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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-1524/2020

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-1524/2020
Datum:28.05.2020
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung (Mehrfachgesuch/Wiedererwägung)
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Schweiz; Familie; Verfügung; Wegweisung; Recht; Bundesverwaltungsgericht; Vater; Heirat; Sucht; Glaubhaft; Vollzug; Ausländer; Gesuch; Akten; Schweizer; Beschwerdeführers; Flüchtlingseigenschaft; Behörde; Aufenthalts; Urteil; Zumutbar; Ehefrau; Mehrfachgesuch; Rückkehr; Verfahren; Anhörung; Aufenthaltsbewilligung; Cousin
Rechtsnorm: Art. 25 BV ; Art. 48 VwVG ; Art. 49 BV ; Art. 50 AIG ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-1524/2020

U r t e i l  v o m  2 8.  M a i  2 0 2 0

Besetzung Einzelrichterin Constance Leisinger,

mit Zustimmung von Richterin Daniela Brüschweiler, Gerichtsschreiberin Claudia Jorns Morgenegg.

Parteien A. ,

geboren am ( ), Irak, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung (Mehrfachgesuch); Verfügung des SEM vom 12. Februar 2020.

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer suchte am 15. Dezember 2015 in der Schweiz um Asyl nach.

Sein Gesuch begründete er hauptsächlich damit, er sei Sunnite und stamme aus B. , Provinz C. , Irak. Dort würden seine Eltern und ( ) Geschwister wohnen. Wegen jahrelanger Streitigkeiten zwischen seinem Vater und dessen Bruder sei er ausgereist. Streitpunkt sei ein wertvolles Grundstück gewesen, das ihnen der verstorbene Grossvater hinterlassen habe. Sein Onkel und die Cousins hätten ihn, den Beschwerdeführer, deswegen mehrmals geschlagen, weshalb er seinen Cousin angezeigt habe. Dieser sei zwei Tage in Haft gewesen und dann freigelassen worden. Danach habe ihn der Cousin telefonisch bedroht. Wegen dieser Anzeige habe sein Onkel ihn und seinen Vater bei der Polizei angezeigt und seither würden sie gesucht. Seine Familie habe sich zwischenzeitlich nach D. begeben.

B.

Mit Verfügung vom 20. Februar 2017 stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte das Asylgesuch vom 15. Dezember 2015 ab und ordnete die Wegweisung und deren Vollzug an. Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 24. März 2017 Beschwerde, auf welche das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil E-1790/2017 vom 28. März 2017 nicht eintrat, da die Eingabe nicht innert der Rechtsmittelfrist eingereicht worden war.

C.

Mit Schreiben vom 26. April 2017 ersuchte der Beschwerdeführer das SEM um Wiedererwägung der Verfügung vom 20. Februar 2017. Zur Begründung wurde - identisch mit den Ausführungen in der Beschwerde vom

24. März 2017 - die Angst des Beschwerdeführers vor einer Blutrache geäussert und moniert, das SEM habe die Rechtsprechung der ARK zur Schutztheorie nicht berücksichtigt.

D.

Mit Verfügung vom 14. Juli 2017 erwog das SEM, es habe die Frage der Schutzwilligkeit und -fähigkeit der kurdischen Behörden bereits in seiner Verfügung vom 20. Februar 2017 ausführlich im Rahmen des Wegweisungsvollzugspunktes berücksichtigt und wies das Wiedererwägungsgesuch vom 26. April 2017 ab. Die Verfügung vom 20. Februar 2017 erklärte es für rechtskräftig und vollstreckbar.

E.

Am 30. August 2017 wurde der Beschwerdeführer in den Nordirak zurückgeführt.

F.

Mit Verfügung vom 13. November 2018 widerrief die zuständige kantonale Behörde eine dem Beschwerdeführer infolge Heirat mit einer Schweizerin erteilte Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 Bst. a AIG.

