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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-3008/2019

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-3008/2019

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-3008/2019
Datum:03.01.2020
Leitsatz/Stichwort:Aufhebung vorläufige Aufnahme (Asyl)
Schlagwörter : Tochter; Lanka; Mutter; Wegweisung; Schweiz; Akten; Kindes; Heimat; Verfügung; Vollzug; Vorinstanz; Botschaft; Bundesverwaltungsgericht; Kanton; Integration; Verwandte; Recht; Beschwerdeführerinnen; Migration; Kindeswohl; Situation; Gemeinde; Botschaftsabklärung
Rechtsnorm: Art. 112 AIG ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;Art. 84 AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-3008/2019

U r t e i l  v o m  3.  J a n u a r  2 0 2 0

Besetzung Richterin Gabriela Freihofer (Vorsitz), Richter Daniele Cattaneo,

Richterin Esther Marti,

Gerichtsschreiberin Linda Mombelli-Härter.

Parteien A. , geboren am ( ), B. , geboren am ( ), Sri Lanka,

beide vertreten durch lic. iur. Manfred Lehmann, Rechtsanwalt, Erdös & Lehmann Rechtsanwälte, Beschwerdeführerinnen,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Aufhebung der vorläufigen Aufnahme; Verfügung des SEM vom 14. Mai 2019 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Die Beschwerdeführerin und ihr Kind suchten am 25. November 2013 in der Schweiz um Asyl nach. Am 11. Dezember 2013 wurden sie dem Kanton C. zugewiesen.

B.

Mit Verfügung vom 1. Oktober 2014 stellte das damalige Bundesamt für Migration (BFM) fest, die Beschwerdeführerin und ihr Kind erfüllten die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte ihr Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz an. Den Vollzug der Wegweisung schob es wegen Unzumutbarkeit zu Gunsten einer vorläufigen Aufnahme auf.

Diese Verfügung erwuchs am 13. November 2014 unangefochten in Rechtskraft.

C.

    1. Mit Schreiben vom 19. April 2016 gelangte die Beschwerdeführerin an die Vorinstanz und ersuchte darum, in einer anderen Ortschaft leben zu dürfen (unter Hinweis auf die schwierigen Lebensumstände in der aktuellen Unterkunft im Dorf D. , Kanton C. ).

    2. Mit Schreiben vom 27. April 2016 forderte das SEM die Beschwerdeführerin auf, in einer Stellungnahme anzugeben, wohin sie umziehen wolle und aus welchen Gründen sie dies wünsche.

    3. Daraufhin erklärte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. Mail 2016, sie würde gerne in ein städtisches Viertel (wie zum Beispiel in E. ) umziehen, da dort Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte in der Nähe seien.

    4. Das SEM nahm diese Eingabe als Gesuch um einen Kantonswechsel entgegen und ersuchte den Kanton E. und den Kanton C. um Stellungnahme. Während der Kanton E. das Gesuch ablehnte, erklärte sich der Kanton C. mit dem Ersuchen einverstanden.

    5. Der Beschwerdeführerin wurde das rechtliche Gehör zu diesem Ergebnis gewährt, woraufhin diese mit Schreiben vom 5. Juli 2016 erklärte, aufgrund der schwierigen Bedingungen am aktuellen Wohnort (abgelegen, die Tochter müsse mit dem Bus zur Schule, dringende Reisen seien schwierig

      und Einkäufe nicht immer möglich) sei ihr zu gestatten, in ein städtisches Viertel wie F. oder G. umzuziehen.

    6. Am 12. Juli 2016 verfügte das SEM, dass das Kantonswechselgesuch abgelehnt werde.

    7. Mit Schreiben vom 1. Juni 2017 zeigte der Hausarzt der Beschwerdeführerin dem SEM ihre gesundheitliche Situation auf ([ ]) und erklärte, dass die Wohnsituation aufgrund der Geographie für die Beschwerdeführerin und das Kind sehr belastend sei und eine Zuteilung einer Wohnung, die ihnen kürzere Wege ermögliche, aus ärztlicher Sicht zu empfehlen sei.

D.

Mit Schreiben an das SEM vom 5. Juli 2017 beantragte das Amt für Migration des Kantons C. die Überprüfung der vorläufigen Aufnahme der Beschwerdeführerin und ihres Kindes, insbesondere aufgrund von Integrationsschwierigkeiten.

E.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 gewährte das SEM der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör zur beabsichtigten Aufhebung der vorläufigen Aufnahme infolge der Lageveränderung im Norden Sri Lankas (gemäss Referenzurteil des BVGer E-1866/2015 vom 15. Juli 2016).

F.

Die Beschwerdeführerin reichte eine Stellungnahme vom 10. Januar 2018 ein und wies darauf hin, dass sie und ihre Tochter nach wie vor in Gefahr seien im Heimatstaat. Deswegen ersuche sie um Erlaubnis, in der Schweiz zu bleiben. Als Beweismittel legte sie ein Schreiben eines Parlamentsmitglieds aus Sri Lanka vom ( ) 2017 und ein Dokument «summons/notice to an accused person» aus dem Jahr 2017 bei.

