Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-3579/2018 |
Datum: | 18.12.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung (Mehrfachgesuch/Wiedererwägung) |
Schlagwörter : | Beschwerde; Deführerin; Beschwerdeführerin; Behandlung; Äthiopien; Wegweisung; Medizinische; Recht; Bundesverwaltungsgericht; Verfügung; Bericht; Psychisch; Psychiatrische; Psychische; Rückkehr; Vollzug; Heimat; Verfahren; Psychischen; Wegweisungsvollzugs; Gesundheitszustand; Behandlungen; Zumutbar; Heimatstaat; Medikamente; Angefochtene; Asylverfahren; ärztliche; Vorinstanz; Alleinstehend |
Rechtsnorm: | Art. 49 BV ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 66 VwVG ; Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 136 II 177; ; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Abteilung IV D-3579/2018
Besetzung Richterin Mia Fuchs (Vorsitz),
Richter Simon Thurnheer, Richter Daniele Cattaneo, Gerichtsschreiberin Regula Aeschimann.
Parteien A. , geboren am (…), Äthiopien,
vertreten durch lic. iur. LL.M. Tarig Hassan, Advokatur Kanonengasse,
(…),
Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Vollzug der Wegweisung
(Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid); Verfügung des SEM vom 22. Mai 2018 / N (…).
Die Beschwerdeführerin suchte am 1. Oktober 2012 in der Schweiz um Asyl nach. Mit Verfügung vom 4. Dezember 2013 stellte die Vorinstanz fest, sie erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte ihr Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete deren Vollzug an. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil D-79/2014 vom 30. April 2014 ab.
Am 22. Juni 2016 reichte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter beim SEM ein Wiedererwägungsgesuch ein und beantragte die Feststellung der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs sowie die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme. Zudem sei dem Gesuch die aufschiebende Wirkung zu erteilen und das zuständige Migrationsamt sei anzuweisen, von jeglichen Vollzugshandlungen Abstand zu nehmen. Weiter wurde in verfahrensrechtlicher Hinsicht um Befreiung von der Bezahlung der Verfahrenskosten und Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht. Als Beweismittel gab die Beschwerdeführerin einen Bericht des (…) vom 12. April 2016 und einen weiteren Bericht der (…) vom 15. Juni 2016 zu den Akten.
Mit Eingabe vom 7. Dezember 2017 liess die Beschwerdeführerin dem SEM erneut zwei Berichte der Institution (…) vom 27. November 2017 und vom 25. Juli 2016 sowie ein ärztliches Zeugnis ihres Hausarztes B. vom 27. November 2017 zukommen.
Mit am Folgetag eröffneter Verfügung vom 22. Mai 2018 wies das SEM das Wiedererwägungsgesuch ab, erklärte die Verfügung vom 4. Dezember 2013 für rechtskräftig und vollstreckbar und hielt fest, einer allfälligen Beschwerde komme keine aufschiebende Wirkung zu.
Der rubrizierte Rechtsvertreter erhob im Namen der Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 20. Juni 2018 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen diesen Entscheid. Darin wurde beantragt, die angefochtene Verfügung sei vollumfänglich aufzuheben und es sei eine vorläufige Aufnahme aufgrund der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs anzuordnen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um Erteilung der aufschiebenden Wirkung, Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung, Verzicht
auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands in der Person des unterzeichnenden Rechtsvertreters ersucht. Der Beschwerde lagen eine Vollmacht vom
10. Dezember 2013 und die angefochtene Verfügung bei.
Am 21. Juni 2018 ging eine von der Beschwerdeführerin selbst unterzeichnete Eingabe (datiert auf den 14. Dezember 2017) beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher sie Beschwerde gegen den Entscheid des SEM vom 22. Mai 2018 erhob. Sie beantragte dabei die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die wiedererwägungsweise Feststellung, dass der Vollzug der Wegweisung in ihrem Fall unzumutbar sei. Zudem wurde darum ersucht, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten und die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren. Neben der angefochtenen Verfügung lag der Eingabe ein unvollständiger Arztbericht von 12. Juni 2018 bei.
Mit superprovisorischer Massnahme vom 21. Juni 2018 setzte das Bundesverwaltungsgericht den Vollzug der Wegweisung per sofort einstweilen aus.
