E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Bundesverwaltungsgericht Urteil C-1676/2014

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung III
Dossiernummer:C-1676/2014
Datum:09.10.2015
Leitsatz/Stichwort:nach Auflösung der Familiengemeinschaft
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Beschwerdeführerin; Ehemann; Recht; Eheliche; Gewalt; Ehemannes; Bundes; Aufenthalt; Opfer; Schlage; Recht; Verfahren; Polizei; Ehelichen; Beweis; Geschlagen; Aussage; Nommen; Einvernahme; Bundesverwaltungsgericht; Schweiz; Türkei; Aufenthaltsbewilligung; Familie
Rechtsnorm: Art. 48 VwVG ; Art. 49 VwVG ; Art. 55a StGB ; Art. 62 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ; Art. 65 VwVG ;
Referenz BGE:136 II 1; 138 II 229; 141 II 169; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung III C-1676/2014

U r t e i l  v o m  9.  O k t o b e r  2 0 1 5

Besetzung Richter Andreas Trommer (Vorsitz),

Richter Daniele Cattaneo, Richter Blaise Vuille, Gerichtsschreiber Julius Longauer.

Parteien A. ,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Peter Huber, Fürsprecher,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,

Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung.

Sachverhalt:

A.

Die Beschwerdeführerin (geb. 1990) ist türkische Staatsangehörige. Sie gelangte am 30. März 2011 in die Schweiz und heiratete am 19. Mai 2011 den hier niedergelassenen türkischen Staatsangehörigen B. (geb. 1987). In der Folge erhielt sie im Kanton Bern eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib beim Ehemann. Die Aufenthaltsbewilligung wurde letztmals mit Wirkung bis zum 18. Mai 2013 verlängert. Am 1. Oktober 2012 trennten sich die Ehegatten, und am 27. August 2013 wurde ihre Ehe auf gemeinsames Begehren rechtskräftig geschieden.

B.

Am 26. März 2013 stellte die Beschwerdeführerin bei den Einwohnerdiensten, Migration und Fremdenpolizei der Stadt Bern (EMF) ein Gesuch um Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung (Beizugsakten des EMF Ref. BN 21420776 [nachfolgend: EMF act.] 79). Nach Einholung einer Stellungnahme der Beschwerdeführerin (EMF act. 147) unterbreitete das EMF die Bewilligungssache der Vorinstanz mit dem Antrag um Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 AuG (SR 142.20) (EMF act. 151, Vorakten des SEM [bis 31.12.2014: Bundesamt für Migration, BFM] [nachfolgend: SEM act.] 1/153).

C.

Die Vorinstanz setzte die Beschwerdeführerin am 5. November 2013 darüber in Kenntnis, dass erwogen werde, die Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 AuG zu verweigern. Folge der Zustimmungsverweigerung wäre, dass gegen die Beschwerdeführerin gleichzeitig eine Wegweisung aus der Schweiz erginge. Der Beschwerdeführerin wurde im Sinne des rechtlichen Gehörs Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt (SEM act. 3/157). Davon machte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 6. Januar 2014 Gebrauch (SEM act. 7/179).

D.

Mit Verfügung vom 21. Februar 2014 verweigerte die Vorinstanz ihre Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und wies die Beschwerdeführerin unter Ansetzung einer Ausreisefrist von acht Wochen ab Rechtskraft der Verfügung aus der Schweiz weg.

E.

Mit Rechtsmitteleingabe vom 27. März 2014 gelangte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter an das Bundesverwaltungsgericht und

stellte den Antrag auf Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und Erteilung der Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Eventualiter sei festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung unzulässig bzw. unzumutbar sei. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte die Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege in Gestalt der Befreiung von den Verfahrenskosten und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters (Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG).

F.

In der Folge zog das Bundesverwaltungsgericht nebst den ausländerrechtlichen Akten des EMF die Strafakten BM 12 34659 der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Mittelland (nachfolgend: StA act.), sowie die Akten des Regionalgerichts Bern-Mittelland betr. Eheschutz CIV 12 6788 (nachfolgend: Eheschutz act.) und Ehescheidung CIV 113 1130 (nachfolgend: Ehescheidung act.) bei.

G.

Mit Zwischenverfügung vom 22. Mai 2014 wurde der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege im anbegehrten Umfang gewährt. Zum unentgeltlichen Rechtsvertreter wurde Rechtsanwalt Peter Huber bestellt.

H.

Die Vorinstanz schloss in ihrer Vernehmlassung vom 6. Juni 2014 auf Abweisung der Beschwerde.

I.

Mit Replik vom 22. August 2014 hielt die Beschwerdeführerin an ihren Rechtsbegehren und deren Begründung fest.

J.

Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit erheblich, in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Verfügungen des BFM bzw. SEM betreffend Zustimmung zur Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 112 Abs. 1 AuG i.V.m. Art. 31 ff. VGG).

    2. Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (vgl. auch Art. 2 Abs. 4 VwVG).

    3. Die Beschwerdeführerin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 49 ff. VwVG).

2.

Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und - soweit nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Recht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).

3.

    1. Gemäss Art. 40 AuG sind die Kantone zuständig für die Erteilung und Verlängerung von Bewilligungen. Vorbehalten ist unter anderem die Zuständigkeit des Bundes im Zustimmungsverfahren, zu dessen Ausgestaltung Art. 99 AuG den Bundesrat ermächtigt. Diesem Auftrag kam der Bundesrat mit Art. 85 und Art. 86 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 (VZAE; SR 142.201) nach. Art. 85 Abs. 1 Bst. a VZAE sieht vor, dass ein Zustimmungsverfahren vor dem SEM durchzuführen ist, wenn das SEM ein solches zur Koordination der Praxis im Rahmen des Gesetzesvollzugs für bestimmte Personenund Gesuchskategorien als notwendig erachtet.

    2. Die Notwendigkeit einer Zustimmung des SEM zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ergibt sich im Falle der Beschwerdeführerin aus Art. 85 Abs. 1 Bst. a VZAE in der bis 31. August 2015 geltenden Fassung (AS 2007 5497 5526) in Verbindung mit der damals in Kraft stehenden Ziffer

1.3.1.4 Bst. e der Weisungen und Erläuterungen des SEM im Ausländerbereich (AuG-Weisungen; <www.sem.admin. ch> Publikationen & Service

> Weisungen und Kreisschreiben > I. Ausländerbereich, abgerufen am 09.10.2015). Danach ist die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung einer

Ausländerin oder eines Ausländers nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft mit dem schweizerischen oder ausländischen Ehegatten oder nach dessen Tod, falls die Ausländerin oder der Ausländer nicht aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA stammt, dem SEM zur Zustimmung zu unterbreiten. Seit dem 1. September 2015 gilt dasselbe gestützt auf die seither in Kraft stehende Fassung des Art. 85 Abs. 1 VZAE in Verbindung mit Art. 4 Bst. d der Verordnung des EJPD vom 13. August 2015 über die dem Zustimmungsverfahren unterliegenden ausländerrechtlichen Bewilligungen und Vorentscheide (SR 142.201.1).

3.3 Das SEM kann die Zustimmung ohne Bindung an die Beurteilung durch den Kanton verweigern oder mit Bedingungen verbinden (Art. 86 Abs. 1 VZAE). Die dargestellte Regelung gilt gemäss einem neuesten Grundsatzurteil des Bundesgerichts nicht, wenn auf kantonaler Ebene ein positiver Rechtsmittelentscheid ergangen ist (BGE 141 II 169 E. 4.3 und 4.4 m.H. auf frühere Rechtsprechung). Eine solche Ausnahmekonstellation ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

4.

    1. Gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG haben ausländische Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen. Das Erfordernis des Zusammenwohnens besteht nicht, wenn wichtige Gründe für getrennte Wohnorte vorliegen und die Familiengemeinschaft weiter besteht (Art. 49 AuG). Nach Auflösung der Ehe oder Familiengemeinschaft besteht der Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (Art. 50 Abs. 1 Bst. a AuG) oder wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 Bst. b AuG). Im letzteren Fall wird von einem persönlichen nachehelichen Härtefall gesprochen.