In der Widerrufsverfügung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 18. September 2017 in B. /Irak eine Schweizer Bürgerin geheiratet. Am 24. Oktober 2017 habe er auf der Schweizer Botschaft in Amman/Jordanien ein Einreisegesuch zum Verbleib bei seiner Ehefrau in der Schweiz gestellt. Am 17. Januar 2018 sei der Familiennachzug bewilligt worden. Ein gegen den Beschwerdeführer am 17. August 2017 verhängtes Einreiseverbot sei mit Verfügung vom 17. Januar 2018 seitens des SEM aufgehoben worden. Der Beschwerdeführer sei am 23. Januar 2018 in die Schweiz eingereist. Am 26. Januar 2018 sei ihm eine Aufenthaltsbewilligung (Familiennachzug) mit Gültigkeit bis 22. Januar 2019 ausgestellt worden. Seine Ehefrau habe mit Schreiben vom 12. September 2018 mitgeteilt, dass sich der Ehemann nicht mehr in der gemeinsamen Wohnung aufhalte und sie sich getrennt hätten. Er wohne teilweise bei seinem Bruder in E. . Nachdem der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm gewährten rechtlichen Gehörs am 9. Oktober 2018 mitgeteilt habe, dass er und seine Ehefrau der Ehe nochmals eine Chance geben würden, habe die Ehefrau mit Schreiben vom 5. November 2018 mitgeteilt, nicht mehr an der Ehe festzuhalten. Da die Ehegemeinschaft aufgelöst worden sei und noch nicht die Mindestdauer von drei Jahren erreicht habe und der Beschwerdeführer auch sonst keine der Voraussetzungen für eine Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung erfülle, sei die Bewilligung zu widerrufen. Eine Rückkehr in den Heimatstaat sei zumutbar.

G.

Im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nahm das SEM den Beschwerdeführer, der sich in Deutschland aufgehalten hatte, am 19. November 2019 wieder in der Schweiz als Asylsuchenden auf. Am 19. Dezember 2019 wurde er durch die deutschen Behörden in die Schweiz überstellt.

H.

Mit Eingabe vom 19. Dezember 2019 ersuchte der Beschwerdeführer das SEM um "Wiedererwägung" der Verfügung vom 20. Februar 2017.

Zur Begründung brachte er vor, nachdem sein Asylgesuch abgelehnt worden sei, sei er in den Irak zurückgekehrt. In der Schweiz habe er eine Beziehung mit einer Schweizerin gehabt. Diese sei ihm in den Irak gefolgt. Sie hätten heiraten wollen. Seine irakische Familie sei jedoch strikt gegen diese Beziehung gewesen, da die Frau Christin sei. Deshalb habe die Familie eine Heirat verhindern wollen. Er sei mit dem Tod bedroht worden, denn er habe seiner Familie mitgeteilt, er wolle eines Tages konvertieren. Mit seiner Verlobten sei er nach Jordanien gereist. Dort habe er ein Visum für die Schweiz erhalten. Nach der Ausreise aus dem Irak habe seine Familie Drohungen gegen ihn ausgesprochen. Seine Familie würde ihn im Falle einer Rückkehr umbringen, da er mit seinem Verhalten Stammesund Familienregeln sowie Regeln der Religion verletzt habe. Die Familie mache ihn für den Tod seiner Mutter verantwortlich, da diese seinetwegen sehr traurig gewesen und seelisch krank geworden sei. Seine Familie habe ihn zudem angezeigt. Bei einer Rückkehr würde er hart bestraft werden.

I.

Am 31. Dezember 2019 wies das SEM die zuständige kantonale Behörde an, vorläufig vom Vollzug der Wegweisung abzusehen.

J.

Das SEM nahm das Gesuch als Mehrfachgesuch anhand. Am 7. Februar 2020 hörte das SEM den Beschwerdeführer zu seinen neuen Asylgründen an.

Dabei führte er aus, er sei im Januar 2018 wieder in die Schweiz eingereist. Zuvor habe er sich etwa drei Monate in Jordanien aufgehalten. Davor sei er einen Monat und zwanzig Tage lang im Irak gewesen. Dort habe er in B. eine Schweizer Bürgerin und Christin geheiratet. Sie sei ihm etwa vier Tage, nachdem er in den Irak zurückgekehrt sei, dorthin gefolgt. Nach der Hochzeit sei sie in die Schweiz zurückgekehrt, da sie habe arbeiten müssen. Etwa zwanzig Tage seien sie im Irak zusammen gewesen. Die Ehe sei zivil am 17. September 2017 geschlossen worden. Wegen seiner Eltern hätten sie auch religiös geheiratet. Unmittelbar nach der Ankunft seiner Verlobten am Flughafen hätten sie sich zunächst zu Hause religiös trauen lassen. Das sei etwa am 3. oder 4. September 2017 gewesen. Ein

ihm unbekannter islamischer Geistlicher habe diese Zeremonie vorgenommen. Seine Frau habe deswegen nicht konvertieren müssen.

