Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-5411/2018 |
Datum: | 27.09.2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Revision; Urteil; Gesuch; Bundesverwaltungsgericht; Verfahren; Gesuchs; Gesuchsteller; Richter; Verfahrens; Revisionsgesuch; Rechtsbeiständin; Tatsache; Urteils; Rechtspflege; Prozessführung; Revisionsgr; Entscheid; Akten; Richterin; Verfahrenskosten; Beiordnung; Gewährung; Bundesverwaltungsgerichts; Koordinationsurteil; Wegweisung; Ausstand; Beschwerdeverfahren; Praxis; Gericht |
Rechtsnorm: | Art. 12 BGG ;Art. 121 BGG ;Art. 123 BGG ;Art. 124 BGG ;Art. 34 BGG ;Art. 38 BGG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 67 VwVG ;Art. 83 BGG ;Art. 89 BGG ; |
Referenz BGE: | 114 Ia 50; 118 Ia 286; 122 II 17; 133 III 614 |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-5411/2018
Besetzung Richter David R. Wenger (Vorsitz), Richterin Emilia Antonioni Luftensteiner, Richterin Gabriela Freihofer, Gerichtsschreiber Arthur Brunner.
Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,
vertreten durch MLaw Anja Freienstein,
Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not, Gesuchsteller,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Revision des Urteils E-3644/2018 / N ( ).
Der Gesuchsteller reiste am 14. September 2015 in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch. Mit Verfügung vom 18. Mai 2018 stellte das SEM fest, der Gesuchsteller erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte sein Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug der Wegweisung an.
Mit Eingabe vom 22. Juni 2018 erhob der Gesuchsteller beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde. In materieller Hinsicht beantragte er, die Verfügung des SEM vom 18. Mai 2018 aufzuheben, die Unzulässigkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen und ihm die vorläufige Aufnahme zu gewähren. Prozessual ersuchte er um Befreiung von den Verfahrenskosten und um Beiordnung seiner Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin.
Der Beschwerde beigelegt war eine Fürsorgebestätigung der Flüchtlingshilfe der Stiftung Heilsarmee Schweiz vom 28. Mai 2018.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde vom 22. Juni 2018 mit Urteil E-3644/2018 vom 27. August 2018 ohne weitere Instruktionsmassnahmen als offensichtlich unbegründet ab. Unter Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege wurden dem Gesuchsteller Verfahrenskosten von Fr. 750.- auferlegt. Das Gesuch um Beiordnung einer amtlichen Rechtsbeiständin wurde ebenfalls abgewiesen.
Mit Eingabe vom 21. September 2018 gelangt der Gesuchsteller erneut ans Bundesverwaltungsgericht.
Materiell beantragt er die revisionsweise Aufhebung des Urteils E-3644/2018 vom 27. August 2018. Es sei festzustellen, dass die mit der Beschwerde betraute Instruktionsrichterin in den Ausstand zu treten habe und über die in der Beschwerde vom 22. Juni 2018 vorgebrachten Rechtsbegehren sei mit neuem Urteil zu befinden; zudem sei von den Verfahrenskosten von Fr. 750.-, die in jenem Urteil auferlegt worden seien, abzusehen. Im Sinne eines Eventualbegehrens ersucht er für den Fall, dass am Urteil vom 27. August 2018 festgehalten werde, um Ansetzung einer neuen Frist zur Bezahlung der dort auferlegten Kosten.
Prozessual ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses; seine Rechtsvertreterin sei ihm als unentgeltliche Rechtsbeiständin beizuordnen.
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet gemäss Art. 105 AsylG (SR 142.31) auf dem Gebiet des Asyls in der Regel endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen des SEM (vgl. zur Ausnahme Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Es ist ausserdem zuständig für die Revision von Urteilen, die es in seiner Funktion als Beschwerdeinstanz gefällt hat (vgl. BVGE 2007/21 E. 2.1).
Gemäss Art. 45 VGG gelten für die Revision von Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts die Art. 121-128 BGG sinngemäss. Nach Art. 47 VGG findet auf Inhalt, Form und Ergänzung des Revisionsgesuches Art. 67 Abs. 3 VwVG Anwendung.
