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Bundesverwaltungsgericht Urteil B-4448/2024

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts B-4448/2024

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung II
Dossiernummer:B-4448/2024
Datum:26.08.2024
Leitsatz/Stichwort:Geldwäscherei
Schlagwörter : Recht; Verfügung; Vorinstanz; Öffentlichkeit; FINMA; Rechtsverweigerung; Antrag; Rechtsschutz; Bundesverwaltungsgericht; FINMAG; Behörde; Rechtsschutzinteresse; Praxis; Urteil; Veröffentlichung; Rechtsverweigerungsbeschwerde; Parteien; Entscheid; Frist; Praxiskommentar; Verfahren; Realakt; Richter; Eingabe; Interesse; Erlass; Anfechtungsobjekt
Rechtsnorm: Art. 48 BGG ;Art. 48 VwVG ;Art. 49 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, Art. 50 Abs. 2 VwVG, 1900

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung II B-4448/2024

U r t e i l v o m 2 6 . A u g u s t 2 0 2 4

Besetzung Richter Daniel Willisegger (Vorsitz),

Richter Pietro Angeli-Busi, Richterin Chiara Piras, Gerichtsschreiberin Jil Gehmann.

Parteien A. AG,

vertreten durch die Rechtsanwälte

Dr. Flavio Romerio und Sophie Matjaz, Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA,

Vorinstanz.

Gegenstand Information der Öffentlichkeit, Rechtsverweigerung.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest:

A.

Mit Verfügung vom 21. Juni 2024 stellte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA (nachfolgend: Vorinstanz) eine schwere Verletzung von

aufsichtsrechtlichen Bestimmungen durch die A.

AG (nachfol-

gend: Beschwerdeführerin), fest (Dispositiv-Ziff. 1), verfügte entsprechende Massnahmen (Dispositiv-Ziff. 1-6) und verlegte die Kosten (Dispositiv-Ziff. 7-8).

B.

Mit Eingabe vom 15. Juli 2024 erhob die Beschwerdeführerin eine Rechtsverweigerungsbeschwerde vor Bundesverwaltungsgericht. Nebst dem Antrag auf Feststellung, dass die Vorinstanz gegenüber der Beschwerdeführerin eine Rechtsverweigerung begangen habe, beantragt sie, dass die Vorinstanz anzuweisen sei, über die Frage der Information der Öffentlichkeit eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG (zit. in E. 1) zu erlassen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt sie, dass im Sinne einer vorsorglichen Massnahme der Vorinstanz zu verbieten sei, während des Beschwerdeverfahrens die Öffentlichkeit zu informieren. Bis zum Entscheid über das Gesuch um Anordnung der vorsorglichen Massnahme sei der Vorinstanz superprovisorisch zu verbieten, die Öffentlichkeit zu informieren.

C.

Mit Zwischenverfügung vom 16. Juli 2024 hat das Bundesverwaltungsgericht superprovisorisch den Antrag der Beschwerdeführerin gutgeheissen und der Vorinstanz einstweilen untersagt, die Öffentlichkeit zu informieren. Die Prüfung, ob die Beschwerdevoraussetzungen erfüllt sind, hat es dabei ausdrücklich vorbehalten. Gleichzeitig wurde der Vorinstanz Frist zur Stellungnahme angesetzt.

D.

Mit Eingabe vom 30. Juli 2024 beantragt die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf überhaupt eingetreten werden könne.

E.

Am 7. August 2024 wurde der Beschwerdeführerin die Vernehmlassung der Vorinstanz übermittelt und der Schriftenwechsel geschlossen.

F.

Die Beschwerdeführerin reichte mit Eingabe vom 18. August 2024 eine freiwillige Stellungnahme ein, welche der Vorinstanz am 19. August 2024 weitergeleitet wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

Das Bundesverwaltungsgericht prüft von Amtes wegen, ob die Beschwerdevoraussetzungen erfüllt sind (BVGE 2021 IV/1 E. 1).

1.1. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen der Vorinstanz zuständig (Art. 54 Abs. 1 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007 [FINMAG, SR 956.1]

i.V.m. Art. 31 f. sowie Art. 33 Bst. e des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom

17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]). Es ist in diesem Bereich auch für die Beurteilung von Rechtsverweigerungsbeschwerden (Art. 46a des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 [VwVG, SR 172.021]) zuständig. Die Beschwerdeführerin hat den Kostenvorschuss bezahlt, die anwaltliche Vertretung durch Vollmacht ausgewiesen (Art. 11 VwVG) und die Beschwerde formgerecht eingereicht (Art. 52 VwVG).

