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Bundesverwaltungsgericht Urteil C-6425/2017

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung III
Dossiernummer:C-6425/2017
Datum:13.05.2019
Leitsatz/Stichwort:Eingliederungsmassnahmen
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Arbeit; Eingliederung; Eingliederungsmassnahmen; Schweiz; Recht; Leistung; Anspruch; Erwerb; Bundes; Verfahren; Verfügung; IV-Stelle; Erwerbstätigkeit; Arbeitslosenversicherung; IV-act; Invalide; Vorinstanz; Bundesverwaltungsgericht; Wohnsitz; Leistungen; BVGer; Deutschland; Invalidenversicherung; Kantonale; Versicherung; „Hartz; Versicherungsschutz
Rechtsnorm: Art. 19 BV ; Art. 48 VwVG ; Art. 63 ATSG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ; Art. 70 ATSG ;
Referenz BGE:121 V 362; 130 V 253; 131 V 164; 132 V 215; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung III C-6425/2017

U r t e i l  v o m  1 3.  M a i  2 0 1 9

Besetzung Richter Daniel Stufetti (Vorsitz), Richterin Michela Bürki Moreni, Richterin Viktoria Helfenstein, Gerichtsschreiberin Marion Sutter.

Parteien A. ,

vertreten durch lic. iur. Philipp Simonius, Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA,

Vorinstanz.

Gegenstand Invalidenversicherung (Eingliederungsmassnahmen), Verfügung vom 13. Oktober 2017.

Sachverhalt:

A.

A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) wurde am ( ) 1968 geboren und ist deutscher Staatsangehöriger. Er arbeitete in den Jahren 2009, 2010 sowie 2014 als Grenzgänger in der Schweiz (vgl. IV-act. 15 und 23). Sein letzter effektiver Arbeitstag war der 30. September 2014. Seit dem 6. Oktober 2014 wurde der Beschwerdeführer zu 100 % krankgeschrieben (IV-act. 23). Am 10. November 2014 meldete er sich zur Früherfassung bei der IV-Stelle B. (nachfolgend: kantonale IV-Stelle) an (IV-act. 1). Mit „Anmeldung für Erwachsene: Berufliche Integration/Rente“ vom

25. Oktober 2014 gab er an, an einer schweren Depression aufgrund eines Fehlverhaltens des Arbeitsgebers zu leiden (IV-act. 12).

B.

Nach der Einholung der erwerblichen sowie medizinischen Unterlagen, insbesondere eines psychiatrischen Gutachtens vom 11. Juli 2016 (IV-act. 52), stellte die kantonale IV-Stelle dem Beschwerdeführer mit Vorbescheid vom 25. August 2016 eine Abweisung seines Rentengesuchs in Aussicht, da der Invaliditätsgrad lediglich 5 % betrage (IV-act. 59). Hiergegen erhob der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Philipp Simonius, mit Eingabe vom 29. September 2016 Einwand bei der kantonalen IV-Stelle, wobei er insbesondere einen Antrag auf Umschulung stellte (IV-act. 61). Mit erneutem Vorbescheid vom 17. August 2017 (in Ersetzung des Vorbescheids vom 8. Juni 2017, vgl. IV-act. 81) kündigte die kantonale IV-Stelle dem Beschwerdeführer an, dieser habe keinen Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen. Den Anspruch auf eine Rente werde sie noch prüfen und mit einer separaten Verfügung beurteilen. Ebenfalls gewährte sie dem Beschwerdeführer die von ihm beantragte unentgeltliche Rechtsverbeiständung. Zur Begründung führte sie aus, der Nachversicherungsschutz sei vorliegend beendet, da der Beschwerdeführer Wohnsitz in Deutschland habe und Arbeitslosengeld II beziehe (IV-act. 87). Nach Prüfung der hiergegen vom Beschwerdeführer am 12. Juli 2017 erhobenen Einsprache (IV-act. 88) bestätigte die Invalidenversicherungsstelle für Versicherte im Ausland IVSTA (nachfolgend: Vorinstanz) mit Verfügung vom 13. Oktober 2017 den Vorbescheid vom 17. August 2017 und wies das Gesuch um Eingliederungsmassnahmen ab (IV-act. 90).

