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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-490/2021

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-490/2021
Datum:23.02.2022
Leitsatz/Stichwort:Datenschutz
Schlagwörter : Beschwerde; Eheschliessung; Beschwerdeführer; Eheschliessungen; Eritrea; Religiös; Recht; Beschwerdeführenden; Zivilstand; ZEMIS; Vorinstanz; Daten; Person; Gültig; Religiöse; Behördlich; Verheiratet; Schweiz; Bundesverwaltungsgericht; Brauch; Beschwerdeführerin; Beschwerdeführers; Registrierung; «verheiratet»; Ordre; Personendaten; Public; Richtigkeit; Civil; Anerkennung
Rechtsnorm: Art. 13 VwVG ; Art. 25 DSG ; Art. 27 IPRG ; Art. 45 IPRG ; Art. 48 BGG ; Art. 48 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ;
Referenz BGE:141 III 328; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I A-490/2021

U r t e i l v o m 2 3 . F e b r u a r 2 0 2 2

Besetzung Richter Jürg Marcel Tiefenthal (Vorsitz), Richterin Claudia Pasqualetto Péquignot, Richter Alexander Misic, Gerichtsschreiber Tobias Grasdorf.

Parteien 1. A. ,

2. B. ,

Beschwerdeführende,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,

Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Datenschutz; Datenänderung im ZEMIS.

Sachverhalt:

A.

A. (Beschwerdeführer) wurde am 17. Mai 2019 in der Schweiz als Flüchtling anerkannt und gleichzeitig wurde ihm Asyl gewährt.

B.

Am 25. Juli 2019 stellte das Staatssekretariat für Migration (SEM, Vorinstanz) B. (Beschwerdeführerin) eine Einreisebewilligung zwecks Familienvereinigung aus. Nach mehrmaliger Verlängerung der Bewilligung reiste die Beschwerdeführerin am […] 2020 in die Schweiz ein, wo sie am […] 2020 ein Asylgesuch stellte. Am 16. September 2020 wurde sie «als Ehegattin eines Flüchtlings» ebenfalls als Flüchtling gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG (SR 142.31) anerkannt und es wurde ihr Asyl gewährt.

C.

Bei der Registrierung des Beschwerdeführers im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) erfasste die Vorinstanz den Zivilstand des Beschwerdeführers als «verheiratet», denjenigen der Beschwerdeführerin als

«ledig (religiös getraut)».

D.

Am 29. Oktober 2020 teilte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer mit, es beabsichtige, seinen Zivilstand im ZEMIS auf «ledig (religiös getraut)» zu ändern und gab ihm Gelegenheit, sich dazu zu äussern.

E.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2020 äusserte sich der Beschwerdeführer zur Änderung seines Zivilstandes im ZEMIS. Er machte geltend, dass sein Zivilstand als «verheiratet» beizubehalten sei und derjenige der Beschwerdeführerin ebenfalls als «verheiratet» zu erfassen sei.

F.

Mit Verfügung vom 29. Dezember 2020 lehnte die Vorinstanz das Gesuch um Änderung des Zivilstandes der Beschwerdeführerin von «ledig (religiös getraut)» auf «verheiratet» ab und änderte den Zivilstand des Beschwerdeführers auf «ledig (religiös getraut»).

G.

Am 3. Februar 2021 erhoben die Beschwerdeführenden Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragten, die Verfügung sei aufzuheben

und es sei festzustellen, dass der Zivilstand sowohl des Beschwerdeführers als auch der Beschwerdeführerin «verheiratet» sei. Es sei zudem festzustellen, dass das Geburtsdatum des Beschwerdeführers der […] sei. In prozessualer Hinsicht ersuchten die Beschwerdeführenden um Verzicht auf die Erhebung von Verfahrenskosten und auf die Leistung eines Kostenvorschusses, da sie bedürftig seien.

H.

Mit Verfügung vom 16. Februar 2021 gewährte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführenden die unentgeltliche Prozessführung.

I.

Am 4. März 2021 reichte die Vorinstanz eine Vernehmlassung ein.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG, die von einer Vorinstanz im Sinne von Art. 33 Bst. d VGG erlassen wurde. Da keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt, ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Beschwerde zuständig (Art. 31 VGG). Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).

    2. Die Beschwerdeführenden sind als Adressaten des angefochtenen Entscheids sowohl formell als auch materiell beschwert, weshalb sie zur Beschwerde legitimiert sind (Art. 48 Abs. 1 VwVG).

