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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-2388/2017

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-2388/2017
Datum:28.09.2017
Leitsatz/Stichwort:Mehrwertsteuer
Schlagwörter : Steuer; Beschwerde; MWSTG; Erlass; Beschwerdeführerin; Mehrwertsteuer; Bundesverwaltungsgericht; Verfahren; Voraussetzung; Steuererlass; Berücksichtigt; Voraussetzungen; Veranlagung; Person; Urteil; Steuerpflicht; Verfügung; EUSCH; Untergang; BVGer; Veranlagungsverfügung; Vorinstanz; Höhe; Irrtum; Einwände; BEUSCH; Zumutbar; Steuerverwaltung; Bezahlung; Schuldet
Rechtsnorm: Art. 29 BV ; Art. 37 VwVG ; Art. 48 VwVG ; Art. 49 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 BGG ; Art. 92 MWSTG ;
Referenz BGE:119 V 347; ;
Kommentar zugewiesen:
GUIDO MÜLLER, Kommentar, Schweizerisches Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer mit den Ausführungserlassen sowie Erlasse zum Zollwesen, 2012
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Felix Geiger; Regine Schluckebier;
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-2388/2017

U r t e i l  v o m  2 8.  S e p t e m b e r  2 0 1 7

Besetzung Richter Michael Beusch (Vorsitz),

Richter Pascal Mollard, Richterin Salome Zimmermann, Gerichtsschreiberin Monique Schnell Luchsinger.

Parteien A. ,

Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV, Hauptabteilung Ressourcen, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Erlassgesuch Mehrwertsteuer;

1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2013.

Sachverhalt:

A.

Am 7. Januar 2015 erhielt die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) von der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt eine Meldung, wonach A. seit dem Jahre 2010 auf der Onlineplattform www.ricardo.ch diverse Kunstgegenstände verkauft habe.

B.

Nach verschiedener Korrespondenz trug die ESTV mit Verfügung vom

23. Februar 2016 A. rückwirkend per 1. Januar 2011 ins Mehrwertsteuerregister ein und setzte die Mehrwertsteuer für die Steuerperioden 2011 bis 2013 (Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2013) auf

Fr. 28‘175.- zuzüglich Verzugszinsen zu 4 % seit 1. Januar 2013 (mittlerer Verfall) fest. Diese Verfügung blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.

C.

Bereits im Veranlagungsverfahren betreffend die Mehrwertsteuer und später mit Schreiben vom 13. September 2016 ersuchte A. (nachfolgend Steuerpflichtige) um Erlass der für die Steuerperioden 2011 bis 2013 geschuldeten Mehrwertsteuer.

D.

Mit Verfügung vom 29. März 2017 wies die ESTV das Erlassgesuch der Steuerpflichtigen ohne Kostenfolge ab.

E.

Mit Eingabe vom 25. April 2017 gelangt die Steuerpflichtige (nachfolgend auch Beschwerdeführerin) beschwerdehalber an das Bundesverwaltungsgericht und beantragt sinngemäss die Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 29. März 2017. Ferner erneuert sie ihr Erlassbegehren.

Im Wesentlichen bringt die Beschwerdeführerin vor, dass es sich bei den getätigten Kunstverkäufen um Kommissionsgeschäfte gehandelt habe. Sie habe im massgeblichen Zeitraum studiert und die fremde Ware für ihr bekannte Kunsthändler verkauft. Darüber habe sie jeden Kunden ausführlich informiert. Ihr Gewinn habe brutto ( .) und netto ( ) des Verkaufspreises betragen. Die Beschwerdeführerin bestreitet sodann die von der ESTV vorgenommenen Umsatzschätzungen als viel zu hoch. Die ESTV habe weder die rechtliche Qualifikation als Kommissionsgeschäft noch die getätigten

