Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-6515/2015 |
Datum: | 19.01.2016 |
Leitsatz/Stichwort: | Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) |
Schlagwörter : | Dublin; Beschwerdeführerin; Beschwerdeführerinnen; Ungarn; Dublin-III-VO; Verfahren; Mitgliedstaat; Bundesverwaltungsgericht; Vorinstanz; Verfügung; Schweiz; Ehemann; Vater; Asylgesuch; Familie; Antrag; Sachverhalt; Überstellung; Akten; Asylverfahren; Zuständigkeit; Verfahrens; Ehemannes; Vaters; Wegweisung; Person; Staat; Asyls |
Rechtsnorm: | Art. 48 VwVG ;Art. 49 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 61 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-6515/2015
Besetzung Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz), Richter Daniel Willisegger, Richterin Esther Marti, Gerichtsschreiber Urs David.
Parteien A. , geboren am ( ), B. , geboren am ( ), C. , geboren am ( ),
alle mit weiteren Alias-Identitäten, Afghanistan,
alle vertreten durch Jana Maletic, Rechtsanwältin, Caritas ( ),
Beschwerdeführerinnen,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);
Verfügung des SEM vom 24. September 2015 / N ( ).
dass die Beschwerdeführerinnen am 1. September 2015 papierlos in der Schweiz um Asyl nachsuchten,
dass ein am 2. September 2015 vom SEM durchgeführter Abgleich ihrer Daktyloskopierung mit der Eurodac-Datenbank ergab, dass die Beschwerdeführerinnen am ( ) August 2015 in Ungarn um Asyl ersucht hatten,
dass die erstrubrizierte Beschwerdeführerin (im Folgenden Beschwerdeführerin) am 7. September 2015 durch das SEM insbesondere zur Person befragt wurde und dabei erwähnte, ihr Ehemann und Vater der Kinder sei ungefähr im Juli 2015 in der Türkei unfreiwillig von ihnen getrennt worden, weshalb sie die Weiterreise nach Griechenland und Ungarn ohne ihn bewältigt hätten,
dass sie in Ungarn zur Abgabe ihrer Fingerabdrücke gezwungen worden seien, sie das Land aber nach wenigen Tagen in Richtung Schweiz verlassen hätten,
dass die Beschwerdeführerin im Rahmen dieser Befragung zur Person (BzP) das rechtliche Gehör zu einem allfälligen Nichteintretensentscheid aufgrund der mutmasslichen Verfahrenszuständigkeit Ungarns gemäss der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L180/31 vom 29.6.2013; nachfolgend Dublin-III-VO) sowie zur Überstellung in jenen Staat erhielt,
dass sie dabei erklärte, in Ungarn sei es nicht gut und man habe nicht nach ihnen geschaut und sie schlecht behandelt,
dass das SEM am 7. September 2015 gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO die ungarischen Behörden um Übernahme der Beschwerdeführerinnen ersuchte und das Gesuch innert der nach Art. 25 Dublin-III-VO anwendbaren zweiwöchigen Frist unbeantwortet blieb,
dass das SEM mit Verfügung vom 24. September 2015 - das Eröffnungsdatum ist nicht aktenkundig - in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31) auf die Asylgesuche der Beschwerdeführerinnen vom
1. September 2015 nicht eintrat, deren Wegweisung nach Ungarn sowie den Vollzug anordnete und sie aufforderte, die Schweiz spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen,
dass es gleichzeitig feststellte, einer allfälligen Beschwerde gegen den Entscheid komme keine aufschiebende Wirkung zu, und die Aushändigung der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an die Beschwerdeführerinnen verfügte,
dass das SEM zur Begründung ausführte, gestützt auf die einschlägigen staatsvertraglichen Bestimmungen (unter anderem: Abkommen vom
26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags [Dublin-Assoziierungsabkommen, DAA, SR 0.142.392.68]; Dublin-III-VO; Verordnung [EG] Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates [DVO Dublin]) sei Ungarn für die Durchführung der Asylverfahren zuständig, zumal die Beschwerdeführerinnen dort gemäss Eurodac am ( ) August 2015 um Asyl ersucht und die ungarischen Behörden innert der festgelegten Frist zum Übernahmeersuchen des SEM keine Stellung bezogen hätten,