    2. Der ursprünglich aus der Ehe mit einem niederlassungsberechtigten Ausländer abgeleitete Anspruch der Beschwerdeführerin auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 43 Abs. 1 AuG fiel mit der am

1. Oktober 2012 erfolgten Aufgabe des ehelichen Zusammenlebens dahin. Art. 50 Abs. 1 AuG kommt als rechtliche Grundlage für eine weitere Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung nicht in Betracht, weil die eheliche Gemeinschaft vom 19. Mai 2011 bis längstens 1. Oktober 2012 Bestand hatte, sie folglich weniger als die von Gesetz verlangten drei Jahre dauerte. Streitig und nachfolgend zu prüfen ist, ob ein persönlicher nachehelicher Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 Bst. b und Abs. 2 AuG vorliegt, welcher der Beschwerdeführerin einen von der Dauer der ehelichen Gemeinschaft unabhängigen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung vermittelt. Darauf ist nachfolgend einzugehen.

5.

    1. Gemäss Art. 50 Abs. 1 Bst. b AuG besteht der Bewilligungsanspruch von Art. 42 und 43 AuG nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft fort, wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt der betroffenen Person erforderlich machen. Solche Gründe können nach der ausdrücklichen Regelung von Art. 50 Abs. 2 AuG gegeben sein, wenn die ausländische Person Opfer ehelicher Gewalt wurde, sie die Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen hat oder ihre soziale Eingliederung im Herkunftsland gefährdet ist. Mögliche weitere Anwendungsfälle bilden Ehen, die im Zusammenhang mit Menschenhandel geschlossen, oder solche, die durch den Tod des primär aufenthaltsberechtigten Ehegatten aufgelöst wurden. Bei der Beurteilung der Frage, ob wichtige Gründe vorliegen, sind alle Aspekte des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dazu gehören die in Art. 31 Abs. 1 VZAE beispielhaft genannten Kriterien, wie die Integration, die Respektierung der Rechtsordnung, die Familienverhältnisse, die finanziellen Verhältnisse sowie der Wille zur Teilhabe am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung, die Aufenthaltsdauer, der Gesundheitszustand und die Möglichkeit zur Wiedereingliederung im Herkunftsland. Die Annahme eines persönlichen nachehelichen Härtefalls darf dabei nicht leichthin erfolgen. Sie setzt eine erhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privatund Familienleben der ausländischen Person voraus, die mit ihrer Lebenssituation nach dem Dahinfallen der abgeleiteten Anwesenheitsberechtigung verbunden sind.

    2. Eheliche bzw. häusliche Gewalt im Sinne des Gesetzes bedeutet systematische Misshandlung körperlicher oder psychischer Art, die von einer gewissen Konstanz bzw. Intensität geprägt ist und das Ziel verfolgt, Macht und Kontrolle auszuüben. Eine einmalige Ohrfeige oder verbale Beschimpfungen im Verlauf eines eskalierenden Streits genügen daher nicht (BGE 136 II 1 E. 5 m.H). Das Gleiche gilt bei einer einmaligen tätlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf die ausländische Person in psychischem Ausnahmezustand und mit mehreren Kratzspuren im Gesicht einen Arzt aufsucht, zumal wenn anschliessend eine Wiederannäherung der Eheleute stattfindet (Urteil BGer 2C_690/2010 vom 25. Januar 2011 E. 3.2). Die Ausübung psychischen bzw. sozioökonomischen Drucks, wie dauerndes Beschimpfen, Erniedrigen, Drohen und Einsperren kann als besondere Form ehelicher Gewalt relevant sein, wenn sie die Schwelle zur unzulässigen psychischen Oppression überschreitet. Das ist der Fall, wenn die psychische Integrität des Opfers bei einer Aufrechterhaltung der Ehe schwer beeinträchtigt wäre. Die anhaltende erniedrigende Behandlung muss derart schwer wiegen, dass vom Opfer vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass es um des Aufenthaltsrechts willen in einer seine Menschenwürde und Persönlichkeit verneinenden Beziehung verharrt. Die eheliche Gewalt kann für sich allein einen persönlichen nachehelichen Härtefall begründen, wenn sie einen bestimmten Schweregrad erreicht. Ansonsten müssen weitere Elemente hinzutreten, namentlich in Gestalt einer erschwerten Reintegration im Herkunftsland, die gemeinsam einen Härtefall konstituieren.

    3. Rechtsprechungsgemäss setzt Art. 50 Abs. 2 AuG keine strafrechtliche Verurteilung voraus. Häusliche Gewalt im Sinne des Gesetzes kann auch vorliegen, wenn kein strafrechtlich relevantes Verhalten festgestellt ist oder ein entsprechendes Strafverfahren - aus welchen Gründen auch immer - eingestellt wurde (BGE 138 II 229 E. 3.3.3 m.H.; Urteil des BVGer C- 1591/2011 vom 6. Mai 2013 E. 5.3.5 m.H.). Die ausländische Person treffen jedoch weitreichende Mitwirkungspflichten. Sie muss die eheliche Gewalt in geeigneter Weise glaubhaft machen (Arztberichte oder psychiatrische Gutachten, Polizeirapporte, Berichte/Einschätzungen von Fachstellen wie Frauenhäuser und der Opferhilfe, glaubwürdige Zeugenaussagen von weiteren Angehörigen oder Nachbarn etc.; vgl. auch Art. 77 Abs. 5, 6 und 6bis VZAE, Ziff. 6.15.3.4 der AuG-Weisungen). Allgemein gehaltene Behauptungen oder Hinweise auf punktuelle Spannungen genügen nicht. Wird eheliche Gewalt behauptet, muss die Systematik der Misshandlung bzw. deren zeitliches Andauern und die daraus entstehende subjektive Belastung objektiv nachvollziehbar konkretisiert und beweismässig unterlegt werden. Dasselbe gilt, soweit damit verbunden geltend gemacht werden soll, bei einer Rückkehr sei die soziale Wiedereingliederung stark gefährdet. Auch hier genügen allgemeine Hinweise nicht; die befürchtete Beeinträchtigung muss aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls glaubhaft sein. Nur in diesem Fall und beim Bestehen entsprechender Beweisanträge, die nicht in antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen werden können, wobei aber allfälligen sachinhärenten besonderen Beweisschwierigkeiten Rechnung zu tragen ist, rechtfertigt sich die Durchführung eines ausländerrechtlichen Beweisverfahrens (BGE 138 II 229 E. 3.2.3 m.H.).

6.

Die Beschwerdeführerin beruft sich in erster Linie auf eheliche Gewalt im Sinne von Art. 50 Abs. 1 Bst. b und Abs. 2 AuG. Im Verlauf des Verfahrens auf kantonaler und Bundesebene äusserten sich die Verfahrensbeteiligten wie folgt zu diesem Punkt:

    1. Die Beschwerdeführerin wurde von der Migrationsbehörde der Stadt Bern am 18. Juni 2013 aufgefordert, eine Reihe von Fragen zu ihrer Ehe zu beantworten und Stellung zum möglichen Verlust des Aufenthaltsrechts und zu einer Wegweisung zu nehmen (EMF act. 87). Die daraufhin mandatierte vormalige Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin antwortete mit Eingabe vom 22. Juli 2013 (EMF act. 147). Zur ehelichen Gewalt äusserte sie sich eher knapp durch Verweis auf beigelegte Dokumente, nämlich das Eheschutzgesuch der Beschwerdeführerin vom 8. Oktober 2012 (EMF act. 143) und die Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 19. Juli 2013 (EMF act. 128). Darin stelle die Staatsanwaltschaft in Aussicht, den Ehemann im Rahmen von häuslicher Gewalt wegen Drohung, Beschimpfung, betrügerischem Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage, Tätlichkeiten, Missbrauch einer Fernmeldeanlage und Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen im Strafbefehlsverfahren zur Rechenschaft zu ziehen. Die Frage nach dem aktuellen Gesundheitszustand beantwortete die Rechtsvertretung dahingehend, dass dieser in physischer Hinsicht intakt zu sein scheine. Der psychische Gesundheitszustand sei allerdings "fraglich", wenn man sich die Verletzungsund Zerstörungsbilder anschaue, wie sie die beigelegten Fotografien dokumentierten (2 Fotografien einer beschädigten Badezimmertür, EMF act. 113/114). Im Zusammenhang mit der Frage der Migrationsbehörde der Stadt Bern nach ausserfamiliären Kontakten zur einheimischen Bevölkerung (EMF act. 86) wies die Rechtsvertretung darauf hin, dass wegen der häuslichen Gewalt, die unter anderem in solchen Kontaktversuchen der Beschwerdeführerin ihren Ursprung gehabt habe, die Beschwerdeführerin erst in der Zeit nach Juni 2013 ungestörte Kontakte mit Schweizern habe aufbauen können, die sie im Rahmen ihrer Berufstätigkeit kennen gelernt hätte. Allerdings komme es sporadisch vor, dass der Ex-Ehemann die Beschwerdeführerin in der Stadt "zufällig" auflauere. Dies versetzte die Beschwerdeführerin in grosse Angst, sodass die Kontakte und Beziehungen auf das Berufliche beschränkt seien.

