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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-1780/2019

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-1780/2019
Datum:06.02.2020
Leitsatz/Stichwort:Zölle
Schlagwörter : Erlass; Beschwerde; Urteil; BVGer; Beschwerdeführerin; Forderung; Recht; Abgabe; Einfuhr; Ursprung; MwH; MwH; Ursprungs; Aussergewöhnlich; MWSTG; Aussergewöhnliche; Zollerlass; Erfüllt; Vorliegen; Zollabgabe; Voraussetzung; Bundesverwaltungsgericht; Verzugszins; BEUSCH; Urteile; Voraussetzungen; Einfuhrsteuer; Zollabgaben; Verfahren
Rechtsnorm: Art. 57 MWSTG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 MWSTG ; Art. 74 ZG ; Art. 83 BGG ; Art. 86 MWSTG ; Art. 86 ZG ;
Referenz BGE:119 V 347; 130 V 1; 130 V 329; 130 V 445; 134 V 109; 134 V 315; 94 I 475; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-1780/2019

U r t e i l  v o m  6.  F e b r u a r  2 0 2 0

Besetzung Richterin Sonja Bossart Meier (Vorsitz), Richter Daniel Riedo, Richter Jürg Steiger, Gerichtsschreiberin Dominique da Silva.

Parteien A. GmbH,

( ),

Beschwerdeführerin,

gegen

Oberzolldirektion (OZD), Hauptabteilung Verfahren und Betrieb, Monbijoustrasse 40, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Erlass Zollabgaben und MWST.

Sachverhalt:

A.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2018 teilte die Zollkreisdirektion Lugano (nachfolgend: ZKD Lugano) der A. GmbH (nachfolgend: Abgabepflichtige) im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs mit, dass am 28. Januar 2016 in ihrem Auftrag eine Sendung gerösteter Kaffee eingeführt worden sei. Auf Anfrage der Oberzolldirektion (nachfolgend: OZD) sei hierzu eine nachträgliche Ursprungsüberprüfung durch die kosovarische Zollbehörde vorgenommen worden. Die kosovarische Behörde habe mitgeteilt, dass die betreffenden Waren die Bedingungen zur Erlangung des präferenziellen kosovarischen Ursprungs nicht erfüllen würden. Demnach müsse der Ursprungsnachweis annulliert und der Zollbetrag nachgefordert werden.

B.

In ihrem Schreiben vom 17. August 2018 an die ZKD Lugano führte die Abgabepflichtige insbesondere aus, dass ihr vom Importeur versichert worden sei, dass alle nötigen Zollpapiere ausgehändigt worden seien. Dies habe sich aber als Irrtum herausgestellt. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation werde zudem die Einreichung eines Gesuchs um Zollerlass angekündigt.

C.

Mit Verfügung vom 14. Dezember 2018 forderte die ZKD Lugano von der Abgabepflichtigen die Nachleistung von Zoll, Mehrwertsteuer und Verzugszins in einer Gesamthöhe von Fr. 13'613.30.

D.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2019 stellte die Abgabepflichtige bei der OZD ein Erlassgesuch. Sie importiere den Kaffee bereits seit einigen Jahren und habe die Verzollung mit den vom Lieferanten übergebenen Dokumenten getätigt. Der Lieferant habe mehrfach versichert, dass die Dokumente vollständig und korrekt seien. Die Abgabepflichtige sei wohl vom Lieferanten absichtlich irregeführt und belogen worden. Weiter machte die Abgabepflichtige wirtschaftliche Schwierigkeiten des Betriebes sowie gesundheitliche Probleme des Geschäftsführers geltend. Die Nachforderung der Zollkreisdirektion würde zur Schliessung des nun 20-jährigen Familienbetriebs führen.

E.

