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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-5438/2021

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-5438/2021

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-5438/2021
Datum:03.01.2022
Leitsatz/Stichwort:Vollzug der Wegweisung
Schlagwörter : Wegweisung; Behandlung; Georgien; Vollzug; Schweiz; Recht; Heimat; Verfügung; Gründen; Bundesverwaltungsgericht; Medikamente; Beschwerdeführers; Wegweisungsvollzug; Rückkehr; Reise; Vorinstanz; Leberzirrhose; Lebertransplantation; Akten; Bericht; önnte
Rechtsnorm: Art. 25 BV ;Art. 48 VwVG ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-5438/2021

law/gnb

U r t e i l v o m 3 . J a n u a r 2 0 2 2

Besetzung Einzelrichter Walter Lang,

mit Zustimmung von Richter Gérard Scherrer; Gerichtsschreiberin Barbara Gysel Nüesch.

Parteien A. , geboren am (…), Georgien, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Vollzug der Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 6. Dezember 2021 / N (…).

Sachverhalt:

A.

    1. Der Beschwerdeführer suchte am 2. August 2021 in der Schweiz um Asyl nach. Am 4. August 2021 fand die migrationsmedizinische Abklärung und am 5. August 2021 die Personalienaufnahme (PA) statt. Nachdem der Beschwerdeführer am 18. August 2021 die Mitarbeitenden der HEKS Rechtsschutz Bundesasylzentren B. mit seiner Rechtsvertretung im Rahmen des Asylverfahrens mandatiert hatte, hörte ihn das SEM am

      25. August 2021 gemäss Art. 29 AsylG (SR 142.31) einlässlich zu seinen Asylgründen an.

    2. Dabei machte er geltend, er sei ausschliesslich aus gesundheitlichen Gründen in die Schweiz gekommen. Er leide insbesondere an einer stark fortgeschrittenen Leberzirrhose, einer Leberfibrose sowie Hepatitis B und C und sei in Georgien deswegen in medizinischer Behandlung gewesen. Gegen Hepatitis C habe er sich zuletzt vor circa drei Jahren in Tiflis im Rahmen eines staatlichen Programms behandeln lassen. Da seine Leberfunktion stark beeinträchtigt sei, habe er des Weiteren regelmässig sein Blut reinigen lassen müssen. Die letzten sieben Monate vor der Ausreise sei er deshalb immer wieder für jeweils zehn oder fünfzehn Tage in Tiflis hospitalisiert gewesen. Dann habe er jeweils etwa zehn Tage zu Hause verbringen dürfen und dort Medikamente einnehmen müssen. Auf diese Weise sei einer Enzephalopathie vorgebeugt worden. Die Ärzte in Georgien seien gut, sie hätten ihm aber mitgeteilt, dass er eine Lebertransplantation benötige und sie ihm nicht weiterhelfen könnten. Solche würden in Tiflis zwar durchgeführt, mangels Spenderorganen jedoch nur sehr selten. Ihm sei gesagt worden, dass er ohne Transplantation eine Lebenserwartung von etwa ein bis anderthalb Jahren habe. Freunde hätten ihm dann geraten, sich in Frankreich oder der Schweiz einer Behandlung zu unterziehen. Durch Vermittlung sei ihm eine polnische Arbeitsbewilligung besorgt worden, wodurch ihm die Ausreise aus Georgien ermöglicht worden sei.

    3. Der Beschwerdeführer reichte zum Beleg seiner Identität seinen georgischen Reisepass ein. Des Weiteren gab er den Nachweis eines negativen PCR-Testresultats, eine polnische Arbeitsbewilligung, Reiseunterlagen sowie eine kopierte Seite aus einem georgischen Arztbericht zu den Akten.

B.

Ein am 5. August 2021 im Spital C. durchgeführtes TuberkuloseScreening ergab gemäss Untersuchungsbericht vom 13. August 2021 keine Auffälligkeiten. Zudem begab sich der Beschwerdeführer in hausärztliche Behandlung (vgl. Bericht von Dr. med. D. , C. , vom

17. August 2021).

C.