    2. Die neue Rechtsvertretung machte in ihrer Stellungnahme an die Vorinstanz vom 6. Januar 2014 (SEM act. 7/179) gestützt auf dieselben Beweismittel geltend, die Beschwerdeführerin sei Opfer regelmässiger und wiederkehrender häuslicher Gewalt durch Schläge und schmerzhaftes

      Reissen an den Haaren geworden. Dies sei durch Fotos von Hämatomen und der vom Ehemann am 8. Juni 2012 gewaltsam aufgebrochenen Badezimmertür belegt. Zudem gehe aus den beigelegten Aufzeichnungen der Opferhilfe Bern vom 6. Dezember 2013 (SEM act. 7/175) hervor, dass die Beschwerdeführerin auf Intervention der Polizei am 13./14. August 2011 die Nacht im Frauenhaus verbracht und Ende Februar 2012 wieder wegen Übergriffen durch den Ehemann vorgesprochen habe. Ebenfalls erwiesen seien schwerwiegende Beleidigungen und Drohungen durch den Ehemann per SMS. Dazu komme, dass die Beschwerdeführerin vom Ehemann Ende September 2013 erwiesenermassen aufgefordert worden sei, für ihn Drogenverkäufe zu vermitteln. Die Beschwerdeführerin sei immer wieder zum Ehemann zurückgekehrt, weil dieser Besserung gelobt und ihr gedroht habe. Zudem habe sie panische Angst vor der familiären Schmach gehabt. Ende September 2012 habe sie sich dennoch vom Ehemann getrennt und sich kurz danach von ihm scheiden lassen. Die Dauer und die Intensität der gewalterfüllten Belastungssituation, der die Beschwerdeführerin ausgesetzt gewesen sei, entspreche zweifellos den Anforderungen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die anspruchsbegründende eheliche Gewalt nach Art. 50 Abs. 2 AuG gestellt würden, zumal die Beschwerdeführerin gemäss eingereichtem Bericht ihres Psychotherapeuten Dr. phil. E. vom 20. Dezember 2013 (SEM act. 7/173) wegen der ehelichen Gewaltund Bedrohungssituation seit über einem Jahr in regelmässiger psychotherapeutischer Behandlung stehe und nach wie vor traumatisiert sei.

    3. In der angefochtenen Verfügung geht die Vorinstanz davon aus, dass die Beschwerdeführerin und ihr damaliger Ehemann während ihres kurzen ehelichen Zusammenseins im Kontext eskalierender ehelicher Auseinandersetzungen und gegen Ende eines fortwährenden Zerrüttungsprozesses zu Opfern von gegenseitigen Tätlichkeiten geworden sind. Ihrer Auffassung nach müssen die Vorbringen der vormaligen und der neuen Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin mit einer gewissen Zurückhaltung gewürdigt werden. Insbesondere lägen widersprechende Aussagen der geschiedenen Ehegatten vor, weshalb auch die eingereichte Bestätigung des Frauenhauses Bern vom 21. Juni 2013, die lediglich einen eintägigen Aufenthalt in dieser Institution sowie drei Konsultationen attestiere, als auch der psychotherapeutische Bericht von Dr. phil. E. , der hauptsächlich auf den Aussagen der Beschwerdeführerin basiere, zu relativieren seien. Bei den Aussagen der Beschwerdeführerin sei ausserdem zur berücksichtigen, dass deren Glaubwürdigkeit nicht über jeden Zweifel erhaben sei, nachdem gewisse Tagebucheinträge über erlittene Gewaltakte von der Staatsanwaltschaft als fragwürdig qualifiziert worden seien. Vorerst falle auf, dass die Hinweise der Rechtsvertretung punktuelle Spannungen beträfen. Selbst wenn sie sich zugetragen haben sollten, wie von der Rechtsvertretung geschildert, wären sie als Einzelereignisse nicht geeignet, eine systematische und konstante physische oder psychische Zwangsausübung durch den Ehemann zu belegen. So werde einerseits behauptet, die Beschwerdeführerin habe erst in der Zeit nach Juni 2013 ungehindert Kontakte mit Schweizern aufbauen können, andererseits aber eine vertiefte sprachliche, berufliche und soziale Integration geltend gemacht, die bereits kurz nach der Einreise in die Schweiz eingesetzt habe. Das sei ein Widerspruch, der nicht zur Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen betreffend eine systematische Unterdrückung und Misshandlung beitrage. Zwar vermöchten die von der Rechtsvertretung geschilderten Ereignisse die Beschwerdeführerin belastet zu haben. Die Beschwerdeführerin weise jedoch nicht nach, dass sie vom Ehemann systematisch in ausländerrechtlich relevantem Sinn misshandelt und unterdrückt worden sei. Das Bundesamt erkenne keine Situation, in welcher der ausländische Ehepartner an der Beziehung festhalten möchte und sein Verhalten entsprechend ausrichte, der andere Partner ihm aber die Aufrechterhaltung der Gemeinschaft ohne schwere Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Integrität verunmögliche. Die Beschwerdeführerin habe denn auch die von ihr geschilderten Ereignisse offensichtlich nicht derart belastend und schmerzlich erlebt, habe sie doch nach Angaben ihrer Rechtsvertretung in der Stellungnahme vom 6. Januar 2014 bis zur definitiven Trennung Ende September 2012 versucht, die Ehe zu retten. Nach dem Gesagten könne daher nicht als hinreichend glaubhaft angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin Opfer massiver ehelicher Gewalt im Sinne von Art. 50 Abs. 2 AuG geworden sei.

    4. In ihrer Rechtsmitteleingabe kritisiert die Rechtsvertretung die Annahme, die Beschwerdeführerin und ihr geschiedener Ehemann seien im Zug eskalierender ehelicher Auseinandersetzungen wechselseitig Opfer ehelicher Gewalt geworden. Sie weist auf die kräftige Statur des Ex-Ehemannes hin sowie auf den Umstand, dass der Ex-Ehemann polizeilich wegen BetmG-Widerhandlungen und illegalem Spiel bekannt sei und über eine erhebliche kriminelle Energie verfüge, währenddessen die Beschwerdeführerin ohne Fehl und Tadel sei. Dazu sei ein Amtsbericht einzuholen. Nichts anderes ergebe sich aus den Strafakten und namentlich der Einstellungsverfügung. Zwar habe nicht der Beweis erbracht werden können,

