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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-1100/2019

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-1100/2019

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-1100/2019
Datum:18.09.2019
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Wegweisung; Recht; Flüchtling; Bundesverwaltungsgericht; Urteil; Eritrea; Schweiz; Ausreise; Vollzug; Vorinstanz; Verfügung; Praxis; Wegweisungsvollzug; Heimat; Flüchtlingseigenschaft; Ausländer; Rückkehr; Lebens; Behörde; Person; Beziehung; Bundesgericht; Nationaldienst; Militärdienst; Behörden; Asyls
Rechtsnorm: Art. 25 BV ;Art. 44 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;Art. 98 ZGB ;
Referenz BGE:135 I 143; 137 I 351; 138 I 41; 139 I 330; 139 I 37
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-1100/2019

U r t e i l  v o m  1 8.  S e p t e m b e r  2 0 1 9

Besetzung Einzelrichter Simon Thurnheer,

mit Zustimmung von Richter Gérard Scherrer; Gerichtsschreiber Gian-Flurin Steinegger.

Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,

vertreten durch lic. iur. Kathrin Stutz,

Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende (ZBA), ( ),

Beschwerdeführerin,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 29. Januar 2019 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Die Beschwerdeführerin - eine eritreische Staatsangehörige tigrinischer Ethnie aus B. (C. ) - heiratete am ( ) 2015 in Adis Abeba ihren Landsmann D. (N [ ]). Im Rahmen des ihr bewilligten Familiennachzugs reiste sie am 11. April 2016 legal in die Schweiz ein, wo sie am 4. Juni 2016 um Asyl nachsuchte.

In der Summarbefragung vom 13. Juni 2016 machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, sie sei aus Angst vor einer drohenden Einberufung in den Militärdienst aus Eritrea ausgereist.

In der Anhörung vom 27. November 2017 machte die Beschwerdeführerin erstmals geltend, sie habe nach ihrer Ausreise ein schriftliches Aufgebot zum Militärdienst erhalten. In der Folge hätten die eritreischen Behörden ihre Mutter an ihrer statt mitgenommen und inhaftiert.

B.

Mit am 7. Februar 2019 eröffneter Verfügung vom 29. Januar 2019 stellte das SEM fest, die Beschwerdeführerin erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte ihr Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz und erachtete den Wegweisungsvollzug als zulässig, zumutbar und möglich.

C.

Mit Eingabe vom 4. März 2019 reichte die Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein und beantragte, es sei die Verfügung des SEM aufzuheben, ihre Flüchtlingseigenschaft festzustellen und ihr Asyl zu gewähren. Eventualiter sei die Unzulässigkeit beziehungsweise die Unzumutbarkeit der Wegweisung festzustellen und die vorläufige Aufnahme anzuordnen. In prozessualer Hinsicht sei die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten sowie die Unterzeichnende als unentgeltlicher Rechtsbeistand beizuordnen.

D.

Mit Schreiben vom 6. März 2019 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde.

E.

Mit Eingabe vom 12. April 2019 reichte die Beschwerdeführerin eine Fürsorgeabhängigkeitsbestätigung datiert vom 10. April 2019 ein.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend

  • endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]). Die Beschwerdeführerin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (aArt. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).

    2.

      1. Das Bundesverwaltungsgericht überprüft die angefochtene Verfügung in Asylsachen auf Verletzung von Bundesrecht sowie unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts hin (Art. 106 Abs. 1 AsylG), im Bereich des Ausländerrechts zudem auch auf Unangemessenheit (Art. 49 VwVG).

      2. Für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).

      3. Am 1. Januar 2019 wurde zudem das Ausländergesetz vom 16. De-

    zember 2005 (AuG, SR 142.20) teilrevidiert (AS 2018 3171) und in Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) umbenannt. Der vorliegend anzuwendende Gesetzesartikel (Art. 83 Abs. 1-4) ist unverändert vom AuG ins AIG übernommen worden, weshalb das Gericht nachfolgend die neue Gesetzesbezeichnung verwenden wird.

    2.4. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung einer zweiten Richterin respektive eines zweiten Richters (Art. 111 Bst. e AsylG), ohne Weiterungen und mit summarischer Begründung zu behandeln (Art. 111a Abs. 1 und 2 AsylG).

    3.

      1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (vgl. Art. 3 AsylG).

