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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-7166/2017

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-7166/2017

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-7166/2017
Datum:06.02.2019
Leitsatz/Stichwort:Erteilung der vorläufigen Aufnahme
Schlagwörter : öglich; Vollzug; Tibet; Wegweisung; Schweiz; Recht; Staat; Herkunft; Vollzugs; Person; Migration; Verfügung; Bundesverwaltungsgericht; Mitwirkung; Aufenthalt; Migrationsamt; Unmöglichkeit; Reisepapiere; Identität; Rückkehr; Indien; Nepal; Aufenthalts; Vorinstanz; önnen
Rechtsnorm: Art. 39 VwVG ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:138 I 246; 141 I 78
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-7166/2017

U r t e i l  v o m  6.  F e b r u a r  2 0 1 9

Besetzung Einzelrichterin Gabriela Freihofer,

mit Zustimmung von Richter Hans Schürch; Gerichtsschreiberin Evelyn Heiniger.

Parteien A. , geboren am ( ), Staat unbekannt,

vertreten durch Benedikt Homberger, Rechtsanwalt, Beratungsstelle für Asylund Ausländerrecht,

( ),

Beschwerdeführerin,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Erteilung der vorläufigen Aufnahme;

Verfügung des SEM vom 11. Dezember 2017 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Mit Verfügung vom 29. Juli 2016 lehnte die Vorinstanz das Asylgesuch der Beschwerdeführerin ab und verfügte die Wegweisung aus der Schweiz sowie deren Vollzug, unter Ausschluss einer Wegweisung in die Volksrepublik China. Die Vorinstanz begründete ihren Entscheid im Wesentlichen damit, dass bei einer Evaluation des Alltagswissens ein Sachverständiger zum Schluss gekommen sei, die Wahrscheinlichkeit, dass die tibetische Beschwerdeführerin im Tibet gelebt habe, klein sei. Deshalb habe sie ihre Herkunft aus der Volksrepublik China und ihre Asylgründe nicht glaubhaft machen können. Das Bundesverwaltungsgericht schützte mit Urteil E-5192/2016 vom 3. November 2016 den Entscheid der Vorinstanz wodurch dieser in Rechtskraft erwuchs.

B.

Das Migrationsamt des Kantons B. (nachfolgend Migrationsamt) ersuchte am 10. August 2016 das SEM um Vollzugsunterstützung.

C.

Am 4. Juli 2017 beantragte das Migrationsamt beim SEM die vorläufige Aufnahme der Beschwerdeführerin aufgrund technischer Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs, mit der Begründung, das Gesuch um Vollzugsunterstützung habe keine Wirkung gezeitigt, es seien der Beschwerdeführerin bis anhin keine Reisepapiere ausgestellt worden. Die Anordnung der vorläufigen Aufnahme ermögliche eine Ablösung der Beschwerdeführerin aus der Sozialbeziehungsweise Nothilfe, was auch im öffentlichen Interesse liege.

D.

Mit Schreiben vom 9. November 2017 ersuchte das SEM das Migrationsamt innert Frist um ergänzende Informationen betreffend das Ausweisungsverfahren und die Mitwirkung der Beschwerdeführerin. Gleichentags wurde auch der Beschwerdeführerin eine Frist zur Stellungnahme gesetzt, insbesondere betreffend ihre Bemühungen bei der Beschaffung von Reisepapieren sowie ihren Identitätspapieren aus dem Heimatoder Herkunftsstaat.

E.

In ihrer Stellungnahme vom 22. November 2017 erklärte die Beschwerdeführerin, als tibetischer Flüchtling sei es ihr verwehrt in den Tibet zurückzukehren, und sie habe keine Möglichkeit, Verwandte oder Angehörige ausserhalb des Tibets aufzusuchen. Sie könne sich daher nicht vorstellen, die Schweiz zu verlassen, und hoffe, dies nicht tun zu müssen. Sie habe sich in der Zwischenzeit auch weiterhin um Integration bemüht und besuche privaten Sprachunterricht. Sie habe sich bereits Deutschkenntnisse bis zum Diplomniveau B2 erarbeitet. Während vier Tagen pro Woche gehe sie einem Beschäftigungsprogramm nach und erhalte eine kleine Entlöhnung. Es sei ihr wichtig, zu einem selbständigen Dasein in der Schweiz beizutragen und nicht von öffentlicher oder anderer Hilfe abhängig zu sein.

F.

Mit Schreiben vom 24. November 2017 informierte das Migrationsamt, die Beschwerdeführerin sei nicht bereit, die Schweiz zu verlassen. Sie habe von sich aus Nichts in Bezug auf die Ausstellung von heimatlichen Dokumenten unternommen.