    3. Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist demnach einzutreten.

2.

Das Bundesverwaltungsgericht verfügt grundsätzlich über volle Prüfbefugnis (Kognition). Entsprechend überprüft es die angefochtene Verfügung auf Verletzungen des Bundesrechts – einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens –, auf unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und auf Unangemessenheit (Art. 49 VwVG).

3.

    1. Streitig und zu prüfen sind die Einträge des Zivilstandes des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführerin im ZEMIS. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist demgegenüber der Eintrag des Geburtsdatums des Beschwerdeführers im ZEMIS. Dieses lautet gemäss Auskunft der Vorinstanz im ZEMIS unverändert auf den […]; bei der Falschangabe des Datums in der angefochtenen Verfügung handelte es sich um ein Versehen ohne Einfluss auf den Eintrag im ZEMIS.

    2. Die Vorinstanz macht geltend, die Beschwerdeführenden hätten in ihren Asylverfahren angegeben, nach Brauch (religiös) geheiratet zu haben. Es sei den Akten nicht zu entnehmen, dass sie ihre Ehe behördlich hätten registrieren lassen. Nach ständiger Praxis würden sie deshalb im ZEMIS als «ledig» mit der Zusatzbemerkung «religiös getraut» erfasst.

    3. Die Beschwerdeführenden bringen vor, in Eritrea sei eine religiöse Trauung gleichwertig mit einer zivilrechtlichen Trauung. Eine behördliche Registrierung sei für die Wirksamkeit der Eheschliessung nicht notwendig. Ihre Ehe sei in der Schweiz gestützt auf Art. 45 des Bundesgesetzes vom

18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG, SR 291)

anzuerkennen. Der Beschwerdeführer lebe seit 2016 in der Schweiz und habe in guten Treuen annehmen dürfen, dass sein Zivilstand als verheiratet akzeptiert und registriert sei.

4.

    1. Die Vorinstanz führt zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben das ZEMIS, das der Bearbeitung von Personendaten aus dem Ausländerund dem Asylbereich dient (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich vom

      20. Juni 2003, BGIAA, SR 142.51) und in der Verordnung über das Zentrale Migrationsinformationssystem vom 12. April 2006 (ZEMIS-Verordnung, SR 142.513) näher geregelt ist. Nach Art. 19 Abs. 1 ZEMIS-Verordnung richten sich die Rechte der Betroffenen, insbesondere deren Auskunfts-, Berichtigungsund Löschungsrecht sowie das Recht auf Informationen über die Beschaffung besonders schützenswerter Personendaten, nach den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes (DSG, SR 235.1) und des VwVG.

    2. Wer Personendaten bearbeitet, hat sich über deren Richtigkeit zu vergewissern (Art. 5 Abs. 1 DSG). Werden Personendaten von Bundesorganen bearbeitet, kann jede betroffene Person insbesondere verlangen, dass

      unrichtige Personendaten berichtigt werden (Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 Abs. 3 Bst. a DSG). Auf die Berichtigung besteht in einem solchen Fall ein absoluter und uneingeschränkter Anspruch (BVGE 2018 VI/3 E. 3.2). Die ZEMIS-Verordnung sieht im Übrigen in Art. 19 Abs. 3 ausdrücklich vor, dass unrichtige Daten von Amtes wegen zu berichtigen sind.

    3. Grundsätzlich hat die Bundesbehörde die Richtigkeit der bearbeiteten Daten zu beweisen, wenn diese von einer betroffenen Person bestritten wird. Demgegenüber obliegt der betroffenen Person, die ein Gesuch um Berichtigung von Personendaten stellt, der Beweis der Richtigkeit der verlangten Änderung (BVGE 2018 VI/3 E. 3.3; Urteil des BGer 1C_710/2017 vom 12. Februar 2019 E. 2.3.3). Eine rechtserhebliche Tatsache, für die grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen ist (Regelbeweismass), gilt als bewiesen, wenn sie in Würdigung sämtlicher Erkenntnisse so wahrscheinlich ist, dass keine vernünftigen Zweifel bleiben; unumstössliche Gewissheit ist dagegen nicht erforderlich (BVGE 2012/33 E. 6.2.1). Die mit dem Berichtigungsbegehren konfrontierte Behörde hat nach dem Untersuchungsgrundsatz den Sachverhalt grundsätzlich von Amtes wegen abzuklären (Art. 12 VwVG); die gesuchstellende Person ist jedoch gemäss Art. 13 Abs. 1 Bst. a VwVG verpflichtet, an dessen Feststellung mitzuwirken (BVGE 2018 VI/3 E. 3.3).

