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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-5359/2018

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-5359/2018

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-5359/2018
Datum:08.01.2020
Leitsatz/Stichwort:Vollzug der Wegweisung
Schlagwörter : Recht; Vorinstanz; Wegweisung; Familie; Staat; Mutter; Verfahren; Sachverhalt; Verfügung; Bundesverwaltungsgericht; Beschwerdeführers; Schule; Vollzug; Schwester; Äthiopien; Eingabe; Familienzusammenführung; Somali; Identität; Aussagen; Person
Rechtsnorm: Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-5359/2018

U r t e i l  v o m  8.  J a n u a r  2 0 2 0

Besetzung Richter Jürg Marcel Tiefenthal (Vorsitz), Richter David R. Wenger,

Richterin Jeannine Scherrer-Bänziger; Gerichtsschreiber Daniel Widmer.

Parteien A. ,

Staat unbekannt,

vertreten durch MLaw Roman Schuler, Rechtsanwalt, Advokatur Kanonengasse,

(...),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Wegweisung und Vollzug der Wegweisung; Verfügung des SEM vom 17. August 2018 / N (...).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer suchte am (...) 2018 im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) B. um Asyl nach. Am 26. April 2018 führte das SEM im EVZ C. die Befragung zur Person (BzP) durch und am

23. Mai 2018 hörte es ihn im Beisein einer Vertrauensperson zu seinen Asylgründen an. Er machte im Wesentlichen geltend, er sei als somalischer

Staatsangehöriger vom Clan D.

in der somalischen Stadt

E. geboren, wo er immer im Quartier F. gelebt habe. Er habe (...) ältere Geschwister und einen etwas jüngeren Bruder. Als er noch sehr klein gewesen sei, habe er in E. einige Monate lang eine Koranschule besucht. Sein Vater sei von seinem Stamm zum (...) gewählt worden und habe dessen Rechte verteidigt. Er sei verhaftet und wahrscheinlich im Gefängnis umgebracht worden. Weil der Beschwerdeführer danach den mächtigen Clans schutzlos ausgeliefert gewesen sei, sei seine Mutter mit der Familie nach G. in Somaliland gezogen. Dort habe er längere Zeit gelebt, aber die Schule nicht besucht. Seine Mutter habe kein genügendes Einkommen erzielt, um den Lebensunterhalt der Familie

zu bestreiten. Seine Schwester H.

sei im Jahr 2015 von

G. nach I. ausgereist. In der Folge sei seine Mutter mit ihm und seinen übrigen Geschwistern nach J. in Äthiopien gezo-

gen. Sie habe ein Grundstück in E.

verkauft und eines in

J. gekauft. Er habe dort ein Jahr gelebt und die Schule besucht. Er habe aber in J. keine Existenzgrundlage gehabt und sei wegen seiner Clanzugehörigkeit von seinen Mitschülern und Lehrern verachtet und diskriminiert worden. Einmal sei er zusammen mit anderen Jugendlichen festgenommen worden, weil sie alle lange Haare gehabt hätten. Zudem sei er auf der Strasse wiederholt nach Ausweisen gefragt worden. Deshalb habe er Äthiopien (...) 2017 in Richtung K. verlassen und sei in der Folge über L._ und M. in die Schweiz gereist.

B.

Mit Verfügung vom 17. August 2018 - eröffnet spätestens am 27. August 2018 - stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte das Asylgesuch ab. Zugleich verfügte es die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug an.

C.

Der Beschwerdeführer beantragte durch seinen Rechtsvertreter mit Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 19. September 2018, die Verfügung der Vorinstanz sei in den Ziffern 3-5 des Dispositivs aufzuheben, die Sache sei zur rechtsgenüglichen Sachverhaltsfeststellung sowie zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter sei wegen Unzulässigkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme anzuordnen. Es sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten und ihm der rubrizierte Rechtsvertreter als unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bestellen. Der Eingabe lag eine Unterstützungsbedürftigkeitserklärung bei.

D.

Mit Zwischenverfügung vom 25. September 2018 teilte die damals zuständige Instruktionsrichterin dem Beschwerdeführer mit, er dürfe den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten. Zudem wurde das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gutgeheissen, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses verzichtet und dem Beschwerdeführer antragsgemäss sein Rechtsvertreter als amtlicher Rechtsbeistand beigeordnet. Schliesslich wurde er aufgefordert, innert Frist einen Arztbericht beziehungsweise ein ärztliches Zeugnis einzureichen.

