Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung I |
Dossiernummer: | A-4648/2020 |
Datum: | 25.08.2021 |
Leitsatz/Stichwort: | Ausstand |
Schlagwörter : | Ausstand; Vorinstanz; Recht; Verfahren; Person; Verfügung; Behörde; Personen; Verordnung; Entscheid; Import; Jahresschlussrechnung; Befangenheit; Verfahrens; Brancheninformation; Sanktion; -Emissionen; Vorbringen; Sachverhalt; Praxis; Urteil; Europe; Automotive; Fahrzeuge; Bundesverwaltungsgericht; Mitarbeiter; Parteien |
Rechtsnorm: | Art. 10 VwVG ;Art. 29 BV ;Art. 32 VwVG ;Art. 33 VwVG ;Art. 35 VwVG ;Art. 36 BGG ;Art. 48 BGG ;Art. 48 VwVG ;Art. 49 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ; |
Referenz BGE: | 116 Ia 135; 117 V 282; 120 II 393; 125 I 119; 129 I 232; 131 I 113; 134 I 140; 137 II 431; 140 I 326; 143 II 588 |
Kommentar: | - |
Abteilung I
A-4648/2020
Besetzung Richter Alexander Misic (Vorsitz), Richter Jürg Marcel Tiefenthal, Richter Jérôme Candrian, Gerichtsschreiberin Anna Wildt.
Parteien AGT Europe Automotive Import SA, Summelenweg 91, 8808 Pfäffikon SZ, Beschwerdeführerin,
gegen
Bundeshaus Nord, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Verwaltungsverfahren; Ausstandsbegehren.
Die AGT Europe Automotive Import SA ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Pfäffikon, Schwyz, und bezweckt den Import und Export von Automobilen und Motorrädern jeglicher Art, einschliesslich Autobestandteile.
Mit Jahresschlussrechnung 2019 vom 20. April 2020 verlangte das Bundesamt für Energie (BFE) von der AGT Europe Automotive Import SA gestützt auf Art. 30 der Verordnung vom 30. November 2012 über die Reduktion der CO2-Emissionen (CO2-Verordnung, SR 641. 711) eine Nachzahlung für das Jahr 2019. Zur Begründung führte es an, die individuellen Zielvorgaben der durchschnittlichen CO2-Emissionen seien überschritten worden. Die AGT Europe Automotive Import SA habe emissionsstarke Fahrzeuge importiert, die nur für kurze Zeit als Lieferwagen zugelassen und danach zu Personenwagen mutiert worden seien, um auf rechtsmissbräuchliche Weise in den Genuss der Vorteile des CO2-Sanktionssystems für Nutzfahrzeuge zu gelangen.
Die Jahresschlussrechnung 2019 wurde von A. (…) unterzeichnet.
Ende Mai verschickte das BFE Schlussrechnungen für die CO2-Sanktion 2019 an sieben Importeure, die mutmasslich rechtsmissbräuchlich Fahrzeuge in Verkehr gesetzt hätten. Die Fahrzeuge wurden im Rahmen dieser Schlussrechnungen vom BFE nicht berücksichtigt (und führten zur Forderung von Nachzahlungen). Am 10 Juni 2020 fand ein Vermittlungsversuch zwischen Vertretern des Verbands freier Autohandel Schweiz (VFAS) und dem BFE statt.
Am 26. Juni 2020 beantragte die AGT Europe Automotive SA beim BFE die Korrektur der Jahresschlussrechnung 2019, eventualiter den Erlass einer anfechtbaren Verfügung im Sinne von Art. 33 der CO2-Verordnung. Die CO2-Sanktionen seien nicht auf Fahrzeuge der Kategorie «Lieferwagen» anwendbar. Massgebend sei der Zustand der Fahrzeuge beim erstmaligen Inverkehrbringen. Die spätere Umwandlung der Fahrzeuge habe keinen Einfluss auf die Einordnung der Fahrzeugkategorie. In der Jahresschlussrechnung seien 13 Fahrzeuge fälschlicherweise nicht aufgenommen und 144 Fahrzeuge auf unzulässige Weise als Personenwagen qualifiziert worden.