    4. Kann bei einer verlangten beziehungsweise von Amtes wegen beabsichtigten Berichtigung weder die Richtigkeit der bisherigen noch diejenige der neuen Personendaten bewiesen werden, dürfen grundsätzlich weder die einen noch die anderen Daten bearbeitet werden (vgl. Art. 5 Abs. 1 DSG). Dies ist jedoch nicht immer möglich, müssen doch bestimmte Personendaten zur Erfüllung wichtiger öffentlicher Aufgaben notwendigerweise bearbeitet werden, was namentlich auch für im ZEMIS erfasste Daten gilt. In solchen Fällen überwiegt das öffentliche Interesse an der Bearbeitung möglicherweise unzutreffender Daten das Interesse an deren Richtigkeit. Unter diesen Umständen sieht Art. 25 Abs. 2 DSG deshalb die Anbringung eines Vermerks vor, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Richtigkeit der bearbeiteten Personendaten bestritten ist. Spricht dabei mehr für die Richtigkeit der neuen Daten, sind die bisherigen Angaben zunächst zu berichtigen und die neuen Daten anschliessend mit einem derartigen Vermerk zu versehen. Verhält es sich umgekehrt, erscheint also die Richtigkeit der bisher eingetragenen Daten als wahrscheinlicher oder zumindest nicht als unwahrscheinlicher, sind diese zu belassen und mit einem Bestreitungsvermerk zu versehen. Über dessen Anbringung ist jeweils

      von Amtes wegen und unabhängig davon zu entscheiden, ob ein entsprechender Antrag gestellt worden ist (BVGE 2018 VI/3 E. 3.4; vgl. auch Urteile des BGer 1C_240/2012 vom 13. August 2012 E. 3.2 und 1C_114/2012 vom 25. Mai 2012 E. 2.2).

    5. Vorliegend obliegt es damit grundsätzlich der Vorinstanz, zu beweisen, dass der Zivilstandseintrag der Beschwerdeführenden im ZEMIS als «ledig (religiös getraut)» korrekt ist. Die Beschwerdeführenden haben ihrerseits nachzuweisen, dass der von ihnen geltend gemachte Zivilstand «verheiratet» richtig ist. Gelingt keiner Partei der sichere Nachweis des Zivilstandes, ist derjenige Zivilstand im ZEMIS zu belassen oder einzutragen, dessen Richtigkeit wahrscheinlicher ist.

5.

    1. Art. 45 Abs. 1 IPRG sieht vor, dass eine im Ausland gültig geschlossene Ehe in der Schweiz anerkannt wird. Gestützt auf diese Bestimmung und auf Art. 27 Abs. 1 IPRG (ordre public-Vorbehalt) ist eine im Ausland geschlossene Ehe in der Schweiz anzuerkennen, wenn der Eheschluss tatsächlich im Ausland erfolgt ist (E. 5.2), er im Ausland gültig ist (E. 5.3) und die Anerkennung nicht gegen den schweizerischen ordre public verstösst (E. 5.4; Basler Kommentar Internationales Privatrecht [BSK IPRG], 4. Auflage 2021, GABRIELLE BODENSCHATZ, Art. 45 Rz. 5; Urteil des

      Bundesverwaltungsgerichts E-1721/2019 vom 29. Juni 2019 E. 4.2).

    2. Die Beschwerdeführenden haben ein «Marriage Certificate» der «Eritrean Orthodox Church» eingereicht, das belegt, dass sie sich am […] 2006 in Eritrea religiös haben trauen lassen. Zudem haben sie sich in ihren Asylverfahren stets in diesem Sinne geäussert. Die Vorinstanz bestreitet die religiöse Trauung nicht und hat die Beschwerdeführenden in den Asylverfahren stets als Ehepartner bezeichnet. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Beschwerdeführenden in Eritrea die Ehe geschlossen haben.