G.

Mit Schreiben vom 1. März 2018 gelangte die Fürsorgebehörde D. an das SEM und erklärte, sie unterstütze das Vorgehen der Aufhebung der vorläufigen Aufnahme im Falle der Beschwerdeführerin und ihres Kindes. Als Gründe hierfür wurden aufgeführt: Es habe keine Integration der Familie stattgefunden, die Beschwerdeführerin weigere sich, einen Deutschkurs zu besuchen, aktuell sei es nicht möglich, diese in den Arbeitsprozess zu integrieren, die Beschwerdeführerin mache einen unglücklichen Eindruck, ferner seien die bilateralen Beziehungen der Schweiz zu Sri Lanka gut.

Daher werde eine Rückkehr der Beschwerdeführerin und ihres Kindes nach Sri Lanka befürwortet.

H.

Am 23. Mai 2018 ersuchte das SEM die Schweizerische Botschaft in Colombo um Abklärungen hinsichtlich der Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin in der Heimat und der vorhandenen Schulen / Betreuungsmöglichkeiten im Heimatdorf.

I.

Mit Schreiben vom 15. Juni 2018 ans SEM erklärte die Tochter im Auftrag der Beschwerdeführerin, dass sie sich in der ihnen zugeteilten Wohnung und Gemeinde nicht wohlfühlten.

J.

Gemäss Botschaftsabklärung vom 16. Oktober 2018 seien Mutter ([ ]-jährig) und Sohn der Beschwerdeführerin in Colombo wohnhaft. Die Mutter leide an ( ). Sie habe den Sohn der Beschwerdeführerin grossgezogen. Ferner habe sie seit kurzem Kontakt zur Beschwerdeführerin, ihr Verhältnis sei aber nicht gut. Eine Tante der Beschwerdeführerin lebe im Haus der Familie im Heimatdorf. Finanziell kümmere sich ein Bruder um sie, der in H. lebe. Weitere Verwandte würden im Raum Jaffna wohnen, verfügten aber über kein Land oder viel Einkommen. Eine Grundschule im Heimatdorf und Nachhilfeschulen in der Umgebung von Jaffna seien vorhanden.

K.

Zur Botschaftsabklärung gewährte das SEM der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 22. Januar 2019 das rechtliche Gehör.

L.

Nach gewährter Fristerstreckung zeigte die Beschwerdeführerin mit Stellungnahme vom 6. März 2019 erneut ihre Fluchtgründe auf und erklärte, ihre Mutter sei über ( ) und leide an ( ) sowie an ( ). Sie, die Beschwerdeführerin, könne ihre Tochter nur in der Schweiz schützen, da sie in Sri Lanka nicht in Ruhe leben könnten. Ferner benötige sie eine psychiatrische Behandlung. Die Tochter habe gute Schulfähigkeiten.

Dem Schreiben wurden ein Schulzeugnis vom 25. Januar 2019, ein Fotoausdruck eines Schreibens der Mutter der Beschwerdeführerin vom

1. März 2019 (mit Übersetzung und Ausweiskopie der Mutter), wonach sie nie gesagt habe, den Sohn der Beschwerdeführerin aufgezogen zu haben,

und ein Fotoausdruck eines Todesscheins aus dem Jahr 2011 (mit Übersetzung) des Onkels der Beschwerdeführerin beigelegt.

M.

Mit Verfügung vom 14. Mai 2019 hob die Vorinstanz die mit Verfügung vom

1. Oktober 2014 angeordnete vorläufige Aufnahme auf, setzte den Beschwerdeführerinnen eine Ausreisefrist an und beauftragte den zuständigen Kanton mit dem Vollzug der Wegweisung.

N.

Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 12. Juni 2019 beantragten die Beschwerdeführerin und ihr Kind durch ihren Rechtsvertreter, die Verfügung des SEM vom 14. Mai 2019 sei aufzuheben; die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventualiter sei ihnen weiterhin die vorläufige Aufnahme zu gewähren; eventualiter sei das SEM zu verpflichten, ihnen eine rechtskonforme Akteneinsicht zu gewähren; es sei eine Nachfrist von dreissig Tagen anzusetzen, um weitere Beweisofferten ins Recht legen zu können; der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. In prozessualer Hinsicht ersuchten sie um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung sowie um angemessene Parteientschädigung.

Der Beschwerde wurden zwei Arztberichte vom 1. Juni 2017 und vom

13. Juni 2019, eine Kostenabrechnung bezüglich Mittagstisch der Tochter der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 2019, eine Kostenübernahme für den Flötenunterricht der Tochter vom 23. Mai 2019 sowie zwei Einladungen zum Deutschkurs vom 23. Juli 2015 und vom 18. Dezember 2018 beigelegt.