Über Revisionsgesuche, die nicht in die Zuständigkeit des Einzelrichters gemäss Art. 23 Abs. 1 VGG fallen, wird in der Regel in der Besetzung von drei Richtern oder Richterinnen entschieden.
Der Gesuchsteller ist durch das Beschwerdeurteil vom 27. August 2018 (vgl. oben, Bst. B) besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Er ist daher zur Einreichung des Revisionsgesuchs legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG analog; vgl. MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 5.70).
Mit dem ausserordentlichen Rechtsmittel der Revision wird die Unabänderlichkeit und Massgeblichkeit eines rechtskräftigen Beschwerdeentscheids angefochten, im Hinblick darauf, dass die Rechtskraft beseitigt wird und über die Sache neu entschieden werden kann (vgl. BVGE 2012/7
E. 2.4.2 mit Verweis auf BVGE 2007/21).
Das Bundesverwaltungsgericht zieht seine Urteile auf Gesuch hin aus den in Art. 121-123 BGG aufgeführten Gründen in Revision (Art. 45 VGG).
Nicht als Revisionsgründe gelten Gründe, welche die Partei, die um Revision nachsucht, bereits im ordentlichen Beschwerdeverfahren hätte geltend machen können (Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG e contrario; Art. 46 VGG sinngemäss).
An die Begründung ausserordentlicher Rechtsmittel werden erhöhte Anforderungen gestellt. Reine Urteilskritik genügt den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung eines Revisionsgesuchs nicht. Das Gesetz umschreibt die Revisionsgründe eng, die Rechtsprechung handhabt sie restriktiv (vgl. ESCHER, in: Niggli u.a. [Hrsg.], Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011 Art. 121 Rz. 1; VON WERDT in: Seiler u.a. [Hrsg.], Handkommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, Art. 121 Rz. 9).
Im Revisionsgesuch ist darzulegen, welcher gesetzliche Revisionsgrund angerufen und welche Änderung des früheren Entscheids beantragt wird. Die in Art. 121-123 BGG enthaltene Aufzählung der Revisionsgründe ist abschliessend. Für die Zulässigkeit eines Revisionsbegehrens ist nicht erforderlich, dass der angerufene Revisionsgrund tatsächlich besteht, sondern es genügt, wenn der Gesuchsteller dessen Bestehen behauptet und hinreichend begründet.
Der Gesuchsteller macht die Revisionsgründe von Art. 121 Bst. a und (sinngemäss) Bst. d BGG fristgerecht geltend (innert 30 Tagen nach Entdeckung des Ausstandsgrundes, Art. 124 Abs. 1 Bst. a in Verbindung mit Art. 38 Abs. 3 BGG beziehungsweise innert 30 Tagen nach der Eröffnung, Art. 124 Abs. 1 Bst. b BGG). Das Revisionsgesuch vom 21. September 2018 ist hinreichend begründet.
Der Gesuchsteller beruft sich in erster Linie darauf, die im Urteil vom
27. August 2018 vorgenommene Beurteilung der Prozessaussichten sei rechtlich nicht haltbar und widerspreche der ständigen Praxis des Bundesverwaltungsgerichts. Für die Beurteilung der Aussichtslosigkeit sei eine Betrachtung ex ante vorzunehmen. Massgeblich sei der Zeitpunkt, zu dem das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt worden sei. Aussichtslosigkeit könne nicht angenommen werden, wenn die Auffassung der gesuchstellenden Person der bisherigen Praxis entspreche, selbst wenn während des hängigen Beschwerdeverfahrens eine Praxisänderung vorgenommen werde und die Beschwerde im Urteilszeitpunkt deshalb als offensichtlich unbegründet im Verfahren nach Art. 111 Bst. e AsylG abgewiesen werde.
Nach Art. 121 Bst. a BGG kann die Revision eines Urteils verlangt werden, wenn die Vorschriften über die Besetzung des Gerichts oder über den Ausstand verletzt worden sind. Diese Vorschriften sehen unter anderem vor, dass eine Richterin in den Ausstand zu treten hat, wenn sie befangen sein könnte (Art. 38 VGG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 Bst. e BGG).