Während seines Aufenthaltes im Irak habe er sich in B. , F. , C. und ein paar Tage in D. aufgehalten. Mit seiner Familie sei es kompliziert gewesen, da diese ihm erklärt habe, er sei kein Moslem mehr. Bereits seit 2014 sei er religionslos, weshalb ihn die Mullahs schon damals als "Kafar" (als einen, der vom richtigen Weg abgekommen sei) bezeichnet hätten. Als er im Irak gewesen sei, sei seine Mutter erkrankt. Sie habe ihm vorgeworfen, nicht den richtigen Weg einzuschlagen. Mit seinem Vater habe er nicht mehr reden können. Auf dem Luftweg sei er nach Jordanien und von dort später in die Schweiz gereist. Nach seiner Ankunft im Januar 2018 habe er in der Schweiz als ( ) gearbeitet. Im November 2018 habe er sich von seiner Ehefrau getrennt.

Am 22. Februar 2019 sei seine Mutter gestorben. Sein Vater habe ihn für ihren Tod verantwortlich gemacht und ihm gedroht, ihn umzubringen. Er habe sich damals in Deutschland aufgehalten. Dorthin habe er sich begeben, nachdem ihm bis zum 15. Januar 2019 Frist zur Ausreise angesetzt worden sei. Im Juni/Juli 2019 sei er illegal in die Schweiz zurückgereist. Er sei polizeilich angehalten und ihm seien 48 Stunden Frist zur Ausreise angesetzt worden. Er sei wieder nach Deutschland gegangen. Dort habe er sich angemeldet, jedoch nach einiger Zeit den Bescheid bekommen, dass er wieder in die Schweiz zurückkehren müsse. Seit dem 19. Dezember 2019 halte er sich wieder in der Schweiz auf.

K.

Mit Verfügung vom 12. Februar 2020 - eröffnet am 20. Februar 2020 - wies das SEM das Mehrfachgesuch vom 19. Dezember 2019 ab, ordnete die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz an und verfügte deren Vollzug.

L.

Gegen diesen Entscheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom

16. März 2020 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde.

Dabei beantragte er, die Verfügung vom 12. Februar 2020 sei aufzuheben, es sei die Flüchtlingseigenschaft festzustellen und ihm sei Asyl zu gewähren. Im Weiteren sei festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung unzulässig, unzumutbar und unmöglich und daher die vorläufige Aufnahme

anzuordnen sei. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung (inklusive Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses) und um Beiordnung eines amtlichen Rechtsbeistands. Eventualiter wurde um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ersucht.

Der Beschwerde lag ein Gesuch um Akteneinsicht adressiert an das SEM bei.

M.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte am 18. März 2020 den Eingang der Beschwerde und hielt fest, der Beschwerdeführer könne den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten.

N.

Am 18. März 2020 wurde durch die zuständige kantonale Behörde eine Fürsorgebestätigung zu den Akten gereicht.

O.

Mit Zwischenverfügung vom 24. April 2020 wies die Instruktionsrichterin das SEM an, das Akteneinsichtsgesuch zu behandeln. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit eingeräumt, innert 14 Tagen ab Gewährung der Akteneinsicht seine Beschwerde zu ergänzen.

P.

Das SEM erteilte dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 28. April 2020

- eröffnet am 5. Mai 2020 - Einsicht in die Verfahrensakten. Das Aktenstück Nr. 7 nahm es davon aus, da es sich dabei um eine interne Akte handle.

Q.

Der Beschwerdeführer liess die ihm gewährte Frist zur Beschwerdeergänzung ungenutzt verstreichen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des SEM,

      ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31] i.V.m. Art. 31-33 VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor.

    2. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt, hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung und ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1 VwVG).

    3. Auf die fristund formgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten (Art. 108 Abs. 6 AsylG; Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Der Beschwerde kommt aufschiebende Wirkung zu, weshalb der Eventualantrag, es sei die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, sich von vornherein als obsolet erweist.

2.