Mit Verfügung des SEM vom 31. August 2021 wurde das Asylgesuch des Beschwerdeführers ins erweiterte Verfahren und Letzterer am 6. September 2021 dem Kanton E. zugewiesen. Die Rechtsvertretung der

HEKS Rechtsschutz Bundesasylzentren B.

erklärte am 6. Sep-

tember 2021 die Beendigung ihres Mandates. In der Folge zeigte die (…) Beratungsstelle für Asylsuchende mit Schreiben vom 17. September 2021 die Mandatsübernahme an.

D.

Mit Schreiben vom 29. September 2021 forderte das SEM den Beschwerdeführer auf, bis zum 29. Oktober 2021 einen ärztlichen Bericht einzureichen.

E.

Ein von Dr. med. F. , G. , verfasster "Ärztlicher Bericht für die medizinische Sachverhaltsabklärung im Asylverfahren" vom 28. November 2021 ging inklusive Begleitschreiben vom 29. November 2021 innert erstreckter Frist am 1. Dezember 2021 beim SEM ein. Beigelegt waren zudem ein Bericht von Dr. med. H. , (…), vom 8. November 2021, ein radiologischer Bericht von Dr. med. I. , (…), G. , vom

  1. November 2021 sowie Laborberichte. Diesen Berichten sind folgende Diagnosen zu entnehmen:

    1. Leberzirrhose

      • Child-Pugh Stadium: A, MELD-Score: 15 Punkte

      • Status nach Hepatitis B und C Virusinfektion

      • Komplette Pfortaderthrombose mit splenorenalen Shunts

    2. Leberzyste im linken Leberlappen (3,5 mm durchmessend)

Weiter wird ausgeführt, dass nur eine symptomatische Behandlung möglich sei, da eine Lebertransplantation aus technischen Gründen (Pfortaderthrombose) nicht durchgeführt werden könne. In Bezug auf die Leberzirrhose und deren Symptome sei keine Besserung zu erwarten. Die Leberzyste sei unbedenklich.

F.

Mit Verfügung vom 6. Dezember 2021 – eröffnet am 7. Dezember 2021 – trat das SEM gestützt auf Art. 31a Abs. 3 AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein, wies ihn aus der Schweiz weg und ordnete den Wegweisungsvollzug an.

G.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Entscheid mit Eingabe vom

13. Dezember 2021 (Postaufgabe: 14. Dezember 2021) beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und es sei wegen der Unzulässigkeit beziehungsweise der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme anzuordnen, eventualiter sei die Sache zur vollständigen Sachverhaltsabklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersuchte er um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.

Der Beschwerde lag – neben der angefochtenen Verfügung – eine Fürsorgebestätigung vom 13. Dezember 2021 bei.

H.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte mit Schreiben vom 15. Dezember 2021 den Eingang der Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – wie auch vorliegend – endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG).

    2. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht (Art. 108 Abs. 3 AsylG; Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.

Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

4.

Die Beschwerde richtet sich aufgrund der Rechtsbegehren ausschliesslich gegen den angeordneten Vollzug der Wegweisung. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet demnach die Frage, ob das SEM den Vollzug der Wegweisung zu Recht angeordnet hat (vgl. Art. 44 AsylG), oder ob infolge Unzulässigkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit desselben an Stelle des Vollzugs der Wegweisung die vorläufige Aufnahme anzuordnen ist (Art. 44 AsylG i.V.m. Art. 83 Abs. 1–4 AIG [SR 142.20]).

5.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG).

    2. Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

6.