O.

Mit Zwischenverfügung vom 26. Juni 2019 stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukomme. Somit könnten die Beschwerdeführerinnen den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten. Ferner wurde festgehalten, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses werde aktuell verzichtet, und auf die weiteren Anträge und Gesuche werde zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen. Weiter wurde die Vorinstanz um Einreichung einer Vernehmlassung ersucht.

P.

Mit Vernehmlassung vom 10. Juli 2019 hielt die Vorinstanz unter weiteren Ausführungen an ihren Erwägungen fest.

Q.

Die Beschwerdeführerin replizierte mit Eingabe vom 30. Juli 2019 und legte der Replik, nebst den bereits eingereichten Dokumenten, ein Schreiben des Arztes der Tochter vom 3. November 2017 an die Gemeinde betreffend Wohnsituation der Familie, ein Antwortschreiben der Gemeinde D. vom 22. November 2017, einen Arztbericht des Kinderspitals E. vom 14. Juni 2019, drei Schreiben von Einwohnern der Gemeinde (u.a. vom Pfarrer) bezüglich die Integration der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter sowie eine Bestätigung des Schulbesuchs im Schuljahr 2018/2019 mit Beurteilung der Klassenlehrerin vom 26. Juni 2019 bei.

R.

Mit Schreiben vom 25. November 2019 ersuchte das Amt für Migration des Kantons C. das Bundesverwaltungsgericht darum, einen baldigen Entscheid zu erlassen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet im Bereich des Ausländerrechts betreffend die vorläufige Aufnahme endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 3 BGG).

    2. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Die Beschwerdeführerinnen haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 112 Abs. 1 AIG [SR 142.20] i.V.m. Art. 37 VGG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländerinnen und Ausländern (Art. 83 Abs. 1 AIG). Nach erfolgter Anordnung einer vorläufigen Aufnahme prüft das SEM periodisch, ob die Voraussetzungen dafür noch gegeben sind (Art. 84 Abs. 1 AIG). Es hebt die vorläufige Aufnahme auf und ordnet den Vollzug der Wegweisung an, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind (Abs. 2). Diese fallen weg, wenn der Vollzug der rechtskräftig angeordneten Wegweisung zulässig, es der ausländischen Person zumutbar und möglich ist, sich rechtmässig in ihren Heimat-, Herkunftsoder Drittstaat zu begeben (Art. 83 Abs. 2-4 AIG). Auf Antrag unter anderem der kantonalen Behörden kann das SEM die vorläufige Aufnahme aufheben und den Vollzug der Wegweisung anordnen, wenn Gründe nach Art. 83 Abs. 7 AIG gegeben sind (Art. 84 Abs. 3 AIG).

    2. Vorab ist festzuhalten, dass im vorliegenden Verfahren keine Gründe nach Art. 83 Abs. 7 AIG bestehen. Für den Antrag auf Überprüfung der vorläufigen Aufnahme seitens des Amtes für Migration des Kantons C. bestand somit keine Grundlage (vgl. bereits Urteil des BVGer E-7160/2017 vom 28. März 2019 E. 4). Die Überprüfung der vorläufigen Aufnahme durch die Vorinstanz erfolgte gestützt auf Art. 84 Abs. 1 und 2 AIG.

4.

4.1 Das SEM begründete die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme mit der nunmehr vorliegenden Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs aufgrund der verbesserten Situation (allgemein und individuell) in Sri Lanka.

Zunächst sei festzuhalten, dass das Schreiben der Mutter der Beschwerdeführerin als Gefälligkeitsschreiben zu werten sei, zumal sich diese kaum in einem so wesentlichen Punkt wie die Betreuung ihres Enkels geirrt haben dürfte. Dass die Mutter an ( ) erkrankt sei, gehe aus dem Botschaftsbericht nicht hervor. Es gebe keinen Grund, am Ergebnis der Botschaftsabklärung zu zweifeln. Auch wenn die Mutter der Beschwerdeführerin ihren Enkelsohn nicht grossgezogen habe und dieser nicht in Colombo oder gar in Sri Lanka leben sollte, ändere dies nichts am Ergebnis der folgenden Ausführungen.

Die Beschwerdeführerin stamme aus I. , Provinz Jaffna, wo sie zuletzt vor der Flucht im Jahr ( ) gelebt habe. Gemäss Einschätzung des