Mit separatem Schreiben vom 26. Juni 2020 stellte die AGT Europe Automotive Import SA im Zusammenhang mit der beantragten Verfügung ein Ausstandsgesuch gegen Personen, die ihr gegenüber mit dem CO2Vollzug befasst seien und an der Revision der CO2-Verordnung, an der Brancheninformation vom 17. Dezember 2019 sowie an den Vergleichsverhandlungen vom 10. Juni 2020 mit Branchenvertretern mitgewirkt hätten. Sie müssten in den Ausstand treten, da ein Interessenkonflikt bestehe und sie befangen seien.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2020 überwies B. (…) das Ausstandsbegehren zuständigkeitshalber an das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Er nahm zum Ausstandsgesuch Stellung und beantragte dessen Ablehnung. An der laufenden Teilrevision der CO2-Verordnung, der Brancheninformation vom
17. Dezember 2019, dem telefonischen Vermittlungsversuch zwischen
Vertretern des VFAS und dem BFE vom 10. Juni 2020 sowie am bisherigen
CO2-Vollzug seien neben ihm C.
(…), D.
(…), und
A. beteiligt gewesen. In der Teilrevision der CO2-Verordnung und der Brancheninformation sei die Frage des Rechtsmissbrauchs in generellabstrakter Weise behandelt worden und habe kein konkretes Verfahren betroffen. Die übrigen Vorbringen seien nicht geeignet, auf eine Befangenheit zu schliessen.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2020 nahm die AGT Europe Automotive Import SA Stellung. Die vier genannten Personen seien mit der Frage des vermeintlich rechtswidrigen Vorgehens, das ihr in der Schlussrechnung vorgeworfen worden sei, mehrfach konkret befasst gewesen und hätten sich bereits eine Meinung gebildet. Sie seien in Personalunion rechtssetzend sowie vollziehend tätig und offensichtlich neuen Argumenten nicht mehr zugänglich. Der Verfahrensausgang sei damit nicht mehr als offen zu betrachten.
Mit Verfügung vom 17. August 2020 wies das UVEK das Ausstandsbegehren ab. Aus der Mitwirkung der Mitarbeitenden des BFE an der Teilrevision des Gesetzes und der Verordnung, der BFE-Brancheninformation sowie aus der Teilnahme an Vergleichsverhandlungen und am bisherigen Vollzug könne nicht auf eine unzulässige Vorbefassung geschlossen werden. Hierzu müssten weitere Anhaltspunkte vorliegen. Allenfalls bestehende Differenzen in der Rechtsauslegung führten nicht zum Ausstand. Das zweistufige Verfahren bei der Berechnung und Erhebung der Sanktionen sei eine Art Einspracheverfahren. Das BFE lege seine vorläufige
Rechtsauffassung im Rahmen der Schlussrechnung dar, um den Grossimporteuren das rechtliche Gehör zu gewähren. Bei diesem Vorgehen könne nicht auf das Vorliegen eines Ausstandsgrunds geschlossen werden. Es sei zu erwarten, dass die Mitarbeitenden des BFE neue Argumente objektiv beurteilen könnten.
Mit Eingabe vom 17. September 2020 erhebt die AGT Europe Automotive Import SA (nachfolgend: Beschwerdeführerin) beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Verfügung des UVEK (nachfolgend: Vorinstanz) vom 17. August 2020 und beantragt deren Aufhebung sowie die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung.
In der Vernehmlassung vom 19. Oktober 2020 schliesst die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde.
In ihren Schlussbemerkungen vom 19. November 2020 hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen fest.
Auf die weiteren Vorbringen der Parteien und die sich bei den Akten befindlichen Dokumente wird – soweit entscheidrelevant – in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG, SR 172.021), sofern eine Vorinstanz im Sinne von Art. 33 VGG entschieden hat und keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben ist.
Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen Entscheid über ein Ausstandsbegehren. Gegen selbständig eröffnete Zwischenverfügungen über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig (vgl. Art. 45 VwVG).
Die Verfügung stammt von einer Behörde im Sinne von Art. 33 Bst. d VGG; es liegt keine Ausnahme bezüglich des Sachgebiets vor (vgl. Art. 32 VGG). Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Beurteilung der Beschwerde zuständig.
Die Beschwerdeführerin hat sich am vorinstanzlichen Verfahren beteiligt und ist durch den angefochtenen Entscheid, mit welchem ihre Begehren abgewiesen wurden, sowohl formell als auch materiell beschwert, weshalb sie zur Beschwerde legitimiert ist (vgl. Art. 48 Abs. 1 VwVG).
Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (vgl. Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 VwVG) ist einzutreten.
Das Bundesverwaltungsgericht überprüft die angefochtene Verfügung auf Rechtsverletzungen, einschliesslich unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens (Art. 49 Bst. a und b VwVG) sowie auf Angemessenheit hin (Art. 49 Bst. c VwVG).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe gegen das Willkürverbot verstossen, weil sie entscheidrelevante Vorbringen und Beweismittel nicht berücksichtigt habe. Da erhebliche Vorbringen nicht ernsthaft geprüft worden seien, habe die Vorinstanz das rechtliche Gehör verletzt und den Sachverhalt unrichtig sowie unvollständig festgestellt. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor, die vier genannten Mitarbeiter des BFE seien bereits auf fachbehördlicher Ebene mit dem gleichen Konflikt zwischen ihr als Grossimporteurin und dem BFE befasst gewesen und würden nun Einfluss auf die beantragte Verfügung nehmen. Die Vorinstanz habe dies bei ihrer Entscheidfindung ausser Acht gelassen.
Nach Art. 12 VwVG ist der rechtserhebliche Sachverhalt festzustellen. Rechtserheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über den streitigen Anspruch so oder anders zu entscheiden ist (BGE 117 V 282 E. 4a). Die Behörde ist nicht verpflichtet, zu jedem Sachverhaltselement umfangreiche Nachforschungen anzustellen. Zusätzliche Abklärungen sind nur dann vorzunehmen, wenn sie aufgrund der Aktenlage als angezeigt erscheinen. Die Amtsermittlung endet, wenn der rechtserhebliche Sachverhalt bewiesen ist oder wenn willkürfrei ausgeschlossen werden
kann, dass weitere Abklärungen zu einem zusätzlichen Erkenntnisgewinn führen (vgl. BVGE 2015/1 E. 4.2).
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 29 VwVG, Art. 32 Abs. 1 VwVG) verlangt, dass die verfügende Behörde die Vorbringen der Parteien tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt, was sich entsprechend in der Begründung niederschlagen muss (vgl. Art. 35 Abs. 1 VwVG).
Eine Behörde hat angebotene Beweise nur dann abzunehmen, wenn sie zur Abklärung des Sachverhalts tauglich erscheinen (vgl. Art. 33 Abs. 1 VwVG). Beweise müssen dagegen nicht abgenommen werden, wenn sie entweder eine nicht rechtserhebliche Frage betreffen oder wenn sich dadurch von vorneherein am festgestellten Ergebnis nichts ändern würde. Auch steht der Anspruch auf rechtliches Gehör einer vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht entgegen (vgl. BGE 134 I 140 E. 5.3; 136 I 229
E. 5.3).
Wie die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung festgehalten hat, ist die Mitwirkung der vier genannten Mitarbeiter des BFE auf den verschiedenen von der Beschwerdeführerin geltend gemachten fachund vollzugsbehördlichen Ebenen unbestritten. Die vorgebrachte Mehrfachbefassung jener Personen im Rahmen der Erarbeitung von Gesetzesvorlagen und beim Vollzug der CO2-Emissionsvorschriften ist Bestandteil der angefochtenen Verfügung. Die sachverhaltlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin wurden von der Vorinstanz integral übernommen und rechtlich gewürdigt. Damit hat sie die Vorbringen tatsächlich gehört sowie in ihrer Entscheidfindung berücksichtigt und die Beschwerdeführerin konnte sich ein Bild von der Tragweite des Entscheids machen (vgl. BGE 129 I 232 E. 3.2). Es liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.