Mit Verfügung vom 13. März 2019 wies die OZD das Gesuch um den vollständigen Erlass der Einfuhrabgaben in der Gesamthöhe von Fr. 13'613.30 ab. Namentlich brachte die OZD vor, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Erlass nicht gegeben seien. Der betroffene Kaffee sei aufgrund fehlender Ursprungseigenschaft grundsätzlich nicht präferenzberechtigt. In solchen Fällen bestehe kein Raum für einen Erlass nach Art. 86 Abs. 1 Bst. d ZG. Auch die Voraussetzungen von Art. 86 Abs. 2 ZG seien nicht erfüllt.

F.

Die Abgabepflichtige (nachfolgend: Beschwerdeführerin) reichte dagegen eine mit 29. März 2019 datierte Beschwerde ein und bittet um nochmalige Prüfung des Zollerlasses. Sie weist unter anderem erneut darauf hin, dass der Lieferant versichert habe, dass alle notwendigen Dokumente, welche es für die Verzollung bedürfe, vorhanden seien. Der Betrieb könnte durch die Zollforderung, welche insgesamt aufgrund weiterer Einfuhren weit höher sein werde als die hier betroffene, geschlossen werden und 9 Mitarbeiter würden ihre Arbeit verlieren.

G.

Die OZD (nachfolgend auch: Vorinstanz) schliesst mit Vernehmlassung vom 27. Mai 2019 auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde.

H.

Auf weitere Vorbringen der Verfahrensbeteiligten wird - soweit entscheidwesentlich - im Rahmen der folgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Entscheide der OZD betreffend den Erlass von Einfuhrabgaben können beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Art. 31 und Art. 33 Bst. d VGG in Verbindung mit Art. 116 Abs. 4 des Zollgesetzes vom

      18. März 2005 [ZG; SR 631.0]). Das Verfahren richtet sich - soweit das VGG nichts anderes bestimmt - nach den Vorschriften des VwVG (Art. 37 VGG). Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtene Verfügung der OZD vom 13. März 2019 berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung (Art. 48 VwVG). Auf die im Übrigen fristund formgerecht

      (Art. 50 Abs. 1 und 52 Abs. 1 VwVG) eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

    2. Im Beschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Das Bundesverwaltungsgericht ist demzufolge verpflichtet, auf den festgestellten Sachverhalt die richtige Rechtsnorm, das heisst jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als den zutreffenden erachtet, und ihm jene Auslegung zu geben, von der es überzeugt ist (Urteil des BVGer A-4988/2016 vom 17. August 2017 E. 2.2; ANDRÉ MOSER et al., Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 1.54, mit Hinweis auf BGE 119 V 347 E. 1a).

    3. An dieser Stelle ist zunächst auf das in zeitlicher Hinsicht anwendbare Recht einzugehen. Das Zollgesetz sowie die Zollverordnung vom 1. November 2006 (ZV; SR 631.01) sind am 1. Mai 2007 in Kraft getreten. Damit sind sowohl die materiellals auch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen dieser Erlasse im vorliegenden Fall grundsätzlich anzuwenden (vgl. Urteil des BVGer A-657/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 1.4.1.1; A-625/2015 vom 15. September 2015 E. 1.7.1).

Das Zollgesetz wurde zwischenzeitlich einer Teilrevision unterzogen (AS 2016 2429) und die entsprechenden Änderungen - namentlich die hier interessierende Einführung einer neuen Erlassmöglichkeit in Art. 86 Abs. 2 ZG - traten per 1. August 2016 in Kraft. Nachdem diesbezüglich keine explizite übergangsrechtliche Regelung getroffen wurde, gelten die allgemeinen intertemporalen Regeln (vgl. BGE 130 V 445 E. 1.2.1). Diese besagen, dass in verfahrensrechtlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, welche im Zeitpunkt der Beschwerdebeurteilung Geltung haben (vgl. BGE 130 V 1 E. 3.2), in materieller Hinsicht dagegen die Rechtssätze, welche bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts Geltung hatten (vgl. BGE 134 V 109 E. 2.2; BGE 134 V 315

E. 1.2; BGE 130 V 329 E. 2.3; BVGE 2007/25 E. 3.1; Urteile des BVGer

A-657/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 1.4.1.1, A-6381/2015 vom 5. Au-

gust 2016 E. 1.2.1).