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Befangenheit vorliegt, ist das Kriterium der Offenheit des Verfahrensausganges massgebend, wobei dies jeweils in Bezug auf den im konkreten Fall zu beurteilenden Sachverhalt und betreffend die konkret zu entscheidende Rechtsfrage zu untersuchen ist (vgl. BGE 114 Ia 50 E. 3d S. 59). Dabei kann nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abgestellt werden, sondern muss das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen (vgl. BGE 118 Ia 286 E. 3d). Richterliche Verfahrensfehler oder ein falscher Entscheid in der Sache können die Unabhängigkeit respektive Unparteilichkeit eines Richters oder einer Richterin nur in Frage stellen, wenn objektiv gerechtfertigte Gründe zur Annahme bestehen, dass sich in den Rechtsfehlern gleichzeitig eine Haltung manifestiert, die auf fehlender Distanz und Neutralität beruht (vgl. KIENER, Richterliche Unabhängigkeit, 2001, S. 105 f. mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss es sich dabei um besonders krasse Fehler oder wiederholte Irrtümer handeln, die eine schwere Verletzung richterlicher Pflichten darstellen (vgl. etwa Urteil des Bundesgerichts 5A_206/2008 vom 23. Mai 2008 E. 2.2, mit Hinweisen; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-2849/2012 vom 1. Juni 2012 E. 2.4).
Vorab ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob sich die Beschwerde als aussichtslos erwiesen habe, im Urteil vom
27. August 2018 zweifellos falsch beantwortet hat. Für die Beurteilung der Aussichtslosigkeit einer Beschwerde ist - wie vom Gesuchsteller zutreffend dargelegt - eine Betrachtung ex ante vorzunehmen. Abzustellen ist mithin auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung. Auch wenn der Entscheid über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ausnahmsweise erst im Endentscheid getroffen wird, müssen die Erfolgsaussichten mit anderen Worten auf Grundlage der Verhältnisse zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung beurteilt werden (vgl. BGE 133 III 614 E. 5).
Bei der Prüfung der Aussichtslosigkeit (Art. 65 Abs. 1 VwVG) der Beschwerde im Verfahren E-3644/2018 wäre folglich auf die Verhältnisse am
22. Juni 2018 - Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung - abzustellen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war das Koordinationsurteil E-5022/2017 noch nicht ergangen, womit für den Beschwerdeführer trotz der damals gerichtsintern schon weit fortgeschrittenen Beratungen gute Gründe bestanden, die Verfügung des SEM vom 18. Mai 2018 anzufechten, zumal damals ungeklärt war, ob eine drohende Einziehung in den eritreischen Nationaldienst dem Wegweisungsvollzug entgegensteht. In diesem Zusammenhang ist namentlich darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerde vom
22. Juni 2018 einzig auf den Punkt des Wegweisungsvollzugs bezog und inhaltlich ausschliesslich die drohende Einziehung in den Nationaldienst im Lichte von Art. 4 Abs. 2 und Art. 3 EMRK (in Verbindung mit Art. 83 Abs. 3 AuG) sowie von Art. 83 Abs. 4 AuG problematisierte. Die Beschwerde betraf insofern Problemkreise, die erst mit dem obenerwähnten Koordinationsurteil vom 10. Juli 2018 geklärt wurden. Im Beschwerdezeitpunkt war damit klarerweise keine Aussichtslosigkeit anzunehmen, womit im Verfahren E-3644/2018 richtigerweise die unentgeltliche Prozessführung (Art. 65 Abs. 1 VwVG und Art. 110a Abs. 1 AsylG) hätte gewährt werden müssen (vgl. in diesem Sinne statt vieler Urteil des BVGer E-1032/2017 vom 16. Juli 2018 E. 2.2).
Im Urteil D-2260/2017 vom 15. Juni 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen von Ausstandsgründen in einer im Ausgangspunkt vergleichbaren Situation bejaht und gestützt darauf ein Revisionsgesuch gutgeheissen. Der Fall betraf ein Beschwerdeverfahren (D-5810/2016), das noch vor Ergehen des Koordinationsurteils D-7898/2015 vom 30. Januar 2017 (als Referenzurteil publiziert) beim Bundesverwaltungsgericht hängig gemacht worden war. Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung war damals - wie hier - erst im Endentscheid und nach Ergehen des Koordinationsurteils negativ beschieden worden.
