Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-6028/2016 |
Datum: | 04.01.2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Vorinstanz; Anhörung; Vorbringen; Übersetzung; Flüchtling; Bundesverwaltungsgericht; Dolmetscher; Person; Flucht; Beschwerdeführers; Eritrea; Befragung; Sachverhalt; Desertion; Aussage; Verfügung; Urlaub; Verfahren; Aufenthalt; ährend |
Rechtsnorm: | Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-6028/2016
Besetzung Richterin Muriel Beck Kadima (Vorsitz), Richterin Jeannine Scherrer-Bänziger, Richter William Waeber; Gerichtsschreiberin Regina Seraina Goll.
Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,
vertreten durch lic. iur. LL.M. Tarig Hassan, Advokatur Kanonengasse, ( ) Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 31. August 2016 / N ( ).
Der Beschwerdeführer suchte am ( ) August 2014 in der Schweiz um Asyl nach. Anlässlich der Befragung zur Person (BzP) vom 26. August 2014 und der Anhörung vom 5. Juli 2016 machte er im Wesentlichen Folgendes geltend:
Er sei eritreischer Staatsangehöriger tigrinischer Ethnie, in B. geboren und habe bis zu seiner Rekrutierung im ( ) beziehungsweise bis zu seinem Ausbildungsbeginn im ( ) dort gewohnt. Er habe die 11. Klasse im Jahre ( ) in B. abgeschlossen und danach das 12. Schuljahr -
„Kunstabteilung“ - in Sawa besucht. Dort habe er anlässlich einer Sitzung seine Meinung zur ( ), weswegen er vom Chef der Divison verwarnt und vom Bataillonschef militärisch bestraft worden sei. Nach Abschluss der Maturitätsprüfung, der militärischen Ausbildung und einem dreimonatigen Urlaub in B. sei er der Berufsausbildung als ( ) zugewiesen worden. Dies obwohl er ( ) bevorzugt habe. Als er nach Sawa zurückgekehrt sei, habe er sich dagegen zur Wehr gesetzt und sich, nach ineffektiver Beschwerung beim direkten Vorgesetzten C. , an den obersten Chef D. gewandt. C. habe ihn im Nachhinein für die Nichteinhaltung der Hierarchiestufen während sechs Tagen bestraft. Danach sei er gemeinsam mit fünf Freunden am ( ) desertiert und habe sich in den Sudan abgesetzt. Für die Flucht nach Kassala hätten sie vier Tage benötigt, wobei sie unterwegs auf Angehörige des ( ) Volkes gestossen seien, die sie unterstützt hätten. Im Jahre 2014 sei er schliesslich in die Schweiz eingereist, wo er ein Asylgesuch gestellt habe.
Als Beweismittel reichte der Beschwerdeführer eine eritreische Identitätskarte im Original, eine Taufurkunde (Original und Farbkopie) und zwei Ausweise des UNHCR und des Roten Kreuzes im Original aus dem Sudan ein.
Mit Verfügung vom 31. August 2016 verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers und lehnte sein Asylgesuch ab. Gleichzeitig ordnete es seine Wegweisung aus der Schweiz und den Vollzug an.
Mit Beschwerde vom 30. September 2016 an das Bundesverwaltungsgericht beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur rechtsgenüglichen Sachverhaltsfeststellung sowie zur neuen Entscheidung. Eventualiter sei seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen und ihm Asyl zu gewähren. Subeventualiter sei die vorläufige Aufnahme anzuordnen.
In prozessualer Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung unter Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie um die Bestellung des rubrizierten Rechtsvertreters als unentgeltlichen Rechtsbeistand.
Der Beschwerde legte er ein Zusatzblatt zum Kurzbericht des Hilfswerkvertreters (HWV) vom 9. Juli 2016, ein Foto der Urlaubsbestätigung des Ministry of Defence vom ( ) sowie eine Fürsorgebestätigung der Gemeinde ( ) vom 9. September 2016 bei.
Mit Verfügung vom 4. Oktober 2016 hiess der damals zuständige Instruktionsrichter des Bundesverwaltungsgerichtes die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und ordnete dem Beschwerdeführer den rubrizierten Rechtsvertreter als amtlichen Rechtsbeistand bei.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 erkundigte sich der Rechtsvertreter nach dem Verfahrensstand und bat um möglichst rasche Fällung eines Entscheids. Dem Schreiben legte er eine Honorarnote bei.
Die zwischenzeitlich zuständige Instruktionsrichterin beantwortete die Verfahrensstandanfrage mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 und teilte mit, dass eine koordinierte Behandlung eines Verfahrens mit anderen Beschwerden angezeigt erscheine, weshalb es derzeit noch nicht absehbar sei, wann das Urteil vorliegen werde.
Mit Verfügung vom 9. Oktober 2018 bot die Instruktionsrichterin der Vorinstanz an, sich zur Beschwerde vernehmen zu lassen. Diese nahm die Gelegenheit mit Eingabe vom 23. Oktober 2018 fristgerecht wahr.