    1. Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

    2. Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf einen Schriftenwechsel verzichtet.

3.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

4.

    1. Nach einem erfolglos durchlaufenen Asylverfahren eingereichte Gesuche um Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sind unter den Voraussetzungen des Art. 111c AsylG zu prüfen (vgl. BVGE 2014/9 E. 4.6).

    2. Der Beschwerdeführer beruft sich in seinem Gesuch vom 19. Dezember 2019 im Wesentlichen darauf, wegen seiner Heirat im Irak mit einer Schweizerin, die Christin sei, von seiner Familie ausgestossen worden zu sein. Bei einer Rückkehr in den Irak erwarte ihn eine unverhältnismässige Bestrafung. Er erfülle daher die Flüchtlingseigenschaft. Diese Vorbringen

sind unter dem Blickwinkel von Art. 3 AsylG zu prüfen. Die Vorinstanz hat demnach das Gesuch zu Recht als Mehrfachgesuch gemäss Art. 111c AsylG entgegengenommen und, da dieses die formellen Voraussetzungen dieser Norm (schriftliche, begründete Eingabe innert fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft, vgl. dazu: BVGE 2014/9 E. 4.3 und E. 5.5) erfüllt, behandelt.

5.

    1. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

      Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaubhaftmachen zudem in verschiedenen Entscheiden dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis (vgl. BVGE 2015/3 E. 6.5.1 m.w.H.).

    3. Die Vorinstanz erachtete die vom Beschwerdeführer geschilderte Gefährdungslage als nicht glaubhaft gemacht im Sinne von Art. 7 AsylG. So habe er im Rahmen der Anhörung vom 7. Februar 2020 diese ganz anders geschildert als in seinem Gesuch vom 19. Dezember 2019. Eine Gefährdungssituation verneinte das SEM auch deshalb, da der Beschwerdeführer erst Monate nach den angeblichen telefonischen Drohungen seines Vaters und erst nachdem er keine anderen Möglichkeiten zur Regelung seines Aufenthalts gesehen habe, erneut um Asyl nachgesucht habe.

    4. In der Beschwerde wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe schon immer Probleme mit seinen Eltern wegen der beabsichtigten Heirat mit einer Christin gehabt. Sein Vater habe ihm erklärt, er solle es machen,

      dann sei er aber nicht mehr sein Sohn und er müsse nach den islamischen Regeln heiraten. Sein Vater habe die Hochzeit, die nur von einem Mann aus der Moschee und zwei Zeugen begleitet worden sei, organisiert. Er und seine Ehefrau hätten in dieser Form geheiratet, um keine Probleme zu bekommen. Sein Vater habe ihm gedroht, ihn umzubringen, wenn er ihn finden würde, da seine Mutter seinetwegen verstorben sei. Bei einer Rückkehr werde er vermutlich auch von seinem Cousin bedroht.

    5. Das Bundesverwaltungsgericht schliesst sich nach Prüfung der Akten der Folgerung des SEM an, wonach die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Bedrohung durch seine Familie als nicht glaubhaft zu erachten sind. Es kann auf die entsprechenden Ausführungen in der Verfügung verwiesen werden (vgl. Akte [ ]-8/11 S. 5).

      Zunächst ist zu betonen, dass nicht nachvollziehbar ist, dass der Vater dem Beschwerdeführer nach dem Tod der Mutter im Februar 2019 angeblich gedroht habe, ihn umzubringen, da er durch seine Heirat und seine Abkehr vom Glauben deren Tod verschuldet haben soll (vgl. Akte [ ]-1/4 [nachfolgend Akte 1/4] S. 2, Akte [ ]-5/22 [nachfolgend Akte 5/22] F67ff., 183). Im Weiteren fällt auf, dass der Beschwerdeführer im Mehrfachgesuch erwähnte, gegen ihn sei wegen der Heirat eine Anzeige durch seine Familie erfolgt. Es drohe ihm eine Verhaftung wegen Verstosses gegen Religionsund Familienregeln (vgl. Akte 1/4 S. 2). In Widerspruch dazu verneinte er jedoch anlässlich der Anhörung, dass gegen ihn eine Anzeige erhoben worden sei oder ihm eine Verhaftung drohen würde (vgl. Akte 5/22 F178 ff.). Auch lässt sich feststellen, dass der Beschwerdeführer in seinem ersten Asylverfahren stets behauptete er sei Sunnite respektive Muslim (vgl. Akten A1/2 S. 2, A3/12 S. 3). Seine Behauptung im Rahmen der Anhörung, er sei seit 2014 religionslos (vgl. Akte 5/22 F65, F81) erweist sich vor diesem Hintergrund ebenfalls als nicht glaubhaft.