dass die vorliegenden Akten und Umstände keinen - nach Ermessen zu beurteilenden - Selbsteintritt aus humanitären Gründen im Rahmen der Souveränitätsklausel (Art. 29a Abs. 3 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 [AsylV 1, SR 142.311] i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO) rechtfertigten,
dass die im Rahmen des rechtlichen Gehörs erhobenen Einwände der Beschwerdeführerin die Zuständigkeit Ungarns und die erfüllten Voraussetzungen des Wegweisungsvollzuges dorthin nicht umzustossen vermöchten,
dass Ungarn insbesondere die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (sog. Aufnahmerichtlinie), umgesetzt habe und die Beschwerdeführerinnen sich für Unterstützung während des Verfahrens an die dortigen Behörden wenden könnten,
dass Ungarn ein Rechtsstaat sei und die Beschwerdeführerinnen bei ungerechter oder rechtswidriger Behandlung bei der zuständigen Stelle Beschwerde führen könnten,
dass die Wegweisung die Regelfolge des Nichteintretensentscheides darstelle und der Wegweisungsvollzug nach dem Gesagten durchführbar sei,
dass die Überstellung nach Ungarn - vorbehältlich einer allfälligen Unterbrechung oder Verlängerung - bis spätestens am 23. März 2016 zu erfolgen habe,
dass gemäss Art. 107a AsylG einer allfälligen Beschwerde gegen diese Verfügung keine aufschiebende Wirkung zukomme,
dass am ( ) Oktober 2015 der angebliche Ehemann beziehungsweise Vater der Beschwerdeführerinnen in der Schweiz um Asyl ersuchte, vom SEM eine eigene Verfahrensnummer (N [ ]) erhielt, am ( ) Oktober 2015 dem Kanton der Beschwerdeführerinnen zugewiesen wurde und das SEM aufgrund der familiären Beziehung zu den Beschwerdeführerinnen ebenfalls ein Dublin-Verfahren mit Überstellungsdestination Ungarn einleitete,
dass die Beschwerdeführerinnen mit Eingabe vom 13. Oktober 2015 gegen den Entscheid des SEM vom 24. September 2015 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben haben und darin dessen Aufhebung, die Feststellung der Zuständigkeit der Schweiz für die Prüfung der Asylgesuche, eventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung sowie in prozessualer Hinsicht die Anordnung einer vollzugshemmenden vorsorglichen Massnahme, die Gewährung der aufschiebenden Wirkung, die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung für die Verfahrenskosten mit Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und die Beiordnung der rubrizierten Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin beantragen,
dass sie in der Begründung zunächst auf den von den ungarischen Behörden auf sie ausgeübten Zwang einer Asylgesuchstellung während ihrer dreitägigen Inhaftierung, die schlechte Behandlung dort und auf den verfahrensrelevanten Umstand der Nachreise ihres Ehemannes beziehungsweise Vaters in die Schweiz und dessen hier eingeleitetes Asylverfahren aufmerksam machen,
dass sie ferner unter Berufung auf zahlreiche aktuelle Berichte sowie Gerichtsurteile die derzeit desolate Lage für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrende in Ungarn und die hohen Anforderungen an Überstellungen in dieses - auch betreffend die Einhaltung der Aufnahmerichtlinie masslos überforderte - Land darlegen,
dass in ihrem Fall erschwerend ihre Eigenschaft als besonders vulnerable Personen hinzu käme und sie berechtigte Angst vor einer erneuten Inhaftierung und menschenrechtswidrigen Behandlung in Ungarn hätten,
dass eine Überstellung nach Ungarn für sie unzumutbar sei und die Schweiz aufgrund der drohenden Menschenrechtsverstösse dort, jedenfalls aber aus humanitären Gründen gehalten sei, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 beziehungsweise Art. 17 Dublin-III-VO Gebrauch zu machen,
dass das Bundesverwaltungsgericht mit Telefax vom 14. Oktober 2015 den Vollzug der Überstellung nach Ungarn im Sinne einer superprovisorischen Massnahme gestützt auf Art. 56 VwVG einstweilen vorsorglich aussetzte,
