Beweislast, wonach grundsätzlich diejenige Partei die Folgen der Beweislosigkeit eines Sachumstands zu tragen hat, die daraus Vorteile ableiten will (Art. 8 ZGB; vgl. CHRISTOPH AUER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2008, Art. 12 Rz. 5 f., Art. 13 Rz. 1 ff., 10 ff.; ANDRÉ MOSER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ

      KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 1.49 ff. und 3.119 ff.). Folglich liegt im Sozialversicherungsverfahren die objektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen

      • vorliegend für die geltend gemachten Arbeitsausfälle - bei der Leistungsansprecherin (Art. 47 Abs. 3 Bst. a i.V.m. Art. 42 Abs. 3 und Art. 31 Abs. 3 Bst. a AVIG sowie Art. 46b Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung [Arbeitslosenversicherungsverordnung vom 31. August 1983, AVIV, SR 837.02]; vgl. BGE 121 V

        204 E. 6a; Urteile des BGer 8C_334/2013 vom 15. November 2013 E. 2 und 8C_469/2011 vom 29. Dezember 2011 E. 5; Urteile des BVGer B-3364/2011 vom 14. Juni 2012 E. 2; B-4571/2011 vom 24. April 2012

        E. 5.2 und B-188/2010 vom 2. März 2011 E. 3.6; THOMAS LOCHER/THOMAS

        GÄCHTER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 4. Aufl. 2014, § 70 Rz. 56). Zwar muss die Behörde bei begründeten Zweifeln am korrekten Einsatz einer grundsätzlich zum Beweis geeigneten Arbeitszeitkontrolle der Arbeitgeberin die Gelegenheit geben, die Zweifel zu entkräften. Es liegt aber nicht an der Aufsichtsbehörde, die Unrichtigkeit der Zeiterfassung für jede Person und jeden Tag individuell nachzuweisen. Dies würde letztlich eine Umkehr der Beweislast bedeuten (vgl. Urteil des BGer C 66/04 vom

        18. August 2004 E. 3.2; Urteil des BVGer B-3778/2009 vom 23. August

        2011 E. 3.6).

    2. Im Sozialversicherungsprozess hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Das Gericht hat vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die es von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigt (vgl. BGE 138 V 218 E. 6 m.H.). Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind Beweise frei, ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, umfassend und pflichtgemäss zu würdigen (Art. 19 VwVG i.V.m. Art. 40 des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozess vom 4. Dezember 1947 [BZP, SR 273]; vgl. BGE 137 II 266 E. 3.2).

    3. Arbeitnehmer in Erwerbszweigen, in denen wetterbedingte Arbeitsausfälle üblich sind, haben unter gesetzlich definierten Voraussetzungen Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung (Art. 42 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 65 AVIV). Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsoder Schlechtwetterentschädigung haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsausfall nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist (Art. 42 Abs. 3 i.V.m. Art. 31 Abs. 3 Bst. a AVIG). Die genügende Kontrollierbarkeit des Arbeitsausfalles setzt eine betriebliche Arbeitszeitkontrolle voraus, die der Arbeitgeber während fünf Jahren aufzubewahren hat (Art. 46b AVIV; vgl. Urteil 8C_469/2011 E. 5). Die Ausgleichsstelle der Arbeitslosenversicherung, welche vom SECO geführt wird (Art. 83 Abs. 3 AVIG), prüft stichprobenweise bei den Arbeitgebern die ausbezahlten Kurzarbeitsund Schlechtwetterentschädigungen (Art. 110 Abs. 4 AVIV). Allfällige Rückforderungen im Anschluss an Arbeitgeberkontrollen werden durch die Ausgleichsstelle verfügt, während das Inkasso der Arbeitslosenkasse obliegt (Art. 83a Abs. 3 AVIG i.V.m. Art. 111 Abs. 2 AVIV).

4.3.1 Gemäss langjähriger und konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts wird dem Erfordernis der rechtsgenüglichen betrieblichen Arbeitszeitkontrolle - vorbehältlich ganz besonderer, hier nicht gegebener, Umstände (vgl. hierzu Urteil des EVG C 59/01 vom 5. November 2001) - ausschliesslich mit einer täglich fortlaufenden, zeitgleichen Arbeitszeiterfassung Genüge getan (vgl. Urteile des EVG C 269/03 vom 25. Mai 2004 E. 3.1 und C 35/03 vom 25. März 2004 E. 4; Urteil 8C_469/2011 E. 6.2.1.2; Urteil des BVGer B-1832/2016 vom 30. November 2017 E. 3.2.1 m.H.).