dass der Ehemann versucht habe, die Beschwerdeführerin zu vergewaltigen, oder ihr vorgeschlagen habe, mit ihm zusammen Kokain zu verkaufen. Nirgends sei jedoch gesagt worden, die entsprechenden Aussagen seien unwahr. Im Gegensatz dazu seien die gegen die Beschwerdeführerin erhobenen Anschuldigungen des damaligen Ehemannes als taktische Retourkutsche mit viel zeitlichem Abstand bezeichnet und als unglaubhaft qualifiziert worden. Dass der damalige Ehemann die Beschwerdeführerin mehrmals geschlagen, schmerzhaft an den Haaren gezogen, mündlich und mit SMS schriftlich schwer beschimpft und bedroht habe, werde durch die Einstellungsverfügung nicht in Zweifel gezogen. Es sei vielmehr offensichtlich, dass sich der strafprozessual erfahrene Ehemann mit Lügen und einer Vorwärtsstrategie verteidigt habe. Die häusliche Gewalt mit Tätlichkeiten, Beschimpfungen und Drohungen sei durch die Aufzeichnungen der Beratungsstelle Opferhilfe Bern vom 6. Dezember 2013, als die Beschwerdeführerin auf Intervention der Polizei am 13./14. August 2011 im Frauenhaus habe Schutz finden müssen, und von Ende Februar 2012, als sie wieder glaubhaft wegen gewalttätigen Übergriffen des Ehemannes vorgesprochen habe, belegt. Zusätzlich liege nun ein schriftlicher Zeugenbericht von C. , dem Onkel des Ex-Ehemannes, vom 26. März 2014 vor, der die damaligen Verhältnisse aus eigener Anschauung und Kenntnis der Personen schildere und die Darstellung der Beschwerdeführerin bestätige (Beschwerdebeilage 4). Schliesslich habe der damalige Ehemann selbst am 23. März 2013 eine Art Entschuldigungsschreiben verfasst, in dem er sein Fehlverhalten ihr gegenüber zugebe und bereue (Beschwerdebeilage 3). Die Beschwerdeführerin sei wegen der erlittenen ehelichen Gewalt und dem Scheitern ihrer Beziehung in eine schwere depressive Verstimmung geraten. Deshalb sei sie seit Januar 2013 in regelmässiger psychotherapeutischer Behandlung. Seit dem 5. März 2014 befinde sie sich wegen einer akuten depressiven Symptomatik in stationärer psychiatrischer Behandlung an der Universitätsklinik für Psychiatrie (Beschwerdebeilage 2). Aus der Gesamtheit der Vorbringen und Beweismittel ergebe sich zweifelsfrei, dass die Beschwerdeführerin Opfer häuslicher Gewalt in der Ehe geworden sei. Ein Rechtsanspruch auf Bewilligungsverlängerung gemäss Art. 50 Abs. 2 AuG sei infolgedessen gegeben.

7.

Den Akten lässt sich zur von der Beschwerdeführerin geltend gemachten ehelichen Gewalt das folgende Bild entnehmen:

    1. Die Beschwerdeführerin und ihr geschiedener Ehemann überzogen einander mit mehreren Strafanträgen bzw. Strafanzeigen wegen ehelicher

      Gewalt, die jedoch nie zu einer richterlichen Beurteilung gelangten. Ein erstes Strafverfahren gegen den Ehemann wegen Tätlichkeiten und Drohungen zum Nachteil der Beschwerdeführerin wurde am 19. Januar 2012 sistiert und am 9. August 2012 definitiv eingestellt (StA act. 331). Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin waren nicht Beweisschwierigkeiten Grund für diese Art der Erledigung, sondern die Tatsache, dass sie ausdrücklich erklärte, sie wünsche keine Bestrafung des Ehemannes, und in der Folge auf diese Erklärung innert gesetzlicher Frist nicht zurückkam (vgl. Art. 55a Abs. 1 bis 3 StGB). Das zweite Strafverfahren beruhte zum einen auf Strafanzeigen bzw. Strafanträgen der Beschwerdeführerin vom 1., 9. und 11. Oktober 2012 wegen Vergewaltigung, einfacher Körperverletzung, Tätlichkeiten, Drohungen, Missbrauchs einer Fernmeldeanlage, betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage, Ungehorsams gegen ein kurz zuvor am 9. Oktober 2012 vom Eheschutzrichter verhängtes Kontaktverbot sowie Zuwiderhandlung gegen das BetmG (SR 812.121) (StA act. 7, 98 und 295; Eheschutz act. 31). Der Ex-Ehemann reagierte seinerseits mit Strafanzeige bzw. Strafantrag vom 27. November 2012. Darin beschuldigte er die Beschwerdeführerin der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand, der Gefährdung des Lebens mit einfacher Körperverletzung ev. Tätlichkeit sowie des unbefugten Aufnehmens eines Gesprächs (StA act. 111). Dieses Strafverfahren wurde von der zuständigen Staatsanwaltschaft am 13. September 2013 eingestellt (StA act. 374), teils mangels eines hinreichend erhärteten Tatverdachts (Vergewaltigung, Verstoss gegen das BetmG, Gefährdung des Lebens, Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand), teils wegen eines am 3. September 2013 erfolgten, gegenseitigen Rückzugs der Strafanträge der inzwischen geschiedenen Ehegatten (Drohung, Beschimpfung, Tätlichkeiten, betrügerischer Missbrauch einer Fernmeldeanlage, unbefugtes Aufnehmen von Gesprächen), teils wegen fehlendem Straftatbestand bzw. einer Desinteresseerklärung der Beschwerdeführerin vom 3. September 2013 (Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung)(StA act. 360).

    2. Das erste Strafverfahren gegen den damaligen Ehemann wegen Tätlichkeiten und Drohungen zum Nachteil der Beschwerdeführerin wurde eingeleitet, nachdem diese am 13. August 2011 polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen und eine Nacht im Frauenhaus verbracht hatte. Die Beschwerdeführerin warf dem Ehemann in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 19. Januar 2012 (StA act. 325) vor, er habe sie am 13. August 2011 geohrfeigt, weil sie vergessen habe, Zigaretten zu kaufen. Ihrer Darstellung nach sei es schon vor diesem Datum zu Übergriffen in Form von

      Ohrfeigen und Reissen an den Haaren gekommen. Auslöser seien Streitigkeiten gewesen, die sich am verantwortungslosen Verhalten des Ehemannes entzündet hätten. Er sei häufig die ganze Nacht mit Kollegen im Ausgang gewesen, habe dabei wiederholt den ganzen Lohn ausgegeben, sei dann gegen Morgen alkoholisiert nach Hause zurückgekehrt und habe sie, die Beschwerdeführerin, angelogen. Nach dem 13. August 2011 habe sich die Situation ein wenig gebessert. Dennoch sei es auch danach zu Vorfällen gekommen. Diese seien jedoch nicht so schlimm gewesen, dass sie deswegen die Polizei hätte beiziehen müssen. Der letzte Vorfall habe sich ereignet, als die Vorladung zur staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 19. Januar 2012 eingetroffen sei. Der Ehemann sei wütend geworden und habe ihr unter anderem gedroht, er werde dafür sorgen, dass sie von Dritten zusammengeschlagen werde. Anlässlich seiner Einvernahme vom

      19. Januar 2012 (StA act. 320) räumte der Ehemann ein, dass es wiederholt zu Streitigkeiten mit der Beschwerdeführerin gekommen sei, weil diese, aus einer anderen Welt stammend, ihm "alles" verboten habe, während er nicht bereit gewesen sei, wegen der Ehe auf seine Freiheiten zu verzichten. Am 13. August 2011 sei die Beschwerdeführerin "durchgedreht". Er habe sie fest an den Schultern und Oberarmen gehalten und ihr eine Ohrfeige gegeben. Das sei alles gewesen. Weder vorher noch nachher habe er sie geschlagen. Lediglich einmal, vor dem 13. Augst 2011, habe er ihr zur Beruhigung einen "leichten Klaps" auf die Wange gegeben, als sie ausser sich gewesen sei. Als die Vorladung eingetroffen sei, sei er zwar wütend geworden, er habe ihr jedoch nicht gedroht.

    3. Im Rahmen des zweiten Strafverfahrens beschuldigte die Beschwerdeführerin ihren Ehemann einer Reihe von Delikten, die sich im Wesentlichen gegen sie richteten. Ihre für das Strafverfahren zentrale Strafanzeige vom 9. Oktober 2012 stützte sich auf Tagebucheinträge und Abschriften inkriminierender SMS-Nachrichten ihres Ehemannes. Ihr damaliger Rechtsvertreter führte dazu aus, die Beschwerdeführerin sei seit August 2011 Opfer ehelicher Gewalt. Ein erstes Strafverfahren sei wegen der schwierigen Beweislage sistiert worden - dass diese Behauptung nicht zutrifft, darauf wurde bereits eingegangen. In der Folge habe die Beschwerdeführerin begonnen, die erlebten Gewaltakte in ihr Tagebuch einzutragen. Darin werde eindrücklich beschrieben, wie sie Opfer von Tätlichkeiten, Drohungen, Erniedrigungen und "zum Teil" von Vergewaltigungen durch ihren Ehemann geworden sei. Regelmässig habe dieser sie an den Haaren gezogen, sie angespuckt oder ins Gesicht getreten. Dabei habe er grossen Wert darauf gelegt, keine Hämatome oder andere sichtbare Spuren der Misshandlungen zu hinterlassen. Die Beschwerdeführerin sei aus ihrer

      Wohnung geflohen und habe Zuflucht bei Freunden und Bekannten gesucht. Daraufhin habe der Ehemann seine Drohungen per SMS intensiviert. Er habe ihr gedroht, sie als Leiche ihrem Vater in die Türkei zurückzuschicken, sollte sie wieder heiraten. Oder er habe angekündigt, dass er für Personen, die der Beschwerdeführerin Obhut und Schutz gewährt hätten, eine "Überraschung" parat habe.