      2. Flüchtlingen wird nach Art. 54 AsylG kein Asyl gewährt, wenn sie erst durch ihre Ausreise aus dem Heimatoder Herkunftsstaat oder wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise Flüchtlinge im Sinne von Art. 3 AsylG wurden (subjektive Nachfluchtgründe).

      3. Die Flüchtlingseigenschaft muss nachweisen oder zumindest glaubhaft machen, wer um Asyl nachsucht (Art. 7 AsylG). Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaubhaftmachen der Vorbringen in einem publizierten Entscheid dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden (BVGE 2010/57 E. 2.2 und 2.3).

    4.

      1. Entgegen der in der Beschwerde erhobenen Rüge (vgl. daselbst, S. 4) hat sich das SEM im vorliegenden Fall keine unrichtige Anwendung der Beweisregel von Art. 7 AsylG vorzuwerfen. Wie in der angefochtenen Verfügung mit umfassender Begründung zutreffend erläutert wird, halten die Vorbringen der Beschwerdeführerin in den wesentlichen Punkten den Anforderungen an das reduzierte Beweismass des Glaubhaftmachens nicht stand respektive erweisen sich als nicht asylrelevant. Die von der Beschwerdeführerin geäusserte generelle Furcht, in Eritrea in den Militärdienst eingezogen zu werden, ist flüchtlingsrechtlich schon deshalb nicht relevant, weil es sich dabei nach Lehre und Praxis nicht um eine Massnahme handelt, die in einem der in Art. 3 Abs. 1 AsylG erwähnten Motive

        begründet ist (vgl. bereits Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2006 Nr. 3 E. 4.7 und E. 4.10; Urteile des BVGer D-7898/2015 vom 30. Januar 2017 [als Referenzurteil publiziert] E. 5.1 S. 42 und D-246/2018 vom 11. September 2018 E. 6.3), was auch die Vorinstanz zutreffend erkannt hat. Sodann ist die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe nach ihrer Ausreise ein schriftliches Aufgebot zum Militärdienst erhalten, durch nichts belegt und erscheint - insbesondere, weil sie an der BzP ein konkretes Aufgebot zum Militärdienst explizit verneinte (vgl. SEM-Akte B4/14, Ziff. 7.02) - als nachgeschoben. Somit erweist sich die behördliche Suche nach der Beschwerdeführerin nach ihrer Ausreise als unglaubhaft. Mit ihren Entgegnungen und Erklärungsversuchen in der Beschwerdeschrift gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, den wesentlichen Punkten ihrer Gesuchsbegründung klarere Konturen zu verleihen oder diese auf andere Weise in einem glaubhafteren Licht erscheinen zu lassen. In Würdigung der gesamten Umstände ist somit festzustellen, dass die Beschwerdeführerin einen Sachverhalt nach der Definition von Art. 3 AsylG weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht hat.

      2. Was die geltend gemachte illegale Ausreise der Beschwerdeführerin aus Eritrea anbelangt, stützt sich die Vorinstanz zutreffend auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-7898/2015 vom 30. Januar 2017 (als Referenzurteil publiziert). Nach diesem bedarf es für die Begründung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund subjektiver Nachfluchtgründe im eritreischen Kontext neben der illegalen Ausreise zusätzlicher Anknüpfungspunkte, welche zu einer Schärfung des Profils und dadurch zu einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr führen (E. 5.2). Da es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, ein Verfolgungsinteresse der eritreischen Behörden an ihr glaubhaft zu machen, bestehen keine Hinweise darauf, dass - neben der geltend gemachten illegalen Ausreise - zusätzliche Anknüpfungspunkte existieren, welche sie in den Augen der eritreischen Behörden als missliebige Person erscheinen lassen würden.

      3. Die Vorinstanz hat das Vorliegen sowohl von Vorfluchtals auch von Nachfluchtgründen somit zu Recht verneint. Folgerichtig blieb der Beschwerdeführerin die Gewährung des Asyls durch die schweizerischen Behörden versagt (Art. 2 Abs. 1 und Art. 49 AsylG). Die Ablehnung des entsprechenden Gesuchs durch die Vorinstanz ist zu bestätigen.

    5.