Da es sich beim Steuererlass um ein Institut des materiellen Rechts handelt (vgl. Urteil des BVGer A-1805/2012 vom 14. Mai 2012 E. 2 m.w.H.), ist somit dasjenige Recht anwendbar, welches zum Zeitpunkt des relevanten Sachverhalts anwendbar war. Eine rückwirkende Anwendung von Art. 86

Abs. 2 ZG auf Sachverhalte, welche sich vor dem 1. August 2016 verwirklicht haben, ist nicht zulässig (vgl. zum Ganzen Urteil des BVGer A-657/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 1.4.1.2).

Die Einfuhr, welche Anlass zum Abgabennachbezug gab, fand gemäss dem Schreiben der EZV vom 20. Juli 2018 am 28. Januar 2016 statt und somit vor Inkrafttreten des revidierten Art. 86 Abs. 2 ZG. Diese neue Zollerlassmöglichkeit ist folglich auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

2.

    1. Der Erlass von Abgaben stellt einen einseitigen Verzicht des öffentlichen Gläubigers auf eine ihm kraft öffentlichen Rechts zustehende Forderung dar (ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 7. Aufl., 2016, S. 421; MICHAEL BEUSCH, in: Martin Kocher/Diego Clavadetscher [Hrsg.], Stämpflis Handkommentar Zollgesetz [nachfolgend: Zollkommentar], Bern 2009, Art. 86 N 1). Ein Erlass kann stets nur dann erfolgen, wenn die Veranlagung abgeschlossen ist und eine rechtskräftig festgesetzte Abgabe vorliegt. Folgerichtig ist somit in den jeweiligen Erlassverfahren ausschliesslich zu prüfen, ob die gesetzlich statuierten Erlassvoraussetzungen erfüllt sind. Nie kann es in einem solchen Verfahren hingegen um die Revision der Veranlagung sowie um die Begründetheit der Abgabeforderung als solche gehen (vgl. Urteil des BGer 2A.566/2003 vom 9. Juni 2004 E. 3.3, in: ASA 74 S. 246 ff.; Urteile des

      BVGer A-7682/2009 vom 15. Juni 2010 E. 2.1, A-657/2016 vom 21. De-

      zember 2016 E. 3.1). Die Erlassbehörde ist denn auch nicht befugt, die Veranlagung nachzuprüfen (BEUSCH, Zollkommentar, Art. 86 N 3).

    2. Ein «gnadeweiser» Erlass bzw. eine «gnadeweise» Rückerstattung über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus kommt mit Blick auf die gesetzlich festgelegte, begrenzte Zahl der möglichen Erlassbzw. Rückerstattungsgründe (vgl. dazu nachfolgend E. 3.1 ff.) nicht in Betracht (Urteile des BVGer A-1131/2017 vom 11. Januar 2018 E. 5.3, A-7798/2015 vom 19. Juli 2016 E. 3.6 m.w.H.; MICHAEL BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, [nachfolgend: Untergang], 2012, S. 188 m.w.H.).

3.

3.1 Der Erlass von Zollabgaben im Speziellen richtet sich nach Art. 86 ZG. Steht nach Abschluss des Veranlagungsverfahrens die Zollschuld rechtskräftig fest, besteht bei Vorliegen von einem der in dieser Bestimmung festgelegten Gründe Anspruch auf Erlass (vgl. zum fehlenden behördlichen Ermessen bei erfüllten Voraussetzungen für einen Zollerlass Urteil des

BGer 2A.534/2005 vom 17. Februar 2006 E. 1.1 und 2.1; Urteile des BVGer

A-1131/2017 vom 11. Januar 2018 E. 5.1, A-7798/2015 vom 19. Juli 2016

E. 3.2 m.w.H.).

      1. Die Regelungen in Art. 86 Abs. 1 Bst. a und b ZG betreffen den Erlass in Fällen, in welchen Waren ganz oder teilweise vernichtet oder auf amtliche Verfügung hin wieder ausgeführt wurden.