sog. Scheinzuschläge (von den Verkäufern selbst ersteigerte Ware) berücksichtigt. Auch der Einwand betreffend die Transportkosten sei unberücksichtigt geblieben. Die Schätzungen widersprächen zudem den Berechnungen, die von der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt angestellt worden seien. Ferner seien die eingereichten Beweise nicht berücksichtigt worden. Sie, die Beschwerdeführerin, sei von einem Kommissionsgeschäft ausgegangen und habe angenommen, nicht mehrwertsteuerpflichtig zu sein. Ihre finanzielle Situation sei bedrückend und die Bezahlung der Steuerschuld würde eine grosse Härte bedeuten. Sie verfüge weder über ausreichende kaufmännische Fähigkeiten noch habe sie Kenntnisse im Mehrwertsteuerrecht. Ausserdem habe sie sich stets kooperativ gezeigt.

F.

Am 1. Juni 2017 beantragt die ESTV (nachfolgend auch Vorinstanz) vernehmlassungsweise die Abweisung der Beschwerde, da die Voraussetzungen für einen Steuererlass gemäss Art. 92 des Bundesgesetzes vom

12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG, SR 641.20) nicht erfüllt seien.

G.

Mit Zwischenverfügung vom 13. Juni 2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin um Durchführung eines förmlichen zweiten Schriftenwechsels abgewiesen, wobei die Beschwerdeführerin ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, es bleibe ihr unbenommen, dennoch weitere Ausführungen und Eingaben zu machen. In der Folge gingen keine weiteren Eingaben ein.

Auf die einzelnen Vorbringen der Parteien ist nachfolgend einzugehen, soweit dies für den vorliegenden Entscheid wesentlich ist.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben ist. Eine solche liegt nicht vor und die ESTV ist eine Behörde im Sinn von Art. 33 VGG. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Behandlung der Beschwerde ist somit gegeben.

Soweit das VGG nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren nach dem VwVG (Art. 37 VGG).

Die Beschwerdeführerin ist Adressatin der angefochtenen Verfügung vom

29. März 2017 und hat ein Interesse an deren Aufhebung oder Abänderung. Sie ist demzufolge zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG).

Auf die im Übrigen formund fristgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 50 Abs. 1 und 52 Abs. 1 VwVG) ist einzutreten.

2.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht kann den angefochtenen Entscheid grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen. Die Beschwerdeführerin kann neben der Verletzung von Bundesrecht (Art. 49 Bst. a VwVG) und der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) auch die Rüge der Unangemessenheit erheben (Art. 49 Bst. c VwVG).

    2. Im Beschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Das Bundesverwaltungsgericht ist verpflichtet, auf den unter Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten festgestellten Sachverhalt die richtige Rechtsnorm und damit jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als den zutreffenden erachtet, und ihm jene Auslegung zu geben, von der es überzeugt ist (ANDRÉ MOSER et al., Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, N. 1.54, unter Verweis auf BGE 119 V 347 E. 1a).

3.

3.1 Gemäss Art. 92 Abs. 1 MWSTG kann die ESTV rechtskräftig festgesetzte Steuern ganz oder teilweise erlassen, wenn die steuerpflichtige Person:

  1. die Steuer aus einem entschuldbaren Grund nicht in Rechnung gestellt und eingezogen hat, eine nachträgliche Überwälzung nicht möglich oder nicht zumutbar ist und die Bezahlung der Steuer eine grosse Härte bedeuten würde;

  2. die Steuer einzig aufgrund der Nichteinhaltung von formellen Vorschriften oder aufgrund von Abwicklungsfehlern schuldet und erkennbar ist oder die steuerpflichtige Person nachweist, dass für den Bund kein Steuerausfall entstanden ist; oder

  3. aus einem entschuldbaren Grund ihren Veranlagungspflichten nicht nachkommen konnte, nachträglich aber nachweisen oder glaubhaft machen kann, dass die durch die ESTV vorgenommene Ermessenseinschätzung zu hoch ausgefallen ist; in diesem Falle ist ein Steuererlass nur bis zur Höhe des zu viel veranlagten Betrages möglich.