Der Beschwerdeführer replizierte mit Schreiben vom 16. November 2018 und legte diesem ein Gutachten des German Institute of Global and Area Studies (GIGA) vom 15. April 2018, einen Ausweis seiner Lebenspartnerin, ein Foto seines Kindes sowie die aktualisierte Honorarnote des Rechtsvertreters bei.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Der Beschwerdeführer beantragt, dass mittels einer weiteren Anhörung mit Hilfe eines neuen Dolmetschers der asylrelevante Sachverhalt festgestellt werden solle, sollte das Gericht nicht zum Schluss kommen, dass seine Aussagen als überwiegend glaubhaft zu qualifizieren seien.
Der Beschwerdeführer erläutert nicht, inwiefern der Sachverhalt nicht genügend abgeklärt worden sein sollte. Im Gegenteil führt er selber aus, dass er seine Vorbringen im Wesentlichen habe schildern können. Dass die Vorinstanz dabei zu einer andern Einschätzung gekommen ist als er, ist keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, sondern beschlägt die materielle Frage, weshalb auch der Antrag, es sei eine weitere Anhörung durchzuführen, abzulehnen ist.
Zur Begründung des ablehnenden Asylentscheids befand die Vorinstanz die Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund grosser logischer Lücken und Widersprüchen als nicht glaubhaft und asylrechtlich unbeachtlich. Die einzelnen Vorkommnisse habe er auch auf Nachfrage hin nicht in eine konsistente zeitliche Abfolge gliedern können, weshalb erhebliche Zweifel an seinen Vorbringen bestünden. So widerspreche er sich sowohl hinsichtlich der Sitzung, anlässlich welcher er sich gewehrt habe, als auch des Zeitpunkts der Berufswahl beziehungsweise der beruflichen Zuteilung. Die Zweifel an seinen Vorbringen würden durch unsubstanziierte und oberflächliche Angaben zu den angeblichen Ereignissen weiter bestärkt. So habe er den obersten Chef, bei welchem er sich beschwert habe, nur sehr ungenau zu beschreiben vermocht. Auf Nachfrage habe er ausgesagt, der
„Kapitän“ habe die Uniform der (...) Runde getragen. Weshalb der Chef der ( ) Runde eine Uniform der (...) Runde tragen sollte, habe er nicht erklären können. An der Anhörung sei insbesondere aufgefallen, dass seine Darlegung zum angeblichen verlängerten Urlaub und der darauffolgenden Rückkehr nach Sawa von Widersprüchen und grossen logischen Lücken geprägt gewesen sei. Es sei ungeklärt geblieben, wie es zu der Verlängerung
gekommen sei und wie er von der Verlängerung und dem neuen Zeitpunkt der Einrückung Kenntnis erlangt habe. Die Schilderungen über den angeblichen zweiten Aufenthalt in Sawa seien mehrheitlich unsubstanziiert und äusserst ungenau ausgefallen. Sie würden sich in ihrer Konsistenz und Dichte zu den Berichten zum ersten Aufenthalt in Sawa unterscheiden. Auch bezüglich der Flucht aus Sawa und der anschliessenden Flucht ausser Landes sei es zu unvereinbaren Angaben und grossen logischen Lücken gekommen. So sei nicht nachvollziehbar, wie er und seine Kollegen in unterschiedliche „Orientierungen“ hätten weggehen und sie sich nach mehreren Stunden trotzdem wieder hätten treffen können. Zudem habe er gesagt, neben dem Proviant nichts mitgenommen zu haben. In der Folge habe er jedoch geschildert, Geld für den Transport dabei gehabt zu haben. Ausserdem habe er nicht überzeugend dargelegt, warum er vier Tage bis an die Grenze Eritreas benötigt habe. Die erhobenen Zweifel liessen sich auch nicht durch angebliche sprachliche Verständigungsschwierigkeiten in der Anhörung schmälern.
Gemäss den vorliegenden Akten habe der Beschwerdeführer weder den Nationaldienst verweigert, noch sei er aus dem Nationaldienst desertiert. Da er demnach nicht gegen die Proclamation on National Service von 1995 verstossen habe und seinen Akten auch sonst nichts zu entnehmen sei, wonach er bei einer Rückkehr nach Eritrea ernsthafte Nachteile zu gewärtigen habe, seien die Anforderungen an die Feststellung einer begründeten Furcht vor zukünftiger Verfolgung nicht erfüllt. Seine Vorbringen bezüglich der illegalen Ausreise seien somit asylrechtlich unbeachtlich.