5.3

      1. Die Gültigkeit einer Eheschliessung ist «in favor matrimonii» zu beurteilen, was bedeutet, dass im Zweifelsfall die Gültigkeit der Ehe (beziehungsweise des Eheschlusses) anzunehmen ist. Nach herrschender Lehre ist Art. 45 Abs. 1 IPRG so zu verstehen, dass die Ehe nach dem Recht am Ort der Eheschliessung oder des Wohnsitzoder Heimatstaates wenigstens einer der Heiratswilligen gültig sein muss. Mit anderen Worten ist die Ehe gültig, wenn sie nicht nach allen massgebenden Gültigkeitsstatuten von Amtes wegen für ungültig erklärt werden müsste (Zürcher Kommentar

        zum IPRG [ZK IPRG], 3. Auflage 2018, CORINNE WIDMER LÜCHINGER, Art. 45 Rz. 31; BSK IPRG; GABRIELLE BODENSCHATZ, Art. 45 Rz. 9 und 13;

        ANDREA BÜCHLER/STEFAN FINK, Eheschliessungen im Ausland, in: FamPra 1/2008, S. 48–68, S. 50). Diese Auslegung von Art. 45 Abs. 1 IPRG steht insbesondere im Einklang mit dem verfassungsund völkerrechtlichen Schutz der Ehe (Art. 14 BV, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 EMRK; vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-1721/2019 vom 29. Juni 2019 E. 4.2.2). Da es für die Beurteilung der Gültigkeit eines Eheschlusses auf die Sicht des ausländischen Staates ankommt, haben die schweizerischen Behörden grundsätzlich das ausländische Recht nicht selber zu konsultieren, wenn die Haltung des ausländischen Staates zum Beispiel aufgrund eines Registereintrags oder einer behördlichen Bestätigung feststeht. Ist dies nicht der Fall und wurde die Ehe ohne behördliche Beteiligung geschlossen, ist die Gültigkeit des Eheschlusses aufgrund einer Konsultation des ausländischen Rechtes zu beurteilen (ZK IPRG, CORINNE WIDMER LÜCHINGER, Art. 45 Rz. 4).

      2. Die Beschwerdeführenden haben ihre Ehe in Eritrea nicht behördlich registrieren lassen. Entsprechend reichten sie weder einen Registereintrag noch eine behördliche Bestätigung ihres Eheschlusses ein.

      3. Die Ermittlung der Rechtslage bezüglich Eheschliessungen in Eritrea ist aufgrund der kriegerischen Vergangenheit Eritreas, der langsamen legislativen und administrativen Entwicklung seit der Unabhängigkeit 1991 und aufgrund der Abschottung des Landes mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die folgenden Ausführungen der Rechtslage bezüglich Eheschliessungen in Eritrea stützen sich auf die englische Übersetzung des Civil Code of the State of Eritrea 2015, der im Mai 2015 in Kraft trat (zugänglich über die Bibliothek der Universität Maastricht, <is.gd/eritrea_zgb_2015>, abgerufen am 26. Januar 2022; nachfolgend Civil Code 2015, CC). Hilfsweise wird zudem auf zwei Expertengutachten zur Rechtslage bezüglich Eheschliessungen in Eritrea abgestellt (GÜNTER SCHRÖDER, Marriage, Vital Events Registration & Issuance of Civil Status Documents in Eritrea, Mai 2017, <https://migrationlawclinic.files.wordpress.com/2017/05/paper-gc3bcnther-schrc3b6der-eritrea-marriage.pdf>, und YOHANNES ABRAHA AMANUEL, Expert Opinion on religious marriage and its modes of proof in Eritrean legal system, 28. November 2016, in: Rosa Coene et al., University Amsterdam, Migration Law Clinic, The 'bewijsnood' policy of the Dutch immigration service: A correct interpretation of the Family Reunification Directive or an unlawful procedural hurdle?, Annex 3, <https://migrationlawclinic.files.wordpress.com/2017/05/expert-

        opinion-bewijsnood-final-version1.pdf>, beide abgerufen am 26. Januar 2022).