dass es mit Zwischenverfügung vom 15. Oktober 2015 das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung guthiess, ebenso jenes um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG (unter gleichzeitigem Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses), jedoch das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung gemäss Art. 65 Abs. 2 VwVG abwies,
dass das Bundesverwaltungsgericht mit derselben Zwischenverfügung die Vorinstanz zur Einreichung einer Vernehmlassung einlud, wobei es die Vorinstanz ersuchte, zusammen mit der Vernehmlassung auch einen Beleg für die Eröffnung der angefochtenen Verfügung sowie (unter Hinweis auf die betreffenden Ausführungen in Ziff. II/B/1.5 der Beschwerde) die Asylverfahrensakten des nachgereisten Ehemannes/Vaters der Beschwerdeführerinnen zu übermitteln,
dass das SEM in seiner innert antragsgemäss erstreckter Frist eingegangenen Vernehmlassung vom 5. November 2015 an seinen Erwägungen gemäss angefochtener Verfügung festhält und mit umfassenden Ausführungen die Zuständigkeit Ungarns zur Behandlung des Asylgesuchs der Beschwerdeführerin und die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen durch dieses Land bekräftigt sowie - unter Mitberücksichtigung der per
1. August 2015 in Kraft getretenen asylrechtlichen Gesetzesänderungen das Vorliegen systemischer Mängel im ungarischen Asylsystem in Abrede stellt, wobei es sich insbesondere auf ein Abklärungsergebnis der Schweizer Botschaft in Budapest vom 23. September 2015 abstützt,
dass keine konkrete Gefährdung der Beschwerdeführerin im Sinne einer Grundrechtsoder Völkerrechtsverletzung für den Fall ihrer Überstellung nach Ungarn ersichtlich sei und kein Grund zur Annahme bestehe, Ungarn würde der Beschwerdeführerin die gemäss Aufnahmerichtlinie zustehenden minimalen Lebensbedingungen vorenthalten oder sie würde anderweitig in eine existenzielle Notlage geraten,
dass die Vorinstanz dem Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts nach Übermittlung eines Belegs für die Eröffnung der angefochtenen Verfügung und Überweisung der Asylverfahrensakten des nachgereisten Ehemannes/Vaters der Beschwerdeführerinnen kommentarlos keine Folge leistete,
dass die Beschwerdeführerinnen mit (innert Frist eingegangener) Replik vom 25. und Ergänzung vom 30. November 2015 unter Verweis auf weitere Menschenrechtsberichte die Erkenntnisse des SEM gemäss dessen Vernehmlassung bestreiten und rügen, sie hätten den Botschaftsbericht vom
23. September 2015 nicht zur Einsicht und zum rechtlichen Gehör erhalten,
dass sie ferner auf weitere asylrechtliche Gesetzesverschärfungen per
15. September 2015 und insbesondere die Einstufung Serbiens als sicheren Drittstaat durch Ungarn aufmerksam machen, womit sie der ernsthaften Gefahr einer Kettenabschiebung via Serbien nach Griechenland und Afghanistan ohne inhaltliche Prüfung ihrer Asylgesuche ausgesetzt seien,
dass sie ihre Auffassung des Bestehens systemischer Mängel im ungarischen Asylverfahren und Unterbringungssystem sowie nachdrücklich ihre besondere Vulnerabilität (insbesondere der beiden Kinder) bekräftigen, welche analog zum "Tarakhel-Urteil" im Hinblick auf eine Überstellung nach Ungarn das Einholen konkreter individueller Garantien für eine geeignete Unterkunft erforderlich mache,
dass eine Überstellung nach Ungarn aber auch deshalb widerrechtlich sei, weil das SEM die Hängigkeit eines Asylverfahrens ihres in der Schweiz in der Familiengemeinschaft lebenden Ehemannes beziehungsweise Vaters in Missachtung der Begründungspflicht und des rechtlichen Gehörs unberücksichtigt belasse und durch die Trennung der Familie Art. 8 EMRK und Art. 44 AsylG verletzt würden,
dass angesichts dieser schwer wiegenden Rechtsverletzung die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz aus formellen Gründen und - angesichts der beschränkten Kognition des Bundesverwaltungsgerichts in Dublin-Verfahren - mangels Heilungsmöglichkeit unausweichlich sei,
dass die Akten N ( ) des Ehemannes beziehungsweise Vaters der Beschwerdeführerinnen nach nochmaliger Bestellung durch das Bundesverwaltungsgericht am 3. Dezember 2015 beim Gericht eingegangen sind,
dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls - in der Regel und auch vorliegend - endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des SEM entscheidet (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 3133 VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG),
dass die Beschwerdeführerinnen am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen haben, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt sind, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung haben und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert sind (Art. 105 AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass die formelle Eröffnung der Verfügung trotz erfolgloser Einforderung eines Aktenbelegs beim SEM nicht aktenkundig ist, jedoch von den Beschwerdeführerinnen auch nicht bestritten wird, wobei für das Eröffnungsdatum auf die Angaben der Beschwerdeführerinnen (6. Oktober 2015) abzustellen ist,
dass somit auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG),
dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden können (Art. 106 Abs. 1 AsylG),
dass auf Asylgesuche in der Regel nicht eingetreten wird, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a
Abs. 1 Bst. b AsylG), wobei diesbezüglich die Dublin-III-VO zur Anwendung kommt,
dass gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird,
dass das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates eingeleitet wird, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Asylantrag gestellt wird (Art. 20 Abs. 1 Dublin-III-VO),
dass im Fall eines sogenannten Aufnahmeverfahrens (engl.: take charge) die in Kapitel III (Art. 8-15 Dublin-III-VO) genannten Kriterien in der dort aufgeführten Rangfolge (Prinzip der Hierarchie der Zuständigkeitskriterien; vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO) anzuwenden sind, und dabei von der Situation in demjenigen Zeitpunkt auszugehen ist, in dem der Asylsuchende erstmals einen Antrag in einem Mitgliedstaat gestellt hat (Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO; vgl. BVGE 2012/4 E. 3.2; FILZWIESER/SPRUNG, Dublin III-Verord-
nung, Wien 2014, K4 zu Art. 7),
dass im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens (engl.: take back) demgegenüber grundsätzlich keine (erneute) Zuständigkeitsprüfung nach Kapitel III stattfindet (vgl. BVGE 2012/4 E. 3.2.1 m.w.H.),
dass gemäss Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin-III-VO der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wird, falls es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in jenem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364/1 vom 18.12.2000, nachfolgend: EU-Grundrechtecharta) mit sich bringen, und nach den Regeln der Dublin-III-VO kein anderer zuständiger Mitgliedstaat bestimmt werden kann,
dass der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat verpflichtet ist, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Massgabe
der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO),
dass jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 beschliessen kann, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO; sog. Selbsteintrittsrecht),
dass entweder der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat vor der Erstentscheidung in der Sache jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen kann, den Antragsteller aus humanitären Gründen oder zum Zweck der Zusammenführung verwandter Personen aufzunehmen, wobei die betroffenen Personen dem schriftlich zustimmen müssen (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO; sog. humanitäre Klausel),
dass ein Abgleich der Fingerabdrücke der Beschwerdeführerinnen mit der Eurodac-Datenbank ergab, dass diese am ( ) August 2015 in Ungarn ein Asylgesuch eingereicht hatten,
dass das SEM am 7. September 2015 gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO die ungarischen Behörden um Übernahme der Beschwerdeführerinnen ersuchte und das Gesuch innert der nach Art. 25 Dublin-III-VO anwendbaren zweiwöchigen Frist unbeantwortet blieb, womit sie die Zuständigkeit Ungarns implizit anerkannten (Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO),