Im Unterschied zu jenem Verfahren kann der Instruktionsrichterin des Verfahrens E-3644/2018 jedoch in keiner Art und Weise vorgehalten werden, bereits vor Erlass des Koordinationsurteils Beschwerden abweichend von der Praxis aller anderen Richterinnen und Richter mit der rechtlich nicht haltbaren Begründung, es zeichne sich eine Praxisänderung ab, als aussichtslos beurteilt zu haben. Anders als der Instruktionsrichter des Verfahrens D-5810/2016 war sie deshalb nie mit dem Vorwurf der Befangenheit
konfrontiert. Vielmehr hat sie verschiedene Verfahren mit derselben Konstellation rechtlich korrekt abgewickelt und die unentgeltliche Prozessführung gewährt (vgl. beispielsweise die Urteile des BVGer E-6858/2016 vom 20. August 2018, E-563/2017 vom 23. August 2018, E-1101/2017 vom
24. August 2018, E-1894/2017 vom 17. August 2018, E-2209/2017 vom
15. August 2018, E-3643/2017 vom 3. September 2018, E-4781/2017 vom
17. August 2018, E-2608/2018 vom 18. August 2018, E-3589/2018 vom
17. August 2018).
Die rechtsfehlerhafte Behandlung der Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 65 Abs. 1 VwVG) und Bestellung einer amtlichen Rechtsbeiständin (Art. 110a Abs. 1 AsylG) im Urteil E-3644/2018 vom 27. August 2018 ist daher als Einzelfall zu qualifizieren. Es bestehen keine Anzeichen dafür, dass der Fehler absichtlich erfolgt sein könnte; vielmehr ist von einem Versehen auszugehen. In der Fehlerhaftigkeit des Urteils E-3644/2018 manifestiert sich folglich keine Haltung, die auf fehlender Distanz und Neutralität beruhen würde. Entsprechend ist auch der Ausstandsgrund der Befangenheit (Art. 38 VGG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 Bst. e BGG) nicht gegeben. Es besteht folglich kein Anlass, das Urteil E-3644/2018 aus diesem Grund zu revidieren.
Hingegen fragt sich, ob die fehlerhafte Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege im Urteil E-3644/2018 vom 27. August 2018 (vgl. oben, E. 3.2) allenfalls den Revisionsgrund von Art. 121 Bst. d BGG (versehentliche Nichtberücksichtigung von in den Akten liegenden erheblichen Tatsachen) erfüllen könnte.
Art. 121 Bst. d BGG ist nach der Rechtsprechung dann einschlägig, wenn das Gericht eine Tatsache oder ein bestimmtes Aktenstück übersehen oder mit einem falschen Wortlaut wahrgenommen hat, nicht wenn die Tatsache oder das Aktenstück in der äusseren Erscheinung richtig wahrgenommen wurde und allenfalls bloss eine unzutreffende beweismässige oder rechtliche Würdigung erfolgt ist (vgl. Urteil des BGer. 4F_20/2013 vom
11. Februar 2014, E. 3.1; vgl. ferner Entscheidungen und Mitteilungen der ehemaligen Asylrekurskommission [EMARK] 1999 Nr. 4, E. 5a und 6a; Urteil des BVGer A-3313/2011 vom 7. Oktober 2011, E. 3.1). Die rechtliche Würdigung eines Sachverhalts kann von den Prozessparteien als noch so falsch empfunden werden, zu einer Revision berechtigt sie nicht (vgl. Urteil des BGer. 8F_5/2012 vom 12. Juli 2012, E. 3.1).