      1. Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt. Die Beschwerdeführerin verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (vgl. BVGE 2009/50 E. 9). Eigenen Angaben gemäss hat sich die Be-

        schwerdeführerin von ihrem Ehemann D.

        scheiden lassen. Je-

        doch brachte sie mit der Beschwerdeschrift vor (vgl. daselbst, S. 2 f.), dass sie die baldige Eheschliessung mit ihrem neuen Lebenspartner E. (N [ ]) beabsichtige, der in der Schweiz als Flüchtling anerkannt worden sei. Somit ist vorfrageweise ein Anspruch gestützt auf Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 44 letzter Satz AsylG zu prüfen.

      2. Art. 8 EMRK garantiert zwar das Recht auf Achtung des Privatund Familienlebens, vermittelt aber kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Es kann allerdings das Recht auf Achtung des Privatund Familienlebens verletzen, wenn einer ausländischen Person, deren Familienangehörige in der Schweiz weilen, die Anwesenheit untersagt und damit das Familienleben vereitelt wird (BGE 139 I 330 E. 2.1 m.w.N.). Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist der Begriff des «Familienlebens» im Sinne von Art. 8 EMRK nicht auf ehelich begründete Beziehungen beschränkt und erstreckt sich auch auf De-facto-Familien, die in nichtehelichen Verhältnissen leben (vgl. anstelle vieler das Urteil des EGMR Ratzenböck und Seydl gegen Öster-

        reich vom 26. Oktober 2017, Beschwerde Nr. 28475/12, Ziff. 29). In den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallen mithin auch nicht rechtlich begründete familiäre Verhältnisse, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht; entscheidend ist die Qualität des Familienlebens und nicht dessen rechtliche Begründung (BGE 135 I 143 E. 3.1 m.w.N.; zuletzt Urteil des Bundesgerichts 2C_880/2017 vom 3. Mai 2018

        E. 3.1). Das Bundesgericht hat hieraus abgeleitet, dass sich aus einem Konkubinat ein Bewilligungsanspruch dann ergibt, wenn die partnerschaftliche Beziehung seit Langem eheähnlich gelebt wird oder konkrete Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Hochzeit hindeuten. Die Beziehung der Konkubinatspartner muss bezüglich Art und Stabilität in ihrer Substanz einer Ehe gleichkommen. Dabei ist wesentlich, ob die Partner in einem gemeinsamen Haushalt leben; zudem ist der Dauer ihrer Beziehung sowie ihrem Interesse und ihrer Bindung aneinander, etwa durch Kinder oder andere Umstände wie die Übernahme von wechselseitiger Verantwortung, Rechnung zu tragen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_880/2017 vom 3. Mai 2018 E. 3.1 m.w.N.). Hinsichtlich der erforderlichen Dauer des

        Konkubinats hat das Bundesgericht jüngst im Rahmen des zuletzt zitierten Urteils - in Auseinandersetzung mit der einschlägigen Praxis des EGMR und der eigenen Rechtsprechung entschieden, dass ein Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt einer Dauer von dreieinhalb Jahren ohne zusätzliche Elemente nicht genügt, um sich auf einen Bewilligungsanspruch nach Art. 8 EMRK oder Art. 13 BV berufen zu können. Im betreffenden Fall kam die eine Partei des Konkubinats seit rund drei Jahren für den Lebensunterhalt der anderen auf. Zudem hatten sich die beiden Parteien um eine Heirat bemüht, was indessen bis zum Zeitpunkt des Urteils daran scheiterte, dass sie die erforderlichen, amtlich bestätigten Unterlagen nicht rechtzeitig einreichen konnten. Beides - finanzielle Unterstützung und erfolglose Bemühungen um Eheschliessung qualifizierte das Bundesgericht nicht als ausreichende zusätzliche Elemente im Sinne der erwähnten Rechtsprechung (ebd., E. 3.2 und 4.1).

      3. Mit Blick auf diese Praxis ist festzustellen, dass die für die Berufung auf einen Bewilligungsanspruch nach Art. 8 EMRK oder Art. 13 BV verlangten Voraussetzungen im Falle der Beschwerdeführerin nicht erfüllt sind. Zwar haben die Beschwerdeführerin und ihr neuer Lebenspartner E. ein Ehevorbereitungsverfahren in die Wege geleitet, nachdem sie gemäss eigenen Angaben seit über zwei Jahren ein Paar seien. Vorliegend leben die Beschwerdeführerin und ihr Lebenspartner indes weder in einem gemeinsamen Haushalt, noch wird eine gegenseitige Unterstützung geltend gemacht, die als finanziell massgeblich bezeichnet werden könnte. Von einem Konkubinat im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung kann folglich nicht gesprochen werden. Somit ergibt die vorfrageweise Prüfung, dass die Beschwerdeführerin zum heutigen Zeitpunkt keinen potenziellen Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz geltend zu machen vermag. Nach dem Gesagten kann offengelassen werden, ob der Lebenspartner der Beschwerdeführerin über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügt.

