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Bundesverwaltungsgericht Urteil F-7306/2017

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung VI
Dossiernummer:F-7306/2017
Datum:22.05.2019
Leitsatz/Stichwort:Reisedokumente für ausländische Personen (Übriges)
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Vorinstanz; Indien; Person; Reisedokument; Ausstellung; Indische; Ausländische; Recht; Chinesischen; Bundesverwaltungsgericht; Schweiz; Behörde; Personen; Behörden; Beantragen; Indischen; Urteil; Reisedokumente; Reisepass; Identität; Heimatlichen; Herkunft; Verfügung; Vertretung; Botschaft; Tibet; Migration; Entscheid
Rechtsnorm: Art. 13 AIG ; Art. 48 VwVG ; Art. 50 VwVG ; Art. 59 AIG ; Art. 62 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 BGG ; Art. 90 AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung VI F-7306/2017

U r t e i l  v o m  2 2.  M a i  2 0 1 9

Besetzung Richter Fulvio Haefeli (Vorsitz), Richter Yannick Antoniazza-Hafner, Richterin Regula Schenker Senn, Gerichtsschreiber Daniel Brand.

Parteien A. ,

vertreten durch lic. iur. Johan Göttl, Anlaufstelle Baselland, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,

Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Reisedokumente für ausländische Personen.

Sachverhalt:

A.

    1. Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger tibetischer Ethnie (geb. 1972), reiste am 3. August 2002 unter Umgehung der Grenzkontrolle in die Schweiz ein und ersuchte gleichentags um Asyl. Dabei konnte er sich nicht mit amtlichen Dokumenten ausweisen. Anlässlich der asylrechtlichen Befragungen gab er an, tibetischer Ethnie zu sein und bis zu seiner Ausreise Mitte 2002 im Dorf Losar, Bezirk Gyanze, in Westtibet gewohnt zu haben. Selbst als ihm bei der Anhörung vom 3. Februar 2004 bekannt gegeben wurde, vorinstanzliche Abklärungen hätten ergeben, dass er aus Dehradun in Indien stamme, wo auch noch seine Eltern wohnen würden, wurde dies vom Beschwerdeführer bestritten.

    2. Mit Entscheid vom 11. Februar 2004 lehnte die Vorinstanz das Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz und ordnete den Vollzug - unter Ausschluss des Wegweisungsvollzugs in die Volksrepublik China - an. In ihrer Begründung hielt die Vorinstanz fest, es werde zwar nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer tibetischer Ethnie sei, behördliche Abklärungen - so ein Sprachund Ländertest - hätten jedoch ergeben, dass er nicht aus der von ihm angegebenen Region in Tibet komme, sondern aus Indien stamme, womit auch keine Hinweise auf Verfolgung vorlägen.

    3. Mit Urteil vom 21. Juni 2004 wies die damals zuständige Schweizerische Asylrekurskommission (ARK; heute: Bundesverwaltungsgericht) die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde ab.

      Nachdem dem Beschwerdeführer von der Vorinstanz eine neue Frist bis

      20. August 2004 zum Verlassen der Schweiz eingeräumt worden war, reichte er mit Eingabe vom 30. Juli 2004 ein Schreiben der Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz und Liechtenstein vom 12. Juli 2004 zu den Akten, wonach der Beschwerdeführer ausdrücklich beteuert habe, nicht aus Dehradun in Indien zu stammen.

    4. Nach Einreichung eines Wiedererwägungsgesuches vom 27. April 2005 liess das Bundesamt für Migration (BFM; heute: Staatssekretariat für Migration [SEM]) bei der Schweizer Botschaft in Neu Delhi (weitere) Abklärungen vornehmen. Dabei stellte sich heraus, dass der Beschwerdeführer

      • entgegen seinen bisherigen Aussagen - mit seinen Eltern sowie einem Bruder und zwei Schwestern in Dehradun, Indien, gelebt, über ein "Residential Certificate/Residential Permit" verfügt sowie mit einem gültigen

        "Identity Certificate" Indien verlassen hatte, was der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 14. September 2006 denn auch zugab, jedoch gleichzeitig festhielt, vor seiner Einreise in die Schweiz seine Aufenthaltsberechtigung für Indien vernichtet zu haben.