Auf Beschwerdeebene legte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter dar, dem Protokoll der HWV sei klar zu entnehmen, dass der Dolmetscher nicht über genügende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge, um seiner Rolle als Übersetzer im Asylverfahren gerecht zu werden. Die HWV habe schliesslich auch zu einer erneuten Befragung angeregt, was allerdings nicht gemacht worden sei. Auf die zentrale Rolle des Dolmetschers werde auch im Handbuch des SEM hingewiesen. Vorliegend bestünden erhebliche Zweifel daran, dass eine korrekte Übersetzung erfolgt sei, weshalb die Argumentation der Vorinstanz, die Vorbringen des Beschwerdeführers seien nicht glaubhaft, nicht legitim sei. Auch die Bemerkungen der HWV auf dem Zusatzblatt zum Kurzbericht liessen klar darauf schliessen, dass weder die Übersetzungsleistung des Dolmetschers
genügend gewesen sei, noch die Befragungsleitung ein angemessenes Befragungsklima zu erreichen vermocht habe. Es sei nach Ansichten des HWV vielmehr der Eindruck entstanden, dass sich die Befragungsleitung schon früh entschieden habe, ihm keinen Glauben zu schenken. So sei der HWV auch nicht erlaubt worden, Ergänzungsfragen zu stellen. In der Pause habe die Befragungsleitung der HWV ausgeführt, „sie habe nicht gewollt, dass der Gesuchsteller argumentieren konnte, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne, weil es zu lange her sei“. Auf die Nachfrage der HWV betreffend die ungenügenden Sprachkenntnisse des Dolmetschers habe die Befragungsleitung hinzugefügt, „dass die Vorbringen so oder so nicht aufgehen würden“, und damit impliziert, dass die Sprachkenntnisse in casu nicht wesentlich seien. Unabhängig von der Meinung der HWV falle auf, dass die befragende Person regelmässige habe nachfragen und die Frage wiederholen müssen. Vor diesem Hintergrund müssten auch die Vorbringen des Beschwerdeführers gewürdigt werden. Es erstaune ebenfalls, dass die Befragungsleitung ihn am Schluss der Anhörung zwei Mal auf vermeintliche Widersprüche zur BzP angesprochen habe, welche tatsächlich nicht bestünden. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass er anlässlich der BzP mehrmals darauf hingewiesen worden sei, sich kurz zu fassen. Ferner sei der Umstand zu berücksichtigen, dass sowohl die fluchtauslösenden Ereignisse als auch die illegale Ausreise im Zeitpunkt der BzP bereits zwei Jahre (recte: fast fünf Jahre) und im Zeitpunkt der Anhörung gar sechseinhalb Jahre zurückgelegen hätten. Dass die Erinnerungen nach so langer Zeit schwinden würden, sei absolut nachvollziehbar und im Rahmen der Glaubhaftigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Bei dieser dürfe im Übrigen nicht einzig auf Widersprüche abgestellt werden, sondern sie müsse alle relevanten Kriterien umfassen.
Hinsichtlich des Vorwurfs, die Vorbringen nicht in eine konsistente zeitliche Abfolge gebracht zu haben, wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass er sich bereits im Jahr ( ) beklagt habe, dass er ( ), weshalb er vom Vorgesetzten verwarnt worden sei. Als er sich schliesslich im ( ) an den obersten Chef gewandt habe, um sich nochmals über ( ) zu beschweren, sei er von seinem direkten Vorgesetzten bestraft worden. Auch wenn die Abfolge der Geschehnisse beim Durchlesen der Protokolle nicht gleich von Beginn an gänzlich klar sei, so würden seine Ausführungen alle mit der geschilderten Abfolge übereinstimmen. Die Beschreibung des obersten Chefs sei entgegen der Meinung der Vorinstanz genau ausgefallen und
würde zeigen, dass er ein klares Bild von ihm vor Augen gehabt habe. Dass er keine Kenntnisse der Gründe, welche zur Urlaubsverlängerung geführt hätten, gehabt habe, sei durchaus plausibel und nachvollziehbar. Er sei erst 18-jährig und einfach froh gewesen, dass er noch mehr Zeit mit seinen Eltern habe verbringen können. Er habe überdies geschildert, dass er die entsprechende Liste im Büro des Schulministers gesehen habe. Auf diese Weise habe er sowohl von der Verlängerung des Urlaubs als auch vom Zeitpunkt der Einrückung erfahren. Hinsichtlich des Vorwurfs der Vorinstanz, die Ausführungen zum zweiten Aufenthalt in Sawa seien unsubstanziiert und ungenau, sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei den vorgebrachten Textpassagen um Nachfragen der HWV handle, welche sich vergewissert habe, alles richtig verstanden zu haben. Die Fragen seien dabei so formuliert worden, dass ein „genau“ oder „ja“ genügt habe. Die detaillierte Schilderung habe bereits zuvor stattgefunden. Dass er behauptet habe, er sei bei seiner Flucht allein weitergelaufen, habe danach aber seinen Kollegen um Wasser gebeten, sei tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Allerdings handle es sich um einen vermeintlichen Widerspruch, da dieser in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen erfolgt sei. Dies weise stark darauf hin, dass es sich um ein Missverständnis, einen Denkfehler oder einen Übersetzungsfehler handle. Und schliesslich sei ihm das rechtliche Gehör dazu nicht gewährt worden. Für ihn sei klar, dass er es nicht speziell erwähnenswert gefunden habe, dass er Geld mit auf die Reise mitgenommen habe. Die entsprechenden Fragen hätten sich im Übrigen auf die Fluchtvorbereitung bezogen, nicht darauf, was er alles mitgenommen habe. Zur Dauer der Flucht habe er mehrmals ausgeführt, dass es sich um ungefähre Angaben handle. Der Umstand, dass die Flucht bereits über fünf Jahre zurückgelegen habe, sei nicht berücksichtigt worden. Es sei allein aufgrund zeitlicher Angaben auf die Unglaubhaftigkeit seiner Vorbringen geschlossen worden, wobei die zahlreichen Details nicht in einer umfassende Abwägung berücksichtigt worden seien. Insgesamt habe er das Erlebte frei geschildert, Namen nennen können, seine Erzählungen mit direkter Rede, Skizzen und Gesten untermauert. Diese Merkmale seien als Realkennzeichen zu qualifizieren. Überdies würden seine Aussagen mit gesicherten Länderkenntnissen übereinstimmen. Durch seine Desertion habe er gegen die Proclamation on National Service von 1995 verstossen und seine illegale Ausreise werde in Eritrea als politische Opposition gewertet, weshalb er bei einer Rückkehr nach Eritrea begründete Furcht vor einer
zukünftigen Verfolgung habe, wobei Letztere als subjektiver Nachfluchtgrund gelte und zur vorläufigen Aufnahme als Flüchtling führen müsse.