    4. Der schwerste gegen den Ehemann erhobene Vorwurf, derjenige der Vergewaltigung, stützte sich auf einen Eintrag im Tagebuch vom 9. September 2012, in welchem zu lesen ist, dass die Beschwerdeführerin am Morgen dieses Tage vom Ehemann mit Schlägen zum Geschlechtsakt gezwungen worden sei (StA act. 22). Davon war jedoch in der Einvernahme der Beschwerdeführerin vom 22. November 2012 (StA act. 156) nicht mehr die Rede. Ihren dortigen Aussagen kann entnommen werden, dass sie die Versuche ihres Ehemannes, den Geschlechtsakt zu vollziehen, abwehren konnte, und dass ihr Ehemann sie nicht schlug, sondern nur festhielt (Rz. 60-84). Bereits früher habe sie körperliche Annäherungsversuche des Ehemannes abgewiesen (Rz. 179-192). Über das Vorgefallene habe sie mit niemandem gesprochen (Rz. 210-214). Auf die offenkundigen Widersprüche angesprochen äusserte sich die Beschwerdeführerin nur zur Frage der Schläge - auf den Widerspruch betreffend Geschlechtsverkehr ging sie gar nicht erst ein - und meinte, sie hätte sich im Tagebuch anders ausgedrückt, hätte sie gewusst, dass es der Polizei vorgelegt und sie deshalb Probleme haben würde (Rz. 400-409). Diese Erklärung erscheint seltsam, führte die Beschwerdeführerin doch ihr Tagebuch zum Zwecke der Beweissicherung. Die Beschwerdeführerin war ferner ausser Stande, eine andere Ungereimtheit zu erklären, nämlich die Tatsache, dass sie sich in ihrem Tagebuch mehrfach darüber beklagt, sie und ihr Ehemann hätten seit Monaten keinen Geschlechtsverkehr gehabt (Einträge vom 16. Januar 2012 und 29. Juli 2012). Sie deutete ihre Aussage um und behauptete, dass der Ehemann sie jeweils "wie ein Tier" angegriffen habe, wenn er kein Geld für Prostituierte gehabt habe. Sie habe sagen wollen, dass er sie nur als Mittel zur Befriedigung seiner Lust benutzt habe (Rz. 430-454). Ansonsten wiederholte die Beschwerdeführerin ihre Vorwürfe, dass sie vom Ehemann geschlagen, bespuckt, an den Haaren gezogen und bedroht worden sei (Rz. 229 ff.). Einen Arzt habe sie allerdings nie aufgesucht. Ihr Ehemann habe es nicht erlaubt. Sie habe aber mit ihren Schwiegereltern über ihre Probleme gesprochen. Die hätten ihr gesagt, dass sie Recht habe, ihr aber nicht geholfen (Rz. 244 - 248). Auf die Gründe angesprochen meinte sie, er sei ein aggressiver Mensch. Die Tätlichkeiten hätten beispielsweise stattgefunden, wenn sie unterschiedliche Fernsehprogramme hätten schauen

      wollen oder wenn sie ihm gesagt habe, dass die Rechnungen bezahlt werden müssten. An diese Gründe könne sie sich momentan erinnern (Rz. 306

      • 309). Im Einzelnen waren die Aussagen der Beschwerdeführerin zu den erlittenen Gewaltakten sehr allgemein gehalten, teilweise lebensfremd und teilweise widersprachen sie den korrespondierenden Tagebucheinträgen. Darauf angesprochen reagierte die Beschwerdeführerin ausweichend. So wurde sie etwa mit der Tatsache konfrontiert, dass sie im Tagebucheintrag vom 7. Juni 2012 von erbarmungslosem Treten ins Gesicht berichtet, während sie in ihrer Einvernahme davon sprach, sie habe auf dem Boden gelegen, während der Ehemann stehend seinen Fuss auf ihr Gesicht gestellt und sie mit diesem Fuss "nicht so stark" niedergedrückt habe (Rz. 275283). Einen Widerspruch wollte die Beschwerdeführerin wegen der zeitlichen Distanz nicht erkennen, obschon der Zwischenfall zum Zeitpunkt der Einvernahme erst rund fünf Monaten zurücklag (Rz. 412-419).

    5. Der Ehemann bestritt in seiner Einvernahme vom 22. November 2012 (StA act. 130), jemals mit der Beschwerdeführerin gegen ihren Willen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Tatsächlich schliefen er und die Beschwerdeführerin schon seit vier bis fünf Monaten nicht mehr zusammen, weil er es nicht wolle. Die Beschwerdeführerin habe sich deswegen gar bei Familienangehörigen beschwert, ihm die Männlichkeit abgesprochen und angekündigt, sie werde ihn mit anderen Männern betrügen (Rz. 233-280). Sie habe ihn auch häufig mit ihrem Ex-Partner verglichen, der ein besserer Mann sei und den sie immer noch liebe (Rz. 187-190). Ansonsten gestand der Ehemann ein, dass er gegenüber der Beschwerdeführerin einige Male handgreiflich geworden sei - er habe sie gehalten und durchgeschüttelt bzw. ihr eine Ohrfeige gegeben (Rz. 95-101, 127-128, 162-166) -, sie mehrmals angespuckt (Rz. 178-190) und bedroht (Rz. 115-159). Die Beschwerdeführerin könne von einer Sekunde auf die andere völlig "ausrasten", sehr aggressiv werden und minutenlang auf ihn einschlagen. Er müsse sie jeweils packen und "ausschütteln" um sie "herunterzuholen" (Rz. 93-101, 162-166). Er habe sie auch mehrmals angespuckt, weil er sich nicht anders habe helfen können. Sie zu schlagen, habe er nicht gewagt (Rz. 178-190). Die Beschwerdeführerin habe gewusst, dass er bei der Polizei wegen früheren Drogenkonsums einschlägig bekannt sei, er habe ihr vor der Heirat alles erzählt, und sie habe mit dieser seiner Schwäche gespielt, um Kontrolle über ihn zu erlangen. Sie sei davon ausgegangen, dass sie ihm alles anhängen könne, ihm werde wegen seines Vorlebens ohnehin niemand glauben (Rz. 181-185, 213-216, 318-326). Was die Drohungen angehe, so seien diese nicht ernst gemeint gewesen. Er habe sie geäussert als Reaktion auf die Aggressionen seiner Ehefrau und insbesondere

      gegen Ende ihres Zusammenlebens hin aus Enttäuschung und Frustration, als er gesehen habe, wie seine Ehe und seine Träume kaputt gingen, oder als er erkannt habe, dass die Beschwerdeführerin ihn nicht aus Liebe, sondern wegen der Papiere geheiratet habe (Rz. 115-159). Die Beschwerdeführerin habe seiner Auffassung nach psychische Probleme. Am 13. August 2011 habe sie einen Selbstmordversuch unternommen, angeblich wegen ihm. Sie habe jedoch an ihren Armen Schnittnarben von einem früheren, in der Türkei unternommenen Selbstmordversuch, der nichts mit ihm zu tun haben könne. Er wisse noch von mindestens einem weiteren, in der Türkei unternommenen Selbstmordversuch durch Einnahme von Medikamenten (Rz. 102-113). Die Tatsache, dass er die Badezimmertür in der ehelichen Wohnung aufgebrochen hatte, was von der Beschwerdeführerin als eines der wenigen konkreten und belegten Beispiele für seine Aggression genannt wurde (Einvernahme Beschwerdeführerin Rz. 295-298) erklärte er mit diesem Kontext. Seine Ehefrau habe sich im Badezimmer eingesperrt um zu duschen. Sie dusche jeweils lange, denn sie befolge beim Waschen die Regeln des Korans. Als er nach einer Stunde kein Waser gehört und die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt und nach einer weiteren halben Stunde auf mehrfaches Klopfen und Zurufen nicht reagiert hätte, habe er sich wegen ihrer früheren Selbstmordversuche Sorgen gemacht und nach wiederholter Vorwarnung schliesslich die Tür aufgebrochen. Die Beschwerdeführerin habe auf der WC-Schüssel gesessen, gelächelt und ihm eröffnet, dass ab jetzt sie das Budget mache. Sie wolle ihn kontrollieren, andernfalls würde sie der Polizei einen "Scheiss" erzählen und ihn "kaputt" machen (Rz. 199-218).