SEM und des Bundesverwaltungsgerichts sei ein Vollzug in die Nordprovinz Sri Lankas grundsätzlich zumutbar, wenn das Vorliegen individueller Zumutbarkeitskriterien bejaht werden könne. Die Beschwerdeführerin verfüge mit ihrer Mutter, zwei Geschwistern und ein paar Tanten und Onkel über mehrere Verwandte in Sri Lanka, die sie in verschiedenen Belangen unterstützen könnten. Die Beschwerdeführerin habe mehrere Jahre lang die Schule im Heimatdorf besucht, weshalb davon auszugehen sei, dass sie dort über ein soziales Beziehungsnetz verfüge. Zwar habe sie keinen Beruf erlernt. Sie verfüge aber über eine gewisse Ausbildung und sei noch jung genug, um sich im Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Tochter sei im Grundschulalter und könne die öffentliche Grundschule im Dorf sowie Nachhilfeschulen in der Umgebung besuchen. Die Verwandten könnten der Beschwerdeführerin bei der Betreuung ihrer Tochter helfen. Es könne ihr somit zugemutet werden, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass der Onkel aus H. , der die Mutter und den Sohn der Beschwerdeführerin finanziell unterstütze, auch ihr etwas Geld zukommen lasse, oder ihr weitere Verwandte finanziell helfen würden. Aber auch wenn dies nicht der Fall sei, sei die Möglichkeit der Rückkehrhilfe zu erwähnen. Daher bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin und ihre Tochter bei einer Rückkehr nach Sri Lanka in eine existenzielle Notlage geraten würden. Die individuellen Zumutbarkeitskriterien für den Vollzug der Wegweisung in die Nordprovinz von Sri Lanka könnten bejaht werden. Da die Beschwerdeführerin ihre gesundheitlichen Probleme nicht belegt habe, sei nicht näher darauf einzugehen. Insgesamt erweise sich der Vollzug der Wegweisung als zumutbar.

Sodann enthalte das eingereichte Schreiben eines Parlamentsmitglieds Widersprüche zu den im Asylverfahren geltend gemachten Vorbringen der Beschwerdeführerin. Es sei als Gefälligkeitsschreiben zu werten und spreche nicht gegen die Zulässigkeit des Vollzugs. Der Vollzug sei auch als zulässig und möglich zu bezeichnen, so dass die vorläufige Aufnahme gemäss Art. 84 Abs. 2 AIG aufzuheben sei.

Da sich die Beschwerdeführerinnen, die seit fünfeinhalb Jahren in der Schweiz seien, kaum integriert hätten, bestehe kein faktisches Anwesenheitsrecht in der Schweiz. Folglich sei die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme auch verhältnismässig.

4.2

      1. Die Beschwerdeführerin brachte in der Beschwerde zunächst vor, ihr sei vom SEM nur unzureichend und von der Gemeinde beziehungsweise

        vom kantonalen Migrationsamt gar keine Akteneinsicht gewährt worden. Entsprechend sei es ihr nicht möglich, verschiedene Vorbringen des SEM

        (u.a. zu ihrer Tätigkeit für die Liberation Tigers of Tamil Eelam [LTTE] in Sri Lanka oder zum angeblichen Widersetzen jeglicher Integration) wirksam zu widerlegen. Das rechtliche Gehör sowie der Untersuchungsgrundsatz seien zudem verletzt worden, da das SEM die eingereichten Beweismittel pauschal als Fälschungen abgetan habe. Eine weitere Verletzung liege vor, da das SEM die gesundheitliche Situation ihrer Tochter nicht beachtet habe. Diese sei seit längerem in ärztlicher Behandlung und benötige Medikamente, ohne die es zu einer ( ) kommen könne. Der Untersuchungsgrundsatz sei ferner verletzt worden, da die Angaben der Botschaftsabklärung zu ihrer kranken Mutter und zu ihrem Sohn nicht überzeugten und nicht abgeklärt worden sei, ob der Sohn tatsächlich bei seiner Grossmutter lebe. Weiter gehe aus dem Bericht der Botschaft hervor, dass sie, die Beschwerdeführerin, für die LTTE tätig gewesen sei, was das SEM in der angefochtenen Verfügung nicht berücksichtigt habe.

      2. Bezüglich Aufhebung der vorläufigen Aufnahme hielt die Beschwerdeführerin fest, dass sie sich - entgegen der Ansicht der Gemeinde - nicht der Integration widersetzt habe. Vielmehr habe sie selbst einen Mittagstisch für die Tochter organisiert, diese zum Eintritt in die ( ) motiviert und sie fördere den Musikunterricht der Tochter (vgl. beigelegte Abrechnungen). Sodann sei ihr keine Arbeit angeboten, sondern lediglich ein Einsatz in einem Integrationsprogramm für das vierte Quartal 2019 in Aussicht gestellt worden. Aufgrund ihrer Krankheit ([ ]; Arztbericht vom 1. Juni 2017) habe sie bisherige Einsätze in der ( ) auf Anraten des Arztes beenden müssen. Deutschkurse habe sie bis und mit Level B1 und B2 besucht (vgl. zwei Kurseinladungen). Weitere Kurse habe sie nicht besuchen dürfen. Die Tochter erbringe überdurchschnittliche Schulleistungen und habe im Umfeld viele Freundinnen gefunden. Zudem sei sie für die nächsten Jahre auf eine medikamentöse Behandlung angewiesen, welche sie in Sri Lanka nicht durchführen könne. Eine Rückkehr würde ihr Kindeswohl sowie ihre Gesundheit konkret gefährden, was zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würde. Sodann seien ihr Mann und Sohn nach wie vor auf der Flucht, sie verfüge weder über ein Erwerbseinkommen noch über eine Erwerbsstelle in Sri Lanka und könne keine materielle Unterstützung von ihrer Mutter oder Tante erwarten, da diese von den knappen Zahlungen zweier Verwandten lebten. Der pauschale Hinweis, diese Verwandte könnten auch den Lebensunterhalt für sie und ihre Tochter sicherstellen, sei willkürlich und nicht abgeklärt. Die Verwandten verfügten im Ausland über