In ihrer Vernehmlassung hielt die Vorinstanz fest, dass hinsichtlich der angeblich durch sprachliche Probleme bedingten Widersprüche festzustellen sei, dass es sich dabei um sachliche Diskrepanzen handle, die nicht durch eine ungenaue Übersetzung des Dolmetschers erklärbar seien. Sowohl in der BzP als auch in der Anhörung habe der Beschwerdeführer die Richtigkeit des übersetzten Protokolls mit seiner Unterschrift bestätigt. Es sei festzustellen, dass dem Beschwerdeführer eine kohärente zeitliche Verortung der fluchtbegründenden Ereignisse erst auf die Suggestivfragen der HWV hin gelungen sei. Angesichts der älteren dienstleistenden ( ) dürfte der Beschwerdeführer über den Ablauf der Zuteilungsprozedere informiert gewesen sein. Dass er hiernach überrascht worden sei, dass die Behörden ihm eine Funktion zugewiesen hätten, vermöge nicht zu überzeugen. Insbesondere scheine schleierhaft, weshalb er angesichts der Zuteilung während des ersten Aufenthalts trotzdem ein zweites Mal eingerückt sei, sei doch der verweigerte Berufswunsch Hauptmotiv für seine Desertion gewesen. Bezeichnenderweise sei bezüglich der erst in der Anhörung angeführten Sanktion durch den Vorgesetzten darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer in der BzP auf Nachfrage verneint habe, sich bezüglich des unerwünschten Berufswunsches an jemanden gewandt zu haben. Die hierzu aufgekommenen Vorbehalte würden sich angesichts der unvereinbaren Angaben zur Ausreise erhärten. Es liege vielmehr die Vermutung nahe, dass er unter anderen Umständen als den genannten ausgereist sei.
In seiner Replik merkte der Beschwerdeführer an, es sei höchst fraglich, inwiefern er mit seiner Unterschrift die Korrektheit der deutschen Übersetzung des Dolmetschers bestätigt haben könne, da er ja gerade aufgrund seiner damals ungenügenden Deutschkenntnisse auf einen Dolmetscher angewiesen gewesen sei. Schliesslich sei die Rückübersetzung vom selben Dolmetscher übernommen worden, was das Erkennen von Übersetzungsfehlern praktisch verunmögliche. Für ihn sei es durch die Verwendung der korrekten tigrinischen Begriffe unmöglich gewesen, die falsche deutsche Übersetzung zu bemerken. Inwiefern die Dolmetscherprobleme nicht für sachliche und inhaltliche Unklarheiten verantwortlich sein sollten,
sei nicht ersichtlich. Durch das Weglassen von Satzteilen oder Übersetzungsproblemen würden sachliche Widersprüche produziert, was auch die HWV bestätigt habe. Zudem sei es kein Geheimnis, dass es gerade im eritreischen Kontext immer wieder zu schwerwiegenden Dolmetscherproblemen komme, da eine Vielzahl der Übersetzer der eritreischen Regierung nahe stehen würden oder ihr direkt unterstellt seien, so dass sie oftmals absichtlich falsch übersetzen oder wichtige Teile der Erzählungen weglassen würden. Dass es ihm erst nach suggestiven Fragen der HWV gelungen sei, die Abfolge der Ereignisse kohärent darzustellen, stimme nicht. Dies untermauerte er durch die Angabe diverserer Protokollstellen, wo er seine Biographie dargelegt habe, bevor die HWV überhaupt Zusatzfragen gestellt habe. Die Dolmetscherprobleme und das angespannte sowie einschüchternde Anhörungsklima hätten zu einer katastrophalen Qualität der Anhörung geführt.
Ihm könne nicht vorgeworfen werden, dass er trotz der Erfahrungen seiner ( ) und dem ersten Aufenthalt in Sawa weiterhin darauf gehofft habe, doch noch seinen Traumberuf ausüben zu können. Ausserdem sei die Flucht aus dem eigenen Land keine leichtfertige Entscheidung und er habe Angst vor den drohenden Konsequenzen gehabt, falls er nicht wie angeordnet nach Sawa zurückgekehrt wäre. Sein Ausreisemotiv sei schliesslich auch nicht alleinig die Tatsache, nicht seinen Traumberuf ausüben zu können, gewesen, sondern auch die zutiefst entwürdigende und unmenschliche Bestrafung durch seinen Vorgesetzen. Gerade aufgrund dieser höchst entwürdigenden Bestrafung habe er diese anlässlich der BzP noch nicht erwähnen können, was menschlich nachvollziehbar sei. Zudem sei er auch immer wieder darauf hingewiesen worden, sich kurz zu halten. Anlässlich der Anhörung habe er die Situation dann auch detailliert beschrieben und die Erzählungen mit vielen Realkennzeichen versehen.
