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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-190/2021

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-190/2021

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-190/2021
Datum:20.01.2021
Leitsatz/Stichwort:Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren)
Schlagwörter : Italien; Verfahren; Wegweisung; Recht; Schweiz; Akten; Verfahrens; Asylgesuch; Aktenlage; Person; Schutz; Gericht; Nichteintreten; Dublin-Verfahren; Verfügung; Bundesverwaltungsgericht; Rechtsvertretung; Entscheid; Dublin-III-VO; Urteil; Gespräch; Ersuchen; Beschwerdeführers; Zuständigkeit; Nichteintretens; Erwägung; Staat; ändigen
Rechtsnorm: Art. 48 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-190/2021

U r t e i l v o m 2 0 . J a n u a r 2 0 2 1

Besetzung Einzelrichterin Nina Spälti Giannakitsas,

mit Zustimmung von Richterin Regula Schenker Senn; Gerichtsschreiber Lorenz Mauerhofer.

Parteien A. , geboren am (…), Iran,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);

Verfügung des SEM vom 13. Januar 2021 / N (…).

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,

dass der Beschwerdeführer am 28. Oktober 2020 um die Gewährung von Asyl in der Schweiz nachsuchte,

dass das SEM die Behandlung seines Asylgesuches im Bundesasylzentrum (BAZ) B. an die Hand nahm,

dass vom SEM am 30. Oktober 2020 aufgrund einer Abfrage der EurodacDatenbank festgestellt wurde, dass sich der Beschwerdeführer vor der Schweiz in Italien aufgehalten hatte, zumal er in Italien am 23. September 2020 wegen illegaler Einreise registriert worden war,

dass er am 2. November 2020 den Mitarbeitenden der im BAZ B. tätigen Rechtsvertretungsorganisation Vollmacht erteilte, womit er während des erstinstanzlichen Verfahrens über den Beistand der ihm zugewiesenen Rechtsvertretung verfügte,

dass er am 3. November 2020 zu seiner Person, zum Verbleib seiner Reiseund Identitätspapiere und zu seinem Reiseweg befragt wurde,

dass das SEM am 12. November 2020 mit ihm ein Gespräch im Hinblick auf einen allfälligen Entscheid in Anwendung der Bestimmungen zum Dublin-Verfahren durchführte,

dass er im Rahmen dieses Gesprächs bestätigte, dass er sich vor der Schweiz in Italien aufgehalten habe, wo er von den Behörden verhaftet und auch registriert worden sei, wo er aber kein Asylgesuch eingereicht habe,

dass er sich an dieser Stelle gegen eine mögliche Wegweisung nach Italien aussprach, weil er dort mit seinem Schlepper in Konflikt geraten und von diesem auch bedroht worden sei,

dass er sich ausserdem gegen eine Rückkehr nach Italien aussprach, weil die dort herrschende Situation nicht mit jener in der Schweiz vergleichbar sei, zumal hier das Recht eingehalten werde und er sich auch in voller Sicherheit fühle (vgl. zum Ganzen act. […]-13/4: Protokoll Dublin-Gespräch),

dass das SEM am 12. November 2020 mit einem Ersuchen um Aufnahme des Beschwerdeführers an Italien gelangte (gemäss Art. 13 Abs. 1 der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates

vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist [Dublin-III-VO]),

dass sich Italien innert massgeblicher Frist nicht zu diesem Ersuchen äusserte, womit es seine Zuständigkeit für den Beschwerdeführenden implizit anerkannte (vgl. dazu nachfolgende Erwägungen),

dass das SEM im Nachgang dazu – mit Verfügung datierend vom 13. Januar 2021 – in Anwendung der Bestimmungen zum Dublin-Verfahren und gestützt auf Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31) auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht eintrat und dessen Wegweisung aus der Schweiz nach Italien anordnete,

dass es gleichzeitig eine Ausreisefrist auf den Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist ansetzte, den Kanton C. mit dem Vollzug der Wegweisung beauftragte, dem Beschwerdeführer die editionspflichtigen Akten aushändigte und festhielt, einer Beschwerde gegen diesen Entscheid komme keine aufschiebende Wirkung zu,

dass dem Beschwerdeführer dieser Entscheid am 14. Januar 2021 über die ihm zugewiesene Rechtsvertretung eröffnet wurde,

dass die zugewiesene Rechtsvertretung am folgenden Tag das Mandatsverhältnis als beendet erklärte,

dass der Beschwerdeführer am 15. Januar 2021 gegen den Nichteintretensund Wegweisungsentscheid selbständig Beschwerde erhoben hat,

dass er sich in seiner Eingabe gegen eine Wegeweisung nach Italien ausspricht, weil er in diesem Land an Leib und Leben bedroht worden sei,

dass er schon ihm Iran an Leib und Leben bedroht worden sei, er das aber nicht beweisen könne, weil ihm seine Beweise von der italienischen Mafia abgenommen worden seien,

dass dem Gericht die vorinstanzlichen Akten seit dem 18. Januar 2021 in elektronischer Form vorliegen (Art. 109 Abs. 3 AsylG),

und zieht in Erwägung,

dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls in der Regel

– und so auch vorliegend – endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen des SEM entscheidet (vgl. dazu Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 3133 VGG und Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG),

dass sich das Verfahren nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG richtet, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG),

dass sich die Kognition des Gerichts und die zulässigen Rügen im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG richten (vgl. BVGE 2014/26 E. 5),

dass der Beschwerdeführer zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 48 Abs. 1 VwVG), seine Eingabe den formellen Anforderungen an eine Beschwerde genügt (Art. 52 Abs. 1 VwVG) und er seine Beschwerde auch fristgerecht eingereicht hat (Art. 108 Abs. 3 AsylG), womit auf diese einzutreten ist,