    1. Das SEM führt zur Begründung des Wegweisungsvollzugs aus, mangels Hinweisen auf die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gelange der Grundsatz der Nichtrückschiebung gemäss Art. 5 AsylG nicht zur Anwendung. Ferner würden sich aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür

      ergeben, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine durch Art. 3 EMRK verbotene Strafe oder Behandlung drohe. Sodann würden weder die im Heimatstaat herrschende politische Situation noch andere Gründe gegen die Zumutbarkeit der Rückführung sprechen. Gemäss Arztbericht vom

      29. November 2021 seien die notwendigen Abklärungen sowohl in Georgien als auch erneut in der Schweiz durchgeführt worden. Aktuell seien keine ergänzenden Abklärungen vorgesehen, die für den weiteren medizinischen Verlauf von Bedeutung seien. Auch operative Eingriffe seien nicht vorgesehen und es könne nur eine symptomatische Behandlung erfolgen. Den ärztlichen Unterlagen sei zu entnehmen, dass hinsichtlich der Leberzirrhose und deren Symptome keine Besserung zu erwarten sei. Eine Lebertransplantation könne wegen der Pfortaderthrombose, also aus technischen Gründen, auch in der Schweiz nicht durchgeführt werden. Aufgrund des Umstands, dass die Krankheit des Beschwerdeführers bereits in Georgien diagnostiziert und therapiert worden sei, spreche aus Sicht des behandelnden Arztes nichts gegen eine Weiterbehandlung im Heimatland. Auch den Aussagen des Beschwerdeführers über seine bisherige Krankengeschichte und Therapierung in Georgien sei nichts zu entnehmen, was dieser Ansicht des Arztes widersprechen könnte. Er werde seit sieben Jahren behandelt und verfüge über Zugang zu spezialisierten Einrichtungen und Ärzten in der Hauptstadt Tiflis. Die dortige medizinische Versorgung sei als gut zu bezeichnen und die notwendigen Medikamente habe er bis anhin ebenfalls erhalten. Er sei allgemein krankenversichert und habe die Kosten für die Dialysen offensichtlich nicht selbst tragen müssen. Die verschriebenen Medikamente habe er jedoch jeweils selbst bezahlen müssen. Sein Sohn, seine ehemalige Partnerin sowie Kollegen hätten ihn jedoch finanziell unterstützt, womit die Kosten hätten gedeckt werden können. Er sei bis anhin trotz wiederholter Spitalaufenthalte in der Lage gewesen, für sich selbst zu sorgen. Zu seinem persönlichen Umfeld pflege er guten Kontakt. Seine Wohnsituation in J. sei gesichert und er habe erklärt, dass er dort auf Subsistenzniveau habe leben können. Es sei nicht anzunehmen, dass sich die beschriebene Situation in voraussehbarer Zeit grundlegend ändern werde. Insgesamt sei den Akten nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr – sei es aus medizinischen oder ökonomischen Gründen – in eine existenzbedrohende Situation geraten könnte. Es stehe ihm zudem frei, bei der kantonalen Rückkehrberatungsstelle medizinische Rückkehrhilfe zu beantragen. Diese könne durch die Abgabe von Medikamenten, Hilfe bei der Ausreiseorganisation oder durch Unterstützung während und nach der Rückkehr gewährt werden.

    2. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, er bedürfe wegen der Leberzirrhose dauernder medizinischer Behandlung. Seine Leberfunktionen müssten möglichst stabilisiert werden. Deshalb benötige er Medikamente und müsse alle sechs Monate sonographisch und labordiagnostisch untersucht werden. Auch wenn es in seiner Heimat solche Behandlungsmöglichkeiten gebe, erhalte man diese nur mit den nötigen finanziellen Mitteln. Leider habe es diesbezüglich ein Missverständnis bei der Anhörung gegeben. Seine Familie und Kollegen hätten ihn nicht finanziell unterstützen können und könnten dies auch in Zukunft nicht tun. Sie hätten ihm nur dabei geholfen, das Geld für die Reise in die Schweiz zusammenzukratzen, damit er hier medizinisch behandelt werden könne. Zudem habe er zur Finanzierung seiner Reise in die Schweiz viele seiner Sachen verkauft. Er habe gehofft, in der Schweiz eine Lebertransplantation zu erhalten, und kehre als armer, kranker Mann, der nicht arbeiten könne, in seine Heimat zurück. Deshalb werde er wohl in seiner Heimat aufgrund mangelnder finanzieller Mittel nicht die nötige medizinische Behandlung bekommen können, was dazu führen werde, dass er stark leiden werde. Davor habe er grosse Angst. Deshalb ersuche er um eine vorläufige Aufnahme in der Schweiz. Sollten dazu noch weitere Abklärungen nötig sein, bitte er darum, seinen Fall zur Neubehandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

7.