C.

Hiergegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 13. November 2017 Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht mit den Anträgen, diese

sei aufzuheben und es sei ein Invaliditätsgrad von über 30 % sowie ein Anspruch auf Umschulung festzustellen. Unter dem Eventualstandpunkt beantragte er, der Fall sei der Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Ausserdem sei eine unabhängige Expertise bezüglich der zur Diskussion stehenden Beschwerden und deren Ursachen einzuholen. Schliesslich stellte der Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung sowie Rechtsverbeiständung (BVGer-act. 1).

D.

In ihrer Vernehmlassung vom 19. Dezember 2017 beantragt die Vorinstanz, die Beschwerde sei abzuweisen und die angefochtene Verfügung sei zu bestätigen. Zur Begründung verwies sie auf die eingeholte Stellungnahme der kantonalen IV-Stelle vom 14. Dezember 2017 (BVGer-act. 4).

E.

Mit Schreiben vom 15. März 2018 zog der Beschwerdeführer sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege unter Vorbehalt der Wiedereinbringung zurück (BVGer-act. 9). Der mit Zwischenverfügung vom 19. März 2018 beim Beschwerdeführer erhobene Kostenvorschuss im Betrag von Fr. 800.- (BVGer-act. 10) ging am 28. März 2018 bei der Gerichtskasse des Bundesverwaltungsgerichts ein (BVGer-act. 12).

F.

Mit Replik vom 11. Juni 2018 hielt der Beschwerdeführer an seinen Beschwerdeanträgen fest (BVGer-act. 16).

G.

In ihrer Duplik vom 15. August 2018 erneuerte die Vorinstanz ebenfalls ihre Anträge gemäss Vernehmlassung und verwies zur Begründung auf die wiederum eingeholte Stellungnahme der kantonalen IV-Stelle vom 9. August 2018 (BVGer-act. 17).

H.

Mit Verfügung vom 22. August 2018 schloss das Bundesverwaltungsgericht den Schriftenwechsel ab (BVGer-act. 18).

I.

Auf die weiteren Vorbringen der Parteien und die eingereichten Unterlagen wird - soweit erforderlich und rechtserheblich - in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach den Vorschriften des VGG, des VwVG [vgl. auch Art. 37 VGG]) sowie des ATSG (SR 830.1; vgl. auch Art. 3 Bst. dbis VwVG).

    2. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern - wie im vorliegenden Fall - keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden. Zu diesen gehört die IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA (Art. 33 Bst. d VGG; vgl. Art. 69 Abs. 1 Bst. b IVG [SR 831.20]). Das Bundesverwaltungsgericht ist somit zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig.

    3. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen; er ist als Adressat der angefochtenen Verfügung durch diese besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Abänderung, weshalb er zur Erhebung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 48 Abs. 1 VwVG; siehe auch Art. 59 ATSG).

    4. Nachdem auch der Kostenvorschuss rechtzeitig geleistet wurde, ist auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten (Art. 50 Abs. 1, Art. 52 Abs. 1 und Art. 63 Abs. 4 VwVG; siehe auch Art. 60 ATSG).

2.

Gemäss Art. 40 Abs. 2 IVV (SR 831.201) ist bei Grenzgängern die IV-Stelle, in deren Tätigkeitsgebiet der Grenzgänger eine Erwerbstätigkeit ausübt, zur Entgegennahme und Prüfung der Anmeldung zuständig. Dies gilt auch für ehemalige Grenzgänger, sofern sie bei der Anmeldung ihren ordentlichen Wohnsitz noch in der benachbarten Grenzzone haben und der Gesundheitsschaden auf die Zeit ihrer Tätigkeit als Grenzgänger zurückgeht. Die Verfügungen werden von der IVSTA erlassen.