Unter einer täglich fortlaufenden Arbeitszeiterfassung versteht man ein System, bei welchem die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten für jeden einzelnen Tag und Arbeitnehmer in hinreichend verlässlichen Belegen wie Zeiterfassungskarten, Stunden-, Regieoder Reiserapporten fortlaufend festgehalten werden (vgl. Urteil 8C_469/2011 E. 6.2.1.2; Urteile des BVGer B-3778/2009 E. 3.3 f. und B-4632/2011 vom 6. März 2012 E. 5; THOMAS

NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2404 Rz. 462 m.H.). Die gearbeiteten Stunden müssen keineswegs zwingend mit einem elektronischen System erfasst werden, weshalb auch nicht argumentiert werden könnte, die geforderte Zeiterfassung sei etwa Kleinbetrieben nicht zuzumuten. Wesentlich ist allein, dass die Dokumentierung ausreichend detailliert und zeitgleich erfolgt (vgl. Urteil 8C_469/2011 E. 6.2.1.2; Urteile C 269/03 E. 3.1 und C 35/03 E. 4; Urteil des BVGer B-1946/2014 vom 3. November 2014

E. 5). Zeitgleich ist eine Arbeitszeiterfassung dann, wenn die Einträge nicht

beliebig nachträglich abgeändert werden können, ohne dass dies im System vermerkt wird. Eine rechtsgenügliche Arbeitszeiterfassung kann daher grundsätzlich nicht durch Dokumente ersetzt werden, die erst nachträglich erstellt wurden (Urteile des BVGer B-1911/2014 vom 10. Juli 2015 E. 6.2.1 und B-2909/2012 vom 3. September 2013 E. 6.1 je m.H.).

Entscheidend ist sodann die jederzeitige Kontrollierbarkeit: Eine Fachperson aus dem Durchführungsbereich der Arbeitslosenversicherung muss sich anhand der verfügbaren Unterlagen zu einem beliebigen Zeitpunkt ein hinlänglich klares Bild über die genauen Arbeitszeiten jedes Arbeitnehmenden und den schlechtwetterbedingten Arbeitsausfall machen können (vgl. Urteil C 66/04 E. 3.2; Urteile B-1911/2014 E. 6.2.1 sowie B-1946/2014 E. 5; BARBARA KUPFER BUCHER, in: Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung, 4. Aufl. 2013, Kap. 4. zu Art. 31 AVIG, S. 205 f.). Eine Arbeitszeitkontrolle kann im Zusammenhang mit der Prüfung eines wetterbedingten Arbeitsausfalls nur dann beweistauglich sein, wenn sie - abgesehen von vereinzelten Fehlern - keine Unstimmigkeiten aufweist (vgl. Urteil des BGer 8C_1026/2008 vom 30. Juli 2009 E. 4.2.2).

    1. Bei den von der Beschwerdeführerin nachträglich ins Recht gelegten Tagesund Monatsrapporte in Excel-Format handelt es sich offensichtlich nicht um Arbeitszeiterfassungsbelege im Sinne der dargelegten Rechtsprechung. Die Excel-Listen führen zwar für jeden Arbeitnehmer und Kalendermonat u.a. die Anzahl gearbeiteter Stunden, Überstunden, Stunden an Samstagen, ferien-, unfalloder krankheitsbedingte Abwesenheiten sowie Schlechtwetterausfälle auf. Nicht ersichtlich ist hingegen, wer diese Listen, zu welchem Zeitpunkt und gestützt auf welche Grundlagen erstellt hat, sowie, ob bzw. welche Änderungen an den Zeiterfassungen vorgenommen wurden. Es fehlt den Unterlagen insbesondere am Erfordernis der täglich fortlaufenden Aufzeichnung. Anhaltspunkte für eine zeitgleiche Erfassung sind nicht ersichtlich. Die Vorinstanz hat diese Excel-Listen dementsprechend zu Recht als beweisuntauglich erachtet.