G.

Am 11. Dezember 2017 wies das SEM den Antrag auf vorläufige Aufnahme der Beschwerdeführerin ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Kanton könne eine vorläufige Aufnahme wegen technischer Unmöglichkeit des Vollzugs nur beantragen, sofern die ausreisepflichtige Person die Unmöglichkeit des Vollzugs nicht durch ihr eigenes Verhalten verursacht habe. Der vorliegende Sachverhalt sei jedoch anders, da die Beschwerdeführerin bereits während des Asylverfahrens ihre Identität und ihren Herkunftsort nicht offengelegt habe, obwohl sie die grossen Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Vorbringen betreffend Herkunft und Flucht aus China/Tibet nicht habe entkräften können und entsprechende Abklärungen ergeben hätten, ihre Hauptsozialisierung sei aller Wahrscheinlichkeit in der tibetischen Diaspora erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe die Folgen dieser mangelhaften Mitwirkung dahingehend zu tragen, als der Vollzug der Wegweisung grundsätzlich als möglich erachtet werde, da es ihr zuzumuten sei, sich bei den zuständigen Behörden des Heimatstaates um Reisepapiere zu bemühen. Bis heute habe die Beschwerdeführerin weder bei der Beschaffung von Reisepapieren mitgewirkt noch ihre Identität offen gelegt. Unter diesen Umständen habe das SEM keine Möglichkeit, weitere Abklärungen zur Identitätsfeststellung und Papierbeschaffung zu tätigen. Eine selbständige Rückkehr stehe der Beschwerdeführerin jedoch entgegen eigener Angaben offen. Aus diesem Grund bestehe kein Vollzugshindernis im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen, selbst wenn die kantonale Behörde ihren Vollzugsauftrag aufgrund der andauernden Mitwirkungspflichtverletzung nicht erfüllen könne. Anders zu entscheiden würde bedeuten,

dass derjenige, der seine gesetzliche Ausreisepflicht bewusst missachte, besser gestellt würde als derjenige, der sich rechtsgetreu verhalten habe, was mit dem Rechtsgleichheitsgebot nicht vereinbar wäre. Das Argument, wonach ein öffentliches Interesse an einer vorläufigen Aufnahme bestehe, könne nicht gehört werden.

H.

Mit Rechtsmitteleingabe vom 18. Dezember 2017 beantragte die Beschwerdeführerin die Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids vom

11. Dezember 2018.

Zur Begründung führte sie an, sie habe sich stets um ihre Integration bemüht. Sie habe einen Sprachunterricht besucht, den sie selbst bezahlt habe. Es sei ihr wichtig, die Landessprache beherrschen zu können, um sich bei der Arbeit und im Alltag austauschen zu können. Sie gehe einem entlohnten Beschäftigungsprogramm nach und es sei ihr wichtig, nach Möglichkeit zu einem selbständigen Dasein in der Schweiz beizutragen und nicht von der öffentlichen Hand zu leben. Um ihr Leben zu finanzieren, wolle sie eine Ausbildung absolvieren, um später auf eigenen Beinen stehen zu können. Sie habe bereits ein Praktikum in ( ) absolviert und sich stets bemüht, gute Arbeit zu leisten. Leider habe der Vorlehrvertrag mit ( ) aufgrund ihres illegalen Status aufgehoben werden müssen. Sie respektiere und achte die Schweizer Gesetze und sei noch nie straffällig geworden. Als tibetischer Flüchtling sei es ihr verwehrt, in den Tibet zurückzukehren, und sie habe keine Möglichkeit, Verwandte oder Angehörige ausserhalb des Tibets aufzusuchen. Sie könne sich daher nicht vorstellen, die Schweiz verlassen zu müssen. Das Migrationsamt unterstütze sie in ihrem Vorhaben. Ihre Bemühungen seien phasenweise durch gesundheitliche Probleme erschwert worden. Mit Blick auf ihre physische und psychische Gesundheit bitte sie um einen positiven Antrag. Sie sei seit mehr als vier Jahren in der Schweiz und nenne es nun ihr Zuhause.

I.

Mit Zwischenverfügung vom 27. Dezember 2017 forderte die damals zuständige Instruktionsrichterin die Beschwerdeführerin auf, bis zum 12. Januar 2018 einen Kostenvorschusses in der Höhe von Fr. 750.- zu leisten.

J.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2018 ersuchte die Beschwerdeführerin unter Beilage einer Bestätigung über Nothilfeleistungen um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Zur Begründung führte sie an, ihre Beschwerde sei nicht von vorneherein als aussichtslos zu beurteilen, da das Migrationsamt kaum ein aussichtsloses Gesuch beim SEM gestellt hätte.