Der Beschwerdeführer war zuletzt - bis zum gesundheitsbedingten Abbruch der beruflichen Tätigkeit - als Grenzgänger in C. (im Kanton B. ) erwerbstätig und lebte, namentlich auch im Zeitpunkt der Anmeldung, in Lahr (Deutschland), wo er heute noch lebt. Unter diesen Umständen war die kantonale IV-Stelle für die Entgegennahme und Prüfung der Anmeldung und die Vorinstanz für den Erlass der angefochtenen Verfügung zuständig.

3.

Anfechtungsobjekt und damit Begrenzung des Streitgegenstands des vorliegenden Beschwerdeverfahrens (vgl. BGE 131 V 164 E. 2.1) bildet die Verfügung vom 13. Oktober 2017, mit welcher die Vorinstanz das Gesuch des Beschwerdeführers um Eingliederungsmassnahmen abgewiesen hat. Der Beschwerdeführer beantragt in seinen Eingaben ans Bundesverwaltungsgericht hauptsächlich die Feststellung, dass er über einen Anspruch auf Umschulung verfüge. Prozessthema ist daher vorliegend die Frage, ob der Beschwerdeführer gegenüber der schweizerischen Invalidenversicherung Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen respektive berufliche Massnahmen im Sinne einer Umschulung hat.

4.

    1. Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger und wohnt in Deutschland, weshalb das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedsstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA, SR 0.142.112.681) sowie die gemäss Anhang II des FZA anwendbaren Verordnungen (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 883/2004 vom 29. April 2004 sowie Nr. 987/2009 vom 16. September 2009, welche am 1. April 2012 die Verordnungen (EWG) des Rates Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 sowie Nr. 574/72 vom 21. März 1972 abgelöst haben, anwendbar sind. Gemäss Art. 8 Bst. a FZA werden die Systeme der sozialen Sicherheit koordiniert, um insbesondere die Gleichbehandlung aller Angehörigen der Vertragsstaaten zu gewährleisten. Soweit - wie vorliegend - weder das FZA und die gestützt darauf anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte abweichende Bestimmungen vorsehen noch allgemeine Rechtsgrundsätze dagegen sprechen, richtet sich die Ausgestaltung des Verfahrens und die Prüfung eines IV-Leistungsanspruches alleine nach der schweizerischen Rechtsordnung (vgl. BGE 130 V 253 E. 2.4; Urteil des BGer 9C_573/2012 vom 16. Januar 2013 E. 4 m.w.H.), was sich auch mit dem Inkrafttreten der oben erwähnten Verordnungen am 1. April 2012 nicht geändert hat (vgl. Urteil des BVGer C-3985/2012 vom 25. Februar 2013 E. 2.1). Demnach richtet sich die Beurteilung eines allfälligen Anspruchs des Beschwerdeführers auf Eingliederungsmassnahmen (Umschulung) alleine nach schweizerischem Recht.

    2. In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 132 V 215 E. 3.1.1),

      weshalb jene Vorschriften Anwendung finden, die spätestens beim Erlass der Verfügung vom 13. Oktober 2017 in Kraft standen; weiter aber auch Vorschriften, die zu jenem Zeitpunkt bereits ausser Kraft getreten waren, die aber für die Beurteilung allenfalls früher entstandener Leistungsansprüche von Belang sind.

    3. Das Sozialversicherungsgericht stellt bei der Beurteilung einer Streitsache in der Regel auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verwaltungsverfügung (hier: 13. Oktober 2017) eingetretenen Sachverhalt ab (BGE 132 V 215 E. 3.1.1). Tatsachen, die jenen Sachverhalt seither verändert haben, sollen im Normalfall Gegenstand einer neuen Verwaltungsverfügung sein (BGE 121 V 362 E. 1b). Diese sind indessen soweit zu berücksichtigen, als sie mit dem Streitgegenstand in engem Sachzusammenhang stehen und geeignet sind, die Beurteilung im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung zu beeinflussen (vgl. Urteil des BGer 9C_24/2008 vom 27. Mai 2008 E. 2.3.1).

5.