E.

Am 3. Oktober 2018 wurde ein Arztbericht vom 30. September 2018 fristgerecht zu den Akten gereicht.

F.

Die Instruktionsrichterin übermittelte dem SEM am 10. Oktober 2018 die Akten zur Vernehmlassung.

G.

In seiner Vernehmlassung vom 12. Oktober 2018 beantragte das SEM die Abweisung der Beschwerde. Es führte aus, der in der Beschwerdeschrift erwähnte und durch das ärztliche Zeugnis vom 30. September 2018 belegten Umstand, dass die N. -Therapie des Beschwerdeführers neu habe begonnen werden müssen und nun bis mindestens (...) 2019 dauere, sei bei der Neuansetzung der Ausreisefrist zu berücksichtigen. Es entspreche der Praxis des SEM, dass die N. bis zum Abschluss der Therapie in der Schweiz behandelt werden könne.

H.

Aus organisatorischen Gründen wurde das vorliegende Verfahren am

7. Januar 2019 zur Behandlung auf Richter Jürg Marcel Tiefenthal übertragen.

I.

Mit Eingabe vom 13. September 2019 reichte der Rechtsvertreter eine Kopie der (...) Aufenthaltserlaubnis und Identitätskarte der Schwester H. des Beschwerdeführers ein. Diesem sei es gelungen, den Kontakt zur volljährigen H. wiederherzustellen. Zudem habe er den Wunsch einer Überstellung nach I. geäussert. H. sei dort am (...) 2017 als Flüchtling anerkannt worden und verfüge über eine permanente Aufenthaltsbewilligung. Der Rechtsvertreter habe telefonisch

Kontakt mit H.

aufnehmen können. Sie habe ebenfalls den

Wunsch geäussert, dass ihr jüngerer Bruder zu ihr nach I. transferiert werde. Die Vorinstanz sei im Rahmen einer zweiten Vernehmlassung einzuladen, sich zu einer Kontaktaufnahme mit den schwedischen Asylbehörden und Prüfung einer Familienzusammenführung des minderjährigen Beschwerdeführers mit seiner volljährigen Schwester in I. zu äussern. Mit Blick auf das Kindeswohl seien die Möglichkeiten einer Familienzusammenführung erneut zu prüfen, wobei auch auf Art. 6 Abs. 3 und 4 sowie Art. 8 Dublin-III-Verordnung hingewiesen wurde, da nun Kontaktangaben und Aufenthaltsstatus der Schwester des Beschwerdeführers bekannt seien und beide den Wunsch betreffend Familienzusammenführung geäussert hätten.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Am 1. März 2019 ist die Teilrevision (AS 2016 3101) des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG) in Kraft getreten. Für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).

    4. Am 1. Januar 2019 wurde das Ausländergesetz vom 16. Dezember

      2005 (AuG, SR 142.20) teilrevidiert (AS 2018 3171) und in Ausländerund Integrationsgesetz (AIG) umbenannt. Der vorliegend anzuwendende Gesetzesartikel (Art. 83 Abs. 1-4) ist unverändert vom AuG ins AIG übernommen worden, weshalb das Gericht nachfolgend die neue Gesetzesbezeichnung verwendet.

    5. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bilden die verfügte Wegweisung und deren Vollzug. Die Ziffern 1 (Verneinung der Flüchtlingseigenschaft) und 2 (Ablehnung des Asylgesuchs) der Verfügung vom

17. August 2018 sind daher mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.

4.

    1. Zur Begründung ihrer abweisenden Verfügung führte die Vorinstanz aus, die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Person, seinem Lebenslauf und seiner Herkunft seien sehr dürftig ausgefallen. So habe er bei der BzP angegeben, weder sein Geburtsjahr noch das Alter seiner Geschwister zu kennen, und nicht zu wissen, in welchem Alter er Somalia verlassen habe. Ebenso sei ihm unbekannt, wann er Somalia verlassen habe