Gemäss Art. 92 Abs. 6 MWSTG regelt der Bundesrat die Voraussetzungen und das Verfahren für den Steuererlass näher. Von dieser Kompetenz hat er jedoch bis jetzt noch keinen Gebrauch gemacht (GUIDO MÜLLER, in: MWST Kommentar, Schweizerisches Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer mit den Ausführungserlassen sowie Erlasse zum Zollwesen, Felix Geiger/Regine Schluckebier [Hrsg.], 2012 [nachfolgend: MWSTG Kommentar], Art. 92 N. 24).

3.2

      1. Der Steuererlass stellt den Verzicht des Gemeinwesens auf einen ihm zustehenden steuerrechtlichen Anspruch dar, mit welchem das öffentliche Vermögen vermindert wird (Urteil des BVGer A-1080/2014 vom 2. Oktober 2014 E. 2.2.1; MICHAEL BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, 2012 [nachfolgend Untergang], S. 188). Er bildet Teil der sogenannt rechtlichen Untergangsgründe der Steuerforderung und kann damit ausschliesslich in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen und bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen gewährt werden. Ausgeschlossen ist somit insbesondere ein „gnadenweiser“ Erlass über den gesetzlich geregelten hinaus. Aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung der Steuerpflichtigen muss der Steuererlass seltene Ausnahme bleiben (vgl. BVGE 2015/50 E. 2.5).

      2. Der Steuererlass gehört nicht zur Steuerveranlagung, sondern zum Steuerbezug. Im Erlassverfahren wird ausschliesslich geprüft, ob die gesetzlich statuierten Erlassvoraussetzungen erfüllt sind. Eine Revision der Steuerforderung selbst ist in einem solchen Verfahren nicht möglich. Die Erlassbehörde ist denn auch nicht befugt, Letztere nachzuprüfen (BVGE 2015/50 E. 2.6, 2009/45 E. 2.3 [betrifft den Erlass der direkten Bundessteuer]; Urteil des BVGer A-1080/2014 vom 2. Oktober 2014 E. 2.2.2, A-6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 3.3.1 m. Hw.; B EUSCH, Untergang,

        S. 209). Sinn und Zweck des Steuererlasses ist die Herabsetzung der Zahlungspflicht (vgl. IVO. P. BAUMGARTNER et. al., Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 10 N. 127).

      3. Die Gründe für einen Erlass liegen stets in der "Person" des Steuerschuldners (B EUSCH, Untergang, S. 202). Der Erlass kann nur erfolgen, wenn die Steuerveranlagung abgeschlossen ist und eine rechtskräftig festgesetzte Steuer vorliegt bzw. die Steuerveranlagung in Rechtskraft erwachsen und damit definitiv geworden ist (Art. 92 Abs. 1 MWSTG; BEUSCH, Untergang, S. 208).

      4. Bei den zusätzlichen Voraussetzungen gemäss Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG, welche ihrerseits kumulativ gegeben sein müssen, handelt es sich um die folgenden:

  • Die steuerpflichtige Person hat die Steuer weder in Rechnung gestellt noch eingezogen;

  • es liegt ein entschuldbarer Grund vor;

  • die nachträgliche Überwälzung ist nicht möglich oder nicht zumutbar; und

  • die Bezahlung der Steuer bedeutet eine grosse Härte.

Die unbestimmten Rechtsbegriffe („entschuldbarer Grund“, „nachträgliche Überwälzung nicht zumutbar“ sowie „grosse Härte“) lassen der ESTV einen relativ grossen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Erlassgesuche (BVGE 2015/50 E. 2.7.1; Urteil des BVGer A-1080/2014 vom 2. Oktober 2014 E. 2.3, A-6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 3.3.2; MÜLLER,

MWSTG Kommentar, Art. 92 N. 14).