      Der Beschwerdeführer gab zudem in seinem Mehrfachgesuch an, seine Familie sei strikt gegen die Heirat mit einer Christin gewesen und sie habe alles versucht, damit die Hochzeit nicht habe stattfinden können. Sie habe ihm mit dem Tod gedroht (vgl. Akten 1/4 S. 1). Im Rahmen der Anhörung schilderte er demgegenüber, seine Eltern hätten erklärt, sie seien einverstanden, wenn er heirate. Die Heirat habe jedoch nach islamischen Regeln stattfinden müssen. Die religiöse Zeremonie, welche im September 2017 stattgefunden habe, habe sein Vater organisiert. Unmittelbar nach der Ankunft seiner Verlobten im Irak hätten sie vor einem Mullah und zwei Zeugen geheiratet, wobei die ganze Familie zugegen gewesen sei (vgl. Akte 5/22

      F 57f., F89 f., F98 f., F103, F111, F114 ff.). Die ursprüngliche Behauptung des Beschwerdeführers, er sei wegen der Heirat durch seine Familie bedroht worden, erscheint damit als blosses Konstrukt eines Fluchtmotivs.

    6. Nicht in Frage steht demgegenüber, dass der Beschwerdeführer im September 2017 im Irak eine Schweizerin geheiratet hat, zumal dies das zuständige Migrationsamt in seiner Widerrufsverfügung vom 13. November 2018 festgestellt hat (vgl. Akte [ ]-6/7 [nachfolgend Akte 6/7]. Erwähnte Aussagen des Beschwerdeführers an der Anhörung, seine Familie sei mit der Heirat einverstanden gewesen, deuten jedoch - einhergehend mit dem SEM (vgl. Akte [ ]-8/11 [nachfolgend Akte 8/11] S. 6) - eher darauf hin, dass die Eltern nicht streng religiös sind. Eine Einschätzung, die durch die Angabe des Beschwerdeführers im ersten Asylverfahren bestärkt wird, gab er doch an, sein Vater und sein Onkel seien zwar seit ihrer Geburt Muslime, jedoch glaubten sie nicht etwa an "Scheiche und solche Sachen" (vgl. Akte A14/20 S. 13).

    7. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nicht glaubhaft erscheint, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Heirat mit einer Schweizerin durch seine irakische Familie bedroht worden ist oder künftig wäre. Vielmehr ist im Gesamtkontext davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, dem durch das Migrationsamt des Kantons G. am 13. November 2018 die Aufenthaltsbewilligung (vgl. Akte 6/7 S. 2) widerrufen wurde, Sachumstände konstruiert, um sich ein Bleiberecht in der Schweiz zu verschaffen. Das SEM wies in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass der Beschwerdeführer nach seiner Wiedereinreise in die Schweiz kein Asylgesuch stellte und auch nach der im November 2018 von seiner Ehefrau erfolgten Trennung noch ein Jahr mit einer Asylgesuchstellung zuwartete.

    8. Die Ausführungen in der Beschwerde sind nicht geeignet, zu einem anderen Schluss zu führen, da sich diese im Wesentlichen in blossen Wiederholungen bereits bekannter Sachverhaltselemente erschöpfen. Insofern in der Rechtsmittelschrift zudem eingewendet wird, der Beschwerdeführer müsse bei einer Rückkehr auch mit Behelligungen durch seinen Cousin rechnen, ist dieses Vorbringen als nicht stichhaltig zu erachten. Der Beschwerdeführer trug im Rahmen der Anhörung explizit vor, die im ersten Asylverfahren dargelegten Probleme mit dem Cousin hätten sich nunmehr gelegt nachdem der Vater auf alles verzichtet habe (vgl. Akte 5/22 F147).

    9. Der Beschwerdeführer erfüllt nach dem Gesagten die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht. Das SEM hat sein Mehrfachgesuch zu Recht abgelehnt.