Die illegale Ausreise sei auch nach neuer bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung asylrechtlich relevant, da aufgrund seiner Desertion weitere Faktoren vorliegen würden, die ihn als missliebige Person erscheinen liessen.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken.
Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden, wobei die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) vorbehalten bleibt (Art. 3 Abs. 3 AsylG).
Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimatoder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind, wobei die Einhaltung der FK vorbehalten bleibt (Art. 3 Abs. 4 AsylG).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Glaubhaftmachung im Sinne des Art. 7 Abs. 2 AsylG bedeutet - im Gegensatz zum strikten Beweis - ein reduziertes Beweismass und lässt durchaus Raum für gewisse Einwände und Zweifel an den Vorbringen des Gesuchstellers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der gesuchstellerischen Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist auf eine objektivierte Sichtweise abzustellen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Glaubhaftmachung eines Verfolgungsschicksals ist eine die eigenen Erlebnisse betreffende, substanziierte, im Wesentlichen widerspruchsfreie und konkrete Schilderung der dargelegten Vorkommnisse. Die wahrheitsgemässe Schilderung einer tatsächlich erlittenen Verfolgung ist gekennzeichnet durch Korrektheit, Originalität, hinreichende Präzision und innere Übereinstimmung. Unglaubhaft wird eine Schilderung von Erlebnissen insbesondere bei wechselnden, widersprüchlichen, gesteigerten oder nachgeschobenen Vorbringen. Bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung geht es um eine Gesamtbeurteilung aller Elemente (Übereinstimmung bezüglich des wesentlichen Sachverhaltes, Substanziiertheit und Plausibilität der Angaben,
persönliche Glaubwürdigkeit usw.), die für oder gegen den Gesuchsteller sprechen. Glaubhaft ist eine Sachverhaltsdarstellung, wenn die positiven Elemente überwiegen. Für die Glaubhaftmachung reicht es demnach nicht aus, wenn der Inhalt der Vorbringen zwar möglich ist, aber in Würdigung der gesamten Aspekte wesentliche und überwiegende Umstände gegen die vorgebrachte Sachverhaltsdarstellung sprechen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-5779/2013 vom 23. Februar 2015 E. 5.6.1 [als Referenzurteil publiziert] m.w.H.).
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die Vorbringen des Beschwerdeführers insgesamt angesichts zahlreicher Realkennzeichen als überwiegend glaubhaft gemacht. Es besteht für das Gericht kein Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer sein 12. Schuljahr in Sawa absolviert hat, was denn von der Vorinstanz auch nicht in Frage gestellt wurde. Die Vorinstanz bezweifelt indessen insbesondere, dass der Beschwerdeführer im Jahr ( ) - während des zweiten Aufenthalts in Sawa - desertiert ist. Nachfolgend wird auf die von der Vorinstanz angeführten Unglaubhaftigkeitselemente und die vom Beschwerdeführer diesbezüglich entgegneten Argumente beziehungsweise Aussagen anlässlich der BzP und Anhörung eingegangen.
Wie der Beschwerdeführer darstellt, scheint es tatsächlich Probleme bei der Übersetzung seiner Aussagen gegeben zu haben. Indizien dafür, dass der Dolmetscher als Teil der eritreischen Regierung die Anhörung beeinflussen wollte, liegen jedoch nicht vor. Gemäss den Anmerkungen der HWV zum Protokoll der Anhörung sollen seine Deutschkenntnisse ungenügend gewesen sein, um wortgetreue Übersetzungen zu erbringen. Dies ist insbesondere für ein Fachgebiet wie das vorliegende, wo eine detailgetreue und wortwörtliche Übersetzung von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des Beschwerdeführers sein kann, problematisch. Da gewisse Ungenauigkeiten im vom Beschwerdeführer Dargelegten vorliegen, dürfte dieser Vorwurf zutreffen. Für weitere Hinweise auf Übersetzungsprobleme kann auf die Darlegungen des Beschwerdeführers beziehungsweise die Anmerkungen des HWV (vgl. A16 Anhang sowie Beschwerdebeilage Ziff.
3) verwiesen werden. Die Schilderung der Begebenheiten ist daher vor dem Hintergrund der eben genannten Verständigungsprobleme zu betrachten.
