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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-4752/2016

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-4752/2016

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-4752/2016
Datum:31.08.2016
Leitsatz/Stichwort:Familienzusammenführung (Asyl)
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Familie; Verfügung; Ehefrau; Einreise; Vorinstanz; Bundesverwaltungsgericht; Akten; Flüchtling; Beschwerdeführers; Gesuch; Schweiz; Eingabe; Familiengemeinschaft; Beziehung; Richter; Familienzusammenführung; Flucht; Asylverfahrens; Befragung; Partei; David; Parteien; Eritrea; Migration; Kopie; Erwägungen; Gewährung; Hochzeit
Rechtsnorm: Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-4752/2016

U r t e i l  v o m  3 1.  A u g u s t  2 0 1 6

Besetzung Richter David R. Wenger (Vorsitz),

Richter Thomas Wespi, Richter Markus König, Gerichtsschreiber Arthur Brunner.

Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch David Krummen, Rechtsanwalt,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Familienzusammenführung (Asyl);

Verfügung des SEM vom 28. Juni 2016 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer suchte am 6. November 2012 in der Schweiz um Asyl nach. Mit Verfügung vom 2. Dezember 2014 anerkannte das damalige Bundesamt für Migration (BFM, heute Staatssekretariat für Migration [SEM]) den Beschwerdeführer als Flüchtling und gewährte ihm Asyl.

B.

Mit Eingabe vom 25. Februar 2015 (Posteingang beim SEM am 5. November 2015) stellte der Beschwerdeführer beim SEM ein Gesuch um Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau B. und beantragte eine Einreisebewilligung für sie. Seinem Gesuch waren eine Kopie der Identitätskarte seiner Ehefrau, drei Kopien von Fotos von ihr sowie die Kopie einer Heiratsurkunde beigelegt.

C.

Mit Schreiben vom 6. April 2015 stellte das SEM dem Beschwerdeführer einen Fragekatalog zur Abklärung des Sachverhalts zu. Der Beschwerdeführer beantwortete diesen mit Eingabe vom 25. April 2016 innert Frist. Der Eingabe beigelegt waren zwei aktuelle Passfotos und drei weitere Fotos seiner Ehefrau.

D.

Mit Verfügung vom 28. Juni 2016 - eröffnet am 29. Juni 2016 - verweigerte das SEM der Ehefrau des Beschwerdeführers die Einreise und lehnte das Gesuch um Familienzusammenführung ab.

E.

Mit Eingabe vom 7. Juli 2016 ersuchte der Beschwerdeführer beim SEM um Akteneinsicht. Am 14. Juli 2016 kam die Vorinstanz diesem Gesuch nach.

F.

Vertreten durch den oben rubrizierten Rechtsanwalt erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 2. August 2016 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Er beantragte, die Verfügung des SEM vom 28. Juni 2016 sei aufzuheben und das SEM sei anzuweisen, B. die Einreise in die Schweiz zu bewilligen, sie nach erfolgter Einreise im Sinne der Erwägungen als Flüchtling anzuerkennen und ihr Asyl zu gewähren. In prozessualer Hinsicht beantragte er die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend

- endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist einzutreten.

2.

Das Bundesverwaltungsgericht überprüft die angefochtene Verfügung in Asylsachen auf Verletzung von Bundesrecht sowie unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts hin (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.

Gemäss Art. 51 AsylG werden Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen (Abs. 1). Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen (Abs. 4). Die Erteilung einer Einreisebewilligung nach Art. 51 Abs. 4 AsylG setzt eine vorbestandene Familiengemeinschaft, die Trennung der Familie durch die Flucht sowie die fest beabsichtigte Familienvereinigung in der Schweiz voraus; sie dient hingegen nicht der Aufnahme von neuen oder der Wiederaufnahme von beendeten Beziehungen (BVGE 2012/32 E. 5).

4.

    1. Die Vorinstanz begründet ihre Verfügung im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe widersprüchliche Angaben dazu gemacht, wann er seine Ehefrau das letzte Mal gesehen habe. Weil er bereits kurz nach der Hochzeit aus Eritrea geflüchtet sei, könne zudem nicht von einer gelebten schützenswerten Beziehung ausgegangen werden, welche für die Gewährung des Familiennachzugs erforderlich sei. Diese Einschätzung werde durch den Umstand gestärkt, dass er und seine Ehefrau keine Bemühungen unternommen hätten, um sich bereits früher in einem Drittstaat wieder zu vereinen. Schliesslich sei für das SEM nicht ersichtlich, dass sie

      ihre Beziehung nach der Trennung aufrechterhalten hätten, weil der Beschwerdeführer in den Befragungen ausgeführt habe, seine Ehefrau beklage sich bei seiner Familie über die Unsicherheit des Fortbestands ihrer Ehe und frage, ob sie noch zusammen oder getrennt seien.

    2. Nach Sichtung der Akten kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die Erwägungen der Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung den Argumenten des Beschwerdeführers nicht standzuhalten vermögen. Auch die eingeholte Vernehmlassung ändert diesbezüglich nichts, zumal es die Vorinstanz bedauerlicherweise unterlassen hat, auf die Argumente des Beschwerdeführers auch nur ansatzweise einzugehen.