Einkommen, welches sich im Niederlohnbereich erzielen lasse, und müssten die eigenen Familien damit durchbringen. Daher drohe ihr und ihrer Tochter aufgrund der fehlenden Mittel eine Verarmung beziehungsweise eine Gesundheitsgefährdung und eine Verletzung von Art. 3 EMRK.

    1. Die Vorinstanz machte in der Vernehmlassung geltend, der Beschwerdeführerin sei während des Verfahrens das rechtliche Gehör zum Ergebnis der Botschaftsabklärung gewährt worden, welches ihr in anonymisierter Form zugestellt worden sei. Zusätzliche Akten (SEM-Akten C16 und C21) seien der Rechtsvertretung übermittelt und damit komplette Einsicht in die Abklärungen in Sri Lanka gewährt worden, zumal die SEM-Akten C4, C5 und C6 für die Entscheidfindung nicht relevant gewesen seien. Weiter habe die Beschwerdeführerin - obwohl sie verpflichtet sei, bei der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken - nicht vorgebracht, ihre Tochter sei in Behandlung (vgl. SEM-Akten C7 und C22), weshalb das SEM diese Tatsache nicht habe berücksichtigen können. Aufgrund der Akten habe nicht darauf geschlossen werden können und bislang liege kein entsprechender Arztbericht als Nachweis für die neu angebrachten Argumente vor. Weiter seien die eingereichten Beweismittel geprüft und gewürdigt worden (SEM-Akte C11-C13 sowie E. 4 der angefochtenen Verfügung). Ob der Sohn bei der Mutter der Beschwerdeführerin lebe oder nicht, sei nicht zentral, weshalb diesbezüglich keine weiteren Abklärungen getätigt worden seien. Sodann gehe es nicht um die Frage, ob ein faktisches Anwesenheitsrecht selbstverschuldet verwirkt worden sei. Das SEM überprüfe periodisch, ob die Voraussetzungen der vorläufigen Aufnahme noch gegeben seien, und hebe die Aufnahme auf, wenn der Vollzug zulässig, zumutbar und möglich sei (Art. 84 Abs. 1 und 2 AIG), was vorliegend der Fall sei. Es seien alle Vorbringen der Beschwerdeführerin geprüft und der Sachverhalt sei - soweit möglich - vollständig festgestellt worden. Die fehlenden Akten seien dem Rechtsanwalt zugestellt worden. Er verfüge über alle nötigen Unterlagen, um im Beschwerdeverfahren weitere Argumente vorzubringen. Es lägen keine wesentlichen Mängel und Versäumnisse oder eine Verletzung der Untersuchungsund Begründungspflicht vor, aufgrund derer die Verfügung aufzuheben wäre.

    2. Anlässlich der Replik erklärte die Beschwerdeführerin in Bezug auf die obigen Ausführungen der Vorinstanz (zur Akteneinsicht), vor Beschwerdeerhebung habe sie keine Rechtsvertretung gehabt. Ferner hätte das SEM bezüglich Gesundheit ihrer Tochter genauere Abklärungen vornehmen respektive das Kindeswohl von sich aus berücksichtigen müssen. Da dies unterblieben sei, liege ein Verstoss gegen Art. 29 BV vor. Den SEM-Akten sei