So ist hinsichtlich des Zeitpunkts der Mitteilung an den Beschwerdeführer, welcher Ausbildung er schliesslich tatsächlich zugeführt werde, kein Widerspruch zu erkennen. Vielmehr korrigierte der Beschwerdeführer die protokollierte Angabe, wonach er bereits vor seinem Urlaub die definitive Zuteilung gekannt habe, bei der Rückübersetzung dahingehend, dass er erst bei der Rückkehr nach Sawa davon erfahren habe (vgl. A16 F146 und Korrektur in Anmerkungen zur Rückübersetzung auf S. 25). Die Aussage,
„als ich nach Sawa kam, habe ich gewusst, dass ich in eine andere Abteilung eingeteilt werde“ (vgl. A16 F99) dürfte der ungenauen Übersetzung zuzusprechen sein, da es gut möglich ist, dass er von „erfahren“ und nicht
„wissen“ sprach. Dies würde sich auch mit seiner Antwort auf Frage 96 (A16) decken, welcher auch dieser Zeitpunkt zu entnehmen ist.
Dem Vorwurf der Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, die Geschehnisse betreffend die Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten in eine kohärente Reihenfolge zu bringen, ist ebenfalls nicht zuzustimmen. Der Beschwerdeführer bringt in seinem freien Bericht anlässlich der Anhörung vor, sowohl nach der Wortmeldung an der Sitzung im Jahr ( ) als auch nach der Kontaktierung des obersten Chefs im Jahr ( ) militärisch bestraft worden zu sein. Er unterscheidet dabei deutlich zwischen diesen beiden Vorfällen, wobei auch die Namen der vorgesetzten, ihn bestrafenden Personen divergieren (vgl. A16 F65, F68, F96100 und F165 ff.). Auch die HWV scheint die Darlegung so verstanden zu haben (vgl. Zusatzblatt zum Kurzbericht, S. 2). Die Vorinstanz vermischt diese beiden unterschiedlichen Vorfälle und konstruiert so erst Widersprüche. Seinem freien Bericht sind sodann zahlreiche Details zu entnehmen. Im 12. Schuljahr, als er der „Kunstabteilung“ angehörte, nahm er an einer Sitzung teil, wo auch sein General E. anwesend war und ihnen mitteilte, dass ( ). Da der Beschwerdeführer an dieser Sitzung seine Meinung kundgetan hatte, wurde er vom Chef der Division namens F. verwarnt und von seinem Bataillonschef G. militärisch hart bestraft (vgl. A16 F65). Als er nach seiner Rückkehr nach Sawa erfuhr, dass er definitiv einer anderen Ausbildung zugeteilt wurde, wandte er sich an die zu-
ständige Person C.
und danach an den obersten Chef bezie-
hungsweise Kapitän der Soldaten namens D. _. C.
be-
strafte ihn für dieses unerlaubte Vorgehen während sechs Tagen (vgl. A16 F68, F99 und F170 ff.). Diese Strafe führt er nicht weiter aus. Er wird allerdings auch nicht mehr danach gefragt, da die Vor-instanz, wie dargelegt,
nicht verstanden haben dürfte, dass es sich dabei um zwei verschiedene Vorfälle gehandelt hat.
Es erscheint zwar merkwürdig, dass dieser oberste Chef die Uniform der (...) Runde getragen hat (vgl. A16 F182). Allerdings stellt gerade dieses ausgefallene Detail ein Realkennzeichen dar und spricht für die Glaubhaftigkeit der Aussage, zumal der Beschwerdeführer auch eine einfachere und naheliegendere Lösung hätte vorbringen können (vgl. LUDEWIG/BAUMER/TAVOR, Wie können aussagepsychologische Erkenntnisse Richtern, Staatsanwälten und Anwälten helfen? In: Aktuelle Juristische Praxis (AJP)/Pratique Juridique Actuelle (PJA), 11/2011). Auch ist im eritreischen Kontext nicht ausgeschlossen, dass Vorgesetzte, die in einer anderen Runde ihren Militärdienst absolvierten, ihre damalige Uniform beibehalten haben, weshalb nicht von der Unglaubhaftigkeit dieses Vorbringens auszugehen ist.
Die Vorinstanz erblickte sodann Widersprüche und grosse logische Lücken in den Darlegungen zum verlängerten Urlaub. Das Bundesverwaltungsgericht kann auch diesem vermeintlichen Unglaubhaftigkeitsgrund nicht folgen. Der Beschwerdeführer legte klar dar, dass zunächst nach der dreimonatigen militärischen Ausbildung ein einmonatiger Urlaub von den militärischen Behörden und sodann eine zweimonatige Verlängerung vom Schulministerium gewährt wurde (vgl. A16 F20 f., F91 ff., F149 ff. und F190 ff.). Auch wenn die Urlaubsbestätigung nur als Fotografie und ohne Übersetzung vorliegt, obschon diese in Aussicht gestellt wurde, besteht kein Anlass, dieser Aussage nicht zu glauben, entspricht es doch den Länderkenntnissen des Gerichts, dass die Schule und die militärische Ausbildung in Sawa jeweils eigenen Direktoren unterstehen (vgl. Shabait.com [Eritrean Ministry of Information], Warsay-Yekealo School: 2018/2019 academic year begins, 27. August 2018, http://www.shabait.com/news/localnews/26937-warsay-yekealo-school-20182019-academic-year-begin s, abgerufen am 13. Dezember 2018; Landinfo, Report Eritrea: National Service, 20. Mai 2016, https://landinfo.no/asset/3382/1/3382_1.pd f, abgerufen am 13. Dezember 2018). Wer für die Berufsschule zuständig ist, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass dies im Aufgabenbereich des Schulministeriums liegt, wie es vom Beschwerdeführer dargelegt wurde. Der Unterricht beginnt dabei bekannterweise erst ungefähr im November. Dass eine Verlängerung an diversen
Orten im Dorf - und ohne weitere Begründung - ausgehängt wird, erscheint durchaus nachvollziehbar (vgl. A16 F190 ff.), zumal viele Schüler des ganzen Landes gleichzeitig informiert werden müssen.