Nach der Botschaft zum MWSTG liegt ein „verständlicher Grund beispielsweise dann vor, wenn die steuerpflichtige Person sich über die Steuerpflicht in einem Irrtum befunden hat und eine andere Person unter gleichen Voraussetzungen ebenso gehandelt hätte“ (Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer, BBl 2008 6885, S. 7013; ALOIS CAMENZIND et al., Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz [MWSTG],

3. Aufl. 2012, N. 2377). In der Lehre wird betreffend die Frage der Entschuldbarkeit eines Grundes vorgebracht, dass auch die von der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Kriterien zur unverschuldeten Nichteinhaltung von Fristen im Rahmen des prozessrechtlichen Instituts der Fristwiederherstellung hilfsweise herangezogen werden können (BVGE 2015/50 E. 2.7.1; BEUSCH, Untergang, S. 218). Hierbei sind nur solche Gründe als erheblich zu betrachten, die der Partei auch bei Aufwendung der üblichen Sorgfalt die Wahrung ihrer Interessen verunmöglicht oder unzumutbar erschwert hätten (BVGE 2015/50 E. 2.7.1; MOSER et al., a.a.O.,

N. 2.140 m. Hw.). Nicht als unverschuldete Hindernisse in Bezug auf die Fristwahrung gelten namentlich organisatorische Unzulänglichkeiten, Arbeitsüberlastung, Ferienabwesenheit oder Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften (BVGE 2015/50 E. 2.7.1; MOSER et al., a.a.O., N. 2.143 unter Verweis auf die Urteile des BVGer C-300/2009 vom 16. Februar 2009 E. 2.1, A-1514/2006 vom 14. Februar 2008 E. 2.5 m. Hw.). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erlass nach Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG reicht es nicht aus, dass sich die steuerpflichtige

Person aus Rechtsunkenntnis über ihre Steuerpflicht im Irrtum befand (BVGE 2015/50 E. 2.7.1).

3.3 Gemäss den Ausführungen des Bundesrats in der Botschaft zum MWSTG hat die steuerpflichtige Person keinen Anspruch auf einen Erlass der Steuer (BBl 2008 6885, S. 7014). Entsprechend ist in Art. 92 Abs. 1 MWSTG auch nur eine „Kann-Formulierung“ zu finden. Dies wird in der Lehre kritisiert (vgl. BEUSCH, a.a.O., S. 231 ff.; BAUMGARTNER et al., a.a.O.,

§ 10 N. 156). So oder so besteht gemäss Art. 92 Abs. 3 MWSTG - wie ganz allgemein auch bereits aufgrund von Art. 29a BV (Rechtsweggarantie) - die Möglichkeit der Beschwerdeführung an das Bundesverwaltungsgericht. Bei der gerichtlichen Überprüfung einer Verfügung der ESTV muss jedoch deren grosser Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Voraussetzungen für einen Steuererlass beachtet werden. Überprüft wird aber die Einhaltung der Grenzen der Ermessensausübung (BVGE 2015/50 E. 2.8; Urteile des BVGer A-1080/2014 vom 2. Oktober 2014 E. 2.4, A-6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 3.4; BEUSCH, a.a.O., S. 232 f.; CAMENZIND et al., a.a.O., N. 2377).

4.

Verzugszinsen haben ihren Ursprung in der verspäteten Zahlung einer Mehrwertsteuerforderung und dienen dazu, den der Steuerverwaltung auf dieser Forderung entstandenen Zinsverlust auszugleichen. Sie treten zu dieser hinzu und teilen ihr Schicksal. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Verzugszinspflicht endet, sobald die Mehrwertsteuerforderung bezahlt ist. Demzufolge handelt es sich auch bei den Verzugszinsen im weiteren Sinn um geschuldete Mehrwertsteuer (BVGE 2015/50 E. 2.9; Urteil des BVGer A-1714/2006 vom 11. August 2008 E. 3.1.1; MÜLLER, MWSTG

Kommentar, Art. 92 N. 7).

5.

    1. Im vorliegenden Fall gilt es zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für einen Steuererlass nach Art. 92 MWSTG erfüllt sind.