    1. Nach Art. 8 Abs. 1 IVG haben Invalide oder von einer Invalidität bedrohte Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, wieder herzustellen, zu erhalten oder zu verbessern (lit. a) und die Voraussetzungen für den Anspruch auf die einzelnen Massnahmen erfüllt sind (lit. b). Der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen besteht unabhängig von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor Eintritt der Invalidität. Bei der Festlegung der Massnahme ist die gesamte noch zu erwartende Dauer des Erwerbslebens zu berücksichtigen (Art. 8 Abs. 1bis IVG in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung [AS 2007 5129; BBl 2005 4459]).

    2. Der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen setzt indessen eine bestehende Versicherteneigenschaft voraus (vgl. Wortlaut „Versicherte“ in Art. 8 Abs. 1 IVG). Der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen entsteht daher frühestens mit der Unterstellung unter die obligatorische oder freiwillige Versicherung und endet spätestens mit dem Ende der Versicherung (Art. 9 Abs. 1bis IVG). Obligatorisch versichert nach Massgabe des IVG sind unter anderem natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und natürliche Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben (Art. 1b IVG i.V.m. Art. 1a Abs. 1 Bst. a und b AHVG [SR 831.10]).

    3. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004, welche vorliegend Anwendung findet (vgl. vorangehend E. 4.1), sieht in diesem Zusammenhang in Anhang XI gemäss Abschnitt A Ziff. 1 Bst. i Nr. 8 Anhang II FZA die nachfolgende Nachversicherungsnorm (in der seit dem 1. April 2012 geltenden Fassung, vgl. Beschluss Nr. 1/2012 des gemischten Ausschusses vom 31. März 2012 zur Ersetzung des Anhangs II dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, AS 2012 2345) vor:

„Ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger, der den schweizerischen Rechtsvorschriften über die Invalidenversicherung nicht mehr unterliegt, weil er seine existenzsichernde Erwerbstätigkeit in der Schweiz infolge Unfalls oder Krankheit aufgeben musste, gilt als in dieser Versicherung versichert für den Erwerb des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen bis zur Zahlung einer Invalidenrente und während der Durchführung dieser Massnahmen, sofern er keine anderweitige Erwerbstätigkeit ausserhalb der Schweiz aufnimmt.“

Dieser Nachversicherungsschutz (Versicherungsfiktion) wurde in Ziffer 1011 des Kreisschreibens über das Verfahren zur Leistungsfestsetzung in der AHV/IV/EL (nachfolgend: KSBIL), Stand: 4. April 2016 (abrufbar auf der Homepage des Bundesamts für Sozialversicherungen [BSV] unter https://sozialversicherungen.admin.ch/de -> Kreisschreiben -> KSBIL alle Versionen -> Version gültig ab dem 31 März 2016) konkretisiert (vgl. BVGE 2017 V/7 E. 6.7).

Hiernach gelten Personen mit der Staatsangehörigkeit eines EU-Landes, die in der Schweiz ohne Wohnsitz zu haben eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmende oder selbständig Erwerbende ausgeübt haben und den schweizerischen Rechtsvorschriften über die Invalidenversicherung nicht mehr unterliegen, weil sie ihre existenzsichernde Erwerbstätigkeit in der Schweiz in Folge Unfalls oder Krankheit aufgeben mussten, in Bezug auf den Anspruch von Eingliederungsmassnahmen als versichert. Dieser Anspruch erlischt jedoch unter anderem beim Bezug einer Leistung der Arbeitslosenversicherung des Wohnlandes.

6.

Mit der angefochtenen Verfügung stützte sich die Vorinstanz für die Verneinung eines Anspruchs des Beschwerdeführers auf Eingliederungsmassnahmen implizit auf die vorgenannte Regelung gemäss Randziffer 1011 des KSBIL.