    6. Der Eingabe seines Rechtsvertreters an den Eheschutzrichter vom 23. November 2012 kann zu diesem Thema zusätzlich entnommen werde, dass sich der spätere Ehemann im Herbst 2009 in die Türkei begeben habe, um dort den Militärdienst zu leisten. Vor Antritt des Dienstes habe er in seiner Heimatstat Konya die Beschwerdeführerin kennengelernt. Er habe sich sofort in sie verliebt und habe ihr einen Heiratsantrag gemacht. Die Beschwerdeführerin habe zuerst abgelehnt, zwei Wochen später durch einen ihrer Verwandten den Antrag dann aber doch angenommen. Man habe vereinbart, nach dem Militärdienst zu heiraten. Danach sei ein Verlobungsfest abgehalten worden. Damals habe er noch nicht gewusst, dass die Beschwerdeführerin an psychischen Problemen leide. Später habe er Schnittnarben an ihrem Unterarm festgestellt, die nur von einem Suizidversuch hätten stammen können. Die Beschwerdeführerin habe, darauf angesprochen, nur ausweichende Antworten gegeben. Erst nach der Heirat

      habe sie ihm erzählt, dass sie früher einmal mit einem Messer einen Suizidversuch unternommen habe. Im Dezember 2009 habe er seinen 15-monatigen Militärdienst in einem abgelegenen Teil der Türkei angetreten. Nach ungefähr einem Jahr habe ihn dort die Nachricht erreicht, dass die Beschwerdeführerin mit Suizidabsicht grosse Mengen Medikamente eingenommen habe und deshalb habe hospitalisiert werden müssen. Bis heute habe er nicht in Erfahrung bringen können, was die Motive der Beschwerdeführerin gewesen seien. Wenig später habe er erfahren, dass die Beschwerdeführerin von einem Mann brutal geschlagen worden sei. Ihm gegenüber habe sie als Grund angegeben, dieser Mann habe von ihr verlangt, dass sie ihn, ihren Verlobten, verlasse. Weil sie dies nicht getan habe, habe der Mann sie geschlagen. Bald nach der Rückkehr in die Schweiz habe er gemerkt, dass die Beschwerdeführerin an Wutanfällen leide. Sie habe aus nichtigem Grund von einer Sekunde auf die andere extrem aggressiv werden können. Sie habe die Selbstkontrolle verloren, sei gegen ihn handgreiflich geworden und habe ihn auch schon mal verletzt. In solchen Situationen habe er die Beschwerdeführerin an den Armen gehalten und sie geschüttelt, damit sie zu sich komme. Im Sommer 2011 sei es erneut zu einem derartigen Vorfall gekommen. Sie habe auch versucht, vom Balkon zu springen. Ihm sei es jedoch im letzten Moment gelungen, sie festzuhalten. Danach habe die Beschwerdeführerin einige Tage in einem Frauenhaus verbracht. Anlässlich ihrer Einvernahme vom 22. November 2012 sagte die Beschwerdeführerin selbst aus, dass sie sich am

      13. August 2011 vom Balkon habe stürzen wollen (Rz. 232-233). Im späteren Verlauf der Einvernahme wurde sie vom Rechtsvertreter ihres Ehemannes auf ihre Vorgeschichte angesprochen. Dabei räumte sie ein, dass sie in der Türkei zwei Suizidversuche unternommen habe. Sie wollte aber wissen, warum man sich für ihre alten Geschichten interessiere. Ihr Ehemann sei es, der straffällig und im Strafregister eingetragen sei (Rz. 464-474). Auf die Frage, ob sie in der Türkei von einem anderen Mann geschlagen worden sei, verweigerte sie eine Antwort. Wichtig sei es doch nur, dass sie von ihrem Ehemann geschlagen werde (Rz. 484-487).

    7. Gegenstand der Strafanzeigen des Ehemanns bildeten zwei Vorfälle. Zum einen behauptete er, die Beschwerdeführerin habe ihn am 17. Februar 2012 darum ersucht, sie mit dem Auto zu Verwandten nach Basel zu fahren. Als sie sich auf der Autobahn befunden hätten, habe die Beschwerdeführerin verlangt, dass er die Fahrzeugtüren entriegle. Da er befürchtet habe, sie könnte plötzlich aus dem fahrenden Auto springen, habe er die Türen nicht entriegeln wollen. In der Folge sei die Beschwerdeführerin aggressiv geworden und habe ohne Vorwarnung ins Lenkrad gegriffen, sodass es beinahe zu einem Unfall gekommen sei. Zudem habe sie ihn heftig im Gesicht gekratzt. Daraufhin habe er die Autobahn verlassen und sei nach Bern zurückgefahren. Dabei sei er in eine Polizeikontrolle geraten. Die Beschwerdeführerin hätte ihn gewarnt, er solle der Polizei nichts vom Vorfall sagen, ansonsten sie den Polizisten erzähle, dass er sie in einen Wald habe entführen wollen, weshalb sie ihm die Verletzung im Gesicht zugefügt habe (Strafanzeige des Ehemannes vom 27.11.2012, Einvernahme des Ehemannes vom 22.11.2012 als Beschuldigter [Rz. 335-347] und vom 21.01.2013 als Geschädigter [Rz. 175 ff.]). Der andere Vorfall habe sich im November oder Dezember 2011 in der ehelichen Wohnung zugetragen, als er das Tagebuch der Beschwerdeführerin habe lesen wollen. Als Reaktion habe sie ihm eine Porzellanvase am Kopf zerschlagen (Strafanzeige des Ehemanns vom 27.11.2012, Einvernahme des Ehemannes vom 22.11.2012 als Beschuldigter [Rz. 349-357] und vom 21.01.2013 als Geschädigter [Rz. 38 ff.]). Die Beschwerdeführerin räumte zwar ein, dass sie den Ehemann anlässlich der Autofahrt im Gesicht gekratzt hätte, dies sei allerdings geschehen, um Schläge von ihm abzuwehren. Ansonsten bestritt sie die Darstellung des Ehemannes (Einvernahme der Beschwerdeführerin vom 22.11.2012 als Geschädigte [Rz. 520-522 und 490-

      492], und vom 21.01.2013 als Angeschuldigte, StA act. 172 [Rz. 27-43 und

      137-147]).

    8. Anlässlich ihrer Einvernahme vom 21. Januar 2013 als Angeschuldigte (StA act. 172) wurde die Beschwerdeführerin unter anderem zum Vorfall befragt, der sich am 17. Februar 2012 auf der Autobahn zugetragen hatte. Dabei führte sie aus, die Fahrt hätte zu einer Tante väterlicherseits nach Basel führen sollen. Die Tante habe sie und ihren Ehemann zu sich bestellt, um zwischen ihnen vermitteln zu können. Auslöser dafür sei folgende Vorgeschichte gewesen: Sie sei etwa einen Monat zuvor an einem Abend mit einer gleichaltrigen Freundin auswärts essen gegangen. Deshalb habe sie mit ihrem Schwiegervater eine Diskussion gehabt. Im Anschluss daran sei sie "von zuhause rausgeworfen" worden, und man habe ihr den Wohnungsschlüssel abgenommen. Die Begründung sei gewesen, dass eine verheiratete Frau abends nicht einfach ausgehen dürfe. Sie habe den Ehemann um Erlaubnis zu bitten. Daraufhin habe sie sich zum Polizeiposten in ihrem Wohnquartier begeben. Das genaue Datum sei ihr entfallen. Gegenüber den Polizisten habe sie sich nicht artikulieren können, denn damals habe sie noch nicht so gut Deutsch gesprochen. Zudem hätte sie ihren Schwiegervater beschuldigen müssen, wozu sie nicht den Mut gehabt habe. Weil sie Angst gehabt habe, habe sie auf dem Polizeiposten keine

      Aussagen gemacht. Daraufhin sei sie von einer Nachbarin ihres Schwiegervaters abgeholt worden und drei Tage bei dieser geblieben. Anschliessend habe sie drei Wochen bei einem Onkel ihres Ehemannes gewohnt, weil sie keine Wohnungsschlüssel gehabt habe. Deswegen sei sie zur Opferhilfe des Kantons Bern gegangen. Dort sei alles notiert. Nach drei bis vier Wochen sei sie schliesslich wieder in die eheliche Wohnung zurückgekehrt (Rz. 66-79).