Erhebliche Tatsachen im Sinne von Art. 121 Bst. d BGG sind solche, die zugunsten des Gesuchstellers zu einer anderen Entscheidung geführt hätten, wenn sie berücksichtigt worden wären (BGE 122 II 17 E. 3 S. 18 f.). Sie können sich nicht nur aus den eingereichten Beweismitteln, sondern auch aus den Rechtsschriften und deren Inhalt ergeben (vgl. Urteil des BGer. 2F_5/2009 vom 3. Juli 2009, E. 3.3). Denkbar ist auch, dass eine offenkundige, gerichtsnotorische Tatsache versehentlich unberücksichtigt geblieben ist, zumal solche Tatsachen nicht beweisbedürftig sind (vgl. RHINOW/KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Öffentliches Prozessrecht,
3. Aufl. 2014, Rz. 1211, mit Hinweis auf das Urteil des BVGer D-5104/2006 E. 6.1.2).
Wie bereits oben dargelegt wurde, sind die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 65 Abs. 1 VwVG) und um Bestellung einer amtlichen Rechtsbeiständin (Art. 110a Abs. 1 AsylG) im Urteil E-3644/2018 vom
27. August 2018 versehentlich fehlerhaft behandelt worden. Mit Blick auf die Voraussetzungen von Art. 121 Bst. d BGG fragt sich, ob die fehlerhafte Behandlung auf die versehentliche Nichtberücksichtigung einer in den Akten liegenden Tatsache oder auf eine falsche Auslegung von Art. 65 Abs. 1 VwVG beziehungsweise Art. 110a Abs 1 AsylG zurückzuführen ist. Nur im ersten Fall wäre die Gutheissung des Revisionsgesuchs denkbar.
Bei der Beurteilung dieser Frage fällt vorrangig ins Gewicht, dass die Instruktionsrichterin des Verfahrens E-3644/2018 - wie oben dargelegt (vgl.
E. 3.3) - in verschiedenen inhaltlich gleichgelagerten Fällen der gefestigten Praxis des Bundesverwaltungsgerichts gefolgt ist und die unentgeltliche Prozessführung gewährt hat. Es liegt daher auf der Hand, dass die Abweisung der Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 65 Abs. 1 VwVG) und um Beiordnung einer amtlichen Rechtsbeiständin (Art. 110a Abs. 1 AsylG) nicht auf einer fehlerhaften Auslegung der eben genannten Bestimmungen beruht, sondern auf der versehentlichen Nichtberücksichtigung der Tatsache, dass das Koordinationsurteil E-5022/2017 des Bundesverwaltungsgerichts am 10. Juli 2018 und damit erst nach Beschwerdeeinreichung im Verfahren E-3644/2018 ergangen ist. Beim Urteilszeitpunkt des Koordinationsurteils E-5022/2017 handelt es sich aber um eine gerichtsnotorische Tatsache, welche der Instruktionsrichterin des Verfahrens E-3644/2018 in ihrer Tätigkeit als Richterin der Asylabteilungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Kenntnis gebracht worden ist.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die fehlerhafte Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und um amtliche Verbeiständung
im Urteil E-3644/2018 vom 27. August 2018 (vgl. oben, E. 3.2) den Revisionsgrund von Art. 121 Bst. d BGG (versehentliche Nichtberücksichtigung von in den Akten liegenden erheblichen Tatsachen) erfüllt und das Revisionsgesuch vom 21. September 2018 insoweit gutzuheissen ist. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, beschränkt sich der Gegenstand des neuen Entscheids jedoch auf die Anträge um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 65 Abs. 1 VwVG) und um Beiordnung einer amtlichen Rechtsbeiständin (Art. 110a Abs. 1 AsylG) im Verfahren E-3644/2018. Nicht erneut zu prüfen sind hingegen die übrigen Rechtsbegehren der Beschwerde vom 22. Juni 2018, zumal diese im Urteil vom
27. August 2018 richtig abgehandelt worden sind und diesbezüglich kein Revisionsgrund vorliegt.
Im Falle der Gutheissung des Revisionsgesuchs wird der in Revision gezogene Entscheid aufgehoben, das ursprüngliche Beschwerdeverfahren wieder aufgenommen und die Sache neu entschieden (Art. 45 VGG i.V.m. Art. 128 BGG). Dies kann namentlich bei offensichtlich begründeten Revisionsgesuchen in einund demselben Entscheid geschehen.
Nachdem im Verfahren E-3644/2018 aufgrund der Aktenlage nach wie vor von der prozessualen Bedürftigkeit des Beschwerdeführers auszugehen ist und nach dem Gesagten von der Nichtaussichtslosigkeit seiner Begehren auszugehen war (vgl. oben, E. 3.2), sind die kumulativen Voraussetzungen von Art. 65 Abs. 1 VwVG gegeben. Sein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ist folglich gutzuheissen und auf die Auferlegung von Verfahrenskosten zu verzichten.