Die Instruktionsrichterin erteilte der Beschwerde mit Zwischenverfügung vom 2. Juli 2018 die aufschiebende Wirkung und hielt fest, die Beschwerdeführerin könne den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten. Gleichzeitig hiess sie das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung – unter der Voraussetzung des fristgerechten Nachreichens einer Fürsorgebestätigung – gut und wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung gemäss Art. 65 Abs. 2 VwVG ab. Die Beschwerdeführerin wurde unter Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfall aufgefordert, eine Fürsorgebestätigung nachzureichen oder einen Kostenvorschuss zu bezahlen. Weiter wurde sie aufgefordert, ärztliche Berichte hinsichtlich ihres physischen und psychischen Gesundheitszustands einzureichen, welche sich zu den aktuellen und zukünftig erforderlichen Behandlungen äussern. Ferner wurde in der Zwischenverfügung festgehalten, das Gericht gehe ohne gegenteilige Mitteilung davon aus, die Beschwerdeführerin habe die Vollmacht vom 10. Dezember 2013 nicht widerrufen und der rubrizierte Rechtsvertreter sei auch für das vorliegende Verfahren zu ihrer Vertretung befugt.
Mit Eingabe vom 13. Juli 2018 liess die Beschwerdeführerin eine Fürsorgebestätigung vom 9. Juli 2018 nachreichen.
Durch ihren Rechtsvertreter reichte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 2. August 2018 ein ärztliches Zeugnis von B. vom 26. Juli 2018 und den vollständigen Bericht des (…) vom 12. Juni 2018 zu den Akten. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Ärzte im Fall einer Rückführung mit einer starken Zunahme der Symptomatik und einer akuten Suizidalität rechnen würden. Die Beschwerdeführerin werde aufgrund ihrer schweren Störung in Äthiopien nicht überlebensund erwerbsfähig sein.
Das SEM liess sich mit Schreiben vom 13. Februar 2019 zu den Eingaben auf Beschwerdeebene vernehmen. Es hielt dabei an seinen Erwägungen in der angefochtenen Verfügung fest und wies im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit eines (…)medikaments auf ein medizinisches Consulting zu Äthiopien vom 2. April 2015 hin.
Mit Schreiben vom 6. März 2019 liess die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter mitteilen, es werde auf eine Replik verzichtet, da die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung Nichts vorbringe, auf das nicht bereits in der Beschwerdeschrift eingegangen worden sei. Zudem wurde ein ärztlicher Bericht des (…) vom 4. März 2019, eine Verordnung zur Ergotherapie sowie ein gynäkologischer Bericht des Spitals C. vom 25. Oktober 2016 eingereicht.
Die Instruktionsrichterin forderte die Beschwerdeführerin mit Zwischenverfügung vom 8. September 2020 auf, einen aktuellen Bericht zu ihren gesundheitlichen Beschwerden und den benötigten medizinischen Behandlungen einzureichen.
Mit Eingabe vom 30. Oktober 2020 reichte die Beschwerdeführerin einen ärztlichen Bericht des (…) vom 27. Oktober 2020 zu den Akten, in welchem die Entwicklung ihres Gesundheitszustands sowie die aktuelle psychiatrische Medikation dargelegt wurde. Gleichzeitig gab der Rechtsvertreter eine aktuelle Kostennote zu den Akten.
Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG (SR 142.31) in Kraft getreten (AS 2016 3101). Für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – so auch vorliegend – endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie ist daher zur Einreichung einer Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG und im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Das Wiedererwägungsverfahren ist im Asylrecht spezialgesetzlich geregelt (vgl. Art. 111b ff. AsylG). Ein entsprechendes Gesuch ist dem SEM innert 30 Tagen nach Entdeckung des Wiedererwägungsgrunds schriftlich und begründet einzureichen; im Übrigen richtet sich das Verfahren nach den revisionsrechtlichen Bestimmungen von Art. 66-68 VwVG (aArt. 111b Abs. 1 AsylG).
In seiner praktisch relevantesten Form bezweckt das Wiedererwägungsgesuch die Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an eine nachträglich eingetretene erhebliche Veränderung der Sachlage (vgl.