      und wann er von E. nach G. gezogen sei. Auch über seinen Clan habe er auf entsprechende Fragen hin nur wenige oberflächliche Angaben gemacht. So habe er weder gewusst, wo dieser beheimatet sei, noch mit welchen anderen Clans er gute Beziehungen pflege. Wer der Führer des Clans sei, sei ihm ebenfalls nicht bekannt gewesen. Auch bei der Anhörung habe er sich nicht auf genaue Angaben festlegen wollen. So habe er auf entsprechende Frage hin gesagt, er habe "eine Weile" in G. gelebt, könne sich aber nicht erinnern, wieviele Jahre dies gewesen seien. Erst auf die Frage hin, ob er länger in G. oder länger in J. gelebt habe, sei er etwas konkreter geworden, indem er gesagt habe, er habe nur etwas mehr als ein Jahr in J. , aber auch eine längere Zeit in G. verbracht. Dennoch habe er auf entsprechende Nachfragen hin nicht anzugeben vermocht, mit welcher Währung in G. bezahlt werde. Der Name der äthiopischen Währung sei ihm hingegen bekannt gewesen. Zudem habe er bezüglich der genauen Herkunft seiner Eltern widersprüchliche Angaben gemacht. So habe er bei der BzP zu verstehen gegeben, dass sein Vater innerhalb von E. aus

      dem Quartier F.

      stamme, während seine Mutter früher in

      O. gelebt habe. Bei der Anhörung habe er hingegen gesagt, die Verwandten seines Vaters hätten im Quartier O. gelebt, und die Verwandten seiner Mutter würden im Quartier F. leben. Bezüglich seiner Schulbildung habe er angegeben, er habe in E. weniger als ein Jahr lang eine Koranschule, in G. nie eine Schule besucht und sei auch in Äthiopien nicht einmal ein Jahr zur Schule gegangen. Auf Nachfrage hin habe er indessen ausgeführt, er sei in J. je nach Fach in den Sprachen Somali, Amharisch und Englisch unterrichtet worden. Dies sei jedoch - so das SEM - mit seinen Angaben bezüglich Schulbildung nicht in Einklang zu bringen, zumal bereits das Erlernen der unterschiedlichen Schriften dieser Sprachen mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein dürfte und er gemäss seinen Aussagen in G. keine andere Sprache als Somali gehört habe. Auf entsprechenden Vorhalt hin habe er erklärt, es sei zwar sehr schwer, dem Unterricht in drei Sprachen ohne entsprechende Vorkenntnisse zu folgen, doch wenn man sich anstrenge, sei es möglich. Dies überzeuge indessen aus den dargelegten Gründen nicht. Im weiteren Verlauf der Anhörung habe er überdies ausgeführt, er habe von seinem Bruder Privatunterricht erhalten und erfolgreich eine Prüfung abgelegt, welche ihn zum Besuch der (...) Klasse berechtigt habe. Dies sei mit seinen zuvor zu seinem Lebenslauf und seiner Schulbildung gemachten Angaben offensichtlich unvereinbar. Aus den genannten Gründen sei davon auszugehen, dass die von ihm zu seiner Person und seinem Lebenslauf gemachten Angaben in wesentlichen Punkten erfunden seien.

      Demzufolge entbehrten die von ihm geltend gemachten Ausreisegründe einer haltbaren Grundlage, so dass sie ebenfalls nicht glaubhaft seien.

      Überdies stehe unter den dargelegten Umständen die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers nicht fest. Dies sei ihm gegen Ende der Anhörung zur Kenntnis gegeben worden. Daraufhin habe er lediglich darauf verwiesen, dass er Somali spreche und Moslem sei. Diese Umstände bewiesen jedoch entgegen seiner Behauptung nicht, dass er somalischer Staatsangehöriger sei. Zudem habe er keine schriftlichen Unterlagen eingereicht, die Rückschlüsse auf seine Identität und insbesondere seine Staatsangehörigkeit ermöglichen würden. Zumal er gemäss seinen Aussagen eine in I. lebende Schwester habe und seine Familienangehörigen offenbar in einer mit Telekommunikationsmitteln erschlossenen äthiopischen Stadt lebten, sei anzunehmen, dass ihm die Beschaffung schriftlicher Identitätsbelege möglich wäre. Seine Staatsangehörigkeit sei demzufolge als unbekannt zu erachten.