    5. Mit Verfügung vom 13. Oktober 2006 wies die Vorinstanz das Wiedererwägungsgesuch ab und bestätigte die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit ihres Entscheides vom 11. Februar 2004. Die dagegen erhobene Beschwerde vom 13. November 2006 wies das nunmehr zuständige Bundesverwaltungsgericht mit Urteil D-5077/2006 vom 6. August 2008 ab, wobei es ausdrücklich festhielt, der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers nach Indien sei möglich und zumutbar.

      In der Folge wurde der Beschwerdeführer von der Vorinstanz angewiesen, die Schweiz unverzüglich zu verlassen. Der Indischen Botschaft in Bern zugeführt, weigerte er sich jedoch, das indische Antragsformular zwecks Erhalts eines neuen "Original Identity Certificate" auszufüllen, obwohl er sich in der Vergangenheit gegenüber der kantonalen Migrationsbehörde bereit erklärt hatte, bei der Papierbeschaffung mitzuwirken (vgl. Aktenbericht des Amtes für Migration Basel-Landschaft vom 18. Oktober 2007). Das noch bis zum 8. Oktober 2010 gültige Reisedokument will er dem Schlepper abgegeben haben.

    6. Mit Verfügung vom 1. Juni 2011 trat die Vorinstanz auf ein weiteres Asylgesuch des Beschwerdeführers vom 19. Dezember 2010 nicht ein und wies ihn aus der Schweiz weg. Infolge Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs (nach China) wurde gleichzeitig eine vorläufige Aufnahme angeordnet. Dieser Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen.

B.

Mit Verfügung vom 28. November 2012 gab die Vorinstanz einem früheren Gesuch um Abgabe eines schweizerischen Ersatzreisepapiers (Ausstellung eines Identitätsausweises mit Bewilligung zur Wiedereinreise) nicht statt mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei nicht schriftenlos. Die dagegen erhobene Beschwerde vom 15. Dezember 2012 wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil C-6582/2012 vom 11. März 2014 abgewiesen.

C.

Nachdem dem Beschwerdeführer am 6. Oktober 2015 von der zuständigen Migrationsbehörde eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen

erteilt worden war, stellte die Vorinstanz in der Folge das Erlöschen der vorläufigen Aufnahme fest.

D.

    1. Mit Verfügung vom 9. März 2017 gab das SEM dem Gesuch des Beschwerdeführers um Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person vom 1. September 2016 nicht statt. Das von ihm eingereichte Schreiben an die Chinesische Botschaft in Bern sowie seine Eingaben vom

      12. Mai 2015 und 4. Juni 2015 an das Chinesische Generalkonsulat in Zürich, welche alle angeblich unbeantwortet geblieben seien, stellten keine ausreichenden Bemühungen zur Passbeschaffung dar, weshalb er nicht als schriftenlos im Sinne von Art. 10 der Verordnung vom 14. November 2012 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV, SR 143.5) gelte. Dieser Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

    2. Am 11. Juli 2017 beantragte der Beschwerdeführer beim Migrationsamt des Kantons Basel-Landschaft - unter Beilage weiterer Unterlagen - erneut die Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person, wobei das Gesuch dem SEM zum Entscheid überwiesen wurde.

Hierauf teilte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer in einem Schreiben vom 28. August 2017 mit, er erfülle die Anforderungen für die Ausstellung des entsprechenden Dokumentes nach wie vor nicht, könnten doch seine Bemühungen, einen heimatlichen Reisepass zu erhalten, noch nicht als ausreichend und zielführend betrachtet werden.