keine Notiz zu entnehmen, welche sich auf ihre Tochter beziehe. Aus den Akten des Migrationsamtes gehe aber hervor, dass dieses über die medizinischen Behandlungen seit dem Jahr 2017 Bescheid gewusst habe und dass sie, die Beschwerdeführerin, spätestens seit dem Jahr 2017 gesundheitsbedingt in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sei. Ein Arbeitsangebot sei den Akten des Migrationsamtes jedoch nicht zu entnehmen. Ferner habe man sie zu keinem Zeitpunkt sanktionieren müssen. Sie habe sich bemüht, sich sozial und beruflich zu integrieren, so auch ihre Tochter (vgl. Bestätigungsschreiben von Dorfbewohnern und Schulbestätigung die Tochter betreffend). Indes sei ihnen von der Gemeinde keine Integrationsförderung entgegengebracht worden. Für die Tochter wäre eine Wegweisung nach Sri Lanka mit grösster Härte verbunden, da sie ihre Behandlung im Spital abbrechen sowie ihre Freunde und die ( )gemeinde verlassen müsste. Neben gesundheitlichen Schwierigkeiten müsste sie eine neue Sprache erlernen (sie könne Tamil nur sprechen). Weiter sei in den SEMAkten nicht ersichtlich, ob die eingereichten Beweismittel vor Ort verifiziert worden seien, weshalb das SEM diesbezüglich beweispflichtig bleibe. Sodann müsse aufgrund der Ausführungen des SEM bezüglich Sohn der Beschwerdeführerin davon ausgegangen werden, dass auch die weiteren Angaben in der Botschaftsabklärung nicht auf deren Gültigkeit abgeklärt worden seien (z.B. hinsichtlich [ ] Mutter, die zu ihrer Schwester im Norden Sri Lankas reise und zufällig den Botschaftsmitarbeitern begegnet sei). Ferner sei weder der streitigen Verfügung noch der Stellungnahme des SEM zu entnehmen, inwieweit sich die Situation in Sri Lanka seit der Verfügung aus dem Jahr 2014 zum Guten verändert habe, so dass die vorläufige Aufnahme vom 1. Oktober 2014 aufgehoben werden könne. Damals sei der Wegweisungsvollzug ohne individuelle Begründung als nicht zumutbar erachtet worden. Folglich habe sie keine Möglichkeit, die Argumente des SEM zu widerlegen. Weiter sei den Akten nicht zu entnehmen, dass das SEM rechtskonform abgeklärt habe, ob die von ihr dargelegte Gefahr im Heimatstaat nicht mehr bestehe. Die pauschale Zurückweisung ihrer mit Stellungnahme vom März 2019 überzeugend geltend gemachten Gefährdung verletze Art. 7 AsylG, Art. 29 BV sowie das Willkürverbot. Die Situation habe sich für sie nicht positiv verändert. Sodann habe das SEM auch die aktuelle Lage in Sri Lanka nicht berücksichtigt. Die Überprüfung ihrer vorläufigen Aufnahme im Auftrag des Wegweisungskantons sei willkürlich. Die Voraussetzungen von Art. 84 Abs. 1 und Abs. 2 AIG sowie von Art. 84 Abs. 3 i.V.m. Art. 83 Abs. 7 AIG seien nicht erfüllt.

5.

Im Hinblick auf die nachfolgenden Erwägungen und den Verfahrensausgang erübrigt es sich, auf die auf Beschwerdeebene erhobenen Rügen der Verletzung formellen Rechts einzugehen.

6.

    1. Die obgenannten drei Bedingungen für einen Verzicht auf den Vollzug der Wegweisung (Unzulässigkeit, Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit) sind alternativer Natur (vgl. BVGE 2011/7 E.8 m.w.H.). Nachdem die vorläufige Aufnahme der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter seinerzeit wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs angeordnet worden war, steht dieser Aspekt vorliegend im Vordergrund.

    2. Der Vollzug der Wegweisung kann für Ausländerinnen und Ausländer gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind. Neben den im Gesetz beispielhaft aufgezählten Faktoren können namentlich auch die fehlenden oder mangelhaften medizinischen Behandlungsmöglichkeiten, die Beeinträchtigung des Kindeswohls bei minderjährigen Gesuchstellern oder eine Kombination von Faktoren wie Alter, Beeinträchtigung der Gesundheit, fehlendes Beziehungsnetz, düstere Aussichten für das wirtschaftliche Fortkommen von Bedeutung sein. Weniger hohe Anforderungen an die Annahme einer konkreten Gefährdung gelten, wenn das Kindeswohl mit zu berücksichtigen ist, da das Kindeswohl nicht erst gefährdet ist, wenn das Kind in eine existenzielle Notlage gerät (vgl. BVGE 2014/26 E. 7.1-7.7 sowie Urteil des BVGer D-3597/2018 vom 3. Mai 2019 E. 8.1, je m.w.H.). Wird eine Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

      Sind von einem allfälligen Wegweisungsvollzug Kinder betroffen, so ist im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung das Kindeswohl zu beachten (Art. 83 Abs. 4 AIG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes [KRK, SR 0.107]). Unter dem Aspekt des Kindeswohls sind sämtliche Umstände einzubeziehen, die im Hinblick auf eine Wegweisung wesentlich erscheinen. Namentlich von Bedeutung sind Kriterien wie: Alter, Reife, Abhängigkeiten, Art (Nähe, Intensität, Tragfähigkeit) seiner Beziehungen, Eigenschaften seiner Bezugspersonen (insbes. Unterstützungsbereitschaft und -fähigkeit), Stand und Prognose bezüglich Entwicklung/Ausbildung sowie der Grad der erfolgten Integration bei einem längeren Aufenthalt in der Schweiz. Gerade letzterer Aspekt, die Dauer des

      Aufenthaltes in der Schweiz, ist im Hinblick auf die Prüfung der Chancen und Hindernisse einer Reintegration im Heimatland bei einem Kind als gewichtiger Faktor zu werten, da Kinder nicht ohne guten Grund aus einem einmal vertrauten Umfeld herausgerissen werden sollten. Dabei ist aus entwicklungspsychologischer Sicht nicht nur das unmittelbare persönliche Umfeld des Kindes (d. h. dessen Kernfamilie) zu berücksichtigen, sondern auch dessen übrige soziale Einbettung (vgl. BVGE 2009/28 E. 9.3.2 sowie Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2006 Nr. 24 E. 6.2.3 S. 259 f.; EMARK 2005 Nr. 6 E. 6.