      4. Ergänzend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Migrationsbehörden in Konkretisierung des Gesetzeszwecks von Art. 98 Abs. 4 ZGB und in sachgerechter Beachtung von Art. 8 EMRK gehalten sind, zur Vermeidung einer Verletzung des Rechts auf Eheschliessung gemäss Art. 12 EMRK beziehungsweise des analog ausgelegten Art. 14 BV eine vorübergehende (Kurz-)Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, wenn keine Hinweise dafür bestehen, dass die ausländische Person rechtsmissbräuchlich handelt (Scheinehe, missbräuchliche Anrufung der Familiennachzugsbestimmungen usw.) und «klar» erscheint, dass sie nach der Heirat rechtmässig mit dem hier über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügenden Ehepartner wird leben dürfen (vgl. BGE 139 I 37 E. 3.5.2, BGE 138 I 41 ff., BGE 137 I 351 ff.). Diese Praxis

        gilt auch für abgewiesene und damit an sich illegal anwesende Asylsuchende, die erst mittels Heirat den ausländerrechtlichen Bewilligungsanspruch erwerben, da ihnen bei einer ernstlich gewollten Ehe und offensichtlich erfüllten Bewilligungserfordernissen nicht zugemutet werden kann, in ihre Heimat zurückzukehren und von dort aus um eine Einreisebewilligung zwecks Heirat zu ersuchen (BGE 139 I 37 E. 3.5.2, BGE 137 I 351 E. 3.7; zuletzt Urteil des Bundesgerichts 2C_880/2017 vom 3. Mai 2018 E. 4.2 f.). Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung zwecks Vorbereitung des Eheschlusses gegeben sind, ist Sache der fremdenpolizeilichen Behörden. Es ist der Beschwerdeführerin unbenommen, bei der zuständigen Migrationsbehörde ein entsprechendes Gesuch zu stellen.

      5. Da die Beschwerdeführerin weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung verfügt, noch einen Anspruch auf Erteilung einer solchen hat, wurde die Wegweisung von der Vorinstanz zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4, BVGE 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

    6.

      1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).

      2. Bezüglich des Geltendmachens von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

    7.

      1. Die Vorinstanz beurteilt den Wegweisungsvollzug in ihrer angefochtenen Verfügung als zulässig, zumutbar und möglich.

      2. Die Beschwerdeführerin führt in ihrem Rechtsmittel im Wesentlichen aus, der Wegweisungsvollzug sei angesichts der ihr in Eritrea drohenden

        Einziehung in den Nationaldienst unzulässig. Sie macht insbesondere geltend, der von der Vorinstanz angeordnete Vollzug verletze Art. 3 und 4 Abs. 1 und 2 EMRK.

      3. Aufgrund des Alters der Beschwerdeführerin bei ihrer Ausreise aus Eritrea erscheint ihre Befürchtung, bei einer Rückkehr in den Nationaldienst eingezogen zu werden, nicht gänzlich unplausibel (vgl. das Urteil des BVGer D-2311/2016 vom 17. August 2017, E. 13.2-13.4 [als Referenzurteil publiziert]). Die Frage kann aber angesichts nachfolgender Erwägungen offenbleiben.

    8.

      1. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).

      2. So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).

        Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Art. 4 EMRK beinhaltet die Verbote der Sklaverei und Leibeigenschaft (Abs. 1) sowie der Zwangsoder Pflichtarbeit (Abs. 2 und 3).

      3. Das flüchtlingsrechtliche Refoulement-Verbot schützt nur Personen, welche die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es sich bei der Beschwerdeführerin, wie oben festgestellt, nicht um einen Flüchtling handelt, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung auf ihren Fall keine Anwendung finden. Eine Rückschaffung der Beschwerdeführerin in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig. Die Zulässigkeit des Vollzugs beurteilt sich deshalb vielmehr nach den übrigen verfassungs- und völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984

        gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [FoK, SR 0.105]; Art. 3 und 4 EMRK).