In seiner Stellungnahme vom 14. September 2017 führte der Beschwerdeführer aus, die chinesischen Behörden hätten sein ausgefülltes Passantragsformular nicht entgegengenommen, welches er zusammen mit einer Chinesisch sprechenden Dolmetscherin habe einreichen wollen. Dies deshalb, weil er angegeben habe, in Indien geboren zu sein und aufgrund fehlender amtlicher Dokumente nicht habe beweisen können, dass er chinesischer Staatsbürger sei. Eine schriftliche Bestätigung mit Ablehnungsgrund habe er ebenfalls nicht erhalten.

In einem weiteren Schreiben vom 18. Oktober 2017 vertrat die Vorinstanz weiterhin die Auffassung, die Voraussetzungen für die Abgabe des beantragten Ersatzreisepapiers seien nach wie vor nicht erfüllt.

Mit Eingabe vom 24. Oktober 2017 ersuchte der Beschwerdeführer die Vorinstanz um Erlass einer anfechtbaren Verfügung.

E.

Mit Verfügung vom 23. November 2017 wies das SEM das Gesuch um Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer könne zwar Bemühungen zur Passbeschaffung nachweisen. Sein Passantrag sei jedoch vom Generalkonsulat der Volksrepublik China abgelehnt worden, weil er seine Herkunft aufgrund fehlender Identitätspapiere nicht habe belegen können. Die Verweigerung sei demnach aus nachvollziehbaren Gründen erfolgt, sei doch der Nachweis der Identität in jedem Land unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt eines Reisepasses. Gemäss Auskunft der chinesischen Auslandvertretung sei es auch in Indien geborenen chinesischen Staatsangehörigen tibetischer Ethnie möglich, ein chinesisches Reisedokument zu beantragen, wenn sie ihre Herkunft nachweisen könnten. Der Beschwerdeführer, welcher im Rahmen des Asylverfahrens falsche Angaben zu seiner Herkunft gemacht habe und auch nach Abschluss dieses Verfahrens seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei, müsse sich bei den zuständigen Behörden seines Heimatstaates registrieren lassen, bevor er einen Passantrag stellen könne. Es liege somit an ihm selbst, seine (wahre) Identität preiszugeben und den entsprechenden Passantrag mit den korrekten Personalien und den erforderlichen Identitätsdokumenten bei der zuständigen heimatlichen Vertretung einzureichen. Er sei daher nicht schriftenlos.

F.

Mit Rechtsmitteleingabe vom 27. Dezember 2017 an das Bundesverwaltungsgericht beantragt der Beschwerdeführer sinngemäss die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und die Ausstellung des gewünschten Ersatzreisepapiers; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, er habe einen Pass für eine ausländische Person beantragt, damit es ihm möglich sei, nach Indien zu reisen, um seine alte und kranke Mutter noch einmal zu besuchen. Er habe die Anweisungen des SEM befolgt, um in den Besitz eines chinesischen Reisepasses zu gelangen, habe aber bedauerlicherweise keinerlei Dokumente bezüglich seiner chinesischen Herkunft vorlegen können. Zudem hätten es die chinesischen Behörden unterlassen, ihm mögliche Wege zur Lösung des Problems - wie von der Vorinstanz gefordert - aufzuzeigen. Für ihn stelle sich die Frage, wie er an die fehlenden Dokumente kommen solle, nachdem seine Mutter schon lange nicht mehr in Tibet wohne.

Zur Bekräftigung seiner Bemühungen um Erhalt eines chinesischen Reisepasses legte der Beschwerdeführer entsprechende Unterlagen ins Recht.

G.

Die Vorinstanz schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 6. März 2018 auf Abweisung der Beschwerde und bringt ergänzend vor, das SEM verfüge über neue Informationen, wonach zwischen dem 26. Januar 1950 und dem

  1. Juli 1987 in Indien geborene Tibeter gemäss "Indian Citizenship Act" von 1955 seit Sommer 2017 die indische Staatsangehörigkeit und einen indischen Pass beantragen könnten. Der Beschwerdeführer habe daher auch die Möglichkeit, sich an die Indische Botschaft in Bern zu wenden, um dort ein entsprechendes Reisedokument zu beantragen.