      Andere betriebliche Unterlagen, anhand welcher eine Kontrolle oder zumindest eine Plausibilisierung der geltend gemachten wetterbedingten Ausfallstunden möglich wäre, liegen nicht vor. Die Frage, ob die anlässlich der Arbeitgeberkontrolle eingesehenen handschriftlichen Rapporte die eigentlichen Quelldaten und somit eine rechtsgenügliche Arbeitszeiterfassung darstellen würden, kann hier offen gelassen werden, weil sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich und ohne sachlich nachvollziehbaren

      Grund geweigert hat, diese der Vorinstanz zwecks einer eingehenderen Kontrolle herauszugeben.

    2. Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz davon ausgegangen ist, dass der Nachweis der wegen Schlechtwetter ausgefallenen Arbeitsstunden anhand der vorliegenden Unterlagen nicht in rechtsgenüglicher Weise erbracht worden ist. Die Folgen dieser Beweislosigkeit hat die Beschwerdeführerin zu tragen. Die Vorinstanz hat die Schlechtwetterentschädigungen für die hier in Frage stehenden Monate somit zu Recht aberkannt.

5.

    1. Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten (Art. 95 Abs. 1 AVIG i. V. m. Art. 25 Abs. 1 ATSG). Der Rückforderungsanspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung (Art. 25 Abs. 2 Satz 1 ATSG). Voraussetzung dafür ist, dass die rechtskräftig verfügte oder formlos erfolgte Leistungszusprechung zweifellos unrichtig, ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist sowie der Versicherungsträger eine Wiedererwägung erlässt (Art. 53 Abs. 2 ATSG; vgl. Urteil 8C_469/2011 E. 2.1; Urteil des EVG C 115/06 vom 4. September 2006 E. 1.2).

      Zweifellos unrichtig ist eine Leistungszusprechung, wenn sie erwiesenermassen gesetzeswidrig ist. Nicht die Grobheit des Fehlers ist entscheidend. Massgebend muss vielmehr das Ausmass der Überzeugung sein, dass die bisherige Entscheidung unrichtig war. Es darf kein vernünftiger Zweifel bestehen, dass eine Unrichtigkeit vorliegt (vgl. BGE 126 V 399

      E. 2b/bb). Zu Unrecht ausbezahlte Schlechtwetterentschädigungen fordert die Kasse vom Arbeitgeber zurück. Hat der Arbeitgeber die unrechtmässige Auszahlung zu verantworten, so ist für ihn jede Rückforderung gegenüber den Arbeitnehmenden ausgeschlossen (Art. 95 Abs. 2 AVIG).

    2. Im vorliegenden Fall erweist sich die Zusprechung von Schlechtwetterentschädigung für die im Zeitraum von Januar und Februar ( ) sowie Februar ( ) geltend gemachten Arbeitsausfälle im Umfang von Fr. 359'295.50 als zweifellos unrichtig. Da die Rückforderungssumme unbestrittenermassen erheblich ist, war das wiedererwägungsweise Zurückkommen der Vorinstanz auf die Leistungszusprechung im Rahmen der Revision der Auszahlungen rechtens.

6.

Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde betreffend die Rückforderung der Schlechtwetterentschädigungen als unbegründet und ist abzuweisen.

7.

Beschwerdeverfahren betreffend den Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vor dem Bundesverwaltungsgericht sind kostenpflichtig, selbst wenn es sich um Streitigkeiten betreffend die Bewilligung oder Verweigerung von Leistungen der Sozialversicherungen handelt (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 37 VGG; vgl. Urteile des BVGer B-3996/2013 vom

27. Mai 2014 E. 11.1 m.H.). Als unterliegende Partei hat die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG sowie Art. 1 ff. des Reglementes über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008 [VGKE, SR 173.320.2]). Stehen - wie vorliegend - Vermögensinteressen auf dem Spiel, bemisst sich die Gerichtsgebühr grundsätzlich nach dem Streitwert sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Streitsache, der Art der Prozessführung und der finanziellen Lage der Parteien (Art. 2 i.V.m. Art. 4 VGKE). Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind der Beschwerdeführerin für das vorliegende Verfahren Verfahrenskosten von Fr. 7'000.- aufzuerlegen.

8.

Eine Parteientschädigung ist bei diesem Verfahrensausgang nicht zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 7'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. ( ); Gerichtsurkunde)

  • das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF (Gerichtsurkunde)

    und wird mitgeteilt:

  • der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Kanton ( ) (A-Post)

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Eva Schneeberger Myriam Senn

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand: 19. März 2018

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