      4. Art. 518 CC sieht drei Arten der Eheschliessung vor: vor dem Zivilstandsbeamten, als religiöse Eheschliessung oder als Eheschliessung nach örtlichem Brauch. Diese drei Arten der Eheschliessung sind gleichwertig (Art. 556 CC). Art. 520 CC hält fest, dass die religiöse Eheschliessung erfolgt, wenn die religiösen Regelungen dafür beachtet werden. Die Art. 547 ff. CC enthalten Rechtsfolgen für den Fall, dass gesetzliche Bestimmungen der Eheschliessung verletzt wurden, und Gründe für eine Ungültigkeitserklärung der Ehe. Sie bestimmen insbesondere, dass die Ehe nicht allein wegen der Verletzung von Formvorschriften aufgelöst werden darf (Art. 553 Bst. d CC). Der Nachweis einer Eheschliessung wird in erster Linie durch eine Heiratsurkunde erbracht, kann aber sekundär auch durch übereinstimmende Erklärung der Ehegatten zusammen mit vier Zeugenaussagen erbracht werden (Art. 588 CC). Schliesslich müssen Eheschliessungen innerhalb eines Monats behördlich registriert werden (Art. 56 Bst. c und Art. 114 CC).

      5. Diese Ausführungen zeigen, dass religiöse Eheschliessungen und Eheschliessungen nach Brauch in Eritrea als gültige Eheschliessungen anerkannt sind. Religiöse Eheschliessungen und Eheschliessungen nach Brauch müssen zwar behördlich registriert werden. Das Gesetz sieht allerdings weder die Auflösung der Ehe noch deren Ungültigkeit vor, wenn die Registrierung unterbleibt. Zudem kann eine Registrierung auch nach der gesetzlich vorgesehenen Frist von einem Monat nachgeholt werden (Art. 64 CC), was darauf hindeutet, dass die Registrierung nicht als Gültigkeitsvoraussetzung angesehen wird. Auch die zwei genannten Expertengutachten zur Rechtslage bezüglich Eheschliessungen in Eritrea kommen zum Schluss, dass religiöse oder nach Brauch geschlossene Ehen auch dann gültig sind, wenn sie nicht behördlich registriert wurden (SCHRÖDER, Ziff. 67 ff. und 91, und AMANUEL, S. 3 ff.). Die verfügbaren Länderinformationen zu diesem Thema stellen die Situation gleich dar, wobei sie sich oft direkt oder indirekt auf die genannten Expertengutachten stützen (z.B. ROSA COENE ET AL., University Amsterdam, Migration Law Clinic, The 'bewijsnood' policy of the Dutch immigration service: A correct interpretation of the Family Reunification Directive or an unlawful procedural hurdle?,

        S. 13 f.; MICHAEL TON, Zur Anerkennung eritreischer Eheschliessungen, in: Asylmagazin 3/2018 S. 71–76, S. 74 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Registrierung von Eheschliessungen, 19. Juli 2018, S. 5 f.).

        Schliesslich kommt auch die Vorinstanz selber in ihrer Herkunftsländerinformation zu diesem Thema zum gleichen Schluss (SEM, Focus Eritrea, Identitäts- und Zivilstandsdokumente, 21. Januar 2021, S. 17

        <https://www.sem.admin.ch/dam/sem/de/data/internationales/herkunftsla- ender/afrika/eri/eri-identitaets-und-zivilstandsdokumente.pdf.download.pdf/ERI-identitaets-und-zivilstandsdokumente-d.pdf>, abgerufen am

        26. Januar 2022).

      6. Vor Inkrafttreten des Civil Code 2015 regelte seit September 1991 der Transitional Civil Code of Eritrea (TCCE) Eheschliessungen. Auch der TCCE anerkannte sowohl religiöse als auch nach Brauch geschlossenen Ehen (SCHRÖDER, Ziff. 61 ff.). Bezüglich der behördlichen Registrierung von Eheschliessungen in dieser Phase ist die Rechtslage aufgrund verschiedener Rechtsgrundlagen und unklarer Vollzugsmöglichkeiten sehr unübersichtlich. Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass die Registrierung einer Eheschliessung unter dem TCCE faktisch freiwillig war und die meisten Eheschliessungen nicht registriert wurden (SCHRÖDER, Ziff. 83 ff.). Der Civil Code 2015 enthält keine Bestimmung, nach der vor seinem Inkrafttreten geschlossene Ehen nachträglich registriert werden müssten (vgl. SCHRÖDER, Ziff. 96 ff.). Art. 2775 der Übergangsbestimmungen des Civil Code 2015 stellt im Gegenteil fest, dass alle rechtlichen Beziehungen, die vor dessen Inkrafttreten entstanden, gültig bleiben.