Hinsichtlich der Darstellung der Flucht aus der Ausbildungsstätte in Sawa ist festzustellen, dass es dem Beschwerdeführer gelingt, diese mit ausgefallenen Details zu beschreiben, welche nicht erfunden scheinen, wie etwa der abgetrennte, noch blutendende Kopf einer Frau, welchen sie entdeckt und begraben haben (vgl. allgemein A16 F102-141 zu Proviant, schmerzende Hände, Schüsse auf zwei Freunde, Durst und Übelkeit, Hilfe durch Angehörige des (...) Volkes und der Verständigung auf Arabisch mit diesen etc.). Sie sind zwei Nächte unterwegs gewesen ohne den Weg zu kennen und nach 38 Stunden auf Angehörige des (...) Volkes gestossen. Dort haben sie einen Tag verbracht, bevor sie von einem Auto abgeholt worden sind. Nach ungefähr zwei Stunden haben sie vor einem Kontrollposten aussteigen müssen. Jemand hat sie vor dem Ort H. gewarnt, weshalb sie diesen Ort rechts liegen lassen haben und nach einem weiteren Tag Fussmarsch in Kassala angekommen sind, wo sie von Sicherheitskräften aufgegriffen wurden (vgl. A16 F120-129, F133 f. und F162 f.). Dass die Freunde in unterschiedliche Richtungen davon gelaufen sind, bedeutet nicht unbedingt, dass sie sich aus den Augen verloren haben müssen. Auch dass der Beschwerdeführer es nicht speziell erwähnenswert fand, Geld mitgenommen zu haben, erscheint plausibel, zumal er nicht danach gefragt wurde, was er alles mitgenommen hatte. Die viertägige Flucht von Sawa nach Kassala scheint der Vorinstanz zu lange, zumal die Fliehenden ein Stück weit mit dem Auto hätten fahren können und Sawa nahe an der Grenze liege. Sie wirft dem Beschwerdeführer vor, es sei nicht möglich, dass sie von Sawa nach H. vier Tage gebraucht hätten, da er angegeben habe, diesen Ort während des 12. Schuljahres innert drei Stunden erreicht zu haben (vgl. A16 F162 f.). Allerdings hat der Beschwerdeführer seine Aussage bei der Rückübersetzung dahingehend korrigiert, indem er sagte, er sei damals nicht mittags sondern vormittags losgelaufen und gegen drei Uhr nachmittags angekommen (vgl. A16 F141, F163 sowie Korrektur auf S. 25). Das heisst der Marsch hätte auch zehn Stunden dauern können, wenn sie sich beispielsweise um fünf Uhr morgens auf den Weg gemacht hätten. Überdies war es den Fliehenden nicht möglich sich tagsüber fortzubewegen und die Hauptstrasse zu benutzen,
zumal sie sich versteckt halten mussten (vgl. A16 F162). Ebenfalls erwähnenswert ist, dass der Beschwerdeführer jeweils von der Strecke von Sawa bis nach Kassala zu sprechen scheint, während die Vorinstanz von der Strecke von Sawa bis zur eritreischen Grenze beziehungsweise der Ortschaft H. in der Nähe der Grenze ausgeht (vgl. A16 F120 f., F128 und F163 sowie Asylentscheid Ziff. 1 S. 4). Es geht aus den Protokollen überdies nicht klar hervor, wann sie diesen Ort „rechts liegen“ lassen haben. Ausserdem liegen zwischen Sawa und Kassala ungefähr 70 Kilometer Luftlinie. Folgt man der Strasse sind es ungefähr 104 Kilometer (vgl. https://www.luftlinie.org/15.445586012676871,36.37839660979808/1 5.685993936785982,36.9766227621585 1, abgerufen am 20. Dezember 2018). Dass die vier Freunde zwei Nächte und einen Tag lang gelaufen sowie zwei Stunden gefahren sind, um eine Strecke von ungefähr 104 Kilometern (ausgehend von der Befahrung der Strasse, nicht Fussweg querfeldein) zu bewältigen, scheint daher unter den gegeben Umständen durchaus möglich.