    H.

    Mit Replik vom 4. April 2018 hält der Beschwerdeführer an seiner Beschwerde und deren Begründung fest und lässt durch seine neu mandatierte Rechtsvertretung verlauten, anlässlich seiner Vorsprache bei der Indischen Botschaft in Bern habe man ihn darauf hingewiesen, dass er zu diesem Zweck nach Indien reisen müsse, um dort vor Ort ein Reisedokument zu beantragen. Von der chinesischen Vertretung wiederum sei ihm nicht aufgezeigt worden, wie er trotz fehlender Dokumente den Nachweis seiner Nationalität hätte erbringen können.

    I.

    In einer ergänzenden Vernehmlassung vom 15. Mai 2018 weist die Vorinstanz darauf hin, dass ihr anlässlich einer Dienstreise einer Delegation des SEM im Mai 2018 nach New Delhi und Dharamshala bestätigt worden sei, dass die im erwähnten Zeitraum in Indien geborenen Tibeter die indische Staatsangehörigkeit und einen indischen Pass beantragen könnten, wobei die entsprechenden Anträge über die Indische Botschaft in Bern gestellt werden könnten. Abschliessend hält das SEM in allgemeiner Weise fest, korrekte und vollständige Angaben zur Herkunft und zur Familie seien in jedem Fall unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Passanträge überhaupt bearbeitet werden könnten, sei dies nun bei den indischen oder chinesischen Behörden.

    J.

    Trotz gewährter Möglichkeit zu (erneuter) Stellungnahme liess sich der Beschwerdeführer vorerst nicht mehr vernehmen.

    K.

    Am 26. April 2019 schliesslich ersucht der Vertreter um Verfahrensbeschleunigung und macht geltend, sein Mandant möchte seine mittlerweile 83-jährige Mutter noch einmal in Indien besuchen. Alle Bemühungen, Identitätspapiere zu erhalten, seien bis anhin gescheitert.

    L.

    Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.

    Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

    1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht - unter Vorbehalt der in Art. 32 VGG genannten Ausnahmen - Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, welche von einer in Art. 33 VGG aufgeführten Behörde erlassen wurden. Darunter fallen unter anderem Verfügungen des SEM, welche die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen betreffen (vgl. Art. 59 AIG [SR 142.20]). Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der vorliegenden Angelegenheit endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 6 BGG).

    2. Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

    3. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert. Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

2.

Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie, wenn nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat, die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen

gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).

3.

Die ehemalige Verordnung vom 14. November 2012 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV, SR 143.5) hat per

15. September 2018 Änderungen erfahren. Gemäss der Übergangsbestimmung gilt für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderungen vom 15. August 2018 hängigen Verfahren das neue Recht (Art. 32 RDV). Im vorliegenden Fall ist deshalb das seit dem 15. September 2018 geltende Recht anzuwenden.

4.

    1. Nach Massgabe von Art. 59 Abs. 2 Bst. a AIG i.V.m. Art. 3 Bst. a RDV hat eine ausländische Person, die nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) als Flüchtling anerkannt wurde, Anspruch auf einen Reiseausweis für Flüchtlinge. Anspruch auf einen Pass für eine ausländische Person haben nach dem Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (SR 0.142.40) als staatenlos anerkannte Personen sowie schriftenlose ausländische Personen mit Niederlassungsbewilligung (Art. 59 Abs. 2 Bst. b und c AIG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 RDV).

    2. Fraglos fällt der Beschwerdeführer, welcher seit Oktober 2015 im Besitze einer Aufenthaltsbewilligung ist, unter keine dieser Kategorien. Er kann somit keinen Anspruch auf Abgabe eines schweizerischen Ersatzreisepapiers geltend machen. Gemäss Art. 59 Abs. 1 AIG i.V.m. Art. 4 Abs. 2 Bst. a RDV kann das SEM allerdings Jahresaufenthaltern im Rahmen des freien (pflichtgemässen) Ermessens einen Pass für eine ausländische Person abgeben. Voraussetzung ist jedoch immer, dass diese Ausländer schriftenlos sind.