BVGE 2014/39 E. 4.5 m.w.H.). Nach Art. 66 Abs. 2 VwVG liegen Revisionsgründe unter anderem dann vor, wenn eine Partei neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorbringt (Bst. a). Neue Beweismittel im Sinne von Art. 66 Abs. 2 Bst. a VwVG müssen entweder den Beweis für neue erhebliche Tatsachen oder den Beweis für Tatsachen erbringen können, deren Existenz oder Eigenschaften im Beschwerdeverfahren respektive im Asylverfahren vor dem SEM zum Nachteil der Beschwerdeführerin unbewiesen geblieben sind. Die Einleitung eines Wiedererwägungsverfahrens ist dabei nicht beliebig zulässig. Dieses darf insbesondere nicht dazu dienen, die Rechtskraft von Verwaltungsentscheiden immer wieder infrage zu stellen oder die Fristen für die Ergreifung von Rechtsmitteln zu umgehen (vgl. BGE 136 II 177 E. 2.1). Umstände, die bereits im Zeitpunkt des ordentlichen Beschwerdeverfahrens bestanden haben, können nicht als Wiedererwägungsgründe vorgebracht werden (Art. 66 Abs. 3 VwVG).
In casu hat das SEM den grundsätzlichen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Behandlung ihres Wiedererwägungsgesuchs vom 22. Juni 2016 nicht in Abrede gestellt. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist zu prüfen, ob das SEM zu Recht davon ausgegangen ist, dass keine Gründe vorliegen, welche die Rechtskraft der Verfügung vom 4. Dezember 2013 zu beseitigen vermögen.
Die Beschwerdeführerin begründete ihr Wiedererwägungsgesuch in erster Linie mit ihrem Gesundheitszustand. Sie leide aufgrund ihrer Vergangenheit schon seit längerem an psychischen Problemen (rezidivierende depressive Störung sowie posttraumatische Belastungsstörung [PTBS]) und befinde sich deswegen in psychiatrischer Behandlung. Zudem bestehe eine (…), was im Zusammenhang mit wiederholter sexueller Nötigung stehe. Gemäss Prognose ihrer Ärzte könnte eine Rückkehr nach Äthiopien die PTBS ungünstig beeinflussen und eine Zuspitzung oder gar Chronifizierung der Krankheitssymptome zur Folge haben. In ihrem Heimatstaat sei es äusserst fraglich, ob sie die dringend benötigten Medikamente und psychiatrische Behandlung erhältlich machen könnte. Nicht nur fehle es an den tatsächlichen Behandlungsmöglichkeiten, die Kosten dafür seien auch derart hoch, dass sie mangels finanzieller Mittel faktisch keinen Zugang dazu habe. Ohne die Sicherstellung einer angemessenen medizinischen Behandlung erweise sich der Vollzug der Wegweisung offensichtlich als unzumutbar. In Bezug auf die medizinische Rückkehrhilfe sei festzuhalten, dass diese lediglich zur Überbrückung von kurzfristigen Notsitu-
ationen diene und daher bei einer PTBS, die einer langfristigen Behandlung bedürfe, nicht ausreichend sei. Hinzu komme, dass sie in Äthiopien kein tragfähiges familiäres Netz habe, welches sie bei einer Rückkehr unterstützen könnte. Sie habe nie einen Beruf erlernt und vor der Ausreise als einfache (…) gearbeitet. Folglich geriete sie bei einer Rückkehr nach Äthiopien in eine medizinische und persönliche Notlage.
Das SEM hielt in der angefochtenen Verfügung fest, dass die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs bereits im ersten Asylverfahren geprüft worden sei. Dabei sei der Schluss gezogen worden, dass es den Asylbehörden nicht möglich sei, sich in voller Kenntnis der tatsächlichen persönlichen und familiären Verhältnisse zur Zulässigkeit und Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs der Beschwerdeführerin zu äussern, da diese unglaubhafte Angaben zu ihren persönlichen Umständen, ihrer Herkunft sowie zum Nicht-Besitzen äthiopischer Dokumente gemacht habe. Diese Auffassung sei vom Bundesverwaltungsgericht vollumfänglich gestützt worden. Die neu eingereichten Arztberichte vermöchten diese Einschätzung nicht umzustossen. Medizinische Gründe stellten nur dann ein Wegweisungsvollzugshindernis dar, wenn die Rückführung zu einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands führen würde. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Beschwerdeführerin an einer psychischen Erkrankung leide, die medikamentös behandelt werden könne. In Äthiopien seien Medikamente zur Behandlung von depressiven Episoden und PTBS erhältlich und verschiedene Krankenhäuser, darunter das öffentliche St. Amanuel Mental Hospital oder das St. Gabriel General Hospital in Addis Abeba, verfügten über die notwendige Infrastruktur für psychiatrische Behandlungen. Hinsichtlich der Finanzierung bestehe die Möglichkeit, einen Antrag auf medizinische Rückkehrhilfe zu stellen. Zudem sei erneut darauf hinzuweisen, dass es nicht Aufgabe der Asylbehörden sei, bei Asylsuchenden, die ihrer Mitwirkungsund Wahrheitspflicht nicht nachkommen, nach allfälligen Wegweisungshindernissen zu forschen. Schliesslich vermöge der allein auf Anamnese beruhende, von Spezialärzten vermutete Zusammenhang zwischen der psychischen Störung und den behaupteten Ereignissen die Letzteren nicht zu beweisen. Zwar könnten die ärztlichen Berichte darauf hindeuten, dass die Beschwerdeführerin im Lauf ihres Lebens traumatische Erfahrungen gemacht habe. Einen konkreten oder glaubhaften Zusammenhang zum – während des ersten Asylverfahrens vorgebrachten – sexuellen Missbrauch durch den Stiefvater liessen die Berichte jedoch nicht zu. Die neu eingereichten Dokumente seien folglich nicht geeignet, eine Neubeurteilung des Sachverhalts herbeizuführen. Es lägen keine Gründe vor, welche die Rechtskraft der Verfügung vom 4. Dezember
2013 beseitigen könnten, weshalb das Wiedererwägungsgesuch abzuweisen sei.