      2. Im Weiteren kann gemäss Art. 86 Abs. 1 Bst. c ZG ein Zollbetrag erlassen werden, wenn eine Nachforderung mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse die Zollschuldnerin oder den Zollschuldner unverhältnismässig belasten würde. Bei der «Nachforderung» entsprechend dieser Bestimmung handelt es sich gemäss ständiger Rechtsprechung zwingend um eine solche nach Art. 85 ZG. Dieser Artikel bestimmt, dass die Zollverwaltung den geschuldeten Betrag nachfordern kann, wenn sie irrtümlich eine von ihr zu erhebende Zollabgabe nicht oder zu niedrig oder einen zurückerstatteten Zollabgabenbetrag zu hoch festgesetzt hat. Liegt die Verantwortung für die Falschberechnung nicht in diesem Sinn bei der EZV und erfolgt eine Nachforderung deswegen nicht nach Art. 85 ZG, sondern gestützt auf Art. 12 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0), findet Art. 86 Abs. 1 Bst. c ZG keine Anwendung (vgl. zum Ganzen: BGE 94 I 475 E. 2; Urteile des BVGer A-657/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 4.1.2, A-7798/2015 vom 19. Juli

        2016 E. 3.4; A-3942/2014 vom 7. Juli 2015 E. 4.2; BEUSCH, Zollkommentar,

        Art. 86 N 26 m.w.H.).

      3. Sodann enthält Art. 86 Abs. 1 Bst. d ZG eine Härteklausel. Diese ist als allgemeiner Auffangtatbestand konzipiert. Nach Art. 86 Abs. 1 Bst. d ZG muss ein Zollnachlass auch in anderen Fällen gewährt werden, sofern aussergewöhnliche Gründe, die nicht die Bemessung der Zollabgaben betreffen, die Zahlung als besondere Härte erscheinen liessen. Diese drei Voraussetzungen - auf welche im Folgenden detailliert eingegangen wird - müssen kumulativ erfüllt sein, damit einem Zollerlassgesuch stattgegeben werden kann (vgl. etwa Urteil des BGer 2A.534/2005 vom 17. Februar 2006 E. 2.1; Urteil des BVGer A-7798/2015 vom 19. Juli 2016 E. 3.5 m.w.H).

        1. Erstens müssen gemäss Art. 86 Abs. 1 Bst. d ZG «aussergewöhnliche Gründe» vorliegen.

          Solche aussergewöhnlichen Gründe sind nach der Rechtsprechung nicht leichthin anzunehmen. Denn eine grosszügige Zulassung des Zollerlasses

          würde zu einer vom Gesetzgeber nicht bezweckten Abschwächung der Rechtskraft von Zollentscheidungen führen (Urteil des BGer 2A.566/2003 vom 9. Juni 2004 E. 3.5, in: ASA 74 S. 246 ff.; vgl. statt vieler auch: BVGE 2015/24 E. 3.3.1 m.w.H.).

          Nach der Rechtsprechung müssen diese aussergewöhnlichen Gründe

          «mit Bezug auf das Zollverfahren» vorliegen (zumindest in der Regel, siehe dazu der letzte Absatz dieser Erwägung hiernach; vgl. statt vieler: BVGE 2015/24 E. 3.3.1 m.w.H.).

          Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt festgehalten, dass die Bestimmung nicht dazu dienen solle, die finanziellen Folgen früherer (selbstverschuldeter) Fristversäumnisse bzw. von Pflichtverletzungen im Veranlagungsverfahren wieder gut zu machen. Ein solches Versäumnis, welches mit entsprechender Vorbereitung und Instruktion hätte vermieden werden können, sei nämlich nicht als aussergewöhnlich im Sinn dieser Bestimmung zu qualifizieren (statt vieler: Urteile des BVGer A-657/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 4.1.3, A-7798/2015 vom 19. Juli 2016 E. 3.5.1).

