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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-3639/2020

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-3639/2020
Datum:16.11.2020
Leitsatz/Stichwort:Wegweisung Dublin (Ausländerrecht)
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Kroatien; Wegweisung; Vorinstanz; Dublin; Verfahren; Medizinische; Schweiz; Verfügung; Behörde; Asylverfahren; Verfahrens; Recht; Urteil; Behörden; Vollzug; Bundesverwaltungsgericht; Staat; Kroatische; Akten; Dublin-III-VO; Behandlung; Kroatischen; Aufnahmerichtlinie; Sinne; Zugang; Mitgliedstaat; Schutz; Erwägung
Rechtsnorm: Art. 112 AIG ; Art. 48 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 AIG ; Art. 64a AIG ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-3639/2020

U r t e i l v o m 1 6 . N o v e m b e r 2 0 2 0

Besetzung Richterin Barbara Balmelli (Vorsitz), Richter William Waeber,

Richter Lorenz Noli, Gerichtsschreiberin Nathalie Schmidlin.

Parteien A. , geboren am (…), Afghanistan,

vertreten durch Lea Hungerbühler, Rechtsanwältin, (…),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Wegweisung Dublin (Ausländerrecht); Verfügung des SEM vom 10. Juni 2020 / N (…).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer reiste am 11. Dezember 2018 erstmals in die Schweiz ein und suchte gleichentags um Asyl nach. Ein Abgleich mit der europäischen Finderabdruckdatenbank (Zentraleinheit Eurodac) ergab, dass er am 3. Mai 2017 in Bulgarien, am 22. Februar 2018 in Belgien, am

26. Juli 2018 in Kroatien und am 12. Oktober 2018 in Frankreich um Asyl nachgesucht hatte. Mit Verfügung vom 21. Januar 2019 trat die Vorinstanz in Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin-III-VO) auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein, wies ihn in den zuständigen Dublin-Mitgliedstaat (Kroatien) weg und beauftragte den zuständigen Kanton mit dem Vollzug der Wegweisung. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil E-482/2019 vom 8. Februar 2019 ab.

B.

Am 14. März 2019 wurde gegen den Beschwerdeführer ein dreijähriges Einreiseverbot (vom […] 2019 bis […] 2022) für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein erlassen.

C.

Am (…) wurde der Beschwerdeführer nach Kroatien überstellt.

D.

Der Beschwerdeführer reiste am 25. April 2019 erneut in die Schweiz ein. Mit Verfügung vom 16. Mai 2019 ordnete die Vorinstanz in Anwendung von Art. 64a Abs. 1 AIG (SR 142.20) seine Wegweisung nach Kroatien an. Am

24. Juli 2019 wurde der Beschwerdeführer nach Kroatien überstellt.

E.

Das Migrationsamt B. teilte der Vorinstanz am 12. August 2019 mit, der Beschwerdeführer halte sich wiederum in der Schweiz auf. Mit Verfügung vom 27. August 2019 ordnete die Vorinstanz gestützt von Art. 64a AIG erneut die Wegweisung des Beschwerdeführers nach Kroatien an. Am

18. September 2019 wurde der Beschwerdeführer nach Kroatien überstellt.

F.

Am 24. Mai 2020 reiste der Beschwerdeführer mit dem Zug erneut in die Schweiz ein, wo er auf dem Weg nach B. aufgegriffen wurde. Gleichentags gewährte die Kantonspolizei C. ihm das rechtliche Gehör zur Missachtung des Einreiseverbots und zum rechtswidrigen Aufenthalt. Der Beschwerdeführer gab an, er sei drei Mal von der Schweiz und einmal von Belgien nach Kroatien ausgeschafft worden. Er habe in Kroatien nicht um Asyl nachsuchen wollen, sei aber auf der Durchreise aufgegriffen worden. Er habe Angst dorthin zurückkehren, da er Probleme mit (…) habe.

G.