    1. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).

    2. Da der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, ist das flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot von Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 5 AsylG nicht anwendbar. Die Zulässigkeit des Vollzuges beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen verfassungsund völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [FoK, SR 0.105]; Art. 3 EMRK).

7.3

      1. Der Beschwerdeführer macht implizit geltend, aufgrund seines Gesundheitszustands sei der Vollzug der Wegweisung unzulässig.

      2. Eine zwangsweise Wegweisung von Personen mit gesundheitlichen Problemen kann nur ganz ausnahmsweise einen Verstoss gegen Art. 3 EMRK darstellen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die betroffene Person in einem fortgeschrittenen oder terminalen Krankheitsstadium und bereits in Todesnähe befindet, nach einer Überstellung mit dem sicheren Tod rechnen müsste und dabei keinerlei soziale Unterstützung erwarten könnte (vgl. BVGE 2011/9 E. 7 mit Hinweisen auf die damalige Praxis des EGMR). Eine weitere vom EGMR definierte Konstellation betrifft Schwerkranke, die durch die Rückführung – mangels angemessener medizinischer Behandlung im Zielstaat – mit einem realen Risiko konfrontiert würden, einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu werden, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen würde (vgl. Urteil des EGMR Paposhvili gegen Belgien 13. Dezember 2016, Grosse Kammer 41738/10, §§ 180–193 m.w.H., und zum Ganzen auch BVGE 2017 VI/7 E. 6).

      3. Eine solche aussergewöhnliche Situation ist gemäss den Akten vorliegend nicht gegeben. Auch wenn dem "Ärztlichen Bericht für die medizinische Sachverhaltsabklärung im Asylverfahren" vom 28. November 2021 zu entnehmen ist, dass bezüglich der Leberzirrhose und deren Symptome keine Besserung zu erwarten ist, vermag der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers eine Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs im Sinne dieser restriktiven Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen. Aus technischen Gründen fällt eine Lebertransplantation nicht in Betracht, weshalb nur symptomatisch behandelt werden kann (vgl. Bst. E). Der Beschwerdeführer erfuhr eine adäquate medizinische Behandlung in Georgien und es lässt nichts darauf schliessen, dass er aufgrund seiner Erkrankung bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit dem sicheren Tod oder einer unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands mit intensivem Leiden rechnen müsste (vgl. dazu auch nachfolgend E. 8).

    1. Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung nach Georgien dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung

      ausgesetzt wäre. Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in Georgien lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen.

    2. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.

8.

    1. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

    2. Die allgemeine Lage in Georgien ist weder von Bürgerkrieg noch von allgemeiner Gewalt gekennzeichnet, so dass der Vollzug der Wegweisung dorthin grundsätzlich zumutbar ist.

    3. Sodann kann zur Vermeidung von Wiederholungen vorab auf die grundsätzlich zutreffende Begründung in der angefochtenen Verfügung verwiesen werden (vgl. E. 6.1). Zu präzisieren ist jedoch, dass der Beschwerdeführer bei der Rückübersetzung korrigierte, die gesundheitlichen Probleme hätten vor sieben Monaten und nicht vor sieben Jahren begonnen (vgl. SEM-act. […])-17/13 S. 13). Hinsichtlich der Finanzierung ist ferner einerseits auf ein Sozialhilfeprogramm für Armutsbetroffene und andererseits auf das staatlich finanzierte "Universal Health Care Program" (UHCP) zu verweisen (vgl. etwa Urteil des BVGer D-5903/2020 vom