1.2.

      1. Gemäss Art. 50 VwVG ist eine Beschwerde innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung der Verfügung einzureichen (Abs. 1). Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung kann jederzeit Beschwerde geführt werden (Abs. 2). Art. 50 Abs. 2 VwVG gilt aber nur, wenn die Behörde untätig bleibt. Bestehen objektive Hinweise dafür, dass die Behörde nicht gewillt ist, eine Verfügung zu erlassen, darf die Partei nicht beliebig zuwarten (FELIX UHLMANN/SIMONE WÄLLE-BÄR, in Bernhard Waldmann/Patrick L. Krauskopf [Hrsg.], Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVG], 3. Aufl., Zürich 2023 [nachfolgend: Praxiskommentar], Art. 46a Rz. 10). Vielmehr muss sie die Beschwerde innert angemessener Frist erheben. Die Anfechtungsfrist bemisst sich in diesem Fall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (Urteil des BVGer E-2257/2021 vom

        1. Juni 2021 E. 3.1). Im Falle einer ausdrücklichen Verweigerung einer Behörde ist die Beschwerde innert der gesetzlichen Frist von 30 Tagen zu erheben (OLIVER ZIBUNG, Praxiskommentar, a.a.O., Art. 50 Rz. 23). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist von einer Partei unter den gegebenen Umständen zu erwarten, dass sie bei der Behörde nachfragt beziehungsweise diese auffordert, eine Verfügung zu erlassen (Urteil des BVGer B-5185/2019 vom 6. März 2020 E. 3.5.1).

      2. Gemäss Art. 48 Abs. 1 Bst. c VwVG ist zur Beschwerde berechtigt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung hat (sog. Rechtsschutzinteresse). Erforderlich ist ein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse. Aktuell ist es,

        wenn ein rechtlicher oder tatsächlicher Nachteil im Urteilszeitpunkt besteht und behoben werden kann. Praktisch ist es, wenn mit dem Rechtsbegehren ein praktischer Nutzen verfolgt wird; werden dagegen rein theoretische Fragen oder Probleme aufgeworfen, fehlt ein praktisches Rechtsschutzinteresse (vgl. VERA MARANTELLI-SONANINI/SAID HUBER, Praxiskommentar, a.a.O., Art. 48 Rz. 15). Eine Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 29 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) setzt voraus, dass ein Antrag auf Erlass einer Verfügung bei der zuständigen Behörde gestellt worden ist, und ein Anspruch auf Erlass einer Verfügung besteht. Ein solcher Anspruch besteht, wenn die Behörde nach dem anzuwendenden Recht verpflichtet ist, in Verfügungsform zu handeln, und wenn der Antragsteller Parteistellung beanspruchen kann (vgl. Urteil des BVGer B-3265/2009 vom 21. Oktober 2009 E. 2.1). Eine Rechtsverweigerungsbeschwerde nach Art. 46a VwVG setzt voraus, dass keine anfechtbare Verfügung vorliegt. Das Anfechtungsobjekt, das in einer Unterlassung – dem unrechtmässigen Verweigern – besteht, wird fingiert (Urteil des BGer 9C_366/2016 vom 11. August 2016 E. 2.1). Das schutzwürdige Interesse liegt darin, die säumige Behörde zu einem aktiven Handeln zu bewegen. Sobald die zum Entscheid verpflichtete Behörde in der Sache entscheidet, kommt eine Rechtsverweigerungsbeschwerde mangels aktuellen Rechtsschutzinteresses nicht mehr in Betracht (FELIX UHLMANN/SIMONE WÄLLE-BÄR, Praxiskommentar, a.a.O., Art. 46a Rz. 6).