    1. Der Beschwerdeführer macht hiergegen beschwerdeweise geltend, er sei aufgrund seiner desolaten finanziellen Situation gezwungen gewesen, nach der Beendigung der Krankentaggeldleistungen in Deutschland das

      sogenannte „Hartz IV“ zu beziehen. Hierbei handle es sich, gleich wie bei einem Schweizer Arbeitnehmenden, um eine „finanzielle Vorleistung“ im Sinne von Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG. Dieser Artikel sei vorliegend zumindest analog anzuwenden. Damit sei die Arbeitslosenversicherung II, das sogenannte „Hartz IV“, vorleistungspflichtig. Dass diese Vorleistung der ALVLeistungen auch aus einer ausländischen Versicherung stammen könne, ergebe sich auch aus der Gleichbehandlung von EU-Bürgern mit Schweizer Erwerbslosen aufgrund der bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU. Der Beschwerdeführer habe in der Schweiz keine Arbeitslosengelder beziehen können und daher keine andere Möglichkeit gehabt, als auf die Versicherung in Deutschland zu greifen. Überdies betreffe der Bezug von Zahlungen des „Hartz IV“ das vorliegende Verfahren um Eingliederungsmassnahmen nicht, da in jenem Verfahren keine Eingliederungsmassnahmen behandelt worden seien. Damit bestehe zwischen dem Verfahren in Deutschland sowie den in der Schweiz beantragten Eingliederungsmassnahmen auch keine „Eingliederungsmassnahmenkonkurrenz“. Würde der Nachversicherungsschutz für Eingliederungsmassnahmen aufgehoben, so wäre der Grundsatz der Rechtsgleichheit gemäss Art. 8 BV (SR 101) verletzt, da diesfalls Schweizer Arbeitnehmende ohne einen sachlich gerechtfertigten Grund gegenüber EU-Bürgern privilegiert wären, da nur jene Arbeitslosengelder beziehen könnten, ohne den Anspruch auf Eingliederungsansprüche in der Schweiz zu verlieren. Demgegenüber würden EUBürger in eine grosse finanzielle Not geraten. Eine verfassungskonforme Auslegung der Randziffer 1011 des KSBIL setze voraus, dass der Nachversicherungsschutz nur dann ende, wenn der Versicherte bei der ausländischen Arbeitslosenversicherung eigene Eingliederungsmassnahmen in Anspruch nehmen könne. Nur diesfalls könne von gleichartigen Leistungen im Sinne von Satz 3 der Randziffer 1011 des Kreisschreibens gesprochen werden. Das vorliegende Verfahren sei schliesslich bereits seit dem

      30. Dezember 2014 rechtshängig und damit lange Zeit, bevor der Beschwerdeführer „Hartz IV“-Leistungen bezogen habe.

    2. Mit Stellungnahme vom 14. Dezember 2017 hielt die kantonale IV-Stelle demgegenüber fest, gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts bestehe kein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, wenn ein Grenzgänger nach dem Verlust seiner Versicherteneigenschaft in der Schweiz in seinem Wohnsitzstaat „Eingliederungsmassnahmen“ der Arbeitslosenversicherung, namentlich eine Arbeitslosenentschädigung, beziehe beziehungsweise andernfalls der Arbeitslosenversicherung unterschiedlicher Rechtsvorschriften unterstünde. Die entsprechende Regelung

      im KSBIL beruhe auf der langjährigen konstanten Praxis des Bundesgerichts zu den bilateralen Abkommen mit der EU und EFTA und mithin übergeordnetem Recht. Der Beschwerdeführer könne daher keinen Grundrechtsschutz in der Schweiz beanspruchen, soweit sich dieser nicht aufgrund der schweizerischen Gesetzgebung und staatlicher Abkommen ergebe. Mit Stellungnahme vom 9. August 2018 ergänzte die kantonale IVStelle, Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG, welcher eine Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung für Leistungen, deren Übernahme durch die Invalidenversicherung umstritten sei, vorsehe, komme bei Leistungen einer ausländischen Arbeitslosenversicherung definitiv nicht zur Anwendung und zwar auch nicht analog. Das Arbeitslosengeld II (umgangssprachlich auch