K.

Mit Zwischenverfügung vom 22. Januar 2018 wurde das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung abgewiesen und die Beschwerdeführerin aufgefordert, den einverlangten Kostenvorschuss innert einer Nachfrist von drei Tagen ab Erhalt der Verfügung zu leisten.

Der Kostenvorschuss ging innert Frist bei der Gerichtskasse ein.

L.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2018 zeigte MLaw Benedikt Homberger seine Mandatsübernahme an, ersuchte um Akteneinsicht, Bestellung als unentgeltlicher Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin und Ansetzung einer Frist zur Beschwerdeergänzung.

M.

Mit Zwischenverfügung vom 16. Juli 2018 wurden die Gesuche um Beiordnung eines amtlichen Rechtsbeistandes und Ansetzung einer Frist zur Beschwerdeergänzung abgewiesen. Dem Rechtsvertreter wurden gleichzeitig die massgeblichen Verfahrensakten zugestellt.

N.

Mit Eingabe vom 9. Oktober 2018 liess die Beschwerdeführerin weitere Beweismittel zu den Akten reichen. Ergänzend zur Rechtsmitteleingabe wurde vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe zweimal versucht, die indische Botschaft aufzusuchen. Dort sei ihr mitgeteilt worden, es bestehe keine Zuständigkeit für Tibeterinnen. Bei der nepalesischen Botschaft sei ihr der Eintritt verweigert worden. Das Botschaftspersonal habe ihr mitgeteilt, dass es nur auf Anordnung des SEM tätig werde. Die offiziellen Vertretungen dieser beiden Staaten seien nicht bereit, Auskünfte über die Existenz oder Nichtexistenz allfälliger Ausweispapiere oder Aufenthaltstitel von ethnischen Tibetern in der Schweiz zu geben. Dies verunmögliche es ihr, entsprechende Dokumente vorzuweisen und so ihre chinesische Herkunft im Ausschlussverfahren zu beweisen. Ein Gang auf die chinesische Botschaft könne ihr hingegen nicht zugemutet werden. Sie habe begründete Furcht vor dem Kontakt mit den chinesischen Behörden und wolle ihre Verwandten nicht gefährden. Eine solche Bedrohungslage bestehe denn

auch tatsächlich. Bereits am 21. Dezember 2015 sei das SEM darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Mutter der Beschwerdeführerin mehrmals von chinesischen Polizisten aufgesucht worden sei, nachdem diese mit ihr telefoniert habe, um ihren Identitätsausweis zu erhalten. Die chinesischen Behörden hätten demnach ihre Telefongespräche abgehört und dies ihre Mutter durch Hausbesuche wissen lassen. Dies illustriere das repressive Verhalten der chinesischen Behörden gegenüber ethnischen Tibetern und bestätige das Vorliegen systematischer Überwachung und Kontrolle der tibetischen Exilgemeinschaft durch die Volksrepublik China.

Selbst bei einer Sozialisierung von Exil-Tibetern in Indien oder Nepal sei eine Wiedereingliederung dort faktisch unmöglich. Weder Indien noch Nepal kenne eine offizielle Flüchtlingspolitik und keiner der beiden Staaten habe die Flüchtlingskonvention ratifiziert.

Da sie inzwischen verschiedene Bemühungen gezeigt habe, ihre Herkunft zu belegen, sei sie ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen. Unter diesen Umständen sei der Vollzug der Wegweisung als unmöglich zu klassifizieren und ihre Beschwerde könne nicht mehr als aussichtslos betrachtet werden. Sie ersuche daher um wiedererwägungsweise Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung.

O.

Mit Zwischenverfügung vom 15. Oktober 2018 wurde das Gesuch um wiedererwägungsweise Aufhebung der Zwischenverfügungen vom 22. Januar 2018 und 16. Juli 2018 abgewiesen.

P.

Aus organisatorischen Gründen wurde das vorliegende Beschwerdeverfahren zur Behandlung auf Richterin Gabriela Freihofer übertragen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher

      zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    2. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.

Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

4.

    1. Die Beschwerdeführerin verlangt sinngemäss einzig die Feststellung der Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung beziehungsweise die Prüfung von Wegweisungsvollzugshindernissen.

    2. Das SEM regelt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern, sofern der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich ist (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AIG, SR 142.20]). Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die ausländische Person nicht in den

      Heimat-, den Herkunftsoder in einen Drittstaat ausreisen oder nicht dorthin gebracht werden kann (Art. 83 Abs. 2 AIG).