Am 29. Mai 2020 ersuchte der Kanton B. die Vorinstanz um Durchführung eines Dublin-Wegweisungsverfahrens.

H.

Am 2. Juni 2020 ersuchte die Vorinstanz gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO die kroatischen Behörden um Wiederaufnahme des Beschwerdeführers. Diese hiessen das Gesuch am 10. Juni 2020 gut.

I.

Mit Verfügung vom 10. Juni 2020 – eröffnet am 10. Juli 2020 – wies die Vorinstanz den Beschwerdeführer in den für ihn zuständigen Dublin Mitgliedstaat (Kroatien) weg und hielt fest, er habe die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmitteln im Unterlassungsfall – spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen. Den zuständigen Kanton beauftragte sie mit dem Vollzug der Wegweisung, händigte dem Beschwerdeführer die editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis aus und hielt fest, einer allfälligen Beschwerde komme keine aufschiebende Wirkung zu.

J.

Mit Eingabe vom 17. Juli 2020 erhob der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde. Er beantragt, die Verfügung des SEM vom 10. Juni 2020 sei aufzuheben und auf das Asylgesuch sei einzutreten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Prozessual sei ihm die unentgeltliche Prozessführung und amtliche Verbeiständung zu gewähren sowie auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu gewähren, es sei ein superprovisorischer Vollzugsstopp zu erlassen und die kantonale Behörde sei entsprechend anzuweisen. Es seien die

Akten der Vorinstanz und des Migrationsamtes B.

zu edieren.

Nach Einsicht in die Akten, sei ihm die Möglichkeit einer Beschwerdeergänzung zu gewähren.

Als Beweismittel gab der Beschwerdeführer medizinische Unterlagen, diverse Befragungsprotokolle, eine Honorarnote und eine Vollmacht zu den Akten.

K.

Am 20. Juli 2020 setzte die Instruktionsrichterin den Vollzug der Wegweisung per sofort einstweilen aus. Gleichentags reichte der Beschwerdeführer eine Fürsorgebestätigung ein.

L.

Mit Zwischenverfügung vom 23. Juli 2020 gewährte die Instruktionsrichterin der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung und wies das Gesuch um Akteneinsicht ab. Gleichzeitig hiess sie das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses, wies das Gesuch um Gewährung der amtlichen Verbeiständung ab und lud die Vorinstanz zur Vernehmlassung ein.

M.

In der Vernehmlassung vom 4. August 2020 hielt die Vorinstanz an ihren Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

N.

Mit Eingabe vom 11. August 2020 gab der Beschwerdeführer eine Vollmacht und einen Auszug aus einem Dublin-Gespräch zu den Akten.

O.

In der Replik vom 27. August 2020 hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht ist für Beschwerden gegen Verfügungen der Vorinstanz betreffend Wegweisung aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen (Art. 64a AIG) zuständig (Art. 31 ff. VGG i.V.m.

      Art. 5 VwVG; Art. 112 Abs. 1 AIG). Das Gericht entscheidet endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 4 BGG).

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG oder die Spezialgesetzgebung – vorliegend das AIG – nichts anderes bestimmen (Art. 112 Abs. 1 AIG i.V.m. Art. 37 VGG).

    3. Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist – unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägung – einzutreten (Art. 64a Abs. 2 AIG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).

2.

Die angefochtene Verfügung stützt sich auf die ausländerrechtliche Bestimmung von Art. 64a AIG (Wegweisung aufgrund des Dublin-Assozierungsabkommens). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist einzig die Frage, ob die Anordnung der Wegweisung nach Kroatien rechtmässig ist, nicht aber diejenige nach der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens. Darüber wurde im Urteil E-482/2019 vom

8. Februar 2019 bereits rechtskräftig entschieden. Auf den Antrag, auf das Asylgesuch sei einzutreten, ist demnach nicht einzutreten. Auf die Ausführungen betreffend einen Selbsteintritt der Schweiz und einer Verletzung der Verfahrensbestimmungen des AsylG ist entsprechend nicht weiter einzugehen.