    2. In der Beschwerde wurde dagegen vorgebracht, das SEM habe es versäumt, den Sachverhalt bezüglich des Wegweisungspunkts richtig und vollständig abzuklären. Der Beschwerdeführer habe präzise Angaben zu seiner Clanzugehörigkeit und auch zu seinem letzten Wohnort bei seiner Mutter in J. gemacht. Er habe bereits bei der BzP den vollständigen Namen seiner Mutter und seines Vaters sowie seine letzte Wohnadresse, wo seine Mutter nach wie vor wohne, und die Adresse seiner Schule genannt. Die Vorinstanz habe es dennoch unterlassen, mittels einer Botschaftsabklärung vor Ort in Äthiopien zu prüfen, ob er auf ein kindsgerechtes familiäres Umfeld zurückgreifen könne. Zudem habe sie es auch versäumt, eine Linguaanalyse zu erstellen. Damit habe sie es unterlassen, wichtige Sachverhaltselemente angemessen zu berücksichtigen. Damit habe sie den Untersuchungsgrundsatz (und auch die Begründungspflicht) verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig beziehungsweise unvollständig abgeklärt. Deshalb sei die Sache an die Vorinstanz zur vertieften Abklärung des Sachverhalts zurückzuweisen.

5.

    1. Die in der Beschwerde erhobenen formellen Rügen sind vorab zu beurteilen, da sie allenfalls geeignet wären, eine Kassation der vorinstanzlichen Verfügung zu bewirken.

    2. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz den rechtserheblichen Sachverhalt noch vertiefter hätte abklären sollen, zumal dem Beschwerdeführer im Rahmen der BzP und der Anhörung zu seiner angeblichen Herkunft wie auch den Asylgründen zahlreiche Fragen gestellt wurden und dieser abschliessend auch erklärte, dass er alles für sein Asylgesuch Wesentliche habe sagen können. Namentlich steht seine Staatsangehörigkeit nicht fest. Er will von seinem angeblichen Heimatstaat erst im Alter von rund (...) oder (...) Jahren nach Äthiopien gezogen sein und sich dort nur während rund eines Jahres aufgehalten haben. Er habe in E. im Alter von (...) Jahren während kurzer Zeit beziehungsweise während weniger als eines Jahres eine Koranschule besucht, bevor er von dort weggezogen sei (vgl. act. [ ]) beziehungsweise er wisse nicht, wie alt er damals gewesen sei, aber die Koranschule habe er während rund (...) Monaten besucht (vgl. act. [ ]). Deshalb erscheint auf den ersten Blick nachvollziehbar, dass seine Aussagen betreffend seine ersten Lebensjahre in E. nicht sehr detailliert ausgefallen sind. Dies ist jedoch insofern zu relativieren, als er erklärte, er habe seine Mutter immer wieder bezüglich seines in E. ums Leben gekommenen Vater gefragt und sie habe ihm darüber berichtet (vgl. act. [ ]). So erstaunt, dass er keine Namen von in E. vorherrschenden Clans zu nennen vermochte (vgl. a.a.O., [ ], act. [ ]) und sich hinsichtlich der dortigen Herkunftsquartiere seiner Eltern widersprach (vgl. a.a.O., act. [ ] und act. [ ]). Zudem sind die Angaben bezüglich seines angeblichen neuen Wohnorts G. dürftig ausgefallen, und dies obwohl er sich dort während rund sieben Jahre aufgehalten haben müsste, wenn davon ausgegangen wird, dass seine Aussagen zutreffen, er habe sich während ungefähr eines Jahres beziehungsweise etwas mehr in Äthiopien aufgehalten (vgl. a.a.O., [ ]) und sei gemäss den Angaben seiner Mutter (...) Jahre alt gewesen, als er diesen Staat (...) 2017 in Richtung K. verlassen habe (vgl. act. [ ]). So sei er noch ein Kind gewesen, als die Familie E. verlassen habe,

      aber in G.

      gross geworden. Er habe dort "eine Weile" gelebt,

      könne aber nicht sagen, wieviele Jahre. In G.

      sei er nicht zur

      Schule gegangen, da er noch zu jung gewesen sei, und auch die Koranschule habe er nicht besucht, weil sie dort keinen festen Platz gehabt hätten. Sie hätten in einem traditionellen somalischen Haus gewohnt, das sie mithilfe der Nachbarn aus (...) gebaut und mit (...) hätten. Seine Mutter habe sich in G. , einer sehr kleinen Grenzstadt, keine Lebensgrundlage schaffen können. Auf beiden Seiten habe es Grenzkontrollen gegeben. Als sie von dort nach Äthiopien gezogen seien, seien sie kontrolliert worden. Nur sein Bruder habe Schulzeugnisse von Somalia gehabt. Diese seien aber bei der Grenzkontrolle wertlos gewesen. Trotzdem hätten