    3. Gemäss der Legaldefinition von Art. 10 Abs. 1 RDV gilt als schriftenlos eine ausländische Person, die keine gültigen Reisedokumente ihres Heimat- oder Herkunftsstaates besitzt und von der nicht verlangt werden kann, dass sie sich bei den zuständigen Behörden ihres Heimatoder Herkunftsstaates um die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisedokuments bemüht (Bst. a), oder für welche die Beschaffung von Reisedokumenten unmöglich ist (Bst. b). Die Schriftenlosigkeit wird im Rahmen der Gesuchsprüfung durch das SEM festgestellt (Art. 10 Abs. 4 RDV).

    4. Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zurzeit kein gültiges Reisepapier besitzt. Damit eine Rückkehr in den Heimatstaat jederzeit möglich bleibt, müssen ausländische Personen während ihres Aufenthaltes in der Schweiz im Besitze eines gültigen, nach Art. 13 Abs. 1 AIG anerkannten Ausweispapiers sein (vgl. Urteil des BVGer C-6101/2014 vom

29. Dezember 2015 E. 3.4 m.H.). Sie sind daher verpflichtet, Ausweispapiere zu beschaffen oder bei deren Beschaffung durch die Behörden mitzuwirken (vgl. Art. 89 sowie Art. 90 Bst. c AIG i.V.m. Art. 8 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]).

5.

    1. Vorliegend ist demnach zu prüfen, ob die Vorinstanz hinsichtlich des Beschwerdeführers zu Recht die Schriftenlosigkeit - als unabdingbare Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisedokuments - verneint hat, indem sie sowohl die Möglichkeit der Beschaffung eines heimatlichen Reisepasses (vgl. Art. 10 Abs. 1 Bst. b RDV) als auch die Zumutbarkeit entsprechender Bemühungen bei den zuständigen heimatlichen Behörden (vgl. Art. 10 Abs. 1 Bst. a RDV) als gegeben erachtete.

    2. Die Frage der Zumutbarkeit, mithin diejenige, ob die Beschaffung von Reisedokumenten bei den Heimatbehörden von den betreffenden Personen verlangt werden kann, ist in diesem Zusammenhang nicht nach subjektiven, sondern nach objektiven Massstäben zu beurteilen (vgl. Urteil des BGer 2A.335/2006 vom 18. Oktober 2006 E. 2.1 m.H.). Namentlich von schutzbedürftigen und asylsuchenden Personen kann im Hinblick auf eine potentielle Gefährdungslage eine Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden des Heimatoder Herkunftsstaates nicht verlangt werden (vgl. Art. 10 Abs. 3 RDV). Aus diesen Ausführungen ist zu schliessen, dass von Personen, die - wie der Beschwerdeführer - im Besitze einer Jahresaufenthaltsbewilligung sind, eine solche Kontaktaufnahme im Hinblick auf die Beschaffung von Reisedokumenten verlangt werden kann. Der Beschwerdeführer erhebt denn auch - zu Recht - keine Einwände gegen eine Kontaktaufnahme mit den heimatlichen Behörden, will er sich doch bereits mehrmals, aber vergeblich, mit der chinesischen sowie der indischen Vertretung in der Schweiz in Verbindung gesetzt haben. Somit ist die Frage der Zumutbarkeit zu bejahen.