Das Gesuch um Beiordnung einer amtlichen Rechtsbeiständin ist nach dem Gesagten ebenfalls gutzuheissen, die Rechtsvertreterin MLaw Anja Freienstein als solche einzusetzen und ihr ein amtliches Honorar auszurichten. In der Kostennote vom 22. Juni 2018 wird ein zeitlicher Aufwand von insgesamt dreieinhalb Stunden für Beratungsgespräch, Aktenstudium und Verfassen der zehnseitigen Beschwerde ausgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht geht bei amtlicher Vertretung in der Regel von einem Stundenansatz von Fr. 200.- bis Fr. 220.- für Anwältinnen und Anwälte und Fr. 100.- bis Fr. 150.- für nichtanwaltliche Vertreterinnen und Vertreter aus (Art. 12 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]), wobei nur der notwendige Aufwand entschädigt
wird (Art. 8 Abs. 2 VGKE). Mithin ist das amtliche Honorar bei Anpassung der Kostennote an einen Stundenansatz von Fr. 150.- für die nichtanwaltliche amtliche Rechtsbeiständin des Beschwerdeführers auf (gerundet) Fr. 541.- (Honorar Fr. 450.-, Mehrwertsteuer Fr. 41.-, nicht mehrwersteuerpflichtige Spesenpauschale Fr. 50.-) festzusetzen und MLaw Anja Freienstein zu Lasten der Gerichtskasse auszurichten.
Bei diesem Ausgang des Revisionsverfahrens sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 3 VwVG). Dementsprechend erweist sich das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung als gegenstandslos.
Dem vertretenen Gesuchsteller ist angesichts des Obsiegens im Revisionsverfahren in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG eine Parteientschädigung für die ihm erwachsenen notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten zuzusprechen (vgl. Art. 7 VGKE). Vorliegend rechtfertigt es sich, dem Bundesverwaltungsgericht die Ausrichtung der Parteientschädigung aufzuerlegen, da dieses das vorliegend zu beurteilende Revisionsverfahren zu verantworten hat. Im Revisionsgesuch vom 21. September 2018 ist die nachträgliche Einreichung einer Kostennote in Aussicht gestellt worden; bis zum Urteilszeitpunkt ist dies nicht erfolgt. Auf die Nachforderung der Kostennote kann jedoch vorliegend verzichtet werden, zumal der Aufwand sich aus den Akten zuverlässig abschätzen lässt. Unter Berücksichtigung der massgebenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE), der Entschädigungspraxis in Vergleichsfällen und des Ansatzes des Gerichts für Fälle der amtlichen nichtanwaltlichen Rechtsverbeiständung ist die vom Gericht auszurichtende Parteientschädigung auf Fr. 1200.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen. Damit werden die Gesuche um Gewährung der unetgeltlichen Rechtspflege und um Beiordnung einer amtlichen Rechtsbeiständin gegenstandslos; dasselbe gilt für den Eventualantrag, dem Beschwerdeführer eine neue Frist zur Bezahlung der Kosten des Verfahrens E-3644/2018 anzusetzen.
(Dispositiv nächste Seite)
Das Revisionsgesuch wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-3644/2018 vom 27. August 2018 wird im Kostenund Entschädigungspunkt (Ziffer 2 des Urteils) aufgehoben.
Im Beschwerdeverfahren E-3644/2018 wird das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gutgeheissen und auf die Auferlegung von Verfahrenskosten verzichtet.
Im Beschwerdeverfahren E-3644/2018 wird das Gesuch um Beiordnung einer amtlichen Rechtsbeiständin gutgeheissen, die Rechtsvertreterin MLaw Anja Freienstein als solche eingesetzt und dieser zulasten der Gerichtskasse vom Bundesverwaltungsgericht ein amtliches Honorar von Fr. 541.- ausgerichtet.
Für das Revisionsverfahren werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Dem Gesuchsteller wird vom Bundesverwaltungsgericht für das Revisionsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1200.- ausgerichtet.
Dieses Urteil geht an den Gesuchsteller, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
David R. Wenger Arthur Brunner
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