dass zwar die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen ist, sich aus der Beschwerde jedoch ergibt, dass diese als abschliessend zu verstehen ist, weshalb das Urteil gefällt werden kann (vgl. EMARK 1997/13),

dass sich die Beschwerde – wie nachfolgend aufgezeigt – als offensichtlich unbegründet erweist, weshalb über diese in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters oder einer zweiten Richterin zu entscheiden ist (Art. 111 Bst. e AsylG),

dass gleichzeitig auf einen Schriftenwechsel zu verzichten und der Entscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 1 und 2 AsylG),

dass auf Asylgesuche in der Regel nicht eingetreten wird, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG),

dass der Beschwerdeführer gemäss Aktenlage von Italien kommend in die Schweiz eingereist ist, wo er am 23. September 2020 wegen illegaler Einreise registriert worden ist,

dass das SEM bei dieser Sachlage zu Recht ein Ersuchen um Aufnahme seiner Person an die italienische Dublin-Behörde gesandt hat (vgl. dazu Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 und 3 Dublin-III-VO),

dass Italien das Aufnahmeersuchen innert massgeblicher Frist nicht beantwortet hat, womit dieser Staat seine Zuständigkeit für den Beschwerdeführer gemäss der Dubliner-Verfahrensregelung implizit – durch sogenannte Verfristung – akzeptiert hat (vgl. Art. 22 Abs. 1 und 7 Dublin-III-VO),

dass damit die Grundlage für einen Nichteintretensentscheid in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG und die Anordnung einer Wegweisung nach Italien gegeben ist,

dass sich der Beschwerdeführer gegen eine Überstellung nach Italien ausspricht, weil er dort in Lebensgefahr sei, wie schon in der Heimat, auch wenn er seine Gefährdung nicht belegen könne, da ihm seine Beweise von der italienischen Mafia abgenommen worden seien,

dass allerdings aufgrund der Aktenlage keine Sachverhaltsumstände ersichtlich sind, die in rechtserheblicher Weise gegen eine Wegweisung in den für ihn zuständigen Dublin-Vertragsstaat sprechen würden,

dass in dieser Hinsicht zunächst festzuhalten bleibt, dass Italien Signatarstaat der EMRK (SR 0.101), des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) sowie des Zusatzprotokolls der FK vom 31. Januar 1967 (SR 0.142.301) ist, wobei Italien nach Auffassung der Schweiz grundsätzlich seinen diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt,

dass die Schweiz gleichzeitig davon ausgeht, Italien anerkenne und schütze die Rechte, die sich für Schutzsuchende aus den Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (sog. Verfahrensrichtlinie) und 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (sog. Aufnahmerichtlinie), ergeben,

dass im letztgenannten Zusammenhang zwar nicht von der Hand zu weisen ist, dass die in Italien herrschenden Aufnahmebedingungen schon wiederholt zu Klagen Anlass gaben, wozu sich das Bundeverwaltungsgericht

bereits mehrfach geäussert hat (vgl. BVGE 2015/4 [E. 4], 2016/2 [E. 5], 2017 VI/5 [E. 8.4] und 2017 VI/10 [E. 5] sowie BVGer-Urteil E-962/2019 vom 17. Dezember 2019 [publiziert als Referenzurteil]),

dass sich allerdings auch damit nichts daran geändert hat, dass das Gericht im Falle von Personen, die – wie der Beschwerdeführer – keine besondere Verletzlichkeit erkennen lassen, ohne Einschränkung von der Zulässigkeit der Überstellung nach Italien ausgeht,

dass aufgrund der Aktenlage kein Anlass zur Annahme besteht, der Beschwerdeführer wäre in Italien ernsthaft gefährdet, da sich seine diesbezüglichen Vorbringen in unsubstanziierten Mutmassungen und Behauptungen erschöpfen,

dass der Beschwerdeführer gehalten ist, sich in Italien bei Konflikten mit Dritten – insbesondere seinem Schlepper – an die dafür zuständigen Polizei- und Justizorgane zu wenden, sollte er tatsächlich in Sorge um seine Sicherheit sein, zumal ohne weiteres von deren Schutzfähigkeit und -willigkeit auszugehen ist,

dass schliesslich im Falle des Beschwerdeführers – gemäss Aktenlage ein junger und gesunder Mann – davon ausgegangen werden darf, er sei durchaus in der Lage, in Italien gegenüber den dort zuständigen Behörden seine Rechte wahrzunehmen und dort auch eine hinreichende Lebensgrundlage zu finden,

dass demgemäss kein Grund für einen Selbsteintritt auf das Asylgesuch respektive für eine Anwendung der Ermessensklausel nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ersichtlich ist,

dass in diesem Zusammenhang der Ordnung halber anzumerken bleibt, dass sich das SEM aufgrund der Aktenlage auf eine summarische Würdigung der vorliegenden Sache unter dem Aspekt von Art. 29a Abs. 3 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 (AsylV 1, SR 142.311) beschränken durfte, da es sich beim Beschwerdeführer gemäss Aktenlage nicht um eine besonders verletzliche Person handelt,

dass nach dem Gesagten der Nichteintretensentscheid in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG in keinem Punkt zu bemängeln ist,

dass gleichzeitig die Anordnung der Wegweisung nach Italien der Systematik des Dublin-Verfahrens entspricht und im Einklang mit der Bestimmung von Art. 44 (erster Satz) AsylG steht,

dass nach vorstehenden Erwägungen die angefochtene Verfügung zu bestätigen und die eingereichte Beschwerde als offensichtlich unbegründet abzuweisen ist,

dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten des Verfahrens von Fr. 750.– dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

3.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die Einzelrichterin: Der Gerichtsschreiber:

Nina Spälti Giannakitsas Lorenz Mauerhofer

Versand:

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