5.3

      1. Aus den umfangreichen Vorakten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer - damals noch als vorläufig Aufgenommener - bereits im Jahre 2012

        um Ausstellung eines schweizerischen Ersatzreisepapiers ersucht hatte mit der Begründung, internationale Menschenrechtsorganisationen und Medien würden bestätigen, dass die chinesischen Behörden allen Tibetern eine Dalai Lama freundliche Haltung unterstellten und mit verschärfter Überwachung und repressiven Massnahmen gegen sie vorgehen würden. Unter diesen Bedingungen könne er nicht freiwillig bei der Chinesischen Botschaft einen Identitätsausweis beantragen. Mit Urteil C-6582/2012 vom

        11. März 2014 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den negativen Entscheid der Vorinstanz vom 28. November 2012 und hielt im Wesentlichen fest, vom Beschwerdeführer könne eine Kontaktaufnahme mit der chinesischen Vertretung im Hinblick auf die Beschaffung von Reisedokumenten ohne weiteres verlangt werden, sei er doch weder von der Schweiz noch von einem Drittstaat als Flüchtling anerkannt worden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Autonome Region Tibet bis zum heutigen Tag Teil der Volksrepublik China sei.

      2. In der Zwischenzeit hat sich der frühere Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mehrmals in schriftlicher Form an die Vertretungen der Volksrepublik China in Bern und Zürich gewandt, um für seinen Mandanten einen heimatlichen Reisepass zu erhalten. Diese Eingaben sollen alle unbeantwortet geblieben sein. Weitere Versuche des Beschwerdeführers - selbst eine persönliche Vorsprache bei der chinesischen Vertretung in Begleitung einer Chinesisch sprechenden Dolmetscherin - führten in der Folge auch nicht zum gewünschten Erfolg, was jedoch auf den Umstand zurückzuführen sein dürfte, dass der Betroffene seine Herkunft aufgrund fehlender Identitätspapiere nicht hinreichend belegen konnte.

5.4

      1. In ihrer Vernehmlassung vom 6. März 2018 hat die Vorinstanz den Beschwerdeführer jedoch auf die Möglichkeit hingewiesen, bei der Vertretung Indiens die indische Staatsangehörigkeit und einen indischen Pass zu beantragen. Die Staatsbürgerschaft wird in der indischen Verfassung und durch die "Citizenship Rules" von 1958 (angepasst 1998) und den "Citizenship Act" von 1955 (angepasst 1986 und 2003) geregelt. Gemäss Citizenship Act sind alle Personen, die zwischen dem 26. Januar 1950 und dem 1. Juli 1987 in Indien geboren sind, was auch beim Beschwerdeführer zutrifft, indische Staatsangehörige durch Geburt. Dies wurde in der Folge denn auch vom High Court of Delhi in seinem Urteil vom 22. Dezember 2010 bestätigt (vgl. dazu ausführlich BVGE 2014/12 E. 5.7.2 m.w.H.). Dass im fraglichen Zeitraum in Indien geborenen tibetischen Flüchtlingen auch weiterhin indische Reisepässe ausgestellt werden, ergibt sich aus einem

        (neueren) Urteil des High Court of Delhi vom 22. September 2016, welches ausdrücklich festhielt, der Citizenship Act von 1955 finde weiterhin Anwendung ( http://www.phayul.com/mobile/?page=view&c=1&id=38863 ).

      2. In seiner Replik vom 4. April 2018 bringt der Beschwerdeführer hingegen vor, anlässlich seiner Vorsprache bei der Indischen Botschaft in Bern sei er darauf hingewiesen worden, dass er nach Indien reisen und dort vor Ort ein Reisedokument beantragen müsste, was die Vorinstanz in ihrer ergänzenden Vernehmlassung vom 15. Mai 2018 jedoch entschieden in Abrede stellt. Anlässlich einer Dienstreise einer Delegation des SEM im Mai 2018 nach New Delhi und Dharamshala sei dieser gegenüber bestätigt worden, dass die im erwähnten Zeitraum in Indien geborenen Tibeter die indische Staatsangehörigkeit und einen indischen Reisepass beantragen könnten, wobei die entsprechenden Anträge über die Indische Botschaft in Bern gestellt werden könnten.