      S. 55 ff., je m.w.H).

    3. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Referenzurteil E-1866/2015 vom

15. Juli 2016 festgestellt, dass der Wegweisungsvollzug in die Nordprovinz zumutbar ist, wenn das Vorliegen von individuellen Zumutbarkeitskriterien

- namentlich die Existenz eines tragfähigen familiären oder sozialen Beziehungsnetzes sowie Aussichten auf eine gesicherte Einkommensund Wohnsituation - bejaht werden kann (E. 13.2 ff.). Mithin ist vorliegend insbesondere zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter eine Rückkehr in den Heimatstaat in individueller Hinsicht zumutbar ist.

      1. Die Beschwerdeführerin und ihre Tochter stammen aus dem Norden Sri Lankas, Provinz Jaffna. Im Jahr ( ) haben sie ihr Heimatland verlassen. Gemäss eigenen Angaben und Botschaftsabklärung des SEM verfügen sie im Umkreis von Jaffna über ein paar Verwandte. Unter anderem lebt die Tante der Beschwerdeführerin im Heimatdorf im Haus der Familie. Ferner ist die Mutter der Beschwerdeführerin, gemäss Botschaftsabklärung mit ihrem Enkel, in Colombo wohnhaft. Zu beachten ist weiter, dass die ( )-jährige Mutter ( ) ist und sowohl Mutter als auch Tante einzig von der Unterstützung eines Verwandten im Ausland leben. Dies und die Angaben der Mutter (vgl. Botschaftsbericht) lassen darauf schliessen, dass die Verwandten in Sri Lanka dazu finanziell nicht in der Lage wären. Auch aus den Akten gehen keine Hinweise auf günstige wirtschaftliche Verhältnisse der Verwandten hervor. Weiter hatte die Beschwerdeführerin über Jahre keinen Kontakt zu ihrer Mutter oder anderen Verwandten. Gemäss Aussage der Mutter sei das Verhältnis zwischen ihnen nicht gut. Ob der Sohn der Beschwerdeführerin bei seiner Grossmutter lebt oder nicht, kann für die vorliegende Einschätzung offenbleiben. Schliesslich kennt die Tochter, die die Heimat als ( ) verlassen hat, die Verwandtschaft in Sri Lanka wohl kaum. Insgesamt ist fraglich, ob vorliegend von einem tragfähigen und unterstützungswilligen Beziehungsnetz und einer gesicherten Wohnsituation ausgegangen werden kann.

        Hinzu kommt, dass die alleinerziehende ( )-jährige Beschwerdeführerin weder über einen Schulabschluss noch über eine Ausbildung oder nennenswerte Arbeitserfahrung verfügt. Sodann deuten ihre gesundheitlichen Beschwerden (vgl. Arztberichte vom 1. Juni 2017 und 13. Juni 2019) auf eine gewisse Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit hin. Zwar ist der Beschwerdeführerin grundsätzlich zuzumuten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. An positiven Aussichten auf eine gesicherte Einkommenssituation respektive auf eine selbständige wirtschaftliche Existenz in Sri Lanka im Sinne obgenannter Rechtsprechung ist vorliegend aber zu zweifeln. Insgesamt ist somit - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - nicht auszuschliessen, dass die Beschwerdeführerin und ihre Tochter bei einer Rückkehr nach Sri Lanka in eine existenzielle Notlage geraten könnten.