          In - restriktiv zu handhabenden - Ausnahmefällen können allerdings auch die finanzielle Situation der Gesellschaft oder eine aktuelle konjunkturelle Lage aussergewöhnliche Umstände begründen und einen (zumindest teilweisen) Erlass der Zollabgabe rechtfertigen (Urteil des BVGer A-6898/2009 vom 29. April 2010 E. 2.4.2 sowie 3.3.3; Entscheid des Bun-

          desrates vom 11. Dezember 1995, veröffentlicht in VPB 61.93 E. 7; BEUSCH, Zollkommentar, Art. 86 N 33, REMO ARPAGAUS, Zollrecht, in: Heinrich Koller/Georg Müller/Thierry Tanquerel/Ulrich Zimmerli [Hrsg.], Das schweizerische Bundesverwaltungsrecht, 2. Aufl., Basel 2007, Rz. 524).

        2. Die als Erlassgrund angerufenen aussergewöhnlichen Gründe dürfen zweitens nach dem Gesetzeswortlaut «nicht die Bemessung der Abgaben» betreffen. Ein Zollnachlass darf folglich nicht zur Korrektur der Tarifierung und der angewendeten Zollansätze führen (BVGE 2015/24 E. 3.3.2; BEUSCH, Zollkommentar, Art. 86 N 30). Nach der Rechtsprechung steht die Bemessung der Abgaben insbesondere dann in Frage, wenn es um die Einreihung der Waren unter die Tarifpositionen geht (vgl. statt vieler: Urteil des BVGer A-657/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 4.1.3 m.w.H.). Wer ein Gesuch um Zollnachlass stellt, hat nachzuweisen, dass die Gründe, das heisst die aussergewöhnlichen Verhältnisse, ausserhalb der Bemessung der Abgaben liegen (Urteile des BVGer A-657/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 4.1.3, A-7798/2015 vom 19. Juli 2016 E. 3.5.2, je m.w.H.).

        3. Der Bezug der Abgabe muss drittens eine «besondere Härte» darstellen. Dieses Kriterium betrifft die persönliche Lage der zahlungspflichtigen Person (BVGE 2015/24 E. 3.3.2 m.w.H.). Darunter ist das Missverhältnis zwischen dem geschuldeten Betrag und der finanziellen Leistungsfähigkeit der abgabepflichtigen Person zu verstehen (BEUSCH, Untergang,

S. 221 und derselbe, Zollkommentar, Art. 86 N 31 m.w.H.). Die Härte muss sich dabei aus der Erhebung des Zolls selbst ergeben (statt vieler: Urteil des BVGer A-7798/2015 vom 19. Juli 2016 E. 3.5.4).

    1. Der Erlass der auf der Einfuhr geschuldeten Mehrwertsteuer (Einfuhrsteuer) richtet sich nach Art. 64 Abs. 1 Bst. a - d MWSTG.

      1. In Art. 64 Abs. 1 Bst. a und b MWSTG wird die Erlassmöglichkeit für Fälle geregelt, in welchen Gegenstände ganz oder teilweise vernichtet oder aber über die Grenze zurückgewiesen bzw. wieder aus dem Inland ausgeführt worden sind.

      2. Weiter wird in Art. 64 Abs. 1 Bst. c MWSTG die Erlassmöglichkeit in Fällen festgelegt, in denen eine Nachforderung im Sinn von Art. 85 ZG mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse die steuerpflichtige Person (nach Art. 51 MWSTG) unbillig belasten würde. Diesbezüglich kann auf E. 3.1.2 hiervor verwiesen werden.