      4. Gemäss dem Koordinationsentscheid des Bundesverwaltungsgerichts BVGE 2018 VI/4 vom 10. Juli 2018 E. 6.1 insbes. 6.1.6 und E. 6.1.8 stehen das Verbot der Sklaverei und der Leibeigenschaft (Art. 4 Abs. 1 EMRK) dem Vollzug der Wegweisung der Beschwerdeführerin entgegen der Beschwerde auch bei einer anstehenden Einziehung in den Nationaldienst nicht entgegen. Sodann ist gemäss dem erwähnten Koordinationsentscheid auch nicht davon auszugehen, es bestehe generell das ernsthafte Risiko einer krassen Verletzung des Verbots der Zwangsund Pflichtarbeit während des Nationaldiensts im Sinne von Art. 4 Abs. 2 EMRK sowie des Verbots von Art. 3 EMRK.

      5. Aus den Akten ergeben sich - selbst bei einem Einzug in den Nationaldienst - keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Beschwerdeführerin müsste bei einer Rückkehr in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung befürchten. Auch die problematische allgemeine Menschenrechtssituation in Eritrea lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt praxisgemäss nicht als unzulässig erscheinen.

      6. Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit des Wegweisungsvollzuges - aufgrund des Fehlens eines Rückübernahmeabkommens zwischen der Schweiz und Eritrea

  • lediglich für freiwillige Rückkehrer beurteilte und die Zulässigkeit zwangsweiser Rückführungen ausdrücklich offen liess (vgl. Urteil BVGE 2018 VI/4 E. 6.1.7).

    1. Der Vollzug der Wegweisung der Beschwerdeführerin erweist sich damit - sowohl im Sinn der landesals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen - als zulässig.

9.

    1. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

    2. Gemäss dem zitierten Koordinationsentscheid (E. 6.2) vermag die bevorstehende Einziehung in den eritreischen Nationaldienst allein nicht zur Annahme einer existenziellen Gefährdung zu führen.

    3. In seinem Urteil D-2311/2016 vom 17. August 2017 (als Referenzurteil publiziert) hatte sich das Bundesverwaltungsgericht ausführlich mit der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs nach Eritrea beschäftigt. Dabei kam es zum Schluss, die frühere Praxis, dass eine Rückkehr nur bei begünstigenden individuellen Umständen zumutbar sei (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der vormaligen Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2005 Nr. 12), sei nicht länger berechtigt. Angesichts der schwierigen allgemeinen - und insbesondere wirtschaftlichen - Lage des Landes müsse bei Vorliegen besonderer individueller Umstände aber nach wie vor von einer Existenzbedrohung ausgegangen werden. Die Frage der Zumutbarkeit bleibe daher im Einzelfall zu beurteilen (vgl. Referenzurteil D-2311/2016 E. 17.2).

      Es sind keine individuellen Gründe ersichtlich, welche die Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Eritrea als unzumutbar erscheinen liessen. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine junge und - soweit aus den Akten ersichtlich (SEM-Akte B4/14, Ziff. 8.02) - gesunde Frau mit einem breiten Netz an verwandtschaftlichen Beziehungen in Eritrea (Mutter, Geschwister, Onkel, Tanten; vgl. SEM-Akte B4/14, Ziff. 3.01). Zudem verfügt sie über eine 10-jährige Schulbildung (SEM-Akte B4/14, Ziff. 1.17.04). Besondere Umstände, aufgrund derer von einer Existenzbedrohung ausgegangen werden müsste, sind vorliegend keine ersichtlich.

    4. Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung nicht als unzumutbar im Sinn von Art. 83 Abs. 4 AIG.

10.

Schliesslich obliegt es der Beschwerdeführerin, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG). Dass zurzeit eine zwangsweise Rückschaffung nach Eritrea nicht zu Gebote steht, steht der Feststellung der Möglichkeit des Vollzugs nicht entgegen, zumal eine freiwillige Rückkehr möglich ist.

11.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich qualifiziert hat. Die Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AIG).

12.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

13.

Die Beschwerdeführerin beantragt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass ihre Begehren als aussichtslos zu gelten haben, weshalb die entsprechenden Gesuche abzuweisen sind. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von Fr. 750.- (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE], SR 173.320.2) somit der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Mit dem vorliegenden Urteil ist der Antrag auf Verzicht eines Kostenvorschusses gegenstandslos geworden.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Bestellung eines amtlichen Rechtsbeistands werden abgewiesen.

3.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:

Simon Thurnheer Gian-Flurin Steinegger

Versand:

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