Die Rüge, das Beweisverfahren sei fehlerhaft durchgeführt worden, ist offensichtlich unbegründet. Aus den Vorbringen der Beschwerdeführerin geht nicht hervor, welche Beweise von der Vorinstanz nicht abgenommen worden seien. In ihren Schlussbemerkungen macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass sie auch eine Befangenheit aufgrund einer Akzeptanz der Praxis seit 2012 gerügt habe.
In der angefochtenen Verfügung wurde festgestellt, dass die vier genannten Personen im Rahmen der fachbehördlichen Tätigkeit (Verfassen von
Erläuterungen zu Verordnungsänderungen, Erlass von Brancheninformationen sowie Gespräche mit Verbänden) und beim Vollzug verschiedene Funktionen eingenommen hätten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Feststellung die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Vortragstätigkeit der Mitarbeiter im Rahmen des CO2-Sanktionsteams aus dem Jahr 2012 nicht umfassen soll. Die Vorinstanz ist nicht gehalten, auf jedes einzelne Detail Bezug zu nehmen. Hinsichtlich der strittigen Frage, ob deshalb seit 2012 eine Akzeptanz der als rechtsmissbräuchlich eingestuften Praxis bestanden habe, hat das BFE in der Jahresschlussrechnung 2019 eine andere Auffassung vertreten. Für die Beurteilung der Ausstandspflicht ist dieses Sachverhaltselement aber – entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin – nicht rechtserheblich. Allgemeine Vorwürfe der Befangenheit, wie andere Ansichten in Grundsatzfragen oder der Umstand, dass die Partei eine andere Rechtsauffassung vertritt oder die herrschende Praxis der Behörde in einer bestimmten Frage von der Auffassung der Partei abweicht, enthalten keine konkreten Anhaltspunkte für eine Befangenheit (vgl. E. 4.1.3 und E. 4.7 hiernach).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die formellen Rügen unbegründet sind. Dass sich die Vorinstanz mit der angeblichen Akzeptanz der Praxis seit 2012 nicht weiter befasst haben soll, ist für die Beurteilung des Ausstandsgesuchs nicht entscheidwesentlich und lässt auf keine unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsfeststellung schliessen.
Die Beschwerdeführerin begehrt die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und verlangt eine «Auseinandersetzung mit der tatsächlichen, inhaltlichen und funktionalen Befassung» der vom Ausstandsgesuch betroffenen Behördenvertreter. Sie seien in Personalunion rechtssetzend und vollziehend tätig geworden und würden offensichtlich neuen Argumenten nicht mehr zugänglich sein. Sinngemäss macht sie geltend, die Vorinstanz hätte deshalb die vier genannten Mitarbeiter des BFE in den Ausstand versetzen müssen.
Gemäss Art. 10 VwVG muss eine Person, die eine Verfügung zu treffen oder diese vorzubereiten hat, in den Ausstand treten, wenn sie in der Sache befangen sein könnte. Neben verschiedenen speziellen Ausstandsgründen (Art. 10 Abs. 1 Bst. a–c VwVG) statuiert Art. 10 Abs. 1 Bst. d VwVG einen Auffangtatbestand, wonach eine Person in den Ausstand zu treten
hat, wenn sie aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnte. Um welche Gründe es sich dabei handelt, ist jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Es genügt für einen entsprechenden Ausstandsgrund, dass Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit zu begründen vermögen (vgl. BGE 137 II 431 E. 5.2; Urteil des BVGer A-2142/2016 vom