      „Hartz IV“) sei in Deutschland die Grundversicherungsleistung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Es sei per 1. Januar 2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (daher der Begriff: „Hartz IV“) eingeführt worden und habe die frühere Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige zu einer Grundversicherung für Arbeitssuchende zusammengeführt. Die Grundversicherungsleistungen nach dem SGB II seien grundsätzlich nachrangig gegenüber anderen Sozialleistungen. Mit der Reform seien ebenfalls Jobcenter geschaffen worden, die nach § 15 SGB II mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person eine Eingliederungsvereinbarung abschlössen, in der die für die Eingliederung erforderlichen Leistungen bestimmt würden und festgelegt werde, welche Bemühungen der Leistungsberechtigte unternehmen müsse, um eine Arbeit zu finden, und wie er seine Bemühungen nachzuwiesen habe. Damit sei der Beschwerdeführer - entgegen seinen Ausführungen in der Beschwerdeschrift - verpflichtet, Eingliederungsbemühungen nachzuweisen und, sofern zumutbar, auch eine ihm angebotene Arbeitsgelegenheit zu übernehmen. Entsprechend liege durchaus eine „Eingliederungskonkurrenz“ vor.

    3. Wie die kantonale IV-Stelle korrekt darlegt und der Beschwerdeführer seinerseits nicht bestreitet, geht aus dem Bewilligungsentscheid der Kommunalen Arbeitsförderung Ortenaukreis, Jobcenter Lahr, vom 3. November 2016 (IV-act. 77) hervor, dass der Beschwerdeführer seit dem 1. Oktober 2016 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach den Bestimmungen der §§ 19 ff. SGB II („Hartz IV“ respektive Arbeitslosengeld II) bezieht. Der Bewilligungsentscheid verlangt unter dem Titel

      „allgemeine Hinweise“ ausdrücklich, dass sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte vorrangig und eigenverantwortlich um die Beendigung der Erwerbslosigkeit bemühen. Er weist sodann explizit darauf hin, dass grundsätzlich jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Erwerbstätigkeit zumutbar sei und der Leistungsempfänger aktiv an allen Massnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitzuwirken habe. Hierzu gehörten unter anderem die Teilnahme an einer Qualifizierungsoder Fortbildungsmassnahme, die Annahme von Arbeitsgelegenheiten, der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung und die Aufnahme einer Arbeit. Insbesondere seien Leistungsempfänger verpflichtet, sich selbst intensiv um eine Arbeitsstelle zu bemühen und der Kommunalen Arbeitsförderung Bewerbungsaktivitäten nachzuweisen (zum Beispiel mittels Vorlage von Kopien der Bewerbungsschreiben, Absagen oder Einladungen zu Bewerbungsgesprächen). Widrigenfalls seien Leistungen nach dem SGB II zurückzuerstatten.

      Aufgrund dieser Hinweise im Bewilligungsentscheid sowie der Form der Entschädigungsleistung (Arbeitslosengeld) steht für das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die dem Beschwerdeführer gewährte Bewilligung von Grundsicherung für Arbeitssuchende auch entsprechende Eingliederungsmassnahmen umfasst respektive deren Umsetzung/Nachweis definitionsgemäss voraussetzt. Die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach im Verfahren in Deutschland keine Eingliederungsmassnahmen behandelt worden seien und damit mit den in der Schweiz beantragten Eingliederungsmassnahmen keine „Eingliederungsmassnahmenkonkurrenz“ bestehe, erweist sich damit als entkräftet.

    4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt sodann der deutschen Arbeitslosenversicherung keine Vorleistungspflicht im Sinne von Art. 70 lit. b ATSG zu. Vielmehr stellen die Art. 63 ff. ATSG Koordinationsregeln für die Leistungen verschiedener Sozialversicherungen auf. Hierbei handelt es sich gemäss Art. 1 ATSG eindeutig ausschliesslich um Sozialversicherungen des Bundes und damit der Schweiz. Art. 70 lit. b ATSG findet damit keine Anwendung (auch nicht analog) auf die deutsche Arbeitslosenversicherung, wie die kantonale IV-Stelle zu Recht erkannt hat.