      sie die Grenze passieren dürfen. Die in Somaliland gebräuchliche Währung kenne er nicht. Sie sei verschieden von dem im äthiopischen Territorium verwendeten (...) (vgl. act. [ ]). Des Weiteren führte die Vorinstanz zutreffend aus, dass die Aussagen des Beschwerdeführers zu seinem Schulbesuch in Äthiopien unstimmig und mit seinen zuvor gemachten Angaben zu seinem Lebenslauf nicht vereinbar seien (vgl. a.a.O., [ ]). Insbesondere erklärte er, er sei in J. nur ein Jahr lang zur Schule gegangen (vgl. a.a.O., [ ]), wobei er einerseits im Alter von (...) oder (...) Jahren die erste Klasse besucht habe und der Unterricht dreisprachig gewesen sei (vgl. a.a.O., [ ]), und anderseits in dieser Zeit eine Prüfung abgelegt und bestanden habe, die ihn zum Besuch der (...) Klasse berechtigt hätte (vgl. a.a.O., [ ]). Unter diesen Umständen hielt der Befrager gegen Ende der Anhörung zu Recht fest, dass bislang keine schriftlichen Hinweise betreffend die Identität des Beschwerdeführers vorlägen und es diesem möglich sein sollte, zwecks Einreichung entsprechender Dokumente einen Familienangehörigen zu kontaktieren (vgl. a.a.O., [ ]). Auch die vom Befrager aufgrund der nicht plausiblen Aussagen zum Schulbesuch geäusserte Vermutung, dass der Beschwerdeführer viel länger als von ihm angegeben in J. gelebt habe, ist nicht von der Hand zu weisen (vgl. a.a.O., [ ]). Nach dem Gesagten erweist sich der Vorwurf der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes als unbegründet. Sodann erscheint unter den gegebenen Umständen zum Nachweis der geltend gemachten somalischen Staatsangehörigkeit weder eine Botschaftsabklärung noch eine Linguaanalyse zielführend. Vielmehr muss sich der Beschwerdeführer trotz seiner Minderjährigkeit eine Verletzung der Mitwirkungspflicht vorwerfen lassen, zumal in Übereinstimmung mit der Vorinstanz davon auszugehen ist, dass ihm die Beschaffung schriftlicher Identitätsbelege über seine offenbar in einer mit Telekommunikationsmitteln erschlossenen äthiopischen Stadt lebenden Familienangehörigen möglich sein sollte. So fällt auf, dass der Beschwerdeführer, auf schriftliche Belege und die digitale Kommunikation angesprochen, wiederholt ausweichende Antworten gab beziehungsweise Verbindungsschwierigkeiten vorschob (vgl. a.a.O., [ ]) und es insbesondere ablehnte, sich zu allfälligen Belegen im Zusammenhang mit dem Grundstückerwerb durch seine Mutter in J. zu äussern (vgl. a.a.O., [ ]). Zudem führte er in seiner Eingabe vom 13. September 2019 mit keinem Wort aus, wie es ihm gelungen sei, den Kontakt zu seiner in I. wohnhaften Schwester wiederherzustellen. Nach dem Gesagten erweist sich die Rüge der unvollständigen beziehungsweise unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts als unbegründet. Auch hat die die Vorinstanz die Begründungspflicht nicht verletzt.

    3. Die vom Beschwerdeführer erhobenen formellen Rügen erweisen sich nach dem Gesagten als unbegründet. Damit besteht keine Veranlassung, die angefochtene Verfügung zu kassieren, weshalb das entsprechende Begehren abzuweisen ist.

6.

Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das Staatssekretariat in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.). Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet.

7.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG).

    2. Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

    3. Aufgrund des Umstands, dass der Beschwerdeführer unglaubhafte Angaben gemacht und keine Identitätspapiere eingereicht hat, stehen seine Identität und seine genaue Herkunft nicht zweifelsfrei fest. Dem Gericht ist es demnach nicht möglich, sich in voller Kenntnis der tatsächlichen persönlichen und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers zum Vollzug der Wegweisung - auch in Bezug auf die im Rahmen des Kindeswohls spezifisch zu berücksichtigenden Aspekte - zu äussern, was aber für die Überprüfung von möglichen Vollzugshindernissen grundsätzlich Voraussetzung ist. Wegweisungshindernisse sind zwar grundsätzlich von Amtes wegen zu prüfen (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 12 VwVG). Diese Untersuchungspflicht findet jedoch nach Treu und Glauben ihre Grenzen an der Mitwirkungspflicht der beschwerdeführenden Person (Art. 8 AsylG), die im Übrigen auch die Substanziierungslast trägt (Art. 7 AsylG). Es kann nicht Sache der Asylbehörden sein, nach allfälligen Wegweisungsvollzugshindernissen zu forschen, wenn die asylsuchende Person durch Nichtabgabe rechtsgenüglicher Identitätspapiere und unglaubhafte Aussagen eine vernünftige