3.

Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG).

4.

Eine Wegweisungsverfügung nach Art. 64a Abs. 1 AIG setzt den illegalen Aufenthalt einer ausländischen Person in der Schweiz sowie die Zuständigkeit eines anderen, an das Dublin-Assoziierungsabkommen gebundenen Staates für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens voraus.

5.

    1. Die Vorinstanz gelangt in der angefochtenen Verfügung zum Schluss, die Zuständigkeit für das Verfahren liege gemäss Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO bei Kroatien. Es obliege den kroatischen Behörden, nach Abschluss des Asylverfahrens den Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers zu regeln oder gegebenenfalls eine Wegweisung nach Afghanistan anzuordnen. Es lägen keine Hinweise vor, dass Kroatien seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen und das Asylund Wegweisungsverfahren nicht korrekt durchführen würde. Die Aussagen des Beschwerdeführers hätten keinen Einfluss auf die Bestimmung des zuständigen Dublin-Staates. Es sei nicht Sache der betroffenen Person, den für ihr Asylverfahren zuständigen Staat selber zu bestimmen. Sodann sei Kroatien ein Rechtsstaat, welcher über ein funktionierendes Polizeiund Justizsystem verfüge. Sollte sich der Beschwerdeführer in Kroatien vor Übergriffen durch Privatpersonen fürchten oder solche erleiden, könne er sich an die zuständigen staatlichen Stellen wenden.

    2. In der Rechtsmitteleingabe macht der Beschwerdeführer geltend, in Kroatien werde er von (…) verfolgt und bedroht, da er die Namen deren Mitglieder den Behörden offengelegt habe. Von der kroatischen Polizei könne er keine Hilfe erwarten; diese habe ihn nach Serbien ausgeschafft. Er habe in Kroatien kein korrektes Asylverfahren durchlaufen können und habe keinen Zugang zu einem geeigneten Dolmetscher gehabt. Es gäbe unzählige Berichte, welche Völkerrechtsverletzungen in Kroatien dokumentieren würden. Er müsse in Kroatien auf der Strasse leben, ohne Zugang zu medizinischer Behandlung, was bei einer psychisch kranken Person eine unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstelle.

    3. In der Vernehmlassung führt die Vorinstanz aus, Abklärungen der Schweizer Botschaft in Kroatien hätten keine Hinweise auf generelle systemische Schwachstellen im kroatischen Asylsystem ergeben. Der Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylund Wegweisungsverfahren in Kroatien sei gewährleistet. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, sein Asylverfahren werde in Kroatien nicht korrekt durchgeführt und er werde durch die kroatischen Behörden oder Dritte schlecht behandelt, sei festzuhalten, dass er sich auf dem Rechtsweg dagegen wehren könne. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil F-5992/2019 vom 20. November 2019 festgehalten, dass nicht davon auszugehen sei, Kroatien missachte den Grundsatz des Non-Refoulement. Auch sei nicht damit zu rechnen, dass Rückkehrende aufgrund der Aufnahmebedingungen in eine existenzielle

      Notlage geraten würden. Schliesslich verfüge Kroatien über eine ausreichende medizinische Infrastruktur und es würden keine Hinweise vorliegen, dass die Behörden Asylsuchenden die notwendige medizinische Behandlung verweigern würden.

    4. In der Replik macht der Beschwerdeführer geltend, seine persönlichen Erfahrung würden sich nicht mit den Ausführungen der Vorinstanz decken. Er sei von Polizisten brutal zusammengeschlagen worden. Seine Asylgründe seien nicht geprüft worden und es bestehe das Risiko einer Rückschaffung nach Afghanistan.

6.

    1. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Anwesenheitsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Er hält sich demnach illegal in der Schweiz auf.