6.

    1. Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das Staatssekretariat in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt.

      Wie zuvor erwähnt, wurde die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers rechtskräftig widerrufen. Er verfügt somit derzeit nicht über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung. Auch hat er keinen Anspruch auf Erteilung einer solchen (vgl. BVGE 2009/50 E. 9). Die Wegweisung ist demnach zu Recht erfolgt.

    2. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG, vormals: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer; AUG [SR 142.20]).

Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

6.3

      1. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).

        So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).

        Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

      2. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann - wie vom SEM erwogen - der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden.

Auch ergeben sich - nach wie vor - keine Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des EGMR sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr («real risk») nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer, 37201/06, §§ 124-127 m.w.H.). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation im Heimatstaat lässt den Wegweisungsvollzug zum aktuellen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen.

6.4

      1. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind.

      2. Im Urteil BVGE 2008/5 hat sich das Bundesverwaltungsgericht einlässlich mit der Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in die drei damaligen kurdischen Provinzen des Nordiraks (Dohuk, Erbil und Suleimania auseinandergesetzt. Es kam zum Schluss, dass ein Wegweisungsvollzug in die kurdischen Provinzen dann zumutbar ist, wenn die betreffende Person ursprünglich aus der Region stammt, oder eine längere Zeit dort gelebt hat und über ein soziales Netz (Familie, Verwandtschaft oder Bekanntenkreis) oder aber über Beziehungen zu den herrschenden Parteien verfügt (vgl. BVGE 2008/5 E. 7.5, insbesondere E. 7.5.1 und 7.5.8).

        Diese Praxis wurde in den folgenden Jahren durch das Bundesverwaltungsgericht bekräftigt. Im Referenzurteil E-3737/2015 vom 14. Dezember 2015 wurde die Lage im Nordirak neuerlich überprüft. Festgestellt wurde, dass in den vier Provinzen der ARK aktuell nach wie vor nicht von einer Situation allgemeiner Gewalt im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AIG auszugehen ist. An dieser Einschätzung, welche jeweils auf die die aktuell herrschende Lage fokussiert, ändert auch das am 25. September 2017 in der ARK durchgeführte Referendum nichts, in dem offenbar eine Mehrheit der Kurden für die Unabhängigkeit vom Irak votierte. Den begünstigenden individuellen Faktoren - insbesondere denjenigen eines tragfähigen familiären Beziehungsnetzes - ist angesichts der Belastung der behördlichen Infrastrukturen durch im Irak intern Vertriebene (Internally Displaced Persons [IDPs]) gleichwohl ein besonderes Gewicht beizumessen (vgl. dazu statt vieler Urteil des BVGer D-6464/2018 vom 26. Februar 2020 E. 10.2.2).

      3. Der Beschwerdeführer stammt ursprünglich aus der nordirakischen Provinz C. (vgl. A3/12 S. 3 ff.). Seine Familie hat seinen Angaben zufolge in der Provinz D. , welche ebenfalls zur ARK gehört, Wohnsitz genommen (vgl. A14/20 S. 3). Der Beschwerdeführer hatte zudem früher im Nordirak eine Arbeitsstelle inne und konnte in der Schweiz ebenfalls einer Erwerbstätigkeit nachgehen (vgl. A3/12 S. 4, A14/20 S. 11, Akte 5/22 F49) und verfügt somit über Berufserfahrung. Aufgrund der Arbeitserfahrung und seines im Nordirak vorhandenen, tragfähigen Familiennetzes ist davon auszugehen, dass ihm eine soziale und wirtschaftliche Reintegration ohne weiteres gelingen wird. Der Vollzug der Wegweisung erweist sich als zumutbar.

    1. Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).

    2. Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AIG).

7.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung

Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

8.

Das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses wird mit vorliegendem Entscheid gegenstandslos.

9.

Angesichts dieser Sachlage sind die gestellten Rechtsbegehren als aussichtslos zu bezeichnen. Die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und der Rechtsverbeiständung (Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG) sind - ungeachtet der belegten Mittellosigkeit - nicht erfüllt. Die entsprechenden Anträge sind abzuweisen.

10.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von Fr. 750.- (Art. 1- 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung werden abgewiesen.

3.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:

Constance Leisinger Claudia Jorns Morgenegg

Versand:

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