      Unbestritten ist hierbei, dass die Veranlagungsverfügung vom 23. Februar 2016 in Rechtskraft erwachsen ist. Damit ist die erste Voraussetzung für einen Steuererlass erfüllt (E. 3.2. 3).

      Es ist offensichtlich, dass vorliegend der Erlassgrund von Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG nicht zur Anwendung gelangt. Die rechtskräftige Veranlagungsverfügung vom 23. März 2016 stützt sich auf Art. 82 MWSTG. Damit

      entfällt auch ein Erlass nach Art. 92 Abs. 1 Bst. c MWSTG. Das Erlassgesuch wurde nicht im Rahmen eines gerichtlichen Nachlassverfahrens gestellt, weshalb kein Fall von Art. 92 Abs. 2 MWSTG vorliegt. Nachfolgend beschränkt sich die Prüfung der Erlassgründe daher auf die Voraussetzungen nach Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG.

    2. Die Beschwerdeführerin bringt zur Begründung ihres Erlassbegehrens vor Bundesverwaltungsgericht vorab vor, dass die Vorinstanz auf ihre Einwände nicht eingegangen sei und ihre Beweismittel nicht berücksichtigt habe. Diese formellen Einwände beschlagen die Rechtmässigkeit der Veranlagungsverfügung vom 23. Februar 2016 und können insoweit im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden (E. 3.2. 2). Demzufolge erübrigt sich auch ein Eingehen auf die vor Bundesverwaltungsgericht nunmehr eingereichten Kontoauszüge.

    3. Damit ist nachfolgend auf die zusätzlichen kumulativen Voraussetzungen von Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG einzugehen:

      1. Unbestritten hat die Beschwerdeführerin bei den Verkaufsgeschäften auf www.ricardo.ch keine Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt (vgl. E. 3.2. 4).

      2. Mit ihrer Argumentation, wonach sie die Kunstgegenstände von ihr bekannten Antiquitätenhändlern zum Weiterverkauf auf Kommissionsbasis erhalten habe und daher davon ausgegangen sei, dass sie einzig gegenüber den Kommittenten eine Dienstleistung erbringe, beruft sich die Beschwerdeführerin indirekt auf einen Irrtum über die mehrwertsteuerliche Qualifikation ihrer Geschäftstätigkeit. Sinngemäss betrachtet sie ihren Rechtsirrtum als einen „entschuldbaren Grund“ im Sinne von Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG.

Es ist durchaus zuzugestehen, dass das Mehrwertsteuerrecht anspruchsvolle Aspekte aufweist. Davon zeugen nicht zuletzt die zahlreichen Mehrwertsteuer-Infos, Merkblätter und Praxismitteilungen, welche den (möglichen) Steuerpflichtigen die Handhabung der sie treffenden Pflichten erleichtern wollen. Nicht auszuschliessen ist auch, dass weitere Steuerpflichtige ebenfalls dem gleichen Irrtum erlegen wären. Gleichwohl reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht aus, dass sich die steuerpflichtige Person aus Rechtsunkenntnis über ihre Steuerpflicht im Irrtum befand (E. 3.2. 4). Vielmehr wäre es der Beschwerdeführerin zumutbar gewesen, sich bei einer Fachperson oder direkt bei der ESTV

über die Rechtslage zu erkundigen. Dies muss umsomehr gelten, als die Beschwerdeführerin selber einräumt, dass sie über keine Kenntnisse im Mehrwertsteuerrecht verfügte.