dass sich das Bundesverwaltungsgericht vorliegend einer näheren Überprüfung der Zuständigkeitsbeziehungsweise Selbsteintrittsvoraussetzungen unter Berücksichtigung der von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Einwände (insb. angeblich erzwungene Asylgesuchstellung in Ungarn, schlechte Behandlung durch die dortigen Behörden, systemische Schwachstellen im ungarischen Asylsystem, drohende Menschenrechtsverstösse und desolate Lage für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrende in Ungarn, Nichteinhaltung der Verfahrensund Aufnahmerichtlinien, besondere Vulnerabilität) enthält, da es den für die Entscheidfindung massgeblichen Sachverhalt als offensichtlich nicht vollständig erstellt erachtet,
dass die Behörde gemäss dem Untersuchungsgrundsatz (Art. 12 VwVG). von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen, die für das Verfahren notwendigen Unterlagen zu beschaffen, die rechtlich relevanten Umstände abzuklären und ordnungsgemäss darüber Beweis zu führen hat,
dass dem Bundesverwaltungsgericht gemäss Art. 49 Bst. b VwVG (beziehungsweise Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG) eine umfassende Sachverhaltskontrolle obliegt,
dass eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung insbesondere dann vorliegt, wenn die Vorinstanz nicht alle entscheidwesentlichen Gesichtspunkte des Sachverhalts prüfte, etwa weil sie die Rechtserheblichkeit einer Tatsache zu Unrecht verneinte, und eine Sachverhaltsfeststellung dann unvollständig ist, wenn nicht alle für den Entscheid rechtsrelevanten Sachumstände berücksichtigt wurden (vgl. zum Ganzen z.B. das Urteil E-6261/2015 des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 E. 3, m.w.H.),
dass die vorliegend Anwendung findende Dublin-III-VO einen ausgeprägten Fokus auf die Familieneinheit und die Achtung des Familienlebens aufweist (z.B. Erwägungsgründe Ziffern 14, 16, 17 und 18 der Präambel sowie
die Art. 17 Abs. 3, Art. 9-11, Art. 16, Art. 17 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3),
dass sich die grosse Bedeutung, welche die Dublin-III-VO im Vergleich zu den beiden Vorgänger-Verordnungen der Familieneinheit beimisst, insbesondere in Ziff. 14 ihrer Präambel zeigt, wonach die Achtung des Familienlebens eine vorrangige Erwägung der Dublin-Staaten bei der Anwendung der Dublin-III-VO sein soll und die Anwendung im Einklang mit der EMRK (darunter insb. deren Art. 8) und der Charta der Grundrechte der EU erfolgen soll (vgl. dazu das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-6513/2014 vom 3. Dezember 2015 E. 5.3.3, m.w.H.),
dass deshalb der familiäre Bestand und Bezug der involvierten Personen von relevanter Bedeutung für die Zuständigkeits-, Selbsteintrittsund Wegweisungsvollzugsvoraussetzungen im konkreten Fall (und darüber hinaus auch betreffend das Verfahren des Ehemannes/Vaters) sein kann und daneben auch Einfluss auf die Beurteilung des Vulnerabilitätsgrades der einzelnen Familienangehörigen hat,
dass vorliegend nicht nur die beiden rubrizierten Kinder in den Erwägungen der Vorinstanz nicht auffindbar sind - in der Vernehmlassung wird gar ausdrücklich stets nur von der Beschwerdeführerin gesprochen -, sondern die Tatsache der Einreise des Ehemannes/Vaters der Beschwerdeführerinnen und dessen ebenso hängiges Asylgesuch und Dublinverfahren in der
Schweiz vom SEM gänzlich ignoriert wird, obwohl das Bundesverwaltungsgericht das SEM in der Zwischenverfügung vom 15. Oktober 2015 ausdrücklich auf die betreffenden Ausführungen in Ziff. II/B/1.5 der Beschwerde aufmerksam gemacht hat,
dass sich das SEM nicht einmal veranlasst sah, dem ausdrücklichen Ersuchen des Gerichts nach Überweisung der Asylverfahrensakten des nachgereisten Ehemannes/Vaters nachzukommen und sich hierzu jeglichen Kommentars enthielt,