ren Gewährung von Freizeit sowie der Nennung des Namens seiner Vorgesetzten und seiner Unterkunft (vgl. A16 F68, F106 f. und F185 f.). Generell sind die Vorbringen übereinstimmend und nachvollziehbar dargetan worden. Die protokollierten Angaben zeichnen sich insgesamt durch einige detailreiche und lebhaft beschriebene Erfahrungen aus. Der Beschwerdeführer untermauerte seine Erzählungen mit Skizzen und viele Gesten (vgl. insbesondere Beschreibung der Art der Bestrafung sowie wie schwerwiegend er diese empfunden hat: A16 F65 ff.; vgl. auch A16 F77, F106 ff.). Letztlich sind auch die Länge der Anhörung sowie die lange Zeitspanne zwischen dem Erlebten und den Befragungen zu berücksichtigen. Für andere Hypothesen, wie der Beschwerdeführer den Nationaldienst verlassen haben könnte, liegen keine konkreten Hinweise vor. Daran vermögen auch die beigebrachten Ausweisdokumente nichts zu ändern, obschon diesbezüglich auffällt, dass die Karte, die er angeblich nach der Einreise in den Sudan erhalten hat (vgl. A4 Ziff. 2.01), erst im Jahr (...) ausgestellt worden ist. Beide Flüchtlingsausweise weisen zudem einen falschen Namen auf. Bei der Ausstellung der Identitätskarte wurden zwei unterschiedliche Kugelschreiber benutzt. Zu all diesen Punkten wurde der Beschwerdeführer jedoch nicht befragt. Selbst wenn er aber erst im Februar (...) ausgereist wäre, ist dies ein ungenügender Hinweis für eine frühzeitige Entlassung aus dem Militärdienst, da eine solche nach Kenntnissen des Gerichts frühestens nach fünf Jahren in Frage kommt (vgl. Urteil D-2311/2016 vom
17. August 2017, E. 12.5 und E. 13.3, als Referenzurteil publiziert). Die Gründe, welche für die Richtigkeit der vorgebrachten Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen daher, weshalb vom eingangs geschilderten Sachverhalt (Bst. A) auszugehen und die erfolgte Desertion aus dem Militärdienst vorliegend zu bejahen ist.
Dienstverweigerung und Desertion werden in Eritrea unverhältnismässig streng bestraft. Die Furcht vor einer Bestrafung wegen Dienstverweigerung oder Desertion ist dann begründet, wenn die betroffene Person in einem konkreten Kontakt zu den Militärbehörden stand. Ein solcher Kontakt ist regelmässig anzunehmen, wenn die betroffene Person im aktiven Dienst stand und desertierte. Darüber hinaus ist jeglicher Kontakt zu den Behörden relevant, aus dem erkennbar wird, dass die betroffene Person rekrutiert werden sollte (z.B. Erhalt eines Marschbefehls). In diesen Fällen droht grundsätzlich nicht allein eine Haftstrafe, sondern eine Inhaftierung
unter unmenschlichen Bedingungen und Folter, wobei Deserteure regelmässig der Willkür ihrer Vorgesetzten ausgesetzt sind. Die Desertion wird von den eritreischen Behörden als Ausdruck der Regimefeindlichkeit aufgefasst. Demzufolge sind Personen, die begründete Furcht haben, einer solchen Bestrafung ausgesetzt zu werden, als Flüchtlinge im Sinn von Art. 1A Abs. 2 FK und Art. 3 Abs. 1-3 AsylG anzuerkennen (vgl. zum Ganzen Entscheidungen und Mitteilungen der ehemaligen Asylrekurskommission [EMARK] 2006 Nr. 3; jüngst beispielsweise bestätigt in Urteil des BVGer E-1740/2016 vom 9. Februar 2018 E. 5.1).
Durch seine Ausreise aus Eritrea während seines aktiven Militärdienstes in Sawa, hat sich der Beschwerdeführer aus Sicht der eritreischen Behörden der Desertion schuldig gemacht, weswegen er als Feind des Regimes betrachtet wird.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer davon auszugehen ist, dass ihm bei einer allfälligen Rückkehr nach Eritrea die reelle Gefahr einer unverhältnismässig strengen Bestrafung wegen Desertion drohen würde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht. Damit sind die Kriterien von Art. 3 AsylG als erfüllt zu betrachten und ist der Beschwerdeführer demzufolge als Flüchtling anzuerkennen. Dementsprechend ist ihm mangels Anzeichen für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes (Art. 53 AsylG) in der Schweiz Asyl zu gewähren (vgl. Art. 49 AsylG).
Die Beschwerde ist daher gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung vom
31. August 2016 ist aufzuheben und das SEM anzuweisen, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festzustellen und ihm Asyl zu gewähren.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).
Dem vertretenen Beschwerdeführer ist angesichts seines Obsiegens in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihm notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers reichte am 16. November 2018 eine aktualisierte Kostennote ein. Der darin für seine Bemühungen ausgewiesene Aufwand von 14.75 Stunden erscheint angemessen. Auch der Stundenansatz von Fr. 300.- ist angesichts des Ausgangs des Verfahrens nicht zu beanstanden (vgl. Art. 10 Abs. 2 VGKE). Unter Hinzurechnung der ausgewiesenen Auslagen im Umfang von Fr. 25.20 und der Mehrwertsteuer beläuft sich das Honorar des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers auf gerundet Fr. 4‘802.-. Die Vorinstanz wird angewiesen, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung in genannter Höhe auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Die angefochtene Verfügung vom 31. August 2016 wird aufgehoben. Das SEM wird angewiesen, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festzustellen und ihm Asyl zu gewähren.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Das SEM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 4‘802.- auszurichten.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Muriel Beck Kadima Regina Seraina Goll
Versand:
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