      1. Anders als von der Vorinstanz offenbar impliziert, kann die Anwendung von Art. 51 Abs. 4 AsylG nicht von der Dauer der durch die Flucht getrennten Familiengemeinschaft abhängen (vgl. Urteil des BVGer E-3154/2016 vom 31. Mai 2016 E. 7). Aufgrund der dokumentierten Hochzeit am 14. Februar 2010 ist davon auszugehen, dass zumindest damals Familiengemeinschaft bestand, zumal der Beschwerdeführer in den Befragungen ausführte, nach der Hochzeit noch bis im März zu Hause gewesen zu sein und seine Frau in dieser Zeit offenbar bei ihm wohnte (vgl. Akten des Asylverfahrens, A14, F 44; Stellungnahme vom 25. April 2016, Ziff. 2). Darüber hinaus ist aufgrund der Aktenlage davon auszugehen, dass die trotz der Militärdienstpflicht des Beschwerdeführers weiterbestehende Familiengemeinschaft durch seine Flucht getrennt wurde.

      2. Entscheidend ist vor diesem Hintergrund damit weniger die Frage, ob die Familiengemeinschaft vorbestanden hat, sondern ob der Beschwerdeführer und seine Ehefrau diese im weiteren Verlauf aufgegeben haben. Die Vorinstanz zitiert in diesem Zusammenhang selektiv Aussagen des Beschwerdeführers aus den Asylanhörungen, welche isoliert betrachtet tatsächlich das Bild vermitteln, dass es sich zumindest zwischenzeitlich nicht mehr um eine gelebte Beziehung handelte. Eine genaue Lektüre der Befragungsprotokolle vermittelt jedoch ein anderes Bild. Schon in der summarischen Befragung bedauerte der Beschwerdeführer, nicht die Gelegenheit gehabt zu haben, richtig Zeit mit seiner Ehefrau zu verbringen (vgl. Akten des Asylverfahrens, A7, F 7.03) - notabene ohne, dass die befragende Person eine entsprechende Frage gestellt hätte. In der Anhörung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei auch deswegen ausgereist, weil in Eritrea keine Möglichkeit bestanden habe, ein normales Eheleben zu führen (vgl. Akten des Asylverfahrens, A14, F 8). Neben der von der Vorinstanz zitierten Aussage, seine Frau beklage sich ständig, weil er so

        lange weg sei, äusserte er zudem, die Situation seiner Frau lasse ihm keine Ruhe (vgl. Akten des Asylverfahrens, A14, F 104 und 117). In einer Gesamtbetrachtung ergibt sich aus diesen Aussagen entgegen der Auffassung der Vorinstanz klar, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau ihre Beziehung trotz aller Schwierigkeiten weitergeführt haben. Dass sie sich nicht früher um eine Familienzusammenführung - beispielsweise in Äthiopien - bemüht haben, ist angesichts der damaligen prekären Lebensumstände des Beschwerdeführers nachvollziehbar und ändert nichts daran, dass aufgrund der Akten von einer weiterhin gelebten Ehegemeinschaft auszugehen ist, die einen Familiennachzug gestützt auf Art. 51 Abs. 4 AsylG erlaubt.

    3. In einer Gesamtwürdigung kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die Voraussetzungen von Art. 51 Abs. 4 AsylG vorliegend gegeben sind.

5.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und die Verfügung des SEM vom 28. Juni 2016 aufzuheben. Das SEM ist anzuweisen, B. die Einreise in die Schweiz zu bewilligen, und sie nach erfolgter Einreise gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG als Flüchtling anzuerkennen und ihr Asyl zu gewähren, sofern sie die Flüchtlingseigenschaft nicht selbständig nach Art. 3 AsylG erfüllt (Art. 37 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 [AsylV 1, SR 142.311]).

6.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).

    2. Gemäss Art. 64 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit Art. 37 VGG kann der obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für die ihr erwachsenen notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten zugesprochen werden (vgl. Art. 7 ff. des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vom

      21. Februar 2008 [VGKE, SR 173.320.2]). Seitens des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers wurde keine Kostennote eingereicht. Auf die Nachforderung einer solchen wird indessen verzichtet (vgl. Art. 14 Abs. 2 VGKE), weil im vorliegenden Verfahren der Aufwand des Schriftenwechsels zuverlässig abgeschätzt werden kann. Gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE) sind dem Beschwerdeführer Fr. 1‘000.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) als Parteientschädigung zuzusprechen. Dieser Betrag ist dem Beschwerdeführer durch das SEM zu entrichten.

    3. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 65 Abs. 1 VwVG) und um Beiordnung eines amtlichen Rechtsbeistands (Art. 65 Abs. 2 VwVG) ist mit dem vorliegenden Entscheid gegenstandslos geworden.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2.

Die Verfügung des SEM vom 28. Juni 2016 wird aufgehoben.

3.

Das SEM wird angewiesen, B. die Einreise in die Schweiz zu bewilligen, sie nach erfolgter Einreise im Sinne der Erwägungen als Flüchtling anzuerkennen und ihr Asyl zu gewähren.

4.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

5.

Dem Beschwerdeführer wird eine Parteientschädigung von Fr. 1‘000.- zugesprochen, die ihm durch das SEM zu entrichten ist.

6.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

David R. Wenger Arthur Brunner

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