9. September 2016 E. 6.1 m.w.H.).
Für Verwaltungsverfahren gilt nicht der gleich strenge Massstab wie gemäss Art. 30 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK für Justizverfahren unabhängiger richterlicher Behörden (BGE 140 I 326 E. 5.2; 125 I 209 E. 8). Ablehnungsund Ausstandsbegehren gegen nichtrichterliche Justizpersonen beziehungsweise gegen Personen, die an einem Verwaltungsentscheid beratend oder instruierend mitwirken, sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Interesse einer beförderlichen Rechtspflege nicht leichthin gutzuheissen (zum Ganzen siehe Urteil des BGer 2C_989/2020 vom
29. April 2021 E. 2.2 m.H.; Urteile des BVGer A-2142/2016 vom 9. Sep-
tember 2016 E. 6.1; A-7010/2015 vom 19. Mai 2016 E. 3 m.w.H.).
Von einer Vorbefassung ist dann auszugehen, wenn sich dieselbe Amtsperson in einem früheren Verfahrensabschnitt in amtlicher Funktion mit derselben Angelegenheit befasst hat und dabei eine ähnliche Frage zu beantworten hatte; bei Exekutivbehörden ist dabei zu berücksichtigen, dass ihr Amt mit einer sachbedingten Kumulation verschiedener, auch politischer Aufgaben einhergeht (vgl. BGE 140 I 326 E. 5.2; Urteil des BGer 1C_278/2010 vom 31. Januar 2011 E. 2.2). Exekutivbehörden sind aufgrund ihres Amtes, anders als ein Gericht, nicht allein zur (neutralen) Rechtsanwendung oder Streitentscheidung berufen. Sie tragen zugleich eine besondere Verantwortung zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben. Liegt die amtliche Mehrfachbefassung damit im öffentlichen Interesse und ist sie in diesem Sinne systembedingt, so liegt nicht bereits darin eine unzulässige Vorbefassung. Ob eine systembedingt vorbefasste Amtsperson tatsächlich voreingenommen erscheint, entscheidet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (vgl. BGE 140 I 326 E. 5.2; BGE 125 I 119 E. 3f; Urteil des BGer 2C_912/2017 vom 18. Dezember 2017 E. 2.3). Dabei ist vorab je nach Verfahrensart, Funktion oder Streitgegenstand des betreffenden Verfahrens zu unterscheiden (vgl. BGE 137 II 431 E. 5.2; 125 I 119 E. 3d und 3f).
Im verwaltungsinternen Verfahren wird von der Rechtsprechung eine Ausstandspflicht in der Regel nur dann bejaht, wenn der Amtsträger selbst Partei des Verfahrens ist oder ein persönliches Interesse am Verfahrensgegenstand hat und insoweit in «eigener Sache» entscheidet. Dies ist anhand der konkreten Umstände zu beurteilen (BGE 143 II 588 E. 3.2; Urteile des BGer 1C_97/2014 vom 9. Februar 2015 E. 3.4; 2C_305/2011 vom 22. Au-
gust 2011 E. 2.5; 1C_278/2010 vom 31. Januar 2011 E. 2.2; Urteil des
BVGer A-600/2019 vom 16. Oktober 2019 E. 2.1.4).
Die Tatsachen, die den Ausstandsgrund bewirken, müssen von der Partei, die sich darauf berufen will, zumindest glaubhaft gemacht werden (vgl. Art. 36 Abs. 1 BGG). Dabei genügt es, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafürspricht (vgl. BGE 120 II 393 E. 4c). Bloss allgemeine Vorwürfe der Befangenheit – beispielsweise andere Ansichten in Grundsatzfragen oder der Umstand, dass die herrschende Praxis der Behörde zu einer bestimmten Frage von der Auffassung der Parteien abweicht – sind keine konkreten Anhaltspunkte für eine Befangenheit (vgl. Urteile des BVGer B-2381/2020 vom 23. September 2020 E. 6.2 m.H.; A-2142/2016
vom 9. September 2016 E. 6.4.2 m.H.).