In der Beschwerdeschrift wurde dem entgegengehalten, dass eine angemessene psychiatrische Behandlung in Äthiopien entgegen der Auffassung der Vorinstanz gerade nicht gewährleistet sei. Hinsichtlich der Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin gelte es darauf hinzuweisen, dass ihre Angaben zwar nicht immer konsistent seien und in den Details gewisse Unstimmigkeiten aufwiesen. Sie habe in Bezug auf ihre Lebensumstände aber in durchaus ausführlicher und nachvollziehbarer Weise Auskunft erteilt; eine Verletzung ihrer asylgesetzlichen Mitwirkungspflicht liege nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht habe zudem in seinem Entscheid E-2202/2016 vom 22. Februar 2018 ausdrücklich festgehalten, dass selbst wenn eine Asylsuchende ihrer Mitwirkungspflicht in Bezug auf die Informationen zu ihren Lebensbedingungen in Addis Abeba nicht nachgekommen sei, nicht der Schluss gezogen werden könne, dass begünstigende sozioökonomische Faktoren vorlägen. Im Fall der Beschwerdeführerin hätte die Vorinstanz aufgrund der individuellen Umstände – namentlich des gesundheitlichen Zustands, dass sie alleinstehend sei, kein tragfähiges Beziehungsnetz habe sowie über keine massgebliche Schulund Berufsbildung verfüge – auf die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs schliessen müssen. Sie habe es jedoch unterlassen, konkret zu prüfen, ob begünstigende Faktoren vorlägen. Mit der simplen Begründung, die Mitwirkungspflicht sei verletzt worden, habe sie auf eine entsprechende Prüfung verzichtet und somit ihre Begründungspflicht, mithin den Anspruch auf rechtliches Gehör, verletzt.
Weiter sei darauf hinzuweisen, dass das schlecht ausgebaute Gesundheitssystem in Äthiopien keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen zur Verfügung stelle und die vorhandenen Strukturen für die Beschwerdeführerin mangels finanzieller Mittel faktisch nicht zugänglich seien. Eine allgemeine Gesundheitsversicherung gebe es nicht, die medizinische Versorgung sei in Äthiopien selbst im afrikanischen Vergleich ausserordentlich teuer und eine langfristige Psychotherapie für Trauma-Patienten sei gar nicht erst verfügbar. Letztere sei im Fall der Beschwerdeführerin jedoch dringend indiziert. Zudem handle es sich bei ihr um eine alleinstehende Frau ohne nennenswerte Berufsoder Schulbildung, womit sie gemäss der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einer besonders vulnerablen Gruppe gehöre. Eine Rückführung würde sie nicht nur in eine medizinische, sondern aufgrund ihrer sozioökonomischen Situation auch in eine persönliche Notlage bringen. Zudem
könnte sich ihre Erkrankung bei einer Rückkehr an den Ort, an dem ihr Trauma ausgelöst worden sei, verschlimmern. Ferner sei bei der Beurteilung der Zumutbarkeit zu beachten, dass psychisch kranke Menschen in Äthiopien Stigmatisierungen und Diskriminierungen ausgesetzt seien. Die Beschwerdeführerin wäre in der Heimat auf sich alleine gestellt und würde Gefahr laufen, abermals Opfer von physischem und psychischen Missbrauch zu werden.