      Auf Nachfrage ihres Rechtsvertreters ergänzte die Beschwerdeführerin, die Nachbarin, eine Frau D. , bei der sie drei Tage geblieben sei, sei von ihrem Schwiegervater auf den Polizeiposten geschickt worden, um sie dort abzuholen. Die Nachbarin habe nicht zugelassen, dass sie, die Beschwerdeführerin, bei der Polizei eine Aussage mache (Rz. 103-106). Im weiteren Fortgang der Befragung wurde die Beschwerdeführerin mit den Aussagen des Ehemannes und derjenigen eines Zeugen konfrontiert, wonach es sich gerade umgekehrt verhalten habe, nämlich dass der Ehemann ausserhalb der ehelichen Wohnung gelebt habe. Daraufhin schilderte die Beschwerdeführerin die Situation diametral anders: Der Vorfall habe sich nicht in der ehelichen Wohnung abgespielt, sondern bei ihrem Schwiegervater, und dieser habe sie aus seiner Wohnung hinausgeworfen. Mit ihrem Ehemann habe sie zu diesem Zeitpunkt keine Probleme gehabt. Ihn habe sie damals um Erlaubnis gebeten, für ein Nachtessen ausgehen zu dürfen. Ihr Schwiegervater habe jedoch gemeint, sie müsste dafür auch ihn, den Schwiegervater, fragen. Nachdem ihr Schwiegervater sie auf die Strasse gestellt hätte, habe er auch ihren Wohnungsschlüssel abgenommen. Danach hätten "sie" (gemeint sind wohl die Schwiegereltern) ihren Ehemann "gerufen" und ihm gesagt, sie, die Beschwerdeführerin, müsse auch bei "ihnen" (gemeint dürften wiederum die Schwiegereltern sein) um Erlaubnis bitten, um ausgehen zu können. Daraufhin habe sie sich zur Polizei begeben (Rz. 122-133).

      Wiederum anders äusserte sich die Beschwerdeführerin in ihrem eigens zum Zwecke der Dokumentation geführten Tagebuch. Im Eintrag vom

      7. Juli 2012, der diesbezüglich offensichtlich ohne konkreten Anlass und Monate nach dem angeblichen Streit mit dem Schwiegervater und dem anschliessenden Rauswurf erfolgte, schreibt sie, dass ihr Mann und dessen Familie sie psychisch dermassen unter Druck setzten, dass die Menschen auf der Strasse Angst hätten, sie zu grüssen. Ihr Schwiegervater hätte zu ihr gesagt, sie dürfe nur mit verheirateten Menschen befreundet sein. Sie habe "rote Linien" und eine verheiratete Frau könne keine ledige Frau als

      Kollegin haben. Aus diesem Grund hätten "sie" sie vor Monaten rausgeschmissen. Sie sei auf dem Polizeiposten ihres Wohnquartiers erschienen, hätte aber Angst gehabt, eine Aussage zu machen. Sie habe sich auch nicht richtig ausdrücken können. Anzufügen bleibt, dass jene Frau, D. , die gemäss Darstellung der Beschwerdeführerin vom Schwiegervater auf den Polizeiposten geschickt wurde, um sie, die Beschwerdeführerin, zu kontrollieren und von Aussagen abzuhalten, am 1. Dezember 2013 ein Unterstützungsschreiben verfasste, das die Beschwerdeführerin zuhanden des erstinstanzlichen Verfahrens ins Recht legte (SEM act. 7/168). In diesem bezeichnet Frau D. die Beschwerdeführerin als sehr gute Freundin.

    9. Die Staatsanwaltschaft versuchte, durch Beweiserhebungen bei der Kantonspolizei Bern und der Opferhilfe Bern Licht in die widersprüchlichen und ungereimten Aussagen der Beschwerdeführerin zum angeblichen Streit mit nachfolgendem Rauswurf aus der Wohnung zu bringen. Dabei ergaben sich neue Erkenntnisse, der von der Beschwerdeführerin behauptete Sachverhalt wurde jedoch nicht bestätigt. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall.

      1. So bestätigte die Kantonspolizei Bern in ihrem Bericht vom 24. Januar 2013 (StA act. 181), dass die Beschwerdeführerin sich am 3. Februar 2012 bei der Polizeiwache Bümpliz gemeldet habe um mitzuteilen, dass sie traurig sei und sich von ihrem Ex-Ehemann scheiden lassen wolle. Die Kantonspolizei legte ihrem Bericht den entsprechenden Journaleintrag bei. Diesem kann entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin am 3. Februar 2012 kurz nach Mitternacht auf dem Posten erschienen sei und mitgeteilt habe, sie sei traurig und unruhig. Der Grund dafür sei ihre unglückliche Ehe. Ihr Ehemann sei unzuverlässig und arbeite nicht. Er helfe ihr auch nicht bei der täglichen Hausarbeit. Sie wolle sich von ihm scheiden lassen. Gemäss Journaleintrag, laut dem der Ehemann im automatisierten Polizeifahndungssystem RIPOL wegen verschiedener Delikte verzeichnet sei, so auch wegen häuslicher Gewalt, habe die Beschwerdeführerin klar zum Ausdruck gebracht, dass sie und ihr Ehemann keinen Streit gehabt hätten und sie von ihm auch nicht geschlagen worden sei. Sie wolle lediglich weg von ihm. Sie wünsche auch nicht, dass ein Arzt oder Psychiater beigezogen werde. Abschliessend wird im Journaleintrag vermerkt, dass im Einverständnis mit der Beschwerdeführerin deren Freundin D. kontaktiert worden sei. Diese werde die Beschwerdeführerin für einige Tage bei sich aufnehmen.

      2. Die Beratungsstelle der Opferhilfe Bern wiederum bestätigte in einem Schreiben vom 1. Februar 2013 (StA act. 186), dass sich die Beschwerdeführerin wegen häuslicher Gewalt dort erstmals am 18. August 2011 gemeldet habe. Am 22. August 2011 sei es zu einem Erstgespräch gekommen. Dabei habe die Beschwerdeführerin erzählt, dass sie vom Ehemann am 13. August 2013 (recte: 2011) geschlagen worden sei, weil sie vergessen habe, ihm Zigaretten zu kaufen. Dem Gespräch habe entnommen werden können, dass das nicht das erste Mal gewesen sei. Am 27. Februar 2012 sei die Beschwerdeführerin erneut zu einem Gespräch gekommen. Sie habe in diesem Zeitpunkt bei einem Onkel gewohnt, weil der Ehemann sie immer wieder geschlagen und ihr gegenüber Drohungen ausgesprochen habe. Bei der Polizei habe sie keine Anzeige mehr gemacht. Ihr Ehemann habe ihr angedroht, dass die Polizei sie in eine Gummizelle der Psychiatrie einweisen werde. Am 17. September 2012 sei es erneut zu einem Gespräch gekommen. Bei diesem Anlass habe sie berichtet, dass sie so nicht mehr weiter leben könne. Sie werde täglich von ihrem Ehemann geschlagen. Er schlage sie so, dass man nichts sehen könne. Er reisse sie an den Haaren, gebe ihr Ohrfeigen, spucke sie an und mache sie verbal kaputt. Die Beschwerdeführerin habe erwähnt, dass der Ehemann trinke und eventuell Dogen konsumiere. Sie möchte sich scheiden lassen und ein neues Leben beginnen. In der Folge sei es noch zu weiteren telefonischen Gesprächen gekommen, in denen die Beschwerdeführerin über ihre aktuelle Situation berichtet und man über mögliche Schutzmassnahmen gesprochen habe.