      2. Weiter wird der Beschwerdeführerin seitens der Gemeinde und der kantonalen Behörde vorgehalten, sich und ihre Tochter einer Integration entzogen zu haben. Die Aussagen der Beschwerdeführerin sowie die eingereichten Dokumente (Bestätigung Deutschkurse, Zeugnis und Schulbewertung der Tochter) und Schreiben, unter anderem vom Pfarrer oder von Dorfbewohnern, zeigen ein anderes Bild auf. Eine Integration erschwert haben dürfte jedenfalls der Umstand, dass die Beschwerdeführerin und ihre Tochter am Rande eines abgelegenen kleinen Dorfes untergebracht wurden und ihnen trotz mehrmaligen Ersuchens seit dem Jahr 2016 kein Umzug bewilligt wurde (vgl. oben, Sachverhalt Bst. C). Entscheidender als die Frage, wie sehr sich die Beschwerdeführerin mittlerweile in der Schweiz integriert hat, ist vorliegend aber der Aspekt des Kindeswohls. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrer Tochter seit dem Jahr 2013 in der Schweiz, die Heimat haben sie im Jahr ( ) verlassen. Das ( ) Kind befindet sich somit seit dem ( ) Lebensjahr in der Schweiz und verbrachte hier den grössten Teil der bisherigen Kindheit. Aus den Akten geht hervor, dass sie mittlerweile die ( ) Schulklasse, den Mittagstisch sowie Musikunterricht besucht und sich seit zwei Jahren aktiv ( ) im Dorf engagiert. Gemäss Bericht der Klassenlehrerin sei sie sehr bemüht und anständig, gut integriert und habe einige Freundinnen gefunden. Ihre Deutschkenntnisse habe sie seit der ersten Klasse sehr schnell und gut verbessert und verwende die Standardsprache mittlerweile mühelos. Den Schreiben des Pfarrers und der Dorfbewohner ist zu entnehmen, dass sie anfängliche Schwierigkeiten im Dorf tapfer ertragen habe, nun voll akzeptiert und Teil der Gemeinschaft sei. Ferner sei sie offen, hilfsbereit, und spiele und lerne gerne mit den anderen Kindern. Aufgrund dieser Angaben ist davon auszugehen, dass das Mädchen mittlerweile in jeglicher Hinsicht (Freizeitaktivitäten, Schule, soziales Umfeld) im Rahmen ihres jungen Alters integriert

ist. Sie dürfte sich an die schweizerische Lebensweise angepasst haben, durch Schule und Mitgliedschaften durch die hiesigen kulturellen Gegebenheiten mitgeprägt sein und in der Schweiz über ein soziales Umfeld verfügen. Demgegenüber dürfte sie kaum Bezug zu ihrem Heimatstaat haben. Gemäss Angaben der Beschwerdeführerin spricht sie zwar Tamil, verfügt aber über keine schriftlichen Kenntnisse ihrer Muttersprache, was für eine erfolgreiche und rasche Eingliederung in das Schulsystem in Sri Lanka von grosser Bedeutung wäre. Ferner wäre eine Integration in Sri Lanka angesichts (abgesehen von ihrer Mutter) fehlender ihr bekannter Bezugspersonen in Frage gestellt. Hinzu kommt die obgenannte erhebliche Unsicherheit der Wohnund Einkommenssituation in Sri Lanka sowie die gesundheitliche Situation des Mädchens. Gemäss Arztbericht vom 14. Juni 2019 benötige sie eine regelmässige medikamentöse Therapie mit ( ), welche in ( ) Jahren abgeschlossen werde. Ein frühzeitiger Abbruch könne einen negativen Einfluss auf die weitere ( ) des Kindes haben (vgl. Replik Beilage 5). Ob diese Therapie auch in Sri Lanka verfügbar wäre, kann offenbleiben. Insgesamt besteht die Gefahr, dass die mit dem Wegweisungsvollzug einhergehende Entwurzelung aus dem gewachsenen sozialen Umfeld in der Schweiz und die sich gleichzeitig abzeichnende Problematik einer Integration in die weitgehend fremde Kultur und Umgebung zu starken Belastungen in der kindlichen, allenfalls auch der gesundheitlichen, Entwicklung des Kindes und zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen würden (vgl. Urteil des BVGer D-3597/2018 E. 8.3.6 m.w.H.).

    1. Das Gericht kommt unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zum Schluss, dass im vorliegenden Fall der Vollzug der Wegweisung nach wie vor als unzumutbar im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AIG zu qualifizieren ist.

    2. Damit erübrigt es sich, auf die weiteren Ausführungen und Beilagen auf Beschwerdeebene, insbesondere zur gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin sowie zur nicht näher begründeten drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK, einzugehen. Der Antrag auf Nachfristansetzung zur Beweismitteleinreichung erweist sich mit vorliegendem Urteil als gegenstandslos.

7.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Die vorinstanzliche Verfügung vom 14. Mai 2019 ist aufzuheben. Die Beschwerdeführerinnen bleiben vorläufig aufgenommen.

8.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).

    2. Den vertretenen Beschwerdeführerinnen ist angesichts ihres Obsiegens in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihnen notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen.

      Es wurde keine Kostennote eingereicht, weshalb die notwendigen Parteikosten aufgrund der Akten zu bestimmen sind (Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE). Gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE) ist den Beschwerdeführerinnen zulasten der Vorinstanz eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 2’000.- zuzusprechen.

    3. Demnach sind die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung als gegenstandslos geworden zu betrachten.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2.

Die Verfügung des SEM vom 14. Mai 2019 wird aufgehoben. Die Beschwerdeführerinnen bleiben vorläufig aufgenommen.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.

Das SEM wird angewiesen, den Beschwerdeführerinnen für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 2'000.- auszurichten.

5.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerinnen, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Gabriela Freihofer Linda Mombelli-Härter

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