      3. Im vorliegenden Fall ergeben sich keine Hinweise, dass sich der Beschwerdeführer, welcher bereits im Besitze einer indischen Aufenthaltsbewilligung ("Residential Certificate/Residential Permit") war und mit einem gültigen Reisepapier ("Identity Certificate") aus Indien ausreisen konnte, in der Zwischenzeit erneut mit der indischen Vertretung in der Schweiz in Verbindung gesetzt hätte. Im heutigen Zeitpunkt kann demnach (noch) nicht davon ausgegangen werden, er habe alles unternommen, um in den Besitz eines entsprechenden heimatlichen Reisedokuments zu gelangen. Dabei obliegt es dem Beschwerdeführer, die von der heimatlichen Vertretung verlangten notwendigen Anforderungen zur Ausstellung eines Passes zu erfüllen. Die korrekten und vollständigen Angaben zu seiner (wahren) Identität und Herkunft, welche der Beschwerdeführer gegenüber den Asylbehörden während Jahren zu verschleiern versuchte (vgl. Bst. A.a und A.c des Sachverhalts), werden dabei unabdingbare Voraussetzung sein, damit sein Passantrag überhaupt bearbeitet werden kann. Es liegt somit am Beschwerdeführer, die nötigen (zielführenden) Schritte zur Erlangung der erforderlichen Identitätspapiere zu unternehmen - gegebenenfalls mit Unterstützung seiner in Indien zurückgebliebenen Angehörigen -, um so die Voraussetzungen für die Ausstellung des entsprechenden heimatlichen Reisepasses zu erfüllen.

    1. Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil C-4005/2013 vom 28. Juli 2014 eine 1979 in Indien geborene Angehörige der tibetischen Ethnie, welche sich ebenfalls erfolglos um einen chinesischen Reisepass bemüht habe, als schriftenlos

      im Sinne von Art. 10 Abs. 1 RDV anerkannt. Diesbezüglich gilt es festzuhalten, dass die beiden Beschwerdeverfahren schon deshalb nicht miteinander vergleichbar sind, weil im obgenannten Verfahren lediglich die Frage der Passbeschaffung bei den chinesischen Behörden im Raume stand und nicht geprüft wurde, ob es der Beschwerdeführerin allenfalls möglich gewesen wäre, einen indischen Reisepass zu erlangen. Abgesehen davon weist jeder Einzelfall eine ihm eigene und spezifische Konstellation auf, so dass er nicht ohne weiteres mit anderen, angeblich gleich gelagerten Fällen verglichen werden kann. Mit seinem diesbezüglichen Einwand kann der Beschwerdeführer somit nichts zu seinen Gunsten ableiten.

    2. Nach dem Gesagten ist somit auch das Erfordernis der Unmöglichkeit der Beschaffung von Reisedokumenten gemäss Art. 10 Abs. 1 Bst. b RDV nicht als erfüllt zu betrachten. Abschliessend gilt es darauf hinzuweisen, dass es dem Beschwerdeführer offensteht, mit einem neuen Gesuch bei der Vorinstanz die Abgabe eines Passes für eine ausländische Person zu beantragen, sollten seine Bemühungen und Abklärungen, die hinreichend, das heisst insbesondere schriftlich zu belegen wären, dennoch nicht zur Ausstellung eines heimatlichen Reisepapiers führen.

    3. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zum heutigen Zeitpunkt keine Umstände vorliegen, aufgrund derer der Beschwerdeführer als schriftenlos im Sinne von Art. 10 Abs. 1 RDV anzusehen wäre. Somit fehlt es an einer unabdingbaren Voraussetzung für die Ausstellung des beantragten Passes für eine ausländische Person.

6.

Die Vorinstanz hat demzufolge dem Beschwerdeführer zu Recht die Ausstellung eines schweizerischen Ersatzreisepapiers verweigert. Die angefochtene Verfügung erweist sich somit im Lichte von Art. 49 VwVG als rechtmässig und die Beschwerde ist daher abzuweisen.

7.

Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 900.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie sind durch den am 17. Januar 2018 einbezahlten Kostenvorschuss gleicher Höhe gedeckt.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Einschreiben)

  • die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. N [ ] zurück)

  • das Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft (ad BL [ ])

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Fulvio Haefeli Daniel Brand

Versand:

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