In seiner Vernehmlassung führte das SEM im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin könne aus dem in der Beschwerdeschrift zitierten Urteil E-2202/2016 nichts zu ihren Gunsten ableiten, da der Grad der Verschleierung nicht vergleichbar sei mit dem vorliegenden Fall. In jenem Verfahren seien weder die Angaben zur Herkunft noch zum fehlenden Beziehungsnetz angezweifelt worden. Es sei lediglich angenommen worden, die (dortige) Beschwerdeführerin versuche ihre wahren Aufenthaltsorte und Lebensumstände während ihres Aufenthalts in Addis Abeba zu verschleiern. Vorliegend seien das Bundesverwaltungsgericht und das SEM jedoch zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdeführerin unglaubhafte Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen, zu ihrer Herkunft und zum Nicht-Besitzen äthiopischer Dokumente gemacht habe, weshalb sogar in Zweifel gezogen worden sei, ob es sich bei ihr überhaupt um eine alleinstehende Frau handle. Ergänzend sei – im Hinblick auf die auf Beschwerdeebene vorgelegte Medikamentenliste – anzumerken, dass in Äthiopien auch (…) erhältlich seien.
Im jüngsten ärztlichen Bericht des (…) vom 27. Oktober 2020 wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor regelmässig psychiatrische Therapietermine wahrnehme und einmal wöchentlich eine ambulante Ergotherapie besuche. Ihr Gesundheitszustand sei sehr instabil und sie leide an depressiven und traumaspezifischen Symptomen. Die Veränderungen der Beschäftigungsrespektive Tagesstruktur infolge der Corona-Pandemie hätten die Depression deutlich verstärkt. Dies zeige, wie sehr ihr Befinden von den äusseren Umständen abhängig sei. Neben psychiatrischen Medikamenten nehme sie solche gegen körperliche Beschwerden wie (…).
Auf Beschwerdeebene wird zunächst eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass bereits im Rahmen des ordentlichen Asylverfahrens geprüft wurde, ob der Vollzug der
Wegweisung für die Beschwerdeführerin zumutbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht wies im Urteil D-79/2014 vom 30. April 2014 ausdrücklich darauf hin, dass Wegweisungshindernisse zwar von Amtes wegen zu prüfen seien, die Untersuchungspflicht aber nach Treu und Glauben ihre Grenzen in der Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin finde. Wie bereits die Vorinstanz kam es zum Schluss, dass es vorliegend nicht möglich sei, sich in voller Kenntnis ihrer tatsächlichen persönlichen und familiären Verhältnisse zur Zulässigkeit und Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs zu äussern, da sie gegenüber den Asylbehörden unglaubhafte Angaben gemacht habe (vgl. a.a.O. E. 8.2). Bei der Beurteilung wurde auch die schwierige sozioökonomische Situation von alleinstehenden Frauen in Äthiopien in Betracht gezogen. Aufgrund der unglaubhaften Ausführungen der Beschwerdeführerin erachtete es das Gericht aber bereits als fraglich, ob es sich bei ihr überhaupt um eine alleinstehende Person handle. Es ging davon aus, dass sie im Heimatstaat über ein tragfähiges Beziehungsnetz verfüge und dass angesichts der Tatsache, dass sie vor ihrer Ausreise ein geregeltes Einkommen als (…) erzielt habe, auch eine wirtschaftliche Reintegration möglich sei. Folglich lägen die gemäss der Rechtsprechung erforderlichen begünstigen Faktoren vor (vgl. a.a.O. E. 8.8).
Das Wiedererwägungsgesuch wurde in erster Linie mit der Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands der Beschwerdeführerin begründet. In Bezug auf die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben im ersten Asylverfahren wurden keine neuen Beweismittel oder Vorbringen geltend gemacht. Die blosse Behauptung, sie habe ihre Mitwirkungspflicht nicht verletzt und durchaus gewisse (glaubhafte) Angaben zu ihren Lebensumständen in Äthiopien gemacht, ist nicht geeignet, zu einer neuen oder gar anderen Beurteilung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs zu führen. Vielmehr wurden die betreffenden Aussagen bereits im ordentlichen Asylverfahren einlässlich geprüft. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich daraus Wiedererwägungsgründe ergeben sollten. Die Rüge, das SEM habe es unterlassen zu prüfen, ob im Fall der Beschwerdeführerin begünstigende Faktoren vorliegen, erweist sich daher als unbegründet. Es bestand keine Veranlassung, diese bereits im ordentlichen Verfahren beurteilten Umstände einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor.
Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich der Vollzug der Wegweisung wegen einer medizinischen Notlage
als unzumutbar erweisen, wenn für die betroffene Person bei einer Rückkehr in die Heimat eine wesentliche medizinische Behandlung nicht erhältlich wäre. Allein der Umstand, dass die Spitalinfrastruktur oder das medizinische Fachwissen im Heimatstaat nicht dasselbe Niveau aufweisen wie in der Schweiz, reicht dabei nicht aus. Von der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs ist erst dann auszugehen, wenn die ungenügende Möglichkeit der Weiterbehandlung eine drastische und lebensbedrohende Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach sich ziehen würde (vgl. BVGE 2009/2 E. 9.3.2 und 2011/50 E. 8.3).
Die Beschwerdeführerin hat im Rahmen des ordentlichen Asylverfahrens keine gesundheitlichen Beschwerden geltend gemacht. Den eingereichten medizinischen Berichten ist zu entnehmen, dass sie sich seit April 2016 in psychiatrischer Behandlung beim (…) befindet. Dabei wurden neben einer PTBS insbesondere eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert sowie nichtorganische Insomnie und Anorexie (vgl. BVGer act. 7 Beilage 2). Die letzteren beiden wurden in den jüngeren psychiatrischen Berichten nicht mehr ausdrücklich erwähnt, es wurde aber weiterhin auf bestehende Schlafstörungen und Untergewicht hingewiesen (vgl. BVGer act. 11 und 16). Zudem leidet die Beschwerdeführerin einem Bericht des Hausarztes vom 26. Juli 2018 zufolge an (…).
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zur Behandelbarkeit von schweren psychischen Krankheiten in Äthiopien bereits in verschiedenen Entscheiden geäussert. Dabei wurde namentlich im Zusammenhang mit den Diagnosen (schwere) PTBS und Depression festgestellt, dass sich diese grundsätzlich auch in Äthiopien behandeln lassen (vgl. Urteil des BVGer E-3090/2018 vom 4. Juni 2018 E. 6.4.1 mit Hinweisen etwa auf E-1042/2016 vom 4. März 2016 E. 5.4 und D-4404/2014 vom 5. Februar
2015 E. 8.4.3; in jüngerer Zeit D-4436/2020 vom 16. Oktober 2020 E. 4.3 m.H.). Zu Recht wies das SEM in der angefochtenen Verfügung darauf hin, dass in Äthiopien mehrere Medikamente zur Behandlung von depressiven Episoden und PTBS erhältlich seien. Zudem gibt es in Addis Abeba diverse Einrichtungen, welche psychiatrische Behandlungen anbieten. Auch wenn das Amanuel Mental Hospital dort das einzige auf psychische Erkrankungen spezialisierte öffentliche Krankenhaus ist, verfügen verschiedene weitere Spitäler über psychiatrische Abteilungen und bieten ambulante Behandlungen an. Daneben gibt es private Kliniken, in welchen sich psychische Beschwerden behandeln lassen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH], Éthiopie: accès à des soins psychiatriques et psycho-
thérapeutiques, 29.05.2020). Zwar trifft es zu, dass das Gesundheitssystem in Äthiopien – gerade im Bereich der psychiatrischen Versorgung – Defizite aufweist. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass sich in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen gezeigt haben und die Basisleistungen im Prinzip kostenlos sind und von der ganzen Bevölkerung in Anspruch genommen werden können (vgl. Referenzurteil D-6630/2018 vom 6. Mai 2019 E. 12.3.4).