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass vier Mitarbeiter des BFE bereits als Fachexperten beim Entwurf, der Änderung und der Umsetzung der CO2-Sanktionsbestimmungen involviert gewesen seien und Einfluss auf die beantragte Verfügung hätten. Sie hätten seit dem Jahr 2012 eine Umgehungspraxis geduldet, die sie durch die bestrittene Jahresschlussrechnung 2019 vom 20. April 2020 nachträglich ändern sowie gemäss diverser Publikationen (Erläuterungen, Brancheninformation vom
17. Dezember 2019, etc.) als rechtsmissbräuchlich einstufen wollten.
Um die CO2-Emissionen in der Schweiz zu reduzieren, wurden im Bundesgesetz vom 23. Dezember 2011 über die Reduktion der CO2-Emissionen (CO2-Gesetz, SR 641.71) Reduktionsziele und Massnahmen festgelegt. Das BFE ist als Fachbehörde massgeblich an der Gestaltung und Umsetzung der technischen Massnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen beteiligt. Als technische Massnahme zur Verminderung der CO2-Emissionen im Mobilitätsbereich gelten seit 2012 CO2-Emissionsvorschriften für neue Personenwagen, Lieferwagen und Sattelschlepper (vgl. Art. 10–13 CO2-Gesetz). Die Schweizer Importeure sind verpflichtet, die CO2-Emissionen der erstmals in der Schweiz zum Verkehr zugelassenen Personenwagen zu senken. Seit dem 1. Juli 2012 wird für den Importeur eine Sanktion fällig, wenn seine durchschnittlichen CO2-Emissionen pro Kilometer
den Zielwert überschreiten. Für Schweizer Grossimporteure werden diese Bestimmungen vom BFE vollzogen (vgl. Art. 30 ff. der Verordnung über die Reduktion der CO2-Emissionen [CO2-Verordnung]). Das BFE muss im Weiteren die Öffentlichkeit über die Erreichung der Zielvorgaben, die erhobenen Sanktionen und die Anzahl der Grossimporteure informieren (vgl. Art. 36 CO2-Verordnung).
Im vorliegenden Fall ist von einer amtlichen Mehrfachbefassung der vier genannten Mitarbeiter des BFE auszugehen. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass die von ihr geltend gemachte Vorbefassung an sich keine Ausstandspflicht begründet. Die fachbehördliche Mitwirkung der vier Personen am Erlass der CO2-Sanktionsbestimmungen schliesst eine einzelfallbezogene Umsetzung der Bestimmungen durch dieselben Personen im Verwaltungsverfahren nicht aus. Selbst wenn es sich bei den von den Behördenvertretern verfassten Erläuterungen zum Rechtsmissbrauch um dieselbe strittige rechtliche Fragestellung wie im Verfahren aufgrund der Einsprache der Beschwerdeführerin gegen die Jahresschlussrechnung 2019 handelt, ist die systembedingte Vorbefassung der involvierten Behördenvertreter hinzunehmen. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Tätigkeiten (etwa Verfassen von Erläuterungen oder Brancheninformationen) fallen in den Aufgabenbereich des BFE als Fachbehörde. Die vier Mitarbeiter des BFE haben sich daran nicht als Privatpersonen beteiligt. Sie haben mit ihrer Tätigkeit öffentliche und nicht private Interessen verfolgt. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Interessenkonflikt
etwa aufgrund ihrer Zuständigkeit für die Erläuterungen von rechtlichen Bestimmungen und für den Vollzug jener Bestimmungen – ist vom Gesetzgeber vorprogrammiert (vgl. BGE 143 II 588 E. 3.2). Aufgrund der systembedingten amtlichen Mehrfachbefassung liegt keine unzulässige Vorbefassung vor. Die vier Mitarbeiter des BFE gelten deshalb nicht als befangen und es trifft sie keine Ausstandspflicht.
Darüber hinaus wäre es an der Beschwerdeführerin gelegen, konkrete Anhaltspunkte vorzubringen, dass sich ein Behördenmitglied ihr gegenüber bereits in einer Art festgelegt hätte, dass es einer anderen Bewertung der Sachund Rechtslage nicht mehr zugänglich wäre.
Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus der einsprachefähigen Jahresschlussrechnung 2019 nicht, dass sich A. oder andere vom Ausstandsgesuch betroffene Behördenvertreter bereits auf eine unverrückbare Art festgelegt hätten. Dies lässt sich auch nicht aus der rechtlichen Begründung der Jahresschlussrechnung ableiten, die der
Gewährung des rechtlichen Gehörs dient. Das Verfahren nach Art. 33 CO2Verordnung, welches aufgrund der Bestreitung der Jahresschlussrechnung durch die Beschwerdeführerin geführt wird, ist bis zum Erlass des materiellen Entscheids als ergebnisoffen zu betrachten.
Die Vorinstanz hat auch zutreffend festgehalten, dass der Hinweis auf einen Vermittlungsversuch im Zuge einer Telefonkonferenz mit Branchenvertretern vom 10. Juni 2020 nicht geeignet ist, den Anschein der Befangenheit zu erzeugen. Die blosse Behauptung, es liege deshalb ein Ausstandsgrund vor, genügt nicht (vgl. BGE 131 I 113 E. 3.6).
Die Beschwerdeführerin macht auch nicht geltend, dass sich die vier Personen ihr gegenüber grob pflichtwidrig verhalten hätten. Ihre Argumentation, wonach die vom BFE als rechtsmissbräuchlich eingestufte Praxis seit 2012 geduldet und die Brancheninformation zu kurzfristig erlassen worden sei, um darauf reagieren zu können, lässt die betreffenden Behördenmitglieder nicht als befangen erscheinen. Die Beschwerdeführerin bringt damit bloss eine unterschiedliche Einschätzung der Rechtslage vor, zumal das BFE in der Jahresschlussrechnung 2019 die Existenz einer solchen geduldeten Praxis bestritten hat. Sollte die Beschwerdeführerin mit ihrer Rechtsauffassung im Verwaltungsverfahren nicht durchdringen, liegt es an ihr, dies allenfalls im Instanzenzug nach dem Erlass eines materiellen Entscheids geltend zu machen (vgl. statt vieler BGE 116 Ia 135 E. 3a). Dies gilt auch für den gerügten Zeitpunkt des Erlasses der Brancheninformation sowie der Umsetzung der CO2-Sanktionen und nimmt den Entscheid nicht vorweg. Selbst wenn die bereits mit der Brancheninformation vom 17. Dezember 2019 kommunizierte Praxis der Behörde zu dieser Frage die Führung des Verwaltungsverfahrens – zumindest aus der Sicht der Partei – als wenig erfolgversprechend erscheinen lässt, liegen deshalb noch keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit vor.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin keine Umstände geltend gemacht hat, die bei objektiver Betrachtung für den Anschein der Befangenheit im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Bst. d VwVG sprechen würden. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die von ihr offerierten Beweismittel für den Entscheid über die Ausstandspflicht relevant sein könnten. Die Beschwerdeführerin substanziiert nicht, welche konkreten Stellen beziehungsweise Aussagen in den von ihr genannten Akten für eine Befangenheit einer bestimmten Amtsperson sprechen sollen. Dass die aufge-
führten Personen bereits mit der von ihnen als rechtsmissbräuchlich eingestuften Praxis von Grossimporteuren systembedingt vorbefasst waren, bildet für sich genommen keinen Ausstandsgrund. Die Vorinstanz hat das Ausstandsbegehren der Beschwerdeführerin zu Recht abgelehnt. Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gilt die Beschwerdeführerin als unterliegend. Sie hat die Verfahrenskosten von Fr. 1'000.– zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der einbezahlte Kostenvorschuss in gleicher Höhe wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
Angesichts ihres Unterliegens steht der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung zu (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7 VGKE). Die Vorinstanz hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 7 Abs. 3 VGKE).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'000.– werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Ref-Nr. […]; Gerichtsurkunde)
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Alexander Misic Anna Wildt
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
Versand:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.