        Die Beschwerdeführerin wäre zweifellos legitimiert, die vom 21. Juni 2024 datierte Verfügung mittels Beschwerde anzufechten. Das tut sie aber nicht. Sie ficht nicht die Verfügung an, sondern richtet sich gegen die vorgängige Unterlassung. Da die Vorinstanz in der Sache entschieden hat, hätte die Beschwerdeführerin die Verfügung wegen Verletzung von Bundesrecht (Art. 49 lit. a VwVG) anfechten und das Rechtsverweigerungsverbot als verletzt rügen können (Art. 29 BV), was sie offensichtlich nicht will. Mit anderen Worten macht sie nicht im Rahmen einer ordentlichen Beschwerde geltend, der Antrag sei zu Unrecht nicht beurteilt worden, sondern sie will gegen das fingierte Anfechtungsobjekt des unrechtmässigen Verweigerns vorgehen. Sie verkennt, dass die Rechtsverweigerungsbeschwerde nach Erlass des Entscheides in der Sache nicht mehr zur Verfügung steht und mangels aktuellen Rechtsschutzinteresses ausser Betracht fällt. Da die Beschwerdeführerin die Verfügung vom 21. Juni 2014 nicht angefochten hat, fehlt es an einem Anfechtungsobjekt der Beschwerde.

      3. Gemäss Art. 22 FINMAG informiert die FINMA die Öffentlichkeit jährlich mindestens einmal über ihre Aufsichtstätigkeit und Aufsichtspraxis (Abs. 1). Sie informiert nicht über einzelne Verfahren, es sei denn, es bestehe dafür ein besonderes aufsichtsrechtliches Bedürfnis, insbesondere, wenn die Information nötig ist (a.) zum Schutz der Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer oder der Beaufsichtigten; (b.) zur Berichtigung falscher oder irreführender Informationen; oder (c.) zur Wahrung des Ansehens des Finanzplatzes Schweiz (Abs. 2). Dabei handelt es sich – im Unterschied zur Veröffentlichung der aufsichtsrechtlichen Verfügung (Art. 34 FINMAG)

      4. Gemäss Art. 34 FINMAG kann die FINMA ihre Endverfügung nach Eintritt der Rechtskraft unter Angaben von Personendaten in elektronischer oder gedruckter Form veröffentlichen, wenn eine schwere Verletzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen vorliegt (Abs. 1). Die Veröffentlichung ist in der Verfügung selber anzuordnen (Abs. 2).

        Die Beschwerdeführerin stellte den besagten Antrag, die Öffentlichkeit sei über das Enforcementverfahren nicht zu informieren. Die Vorinstanz hat die Öffentlichkeit weder während des Enforcementverfahrens informiert noch eine Veröffentlichung der Verfügung in derselben angeordnet. Sie hat dem Antrag der Beschwerdeführerin damit sinngemäss entsprochen, wenn auch nicht förmlich darüber verfügt. Selbst wenn man annehmen wollte, dass der Beschwerdewille der Beschwerdeführerin nicht gegen die Unterlassung, sondern die Verfügung gerichtet wäre, wäre die Beschwerde unzulässig. Ob die Vorinstanz eine Verfügung über den Antrag hätte erlassen müssen, ist – da keinerlei Veröffentlichung erfolgte – eine rein theoretische Frage. Denn eine Verfügung, die bloss bestätigt, was nicht geschehen ist, bringt weder einen praktischen Nutzen noch behebt sie einen Nachteil. Das anwendbare Recht gibt auch keinen Anspruch auf Erlass einer Verfügung, welche die Nicht-Information der Öffentlichkeit nach Art. 22 Abs. 2 FINMAG bestätigt, da die Information der Öffentlichkeit als Realakt ausgestaltet ist. Auch daraus ergibt sich, dass von einer Rechtsverweigerung keine Rede sein kann (E. 1.2.2). Da aus der Beurteilung der Beschwerdebegehren kein praktischer Vorteil mehr resultieren kann, fehlt jedenfalls ein praktisches Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin.

      5. Die Beschwerdevoraussetzungen sind zusammenfassend mangels Anfechtungsobjekts und mangels eines aktuellen und praktischen Rechtsschutzinteresses nicht erfüllt. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.

2.

Die Beschwerdeführerin hat entsprechend dem Ausgang des Verfahrens die Kosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG sowie Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Die Gerichtsgebühr ist in

Anwendung der gesetzlichen Bemessungskriterien (Art. 1-4 VGKE) auf Fr. 1'000.– festzusetzen. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG, Art. 7 VGKE).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.

Der Beschwerdeführerin werden die Verfahrenskosten von Fr. 1'000.– auferlegt. Sie werden dem Kostenvorschuss nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils entnommen. Der verbleibende Kostenvorschuss von Fr. 4'000.– wird der Beschwerdeführerin dannzumal zurückerstattet.

3.

Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin und die Vorinstanz.

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Daniel Willisegger Jil Gehmann

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand: 3. September 2024

Zust ellung erf olg t an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde; Formular Rückerstattung)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. […]; Gerichtsurkunde)

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