        Entsprechend ist bezüglich religiöser Eheschliessungen und Eheschliessungen nach Brauch, die seit 1991 unter dem TCCE geschlossen wurden, davon auszugehen, dass in diesem Zeitraum keine Verpflichtung bestand, eine religiöse oder nach Brauch geschlossene Ehe behördlich registrieren zu lassen. Daran änderte sich auch mit Inkrafttreten des Civil Code 2015 nichts, sieht dieser doch keine Verpflichtung zu einer nachträglichen Registrierung vor, sondern geht ausdrücklich von der weiterbestehenden Gültigkeit vorbestehender Rechtsbeziehungen aus.

      7. Zusammenfassend sind in Eritrea seit September 1991 vorgenommene religiöse Eheschliessungen und Eheschliessungen nach Brauch grundsätzlich als gültig anzusehen, unabhängig davon, ob sie in Eritrea behördlich registriert wurden oder nicht.

      8. Die Beschwerdeführenden haben am […] 2006 in Eritrea religiös die Ehe geschlossen. Es liegen keine Hinweise auf eine Ungültigkeit der Ehe nach eritreischem Recht vor, weshalb die Ehe als nach eritreischem Recht gültig geschlossen anzusehen ist.

    1. Gemäss Art. 27 Abs. 1 IPRG wird eine im Ausland ergangene Entscheidung in der Schweiz nicht anerkannt, wenn die Anerkennung mit dem schweizerischen ordre public offensichtlich unvereinbar wäre. Nicht jeder Verstoss gegen das Rechtsempfinden, die Wertvorstellungen oder zwingendes Recht rechtfertigt den Eingriff mit dem ordre public. Für die Verletzung ist vielmehr erforderlich, dass die Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen Entscheides in der Schweiz mit den hiesigen rechtlichen und ethischen Werturteilen schlechthin unvereinbar wäre. Ob der ordre public verletzt ist, beurteilt sich nicht abstrakt. Entscheidend sind die Auswirkungen der Anerkennung im Einzelfall. Die Anwendung des ordre public-Vorbehalts ist im Rahmen der Anerkennung nach dem Wortlaut des Gesetzes ("offensichtlich") restriktiv anzuwenden, da mit der Weigerung der Anerkennung hinkende Rechtsverhältnisse geschaffen werden (BGE 141 III 328 E. 5.1 m.w.H.).

      Weder religiöse Eheschliessungen noch Eheschliessungen nach Brauch verstossen grundsätzlich gegen den schweizerischen ordre public. Auch im vorliegenden Einzelfall liegen – insbesondere da der Beschwerdeführer nicht mehrfach verheiratet zu sein scheint – keine konkreten Elemente vor, die für eine Verletzung des schweizerischen ordre public sprechen würden. Die Anerkennung der Ehe der Beschwerdeführenden verstösst damit nicht gegen den schweizerischen ordre public.

    2. Die Eheschliessung der Beschwerdeführenden im Jahr 2006 in Eritrea ist damit in der Schweiz anzuerkennen und der Zivilstand «verheiratet» der Beschwerdeführenden hat damit als bewiesen zu gelten. Entsprechend ist die Beschwerde gutzuheissen und die Vorinstanz anzuweisen, den Zivilstand des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführerin im ZEMIS als

«verheiratet» einzutragen.

6.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht auferlegt die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Keine Verfahrenskosten trägt die Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2 VwVG). Die Beschwerdeführenden sind mit ihrem Begehren durchgedrungen und gelten entsprechend als obsiegend, weshalb ihnen keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind.

    2. Auf die Zusprechung einer Parteientschädigung ist zu verzichten, da nicht davon auszugehen ist, dass den vor Bundesverwaltungsgericht nicht vertretenen Beschwerdeführenden aus der Einreichung der Beschwerde verhältnismässig hohe Kosten erwachsen sind (Art. 64 Abs. 1 VwVG).

7.

Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet des Datenschutzes sind gemäss Art. 35 Abs. 2 der Verordnung vom 14. Juni 1993 zum Bundesgesetz über den Datenschutz (VDSG, SR 235.11) dem Eidgenössischen Datenschutzund Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) bekannt zu geben.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Vorinstanz wird angewiesen, den Zivilstand des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführerin im ZEMIS als «verheiratet» einzutragen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, die Vorinstanz, das EJPD und den EDÖB.

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Jürg Marcel Tiefenthal Tobias Grasdorf

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand:

Zust ellung erf olgt an:

  • die Beschwerdeführenden (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. N […]; Gerichtsurkunde)

  • das Generalsekretariat EJPD (Gerichtsurkunde)

  • den EDÖB (z.K.; B-Post)

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