    3. Ist der Vollzug der Wegweisung aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten, oder weil keine Reisedokumente beschafft werden können, nicht möglich, kann die kantonale Migrationsbehörde die vorläufige Aufnahme beantragen (Artikel 17 der Verordnung über den Vollzug der Wegund Ausweisung sowie der Landesverweisung von ausländischen Personen [VVWAL]; SR 142.281). Die vorläufige Aufnahme wird indessen nicht verfügt, wenn der Vollzug der Wegweisung aufgrund des Verhaltens der weggewiesenen Person nicht möglich ist (Artikel 83 Abs. 7 Bst. c AIG). Falls eine Person bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht mitwirkt oder sich weigert, selbständig bei der heimatlichen Vertretung um gültige Reisedokumente zu ersuchen, wird sie von der vorläufigen Aufnahme ausgeschlossen, da sie die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegoder Ausweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.

    4. Diese Sichtweise entspricht auch der verwaltungsrechtlichen Praxis, wonach der Adressat oder die Adressatin einer rechtskräftigen Verfügung primär verpflichtet ist, selbst dieser Verfügung nachzukommen. Die behördliche Vollstreckung (vgl. Art. 39 ff. VwVG) gilt als „Ultima ratio", falls die betroffene Person ihrer Verpflichtung nicht nachkommt. Unterbleibt aus irgendwelchen Gründen die behördliche Vollstreckung oder ist sie nicht möglich, so entbindet das die Verfügungsadressaten nicht von ihrer Rechtspflicht, die Verfügung zu befolgen. Dies gilt auch betreffend das Wegweisungsverfahren. Eine die Beschwerdeführerin begünstigende Rechtsfolge kann gemäss Bundesgericht (BGE 138 I 246 E. 3.3.4) nur dann eintreten, wenn sowohl die behördliche Ausschaffung als auch ihre selbständige Rückkehr aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen unmöglich sind. Eine solche Unmöglichkeit wird in der Regel angenommen, wenn der Vollzug auch bei gesicherter Kenntnis der Identität oder der Nationalität der betroffenen Person beziehungsweise trotz ihres Mitwirkens bei der Papierbeschaffung mit grosser Wahrscheinlichkeit als ausgeschlossen erscheint (vgl. die Beispiele in den Urteilen 2C_252/2008 vom 10. Juni 2008

      E. 2.2; 6B_85/2007 vom 3. Juli 2007 E. 2.2). Solange eine selbständige Rückkehr möglich ist, kann nicht davon gesprochen werden, die faktische Anwesenheit müsse im Sinne von BGE 138 I 246 E. 3.3.1 „aus objektiven Gründen hingenommen werden". Anders zu entscheiden, würde bedeuten, dass eine Person, die bewusst ihre gesetzlichen Pflichten missachtet, besser gestellt wird als eine Person, die sich rechtsgetreu verhalten hat. Eine

      solche Konsequenz wäre mit dem Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) unvereinbar (vgl. BGE 141 I 78 E. 9.4 und 9.5 S. 92 ff.).

    5. Diese Ausführungen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu. Die Beschwerdeführerin hat sich nicht um die Beschaffung von Reisepapieren bemüht. Dass sie bei der nepalesischen und der indischen Botschaft vorgesprochen hat, stellt lediglich eine Behauptung ihrerseits dar, welche nicht durch schriftliche Beweise belegt ist. Auch die eingereichten Fotografien, welche die Beschwerdeführerin vor den jeweiligen Botschaften zeigen, vermögen daran nichts zu ändern. Sie hat ihre Identität bis heute nicht offen gelegt.

    6. Gemäss der im Grundsatzurteil BVGE 2014/12 dargestellten Praxis, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass für Angehörige der tibetischen Ethnie - bei welchen die Sozialisierung aller Wahrscheinlichkeit nicht in Tibet, sondern in Nepal oder Indien stattgefunden hat - sowohl in Nepal als auch in Indien die Möglichkeit besteht, unter gewissen Bedingungen eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, beziehungsweise dass es unter engen Voraussetzungen auch möglich ist, die entsprechende Staatsangehörigkeit zu erwerben, womit die chinesische Staatsangehörigkeit durch den Erwerb einer neuen Staatsangehörigkeit wegfällt. Daneben muss aber davon ausgegangen werden, dass ein grosser Teil der in Nepal und Indien lebenden Exil-Tibeterinnen und -Tibeter keine neue Staatsangehörigkeit erworben haben und nach wie vor die chinesische Staatsangehörigkeit besitzen. Das Grundsatzurteil beschreibt die entsprechenden Varianten (E. 5.8).