      3. Sodann kann der Erlassgrund von Art. 64 Abs. 1 Bst. d MWSTG zum Tragen kommen, wenn die mit der Zollanmeldung beauftragte Person die Einfuhrsteuer wegen Zahlungsunfähigkeit des Importeurs nicht an diesen weiterbelasten kann (vgl. REGINE SCHLUCKEBIER, in: Martin Zweifel et. al. [Hrsg.], Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer [nachfolgend: MWSTGKommentar], 2019, Art. 64 N 17; BEUSCH, Untergang, S. 220; Urteile des BVGer A-657/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 4.2.3, A-7798/2015 vom 19. Juli 2016 E. 4.3 m.w.H.).

    2. Wird die Zollschuld nicht fristgerecht bezahlt, so ist ab ihrer Fälligkeit ein Verzugszins geschuldet (Art. 74 Abs. 1 ZG). Wird die Einfuhrsteuerschuld nicht fristgerecht bezahlt, so ist ebenfalls ein Verzugszins geschuldet (Art. 57 Abs. 1 MWSTG). Verzugszinsen haben ihren Ursprung in der verspäteten Zahlung einer Forderung und dienen dazu, den der Steuerverwaltung auf dieser Forderung entstandenen Zinsverlust auszugleichen. Verzugszinsen treten zur Forderung hinzu und teilen ihr Schicksal (vgl. BVGE 2015/50 E. 2.9 m.w.H.). Der Erlass von Verzugszinsen richtet sich ebenfalls nach den Voraussetzungen von Art. 86 ZG und Art. 64 MWSTG.

Wird also die Zolloder die Einfuhrsteuerschuld erlassen, so sind grundsätzlich auch die - zur Zolloder Einfuhrsteuerschuld akzessorischen - Verzugszinsen vom Erlass erfasst (ausser der Erlass würde nur teilweise gewährt) (Urteil des BVGer A-3942/2014 vom 7. Juli 2015 E. 4.7; BEUSCH, Untergang, S. 205, 263; derselbe, Zollkommentar, Art. 74 N 9; betreffend die Einfuhrsteuer siehe SCHLUCKEBIER, MWSTG-Kommentar, Art. 64 N 3).

4.

Die vorliegend zu beurteilende Beschwerde richtet sich gegen die Verfügung der Vorinstanz vom 13. März 2019, mit welcher diese das Erlassgesuch der Beschwerdeführerin abgewiesen hat. Im Folgenden gilt es dabei zu prüfen, ob die Vorinstanz die Voraussetzungen für den Erlass der Zollabgaben und der Mehrwertsteuer samt Verzugszins im angefochtenen Entscheid zu Recht als nicht erfüllt erachtet hat.

4.1

      1. Bezüglich der Zollschuld liegen offenkundig keine Erlassgründe gemäss Art. 86 Abs. 1 Bst. a und b ZG vor. Die importierte Ware wurde nämlich weder vernichtet noch wieder ausgeführt (vgl. dazu E. 3.1.1 hiervor).

        Überdies steht auch keine Nachforderung aufgrund eines Irrtums der Eidgenössischen Zollverwaltung bei der Festsetzung der Zollabgaben im Sinn von Art. 85 ZG in Frage. Daher kann auch der Erlassgrund von Art. 86 Abs. 1 Bst. c ZG vorliegend nicht zur Anwendung gelangen (vgl. dazu

        E. 3.1.2 hiervor).

      2. Es bleibt aber nachfolgend zu klären, ob die seitens der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände aussergewöhnliche Gründe gemäss Art. 86 Abs. 1 Bst. d ZG darstellen, welche den Bezug der Abgabe als besondere Härte erscheinen lassen (vgl. dazu E. 3.1.3 hiervor).

        Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, sie sei vom Lieferanten im Glauben gelassen worden, dass es sich bei dem importierten Kaffee um eine präferenzberechtige Ware handle. Deshalb habe sie nicht gewusst, dass das Produkt die Anforderungen an ein Ursprungserzeugnis aus dem Kosovo nicht erfüllte. Weiter verweist sie auf wirtschaftliche Schwierigkeiten des Betriebes sowie gesundheitliche Probleme des Geschäftsführers (vgl. zum Ganzen Sachverhalt Bst. D und F hiervor).