Nach dem Gesagten ist entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung davon auszugehen, dass sich ihre gesundheitlichen Beschwerden in Äthiopien behandeln lassen. Namentlich in Addis Abeba, wo sie vor ihrer Ausreise gelebt hat, bestehen verschiedene Möglichkeiten, psychiatrische Behandlungen in Anspruch zu nehmen. Es ist auch zu beachten, dass bei der medizinischen Betreuung im Heimatstaat sprachliche und kulturelle Barrieren wegfallen, was sich gerade bei der Behandlung von psychischen Leiden begünstigend auswirken kann. Zudem kann die Beschwerdeführerin medizinische Rückkehrhilfe beantragen, insbesondere auch in Form von Medikamenten (vgl. Art. 93 Abs. 1 Bst. d AsylG; Art. 75 AsylV 2 [SR 142.312]). Zwar handelt es sich dabei tatsächlich nur um eine befristete Massnahme. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es der Beschwerdeführerin möglich ist, bei einem anhaltenden Bedarf an Medikamenten diese respektive entsprechende Ersatzmedikamente in Addis Abeba erhältlich zu machen. Sodann wird in den ärztlichen Berichten ausgeführt, die Traumatisierung der Beschwerdeführerin gehe auf ihre Erlebnisse im Heimatstaat zurück, wo sie namentlich durch ihren Stiefvater sexuellen Übergriffen ausgesetzt gewesen sei. Entsprechend sei eine angemessene Behandlung, welche nur bei Vorliegen eines Gefühls von Sicherheit erfolgen könne, in Äthiopien nicht möglich (vgl. BVGer act. 7 Beilage 2). Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin erstmals im Jahr 2016 – mithin mehrere Jahre nach der Ausreise 2011
– eine psychiatrische Behandlung in Anspruch nahm. Dies geschah offenbar, nachdem sich ihr gesundheitlicher Zustand im Anschluss an einen mehrtägigen Gefängnisaufenthalt und polizeiliche Kontrollen in der Asylunterkunft massiv verschlechtert hatte (vgl. B1, Beilage 2). Der von den behandelnden Ärzten sowie der Beschwerdeführerin hergestellte Zusammenhang zwischen den Erlebnissen im Heimatstaat und dem aktuellen psychischen Befinden ist daher nicht vorbehaltlos zu bestätigen. Vielmehr dürfte die drohende Ausschaffung ebenfalls einen grossen Einfluss auf ihren psychischen Zustand gehabt haben respektive immer noch haben. Dies gilt umso mehr, als sich den psychiatrischen Berichten trotz anhaltender Behandlung keine massgeblichen Fortschritte oder eine wesentliche
Stabilisierung des Gesundheitszustands der Beschwerdeführerin entnehmen lassen (vgl. BVGer act. 7 Beilage 2, act. 11 und act. 16). Entgegen der Darlegung im ärztlichen Bericht vom 12. Juni 2018 ist zudem rechtskräftig festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat gerade nicht an Leib und Leben bedroht ist. Vor diesem Hintergrund sind die von den behandelnden Ärzten geäusserten Befürchtungen, eine Rückführung könnte zu einer Dekompensation führen, zu relativieren. Es wird zwar nicht in Abrede gestellt, dass die Abweisung eines Asylgesuchs und ein bevorstehender Vollzug der Wegweisung sich negativ auf den psychischen Gesundheitszustand eines Asylsuchenden auswirken können. Praxisgemäss stellt dies für sich jedoch kein Wegweisungsvollzugshindernis dar.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin mit Zwischenverfügung vom 8. September 2020 aufgefordert hatte, medizinische Berichte zu ihrem Gesundheitszustand sowie zu den aktuell benötigten Therapien und Medikamenten einzureichen, wurde ausschliesslich ein Bericht des (…) zu den Akten gegeben (vgl. BVGer act. 16). In diesem wurde – ergänzend zu den Ausführungen betreffend den psychischen Zustand – darauf hingewiesen, die Beschwerdeführerin nehme Medikamente gegen (…). In Bezug auf die geltend gemachten physischen Beschwerden ist festzuhalten, dass in Äthiopien grundsätzlich eine medizinische Grundversorgung besteht, welche für Armutsbetroffene kostenlos zur Verfügung gestellt wird (vgl. Referenzurteil D-6630/2018 E. 12.3.4). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass das äthiopische Gesundheitssystem diverse Mängel aufweist, teilweise von fehlenden finanziellen sowie personellen Ressourcen geprägt ist und der Standard der medizinischen Leistungen nicht mit jenem der Schweiz zu vergleichen ist. Allein der Umstand, dass sich die in der Schweiz begonnenen Behandlungen und Kontrolluntersuchungen im Heimatstaat allenfalls nicht in dieser Form fortsetzen lassen, führt jedoch nicht zur Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs. Vielmehr müsste der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr – mangels Verfügbarkeit einer notwendigen medizinischen Behandlung – eine rasche und lebensgefährdende Verschlechterung des Gesundheitszustands drohen. Aus den vorgelegten Arztberichten geht dies jedoch nicht hervor. Zudem war es ihr offenbar auch vor der Ausreise möglich, mit ihrer damaligen Tätigkeit als (…) ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften, um benötigte – offenbar teure – Behandlungen in einer Privatklinik in Anspruch nehmen zu können (vgl. A19, F184 ff.). Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nach der zu erwartenden wirtschaftlichen Wiederein-
gliederung erneut in der Lage sein wird, für möglicherweise anfallende Kosten von medizinischen Behandlungen aufzukommen. Zur Überbrückung einer Übergangsphase nach der Rückkehr ist erneut auf die Möglichkeit hinzuweisen, medizinische Rückkehrhilfe zu beantragen. Abschliessend ist festzuhalten, dass einer allenfalls auftretenden akuten Suizidalität der Beschwerdeführerin mit geeigneten Massnahmen im Rahmen der Vollzugsmodalitäten Rechnung zu tragen ist (vgl. dazu Urteile des BVGer E- 3090/2018 E. 6.4.3 und E-5848/2014 vom 23. Februar 2016 E. 4.8.2).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass vorliegend keine medizinische Notlage besteht, welche dem Vollzug der Wegweisung entgegenstehen würde. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin – gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von medizinischer Rückkehrhilfe – notwendige Behandlungen auch in ihrem Heimatstaat erhältlich machen kann und eine Rückkehr nach Äthiopien nicht mit einer lebensbedrohlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands verbunden wäre.