    7. Auch die Beschwerdeführerin ist - wie der Beschwerdeführer im Grundsatzurteil BVGE 2014/12 - unbestrittenermassen tibetischer Ethnie und auch sie hatte im Asylverfahren unglaubhafte Angaben zu ihrer Sozialisierung, zu ihrer Herkunft und zu ihren bisherigen Aufenthaltsorten vor der Einreise in die Schweiz gemacht. Aufgrund dieser unglaubhaften Angaben konnte seitens der Asylbehörden nicht eruiert werden, welche der in BVGE 2014/12 E. 5.8 genannten Fallkonstellationen auf sie zutrifft.

    8. Die Abklärungspflicht der Asylbehörden findet ihre Grenze an der Mitwirkungspflicht der asylsuchenden Person. Vorliegend verunmöglicht die Beschwerdeführerin durch die Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht die Abklärung, welchen effektiven Status sie in Nepal respektive in Indien innehat oder -hatte, beziehungsweise die Prüfung, welche Staatsangehörigkeit sie besitzt. Die Beschwerdeführerin hat durch die Verheimlichung respektive

      Verschleierung ihrer wahren Herkunft die ihr obliegende Mitwirkungspflicht verletzt. Sie hat die Folgen ihrer fehlenden Mitwirkung insofern zu tragen, als seitens der Asylbehörden der Schluss gezogen werden muss, es spreche nichts gegen eine Rückkehr an den bisherigen Aufenthaltsort, da sie keine konkreten, glaubhaften Hinweise geliefert hat, die gegen eine entsprechende Rückkehr sprechen würden.

    9. Aus diesem Grund ist ihre Rückkehr als möglich zu bezeichnen, da es bei dieser Ausgangslage zwar den Vollzugsbehörden unmöglich ist, für sie entsprechende Reisepapiere zu beschaffen, dies aber nicht für sie persönlich gilt, da ihr eine individuelle und eigenständige Rückreise in das Land ihres letzten Aufenthalts beziehungsweise ihrer Herkunft möglich sein dürfte. Die Beschwerdeführerin hat jedenfalls nichts substantiiert vorgetragen, was darauf schliessen liesse, eine Rückkehr nach Nepal oder Indien könnte für sie nicht möglich, zumutbar oder zulässig sein. Ihre Vorbringen erschöpfen sich in pauschalen Aussagen, die sie bereits im Asylverfahren vorbrachte. Sie kann daher aus der faktischen Vollzugsunmöglichkeit einer Zwangsrückführung nichts für sich ableiten.

5.

    1. Schliesslich vermögen auch die Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe sich um ihre Integration in der Schweiz bemüht, Deutsch gelernt, ein Praktikum absolviert und eine Lehrstelle in Aussicht gehabt, nichts an dieser Einschätzung zu ändern.

    2. Die Ausführungen betreffend die fortgeschrittene Integration bleiben bei der Beurteilung der technischen Unmöglichkeit aussen vor, sie wären allenfalls im Rahmen einer Härtefallprüfung gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG

      i.V.m. Art. 31 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) zu prüfen.

    3. Das SEM hat ferner zutreffend festgehalten, dass die Beschwerdeführerin sich hinsichtlich ihrer Lebenssituation nicht auf ein überwiegendes öffentliches Interesse berufen kann. Zwar ist richtig, dass eine Regularisierung ihres Aufenthalts möglicherweise ihre Sozialhilfeunabhängigkeit zur Folge hätte. Sie ist aber nur deshalb auf Leistungen der Nothilfe angewiesen, weil sie ausreisepflichtig ist und die Schweiz verlassen müsste. Nur deshalb ist ihr auch eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet.

6.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Vollzug der Wegweisung der Beschwerdeführerin in den (nur ihr bekannten) Heimat-, beziehungsweise Herkunftsstaat möglich ist, da keine Vollzugshindernisse ersichtlich sind (Art. 83 Abs. 2 AIG), und es ihr obliegt, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken, beziehungsweise sich um diese zu kümmern (vgl. auch BVGE 2008/34 E. 12). Die Beschwerdeführerin verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf die Erteilung einer solchen. Das Gesuch um Anordnung einer vorläufigen Aufnahme wurde demnach zu Recht abgewiesen. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 2

i.V.m. Abs. 7 Bst. c AIG).

7.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.

8.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der geleistete Kostenvorschuss in gleicher Höhe wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der geleistete Kostenvorschuss in gleicher Höhe wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:

Gabriela Freihofer Evelyn Heiniger

Versand:

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