      22. Dezember 2020 E. 5.3.3 m.w.H.). Der Beschwerdeführer gab denn auch an, er sei in Georgien allgemein krankenversichert (vgl. SEM-act. […]-17/13 F97 ff.). Er nahm die medizinischen Einrichtungen und Behandlungen in seiner Heimat bis zu seiner Ausreise in Anspruch und es bestehen keine Anhaltspunkte, wonach ihm dies künftig nicht mehr möglich sein sollte. Dem Anhörungsprotokoll ist zudem zu entnehmen, dass er sich nicht aus finanziellen Gründen zur Ausreise entschloss, sondern weil die Ärzte ihm mitgeteilt hatten, dass er eine Lebertransplantation benötige und sie nichts mehr für ihn tun könnten. In Georgien bestehe ein Mangel an Organen (vgl. SEM-act. […]-17/13 F57 und F78 ff.). Den Akten ist sodann zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zur Finanzierung der nicht gedeckten Gesundheitskosten auf die Unterstützung seines sozialen Beziehungsnetzes zählen kann. So führte er in der Anhörung aus, er habe pro

      Monat (…) Lari für Medikamente benötigt, was ein grosser Betrag sei. Als er daraufhin gefragt wurde, ob jemand aus der Verwandtoder Bekanntschaft dazu beigetragen habe, dass er diese Kosten habe decken können, antwortete er: "Natürlich. Und mein Sohn und meine Frau arbeiten. Ausserdem halfen auch Kollegen" (vgl. SEM-act. […]-17/13 F101 f.). Aus dem Kontext ergibt sich zweifelsfrei, dass dem Beschwerdeführer bewusst war, über die Finanzierung der Medikamente und nicht der Reise in die Schweiz zu sprechen. Die Darstellung in der Beschwerde, es handle sich hier um ein Missverständnis, ist deshalb als nachgeschoben und damit als unglaubhaft zu qualifizieren. Insgesamt ist nicht ersichtlich, weshalb es dem Beschwerdeführer in der Zukunft aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich sein sollte, die notwendigen Behandlungen zu erhalten. Daran ändert auch das Vorbringen in der Beschwerde, er habe zur Finanzierung der Reise viele seiner Sachen verkauft, nichts. Das SEM hat zudem auf die Möglichkeit einer individuellen medizinischen Rückkehrhilfe hingewiesen. Sollte der Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein, sein Grundstück zu bewirtschaften und so seinen (übrigen) Lebensunterhalt zu bestreiten (vgl. SEM-act. […]-17/13 F18 ff.), obliegt es ihm, bei Bedarf bei den zuständigen heimatlichen Behörden um entsprechende Unterstützung zu ersuchen. Im Weiteren ist davon auszugehen, dass ihn sein Sohn, seine Ex-Partnerin und seine weitere Verwandtschaft, mit welchen er ein gutes Verhältnis pflege (vgl. SEM-act. […]-17/13 F42 ff.), bei Bedarf auch diesbezüglich unterstützen würden. Nach dem Gesagten ist nicht davon auszugehen, der Beschwerdeführer werde in Georgien aus medizinischen oder ökonomischen Gründen in eine existentielle Notlage geraten.

    4. Der Vollzug der Wegweisung erweist sich somit nicht als unzumutbar.

9.

Schliesslich verfügt der Beschwerdeführer über einen gültigen Reisepass, weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).

10.

Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AIG).

11.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und auch sonst nicht zu beanstanden ist. Eine Veranlassung, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, besteht nicht. Die Beschwerde ist abzuweisen.

12.

Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung sind abzuweisen, da die Begehren – wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt – als aussichtslos zu bezeichnen sind (Art. 65 Abs. 1 VwVG).

13.

Das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses wird mit dem vorliegenden Entscheid gegenstandslos.

14.

Die Verfahrenskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.– festzusetzen (Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung werden abgewiesen.

3.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:

Walter Lang Barbara Gysel Nüesch

Versand:

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