      3. Vorliegend hat die Beschwerdeführerin die zur Diskussion stehende Einfuhr vom 28. Januar 2016 gestützt auf ein Ursprungszeugnis präferenziell eingeführt. Jedoch hat eine amtliche Ursprungsüberprüfung ergeben,

        dass die Waren die Ursprungseigenschaft nicht erfüllten. Deshalb wurde der Ursprungsnachweis annulliert und die Differenz zum Normalzolltarif nachgefordert.

        Die irrtümliche Unterlassung des Antrags auf Präferenzbehandlung kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann als Anwendungsfall von Art. 86 Abs. 1 Bst. d ZG und namentlich als «aussergewöhnlicher Grund» gelten, wenn sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung im Zeitpunkt der Wareneinfuhr tatsächlich erfüllt waren (Urteile des BGer 2A.566/2003 E. 3.5 und 4.1, 2A.534/2005 vom 1. Februar 2006 E. 2.2). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVGE 2015/24 E. 3.3.1; Urteil des BVGer A-5689/2011 vom 11. Juli 2012 E. 2.3.1 und 3.1). Ein solcher Anwendungsfall des Zollerlasses liegt hier allerdings nicht vor, weil die Voraussetzungen der Präferenzbehandlung zum damaligen Zeitpunkt der Wareneinfuhr nicht gegeben waren, da den Waren die Ursprungseigenschaft fehlte.

        Die fragliche Konstellation (nachträgliche Annullierung eines Ursprungszeugnisses aufgrund einer amtlichen Ursprungsüberprüfung) kommt nicht selten vor und kann als solche nicht als aussergewöhnlicher Umstand angesehen werden. So wurde denn auch in vergleichbaren Situationen ein Zollerlass gestützt auf Art. 86 Abs. 1 Bst. d ZG verneint (Urteil des BVGer A-5689/2011 vom 11. Juli 2012 E. 3.1.2; ähnlich auch: Urteil des BVGer A-5057/2011 vom 10. Dezember 2012 E. 4.3.2).

        Was die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte, drohende Betriebsschliessung aufgrund der vorliegenden Forderung von Fr. 13'613.30 anbelangt, so wurde diese von ihr nicht belegt. Die eingereichten Jahresrechnungen der Jahre 2015 bis 2017 weisen jeweils positive Ergebnisse der Erfolgsrechnung auf und die Bilanz per Ende 2017 zeigt ein positives Bilanzergebnis, ein Eigenkapital von Fr. 35'076, und damit in Bezug auf die fragliche Abgabeforderung genügend Liquidität. Es ist somit nicht erstellt, dass ihre wirtschaftliche Existenz allein durch die Zollforderung bedroht wäre. Wie die Beschwerdeführerin ausführt, ist sie bereits seit geraumer Zeit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Soweit ihre wirtschaftliche Existenz durch andere Gründe als die vorliegende Zollforderung bedroht wäre, wäre die Voraussetzung der «besonderen Härte» nach der Rechtsprechung ohnehin nicht erfüllt (vgl. E. 3.1.3.3 hiervor). Nicht berücksichtigt werden können im vorliegenden Zusammenhang die von ihr geltend gemachten, aber ebenfalls nicht nachgewiesenen allfälligen weiteren Zollforderungen. Diese könnten vom Gericht nur dann in die Würdigung miteinbezogen werden, wenn sie Gegenstand eines entsprechenden neuen Erlassgesuches (und darauffolgenden Erlassverfahrens) darstellen würden.

        Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Beschwerdeführerin

        • wie von dieser vorgebracht - aufgrund der Zusicherungen des Lieferanten im Glauben gelassen wurde, dass der Kaffee über die nötigen Anforderungen für einen gültigen Ursprungsnachweis verfügte, und ihr diesbezüglich keine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen wäre, könnte sie daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. Fehlendes Verschulden allein begründet keinen Anspruch auf Zollerlass. Erforderlich ist eine aussergewöhnliche Situation, welche hier - wie bereits ausgeführt - nicht vorliegt.