dass die vorliegenden Akten weitere Fragen betreffend den Familienbestand aufwerfen, da das Aktenstück A15/5 die polizeiliche Anhaltung einer fünfköpfigen Familie in der Schweiz vom ( ) September 2015 dokumentiert, in welcher scheinbar die drei Beschwerdeführerinnen und ihr Ehemann/Vater - nebst einem weiteren Kind - als Familienmitglieder mit AliasIdentitäten aufgeführt sind, wobei das Dokument mit der N-Nummer der Beschwerdeführerinnen versehen ist,
dass das SEM auch dieses Dokument in der angefochtenen Verfügung und in der Vernehmlassung weder sachverhaltlich noch in den Erwägungen in irgendeiner Form erfasst hat,
dass gleichsam auffällt, dass dieses schon Anfang September 2015 beim SEM eingegangene Dokument erst am 14. Oktober 2015 in die vorinstanzlichen Akten beziehungsweise ins Aktenverzeichnis aufgenommen und paginiert wurde, obwohl es offensichtlich bereits für den Erlass der angefochtenen Verfügung vom 24. September 2015 beziehungsweise im Hinblick auf gebotene weitere Untersuchungsmassnahmen von erheblicher Bedeutung sein musste,
dass der entscheidrelevante Sachverhalt demnach nicht rechtsgenüglich erstellt ist und die Sache zwecks weiterer Abklärungen, vollständiger Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 61 Abs. 1 VwVG) und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist, zumal es nicht Sache des Bundesverwaltungsgerichts sein kann, die genannten Versäumnisse selber zu heilen und als letzte Instanz einen neuen (auch abschlägig denkbaren) Entscheid ohne Anfechtungsmöglichkeit zu treffen,
dass abgesehen davon eine Heilung auch deshalb ausser Betracht fällt, weil dem Bundesverwaltungsgericht bei Dublin-Verfahren nur beschränkte Kognition zukommt (Art. 106 Abs. 1 AsylG),
dass die Beschwerde somit hinsichtlich der Anträge Ziff. 1 (Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 24. September 2015) und Ziff. 3 (Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung) gutzuheissen ist,
dass auf die weiteren Vorbringen gemäss Beschwerde und Replik aufgrund der vorliegenden Kassation zum heutigen Zeitpunkt nicht näher einzugehen, die Vorinstanz im Rahmen des wiederaufzunehmenden Verfahrens jedoch den Inhalt der vorliegenden Beschwerdeakten zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen hat,
dass dem SEM deshalb die Beschwerdeakten E-6515/2015 bei Bedarf und auf Bestellung zur Verfügung stehen,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens den ohnehin unentgeltliche Rechtspflege geniessenden Beschwerdeführerinnen keine Kosten aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG),
dass den rechtsvertretenen Beschwerdeführerinnen angesichts ihres Obsiegens in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 VGKE eine Entschädigung für die ihnen hinsichtlich der Beschwerdeanträge Ziffern 1 und 3 notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen ist,
dass gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE) sowie unter Berücksichtigung des von der Rechtsvertreterin in ihrer Beschwerdeschrift (dort am Ende) bis zu jenem Zeitpunkt geltend gemachten Kostenaufwandes (Fr. 831.60) - unter Aufrechnung des zuverlässig abschätzbaren seitherigen und unter Eingrenzung auf den die Anträge Ziff. 1 und 3 betreffenden Aufwandes - den Beschwerdeführerinnen zulasten der Vorinstanz eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 800.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuerzuschlag) zuzusprechen ist.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Anträge Ziff. 1 (Aufhebung der angefochtenen Verfügung) und Ziff. 3 (Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung) gutgeheissen.
Die Verfügung vom 24. September 2015 wird aufgehoben.
Die Sache geht zur vollständigen und richtigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Das SEM wird angewiesen, den Beschwerdeführerinnen für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 800.- auszurichten.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerinnen, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Regula Schenker Senn Urs David
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