      Prüfung des Wegweisungsvollzugs verhindert. Auch der unbegleitete Minderjährige hat - unter einzelfallgerechter Berücksichtigung des jeweiligen Alters - die Pflicht, an der Feststellung des erheblichen Sachverhalts mitzuwirken. Bei pflichtwidriger Unterlassung hat er die Folgen der Beweislosigkeit in Bezug auf die unter dem Aspekt des Kindeswohls gegebenenfalls zu berücksichtigenden Tatsachen zu tragen. Somit ist im vorliegenden Fall insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer gemäss seinen Angaben (...) Jahre alt sein dürfte. Sodann zeichnet er sich durch eine nicht geringe Selbständigkeit aus, wie die Bewerkstelligung der weiten Reise in die Schweiz zeigt. Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist in Bestätigung der Vorinstanz davon auszugehen, er habe es pflichtwidrig unterlassen, bei der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts mitzuwirken. Er hat deshalb die Folgen seiner mangelhaften Mitwirkung respektive Verheimlichung seiner wahren persönlichen Verhältnisse zu tragen, indem vermutungsweise davon auszugehen ist, einer Wegweisung in seinen tatsächlichen Heimatoder Herkunftsstaat stünden keine Vollzugshindernisse im gesetzlichen Sinne entgegen (vgl. BVGE 2015/10 E. 8.2). Seinem Ersuchen in der Eingabe vom 13. September 2019, die Vorinstanz sei im Rahmen einer zweiten Vernehmlassung einzuladen, sich zu einer Kontaktaufnahme mit den (...) Asylbehörden und einer Familienzusammenführung mit seiner Schwester in I. zu äussern, ist nicht nachzukommen. So hat er eine solche Familienzusammenführung entgegen den Ausführungen in der Eingabe vom 13. September 2019 im vorinstanzlichen Verfahren ausdrücklich abgelehnt und dies auch begründet (vgl. act. [ ], act. [ ]). Zudem bildete die Familienzusammenführung nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens und steht es dem Beschwerdeführer oder seiner Schwester in I. jederzeit frei, dort ein Gesuch um Familienzusammenführung zu stellen. Sodann sind die Möglichkeiten einer Familienzusammenführung mit Blick auf das Kindeswohl entgegen den Ausführungen in der Eingabe vom 13. September 2019 auch unter Heranziehung gewisser Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung nicht zu prüfen, da die vorliegende Beschwerde nicht ein Dublin-Verfahren betrifft. Schliesslich ist aufgrund der Aktenlage davon auszugehen, dass die N. -Therapie des Beschwerdeführers zwischenzeitlich erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

    4. Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Die Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).

8.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und auch sonst nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.

9.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Der Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wurde jedoch mit Zwischenverfügung vom 28. September 2018 gutgeheissen.

    2. Mit der gleichen Zwischenverfügung wurde dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtsverbeiständung gewährt und MLaw Roman Schuler, Rechtsanwalt, als amtlicher Vertreter eingesetzt. Der Rechtsvertreter machte in seiner Honorarnote vom 1. November 2018 einen zeitlichen Aufwand von 13.90 Stunden zu einem Stundenansatz von Fr. 220.- sowie Auslagen in der Höhe von Fr. 18.80 geltend. Der zeitliche Aufwand erscheint nicht angemessen und ist auf 11.90 Stunden zu kürzen. Hinzu kommt die Eingabe vom 13. September 2019, welche mit 0.50 Stunden zu veranschlagen ist, sowie das Porto. Dem Rechtsbeistand ist somit vom Bundesverwaltungsgericht ein Honorar in der Höhe von insgesamt Fr. 2'964.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuerzuschlag) auszurichten.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Dem amtlichen Rechtsbeistand wird zu Lasten der Gerichtskasse ein Honorar in Höhe von Fr. 2'964.- zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Jürg Marcel Tiefenthal Daniel Widmer

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