    1. Somit bleibt noch auf die weiteren Einwände der Beschwerdeführerin einzugehen, soweit diese nicht schon vorstehend explizit oder implizit behandelt worden sind:

      1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe jeden Kunden ausführlich darüber informiert, dass sie fremde Ware auf Kommissionsbasis verkaufe. Zudem würde sich das Vertretungsverhältnis aus den Umständen ergeben, da sie als Studentin nicht über eigene Kunstgegenstände verfügt habe. Sinngemäss macht sie geltend, dass einzig die Netto-Kommissionen besteuert werden dürfen. Damit macht sie auch geltend, dass die NettoKommissionen von ( ) der Verkaufspreise die Umsatzgrenze für den Eintritt in die Steuerpflicht nie erreicht hätten. Zusammenfassend bestreitet sie somit zum einen die Steuerpflicht an sich, zum andern aber auch die Höhe der Steuerforderung. Auch diese materiellen Einwände beschlagen die Rechtmässigkeit der Veranlagungsverfügung vom 23. Februar 2016 und müssen insoweit für einen Erlass nach Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG als irrelevant gelten (E. 3.2. 2).

      2. Mit Bezug auf die Transportkosten macht die Beschwerdeführerin sodann geltend, dass die von der ESTV (als Umsatz) berücksichtigten Transportkosten viel zu hoch seien und de facto Ausgaben darstellen würden. Zudem habe sie diverse weitere Aufwände selber getragen, wie 5 % „Ricardo-Gebühren“, Kosten für Verpackungsmaterialien, Postgebühren, Kosten für die Betreuung der Kundschaft etc. Auch diese materiellen Einwände beschlagen die Rechtmässigkeit der Veranlagungsverfügung vom 23. Februar 2016 und können beim Erlass nach Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG nicht berücksichtigt werden (E. 3.2. 2). Ohnehin wären die Aufwände in mehrwertsteuerlicher Hinsicht einzig für die Ermittlung der Vorsteuer relevant gewesen. Die Vorsteuer wurde jedoch im Veranlagungsverfahren durch die Anwendung des Saldosteuersatzes berücksichtigt.

      3. Die Beschwerdeführerin wendet ferner ein, dass die Vorinstanz die sog. Scheinzuschläge nicht berücksichtigt habe. Sinngemäss bestreitet sie damit wiederum die Höhe der mehrwertsteuerlich relevanten Umsätze, was erneut einen materiellen Einwand gegen die Veranlagung vom

23. Februar 2016 darstellt, der im vorliegenden Verfahren nicht mehr gehört werden kann (E. 3.2. 2). Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf

hingewiesen, dass die Vorinstanz in der Veranlagungsverfügung vom

23. Februar 2016 ausführlich dargelegt hat, weshalb sie die sog. Scheingeschäfte nicht berücksichtigt hat.

5.5 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ein „entschuldbarer Grund“ im Sinne von Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG nicht vorliegt. Damit erübrigen sich Ausführungen zu den übrigen der kumulativ notwendigen Voraussetzungen. Ein Erlass nach Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG ist nicht zulässig, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.

6.

    1. Es gilt nun noch über eine allfällige Kostenauferlegung zu entscheiden. Nach Art. 92 Abs. 5 MWSTG ist das Steuererlassverfahren kostenfrei. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat, betrifft dieser Artikel nur das Verfahren vor der ESTV. Das bundesverwaltungsgerichtliche Verfahren richtet sich demgegenüber nach den Bestimmungen des VwVG (E. 1.1). Dieses sieht die Auferlegung der Kosten an die unterliegende Partei vor (Art. 37 VGG, Art. 63 VwVG; Urteile des BVGer A-1080/2014 vom 2. Oktober 2014 E. 4, A-6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 5.1).

    2. Ausgangsgemäss hat daher die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Diese sind auf Fr. 750.- festzusetzen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der von der Beschwerdeführerin geleistete Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1‘000.- ist im Umfang von Fr. 750.- für die Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden und im Betrag von Fr. 250.- zurückzuerstatten.

7.

Dieser Entscheid kann nicht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 83 Bst. m BGG).

(Das Dispositiv befindet sich auf der nächsten Seite).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der einbezahlte Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1‘000.- wird im Umfang von Fr. 750.- zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet. Der Restbetrag von Fr. 250.- wird zurückerstattet.

3.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr.[ ]; Gerichtsurkunde)

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Michael Beusch Monique Schnell Luchsinger

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