    5. Schliesslich rügt der Beschwerdeführer zu Unrecht eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots gemäss Art. 8 BV. Vielmehr handelt es sich bei den Kriterien des Wohnsitzes respektive der Erwerbstätigkeit in der Schweiz, welche für die Versicherteneigenschaft vorausgesetzt sind (vgl. Art. 1b IVG i.V.m. Art. 1a Abs. 1 Bst. a und b AHVG), um eindeutig definierte Merkmale, welche auf einem vernünftigen Grund basieren (Abgrenzung

      des Versicherungsschutzes). Es entspricht es dem Anliegen des Gesetzgebers, dass Personen ohne Wohnsitz oder Erwerbstätigkeit in der Schweiz nicht obligatorisch AHV/IV-versichert sind (Art. 190 BV). Die unterschiedliche Behandlung von Personen mit Wohnsitz im Ausland sowie ohne eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz und Personen mit Wohnsitz respektive einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz entspricht daher dem Gebot von Art. 8 BV, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln, und fällt daher nicht in den entsprechenden Schutzbereich. Bei dem in Randziffer 1011 KSBIL vorgesehenen Nachversicherungsschutz handelt es sich seinerseits um eine Versicherungsfiktion, welche die aufgrund der bilateralen Verträge mit der Europäischen Union vorgesehene Nachversicherungsklausel in Bezug auf die schweizerische Invalidenversicherung zum Schutz von Personen, welche aus gesundheitlichen Gründen ihre Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufgeben mussten, vollumfänglich umsetzt (BVGE 2017 V/7 E. 6.7; vgl. vorangehend E. 5.3). Weitergehende Nachversicherungsansprüche kann der Beschwerdeführer weder aus den verfassungsmässigen Rechten noch aus den bilateralen Verträgen mit der EU ableiten.

    6. Damit steht fest, dass der Nachversicherungsschutz des Beschwerdeführers vorliegend mit dem Bezug von Arbeitslosengeld II mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2016 gemäss Randziffer 1011 KSBIL endete. Ab diesem Zeitpunkt hat der Beschwerdeführer damit keine Ansprüche auf Eingliederungsmassnahmen (insbesondere Umschulung) gegenüber der schweizerischen Invalidenversicherung mehr. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei aufgrund seiner desolaten finanziellen Situation gezwungen gewesen, „Hartz IV“ zu beziehen, ist darauf hinzuweisen, dass die Gründe, welche ihn zur Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung bewogen haben, für das Erlöschen des Nachversicherungsschutzes keine Rolle spielen (vgl. hierzu Urteil des BVGer C-5963/2016 vom 3. April 2017 E. 5.3.4). Da der schweizerische Nachversicherungsschutz gemäss Randziffer 1011 KSBIL beim Bezug einer Leistung der Arbeitslosenversicherung des Wohnlandes definitiv endet, hat der Beschwerdeführer - solange er seinen zivilrechtlichen Wohnsitz in Deutschland beibehält - auch nach einer allfälligen Einstellung der deutschen Arbeitslosenversicherungsleistungen keinen Anspruch mehr auf berufliche Eingliederungsmassnahmen der schweizerischen Invalidenversicherung.

    7. Nach dem Gesagten erweist sich die angefochtene Verfügung vom

13. Oktober 2017 als rechtens, weshalb die Beschwerde vom 13. November 2017 abzuweisen ist.

7.

    1. Das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten um die Bewilligung oder die Verweigerung von IV-Leistungen vor dem Bundesverwaltungsgericht ist kostenpflichtig (Art. 69 Abs. 1bis i.V.m. Abs. 2 IVG). Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der unterliegende Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Diese sind auf Fr. 800.- festzusetzen (vgl. Art. 2 Abs. 1 VGKE). Der vom Beschwerdeführer in der gleichen Höhe geleistete Kostenvorschuss ist nach dem Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden.

    2. Der obsiegenden Partei kann von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zugesprochen werden (Art. 64 Abs. 1 VwVG). Als Bundesbehörde hat die obsiegende Vorinstanz keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 7 Abs. 3 VGKE [SR 173.320.2]). Dem unterliegenden Beschwerdeführer ist entsprechend dem Verfahrensausgang ebenfalls keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG).

(Das Dispositiv folgt auf der nächsten Seite.)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der einbezahlte Kostenvorschuss von Fr. 800.- wird nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. [ ]; Einschreiben)

  • das Bundesamt für Sozialversicherungen (Einschreiben)

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Daniel Stufetti Marion Sutter

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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