    2. Die Zuständigkeit Kroatiens für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens wurde mit Urteil E-482/2020 vom 8. Februar 2019 rechtskräftig festgestellt und die kroatischen Behörden hiessen das Wiederaufnahmegesuch der Vorinstanz am 10. Juni 2020 gut. Es ist festzuhalten, dass die Dublin-III-VO den Schutzsuchenden kein Recht einräumt, den ihren Antrag prüfenden Staat selber auszuwählen (BVGE 2010/45

      E. 8.3; Urteil des BVGer F-1499/2018 vom 25. Oktober 2019 E. 8.2). Schliesslich gilt das Prinzip der Überprüfung eines Asylgesuchs durch einen einzigen Mitgliedstaat («one chance only»), welches der Vermeidung von multiplen Asylgesuchen in verschiedenen Staaten dient (Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO).

    3. Die Voraussetzungen für eine Wegweisung nach Art. 64a Abs. 1 AIG sind somit gegeben.

7.

Zu prüfen bleibt, ob dem Vollzug der Wegweisung Hindernisse im Sinne von Art. 83 Abs. 1-4 AIG entgegenstehen. Erweist sich der Vollzug einer Wegweisung als unzulässig, unzumutbar oder unmöglich, hat die Vorinstanz eine vorläufige Aufnahme anzuordnen (Art. 83 Abs. 1-4 AIG).

7.1

      1. Kroatien ist Signatarstaat der EMRK, des Übereinkommens vom

        10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

        (FK, SR 0.142.30) sowie des Zusatzprotokolls der FK vom 31. Januar 1967 (SR 0.142.301) und kommt seinen diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtungen nach. Ausserdem darf davon ausgegangen werden, dieser Staat anerkenne und schütze die Rechte, die sich für Schutzsuchende aus den Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (sog. Verfahrensrichtlinie) sowie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (sog. Aufnahmerichtlinie) ergeben.

      2. Gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts liegen zum jetzigen Zeitpunkt, auch unter Würdigung der kritischen Berichterstattung bezüglich Kroatien, keine Gründe für die Annahme vor, das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller würden systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin-III-VO aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen würden (vgl. Urteile des BVGer F-4456/2020 vom 15. September 2020 E. 6.6; E-829/2020 vom 11. März 2020 E. 5.1.2, F-5933/2019 vom 23. Januar

        2020; E. 6.4; D-405/2020 vom 28. Januar 2020, E. 6.1).

      3. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedrohungen durch Privatpersonen stellen keinen Grund dar, von einer Rücküberstellung nach Kroatien abzusehen. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, verfügt Kroatien über ein funktionierendes Polizeiund Justizsystem, dessen Schutz der Beschwerdeführer nötigenfalls beanspruchen kann. Es liegen auch keine Gründe für die Annahme vor, Kroatien werde im Fall des Beschwerdeführers den Grundsatz des Non-Refoulement missachten. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe in Kroatien mangels geeignetem Dolmetscher kein Zugang zum Asylverfahren gehabt, ist festzustellen, dass dieser Einwand bereits im Verfahren E-482/2019 erhoben und beurteilt wurde. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann darauf verwiesen werden (vgl. Urteil E-482/2019 vom 8. Februar 2019 E. 4). Hinzuzufügen ist, dass der Beschwerdeführer wiederholt aus Kroatien ausgereist ist, ohne den Abschluss seines Verfahrens abzuwarten. Damit hat er sich selbst einem Asylverfahren in Kroatien entzogen. Angesichts dieses Verhaltens kann nicht davon ausgegangen werden, dem Beschwerdeführer sei in Kroatien der Zugang zum Asylverfahren verwehrt worden. Ferner geht aus seinen Aussagen hervor, dass er gar kein Asylgesuch in Kroatien stellen wollte,

        sondern ausschliesslich zum Zweck einer Transitreise in Kroatien eingereist ist. Auch vor diesem Hintergrund erwiest sich seine Behauptung, er sei ihm kein Zugang zum kroatischen Asylverfahren gewährt worden, als unbegründet.