          Die von der Beschwerdeführerin erwähnten Bestimmungen des Obligationenrechts sind allenfalls für eine zivilrechtliche Auseinandersetzung mit ihrem Lieferanten relevant, nicht aber im Zusammenhang mit dem Zollerlass.

      4. Zusammengefasst sind damit keine aussergewöhnlichen Verhältnisse im Sinn von Art. 86 Abs. 1 Bst. d ZG gegeben. Ebenso wenig ist im vorliegenden Fall eine «besondere Härte» erstellt. Der Erlass der Zollabgaben kommt somit auch gestützt auf Art. 86 Abs. 1 Bst. d ZG nicht in Betracht. Das Gesagte gilt auch in Bezug auf die Verzugszinsen (vgl. dazu

E. 3.3 hiervor).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt indessen nicht, dass die Zollnachforderungen für die Beschwerdeführerin eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen können und die Umstände wie es zu der Nachforderung kam, für sie ärgerlich sein mögen. Weil aber die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Zollerlass vorliegend nicht erfüllt sind und von Gesetzes wegen auch kein Spielraum für einen gnadeweisen Erlass der Zollschuld besteht (vgl. E. 2.2 hiervor), darf das Bundesverwaltungsgericht einen solchen nicht gewähren. Die Beschwerdeführerin bleibt auf die Möglichkeit von Abzahlungsvereinbarungen hinzuweisen.

    1. Zu prüfen bleibt, ob die Einfuhrsteuer erlassen werden könnte.

      Da im vorliegenden Fall die Ware weder vernichtet noch zurückgewiesen bzw. wieder ausgeführt worden ist, entfällt auch ein Erlass der Mehrwertsteuer gestützt auf Art. 64 Abs. 1 Bst. a und b MWSTG (vgl. E. 3.2.1 hiervor). Im hier zu beurteilenden Sachverhalt wurde auch keine Nachforderung im Sinn von Art. 85 ZG erhoben, weswegen ein Erlass nach Art. 64 Abs. 1 Bst. c MWSTG ebenfalls nicht in Frage kommt (vgl. dazu E. 3.2.2 sowie 4.1.1 hiervor). Sodann ist auch der Erlassgrund von Art. 64 Abs. 1 Bst. d MWSTG (vgl. dazu E. 3.2.3 hiervor) im vorliegenden Fall nicht gegeben.

      In Anbetracht dessen, dass die genannten gesetzlichen Erlassgründe abschliessend sind und ein gnadeweiser Erlass der Einfuhrsteuer nicht in Frage kommt (vgl. E. 2.2 hiervor), kann der Beschwerdeführerin nach dem Dargelegten auch kein Erlass der Mehrwertsteuer gewährt werden. Dies gilt auch in Bezug auf die entsprechenden Verzugszinsen (vgl. E. 3.3).

    2. Nach dem Gesagten besteht ein Erlassgrund weder für die Zollabgaben noch für die Einfuhrsteuer. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.

5.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin als unterliegende Partei die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE; SR 173.320.2]). Aufgrund der gegebenen Umstände können diese gestützt auf Art. 6 Bst. b VGKE teilweise erlassen und die Verfahrenskosten auf Fr. 800.-- festgesetzt werden. Dieser Betrag ist dem geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 2'300.-- zu entnehmen. Der Restbetrag von Fr. 1'500.-- ist der Beschwerdeführerin zurückzuerstatten.

6.

Dieses Urteil kann nicht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 83 Bst. m BGG).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der entsprechende Betrag wird dem Kostenvorschuss von Fr. 2'300.-- entnommen. Der Restbetrag von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet.

3.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Einschreiben)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. [ ]; Einschreiben)

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Sonja Bossart Meier Dominique da Silva

Versand:

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