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, sie sei eine alleinstehende Frau und verfüge in Äthiopien nicht über ein soziales Netzwerk, welches sie unterstützen könne, ist darauf hinzuweisen, dass diese Umstände bereits im Rahmen des ersten Asylverfahrens gewürdigt wurden. Aufgrund ihrer unglaubhaften Angaben zog das Bundesverwaltungsgericht im Urteil D-79/2014 in Zweifel, ob es sich bei ihr überhaupt um eine alleinstehende Frau handle. Ferner ging es davon aus, dass sie in ihrer Heimat über ein tragfähiges Beziehungsnetz verfüge und aufgrund ihrer Arbeitserfahrungen – nachdem sie vor der Ausreise ein geregeltes Einkommen erzielt habe – in der Lage sein werde, sich auch wirtschaftlich zu reintegrieren (vgl. a.a.O., E. 8.8). Diesbezüglich wird keine nachträgliche Veränderung des Sachverhalts beziehungsweise ein nachträglich entstandenes Vollzugshindernis geltend gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt die herrschenden Lebensbedingungen in Äthiopien, insbesondere auch für (alleinstehende und zurückkehrende) Frauen, nicht (vgl. BVGE 2011/25
E. 8.4 f.). Das Wiedererwägungsverfahren dient jedoch nicht dazu, eine neue Würdigung von bereits bei der ordentlichen Beurteilung des Asylgesuchs bekannten Tatsachen zu erreichen. Sodann wies das SEM in der Vernehmlassung zu Recht darauf hin, dass sich das vorliegende Verfahren nicht mit dem Sachverhalt vergleichen lässt, welcher dem Urteil E-2202/2016 vom 22. Februar 2018 zugrunde lag. Insbesondere wurde in jenem Verfahren nicht in Zweifel gezogen, dass die Eltern der Beschwer-
deführerin verstorben sind, sie am Herkunftsort über keine Bezugspersonen mehr verfügt und nicht weiss, wo sich ihr Bruder aufhält. Hinzu kam auf gesundheitlicher Ebene eine einseitige Taubheit als erhebliches Erschwernis für die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit (vgl. a.a.O.
E. 6.4.2 f.). Damit unterscheidet sich der betreffende Fall grundlegend von der vorliegenden Konstellation. In casu ist davon auszugehen, die Beschwerdeführerin verfüge im Heimatstaat über ein familiäres oder soziales Netzwerk, welches sie sowohl im Hinblick auf die allgemeine als auch die wirtschaftliche Reintegration unterstützen kann. Zudem verfügt sie über massgebliche Berufserfahrung als (…) und diese Tätigkeit hat ihr auch bereits vor der Ausreise ermöglicht, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Im Rahmen des Wiedererwägungsverfahrens wurde nichts vorgebracht, was an den entsprechenden Feststellungen im ordentlichen Asylverfahren etwas zu ändern vermöchte.
Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass das SEM das Vorliegen einer wiedererwägungsrechtlich relevanten Veränderung der Sachlage zu Recht verneint hat und sich der Vollzug der Wegweisung als zumutbar erweist.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt und auch sonst nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Auf die Auferlegung von Kosten ist indessen zu verzichten, nachdem das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung mit Zwischenverfügung vom 2. Juli 2018 gutgeheissen wurde.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Mia Fuchs Regula Aeschimann
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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