        Ob die weiteren Vorbringen (Abschiebung nach Serbien, schlechte Behandlung durch kroatische Behörden) glaubhaft erscheinen, kann offenbleiben, weil vor dem beschriebenen Hintergrund aus diesem Einzelfall jedenfalls nicht geschlossen werden kann, dass Kroatien systematisch gegen die Verfahrensrichtlinie verstossen und dem Beschwerdeführer dauerhaft die im gemäss Aufnahmerichtlinie zustehenden minimalen Lebensbedingungen vorenthalten würde. Bei einer allfälligen vorübergehenden Einschränkung könnten er sich im Übrigen an die dafür zuständigen Behörden wenden und die ihm zustehenden Aufnahmebedingungen auf dem Rechtsweg einfordern (vgl. Art. 26 der Aufnahmerichtlinie). Zudem steht ihm die Möglichkeit offen, die vor Ort tätigen karitativen Organisationen zu kontaktieren.

      4. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, sein Gesundheitszustand ([…], […], […]) stehe einer Überstellung nach Kroatien entgegen, ist festzuhalten, dass Kroatien über eine ausreichende medizinische Infrastruktur verfügt und sich der Beschwerdeführer an das dafür zuständige medizinische Fachpersonal wenden kann. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, den Antragstellern die erforderliche medizinische Versorgung, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst, zugänglich zu machen (Art. 19 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie); den Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen ist die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe (einschliesslich nötigenfalls einer geeigneten psychologischen Betreuung) zu gewähren (Art. 19 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie). Es liegen keine Hinweise vor, wonach Kroatien seinen Verpflichtungen im Rahmen der Dublin-III-VO in medizinischer Hinsicht nicht nachkommen würde (vgl. etwa Urteil des BVGer E-6105/2019 vom 12. Dezember 2019 E. 6.2.2). Bei dieser Sachlage erweist sich die erhobene Rüge der nicht rechtsgenüglichen Sachverhaltsabklärung als nicht stichhaltig, zumal die medizinischen Probleme bereits im Verfahren E-482/2019 vorgebracht und beurteilt wurden (vgl. a.a.O. E. 4). Der Vollzug der Wegweisung erweist sich demnach als zulässig.

    1. Der Beschwerdeführer vermag überdies keine konkret drohende Notsituation im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AIG darzutun, die den Wegweisungsvollzug unzumutbar machen würde. Es ist davon auszugehen, dass Kroatien sich an die aus der Verfahrensund Aufnahmerichtlinie fliessenden Verpflichtungen hält und dass die medizinische Betreuung gewährleistet ist. Seine Reisefähigkeit wird von der Überstellung abschliessend beurteilt werden, wobei auf seine Beschwerden durch Vornahme der angezeigten medizinischen Vorkehrungen Rücksicht genommen wird.

    2. Schliesslich ist der Vollzug der Wegweisung nach Kroatien im Sinne von Art. 83 Abs. 2 AIG auch ohne weiteres möglich. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Vorinstanz verhalte sich widersprüchlich, indem sie in den Erwägungen ausführe, er könne aufgrund des Coronavirus nicht selbständig ausreisen und im Dispositiv festhalte, er habe die Schweiz – unter Androhung von Zwangsmitteln im Unterlassungsfall – zu verlassen, ist festzustellen, dass sich dem Dispositiv die Pflicht zur Ausreise entnehmen lässt. Zudem beauftragte die Vorinstanz den zuständigen Kanton mit dem Vollzug der Wegweisung. Die Einschränkungen in den Erwägungen beziehen sich lediglich auf Ausreisemodalitäten aufgrund des Coronavirus. Der Beschwerdeführer hat sich demnach an die Anweisungen der kantonalen Behörden zu halten.

    3. Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet.

8.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist. Für eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz besteht kein Anlass. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

9.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da ihm mit Zwischenverfügung vom 23. Juli 2020 die unentgeltliche Prozessführung gewährt wurde, sind keine Verfahrenskosten zu erheben.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Barbara Balmelli Nathalie Schmidlin

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