    1. Die Beratungsstelle der Opferhilfe Bern äusserte sich in einem Schreiben vom 6. Dezember 2013 gegenüber dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin im ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahren ein weiteres Mal zur Sache. Dieses Dokument wurde als Beilage 1 zur Stellungnahme vom 6. Januar 2014 ins vorinstanzliche Verfahren eingeführt (SEM act. 7/175).

      Die Beratungsstelle informierte darüber, dass die Opferhilfe am 13. August 2011 eine Opfermeldung der Polizei erhalten habe. Für den 18. August 2011 sei mit der Beschwerdeführerin ein Termin bei der Beratungsstelle vereinbart worden, den sie auch wahrgenommen habe. Die Beschwerdeführerin habe damals Hämatome an den Armen gehabt. Sie habe erzählt, dass ihr Mann sie geschlagen habe, weil sie vergessen hätte, Zigaretten zu kaufen. Die Beschwerdeführerin habe danach eine Nacht im Frauenhaus verbracht. Daraufhin sei sie nach Hause zurückgekehrt. Am 16. September 2011 habe sie die Beratungsstelle dahingehend informiert, dass es

      mit ihrem Ehemann wieder gut gehe. Ende Februar 2012 habe sich die Beschwerdeführerin erneut bei der Beratungsstelle gemeldet, weil sie wieder Probleme mit dem Ehemann hatte. Zu diesem Zeitpunkt habe sie bei einem Onkel gelebt. Sie habe erzählt, dass ihr Ehemann sie wieder geschlagen hätte. Zudem hätte er ihr gedroht, dass sie in die psychiatrische Universitätsklinik Waldau in eine Gummizelle eingewiesen würde, sollte sie die Polizei rufen. Die Beschwerdeführerin sei daraufhin wieder zu ihrem Ehemann zurückgekehrt, sie sei von Verwandten dazu überredet worden, habe sich aber Mitte September 2012 wieder gemeldet und habe erzählt, dass sie fast täglich von ihrem Mann geschlagen werde. Zudem ziehe er sie an den Haaren und mache sie verbal fertig. Als sie ihrem Ehemann eröffnet hätte, dass sie sich von ihm trennen wolle, habe er gedroht, sie umzubringen. Im Oktober 2012 habe die Beschwerdeführerin darüber informiert, dass ihr Mann ein Kontaktverbot erhalten habe. Er wohne nun bei seinen Eltern. Per SMS lasse er ihr Drohungen zukommen. Auf entsprechende Frage des Rechtsvertreters antwortete die Beratungsstelle, die Anschuldigungen der Beschwerdeführerin ihrem Ehemann gegenüber seien glaubwürdig.

    2. Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht legte die Beschwerdeführerin eine vom 26. März 2014 datierte schriftliche Bestätigung C. s, eines Onkels des Ex-Ehemannes (Beschwerdebeilage 4), und ein an sie gerichtetes Schreiben des Ex-Ehemanns vom 27. März 2014 (Beschwerdebeilage 3) ins Recht.

      1. In der schriftlichen Bestätigung vom 26. März 2014 schildert der Onkel des Ex-Ehemannes die Vorgänge aus eigener Anschauung und bestätigt im Wesentlichen die Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführerin. Ihr Ex-Ehemann habe einen sehr schlechten Charakter. Er habe Drogen genommen und um Geld gespielt. Während der Ehe sei er immer wieder fremdgegangen, nächtelang weggeblieben, habe alles Geld ausgegeben und das Hochzeitsgold verspielt. Gearbeitet habe er nicht, vielmehr habe er von der Sozialhilfe gelebt. Wenn ihm die Beschwerdeführerin Vorwürfe gemacht habe und ihn in die Ehe habe zurückholen wollen, habe er sie geschlagen, misshandelt und bedroht. Er habe sie auch ohne Grund beleidigt. Der damalige Ehemann habe sie richtig kaputt gemacht. Er, der Onkel, habe sie deshalb im November 2011 zum Schutz einige Wochen bei sich und seiner Familie aufgenommen. Zuvor habe der Ehemann ihr die Wohnungsschlüssel abgenommen, weil sie mit einer Kollegin aus der Nachbarschaft auswärts gegessen habe. Er und sein Vater hätten ihr dies verboten. Sie dürfe als verheiratete Frau nicht draussen sein. Sie habe nur den

        Deutschkurs besuchen dürfen. Die Beschwerdeführerin sei dann wieder nach Hause zurückgekehrt. Sie habe versucht, die Ehe zu retten, aber ihr Ehemann habe sich nicht gebessert. Er sei mit seiner Rücksichtslosigkeit weitergefahren, bis die Beschwerdeführerin erschöpft gewesen sei und zu ihrem eigenen Schutz habe gehen müssen. Nach seiner, des Onkels, Überzeugung sei die Beschwerdeführerin ein Opfer ihres Ehemannes. Dieser habe ihm im letzten halben Jahr persönlich mehrmals bestätigt, dass er sich schuldig fühle, weil er die Beschwerdeführerin unterdrückt und geschlagen habe. Er, der Onkel, habe im Sommer 2012 selbst versucht, dem damaligen Ehemann zu helfen und ihn in seinem Betrieb zu beschäftigen. Aber dieser habe sich nicht helfen lassen. Er habe das Geschäftsauto nicht für Auslieferungen gebraucht, sondern sei damit stundenlang weggeblieben und habe zweimal Unfälle verursacht. Der Onkel äusserte abschliessend seine Bereitschaft, seine Ausführungen als Zeuge zu bestätigen.

      2. In dem an die Beschwerdeführerin gerichteten Schreiben vom

27. März 2014, verfasst offenbar aus Anlass ihrer Hospitalisation in einer psychiatrischen Klinik, erwähnt der Ex-Ehemann einleitend die Vorfälle im Rahmen des Strafverfahrens. Sie hätten ihn sehr betrübt, aber er habe sich schützen müssen. Er habe sie, die Beschwerdeführerin, als Ehefrau aus der Türkei in die Schweiz gebracht. Da er ihr jedoch nicht "anspruchsmässig" entgegengetreten sei, habe er sich hier blamiert. Zudem habe er sie tageund nächtelang allein gelassen, habe das gemeinsame Geld für Drogen, Glücksspiele und andere Frauen ausgegeben und sie ohne Geld und Liebe zurückgelassen. Er habe ihr Leben ruiniert. Sie habe sich sehr bemüht, ihn auf den richtigen Weg zu bringen, aber er habe ihr nie zugehört. Er sei sehr traurig darüber, dass er sie geschlagen und an den Haare gezogen habe. Sein schlechtes Gewissen darüber lasse ihm keine Ruhe. Er wolle kein schlechter Vater sein für sein soeben geborenes Kind. Es tue ihm alles, was er ihr angetan habe sehr leid, und er hoffe, dass sie sich bald wieder besser fühle.

8.

Das Bundesverwaltungsgericht würdigt das geschilderte Aktenmaterial mit Blick auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte eheliche Gewalt wie folgt:

    1. Für das Bundesverwaltungsgericht steht fest, dass die Beschwerdeführerin Opfer von Übergriffen ihres Ehemannes geworden ist. Das wird von der Vorinstanz denn auch zu Recht nicht bestritten. Das Bundesverwaltungsgericht ist jedoch überzeugt, dass die Beschwerdeführerin in ihren

      Schilderungen über das Ausmass der erlebten Gewalt übertrieb. So lassen die Ungereimtheiten in ihren Aussagen im Vergleich zu den Tagebucheinträgen sowie die Aussagen des damaligen Ehemannes darauf schliessen, dass sie in Wahrheit weder sexuellen Übergriffen ausgesetzt war noch Tätlichkeiten erdulden musste, die über Ohrfeigen, Ziehen an den Haaren, Halten und Schütteln hinausgingen. Soweit die Beschwerdeführerin etwas anderes behauptet, kann ihr nicht geglaubt werden. Auf die Gründe wurde weiter oben bereits eingegangen. Zu ergänzen ist, dass auch die Tagebucheinträge der Beschwerdeführerin streckenweise auffallend oberflächlich sind und teils grobe Ungereimtheiten enthalten. Dies erstaunt, da sie gemäss Darstellung der Beschwerdeführerin zum vornherein zur Dokumentation erlittener Gewaltakte dienen sollten und zeitnah zu den Vorfällen verfasst wurden. So schrieb die Beschwerdeführerin etwa in ihrem Eintrag vom 7. Juni 2012, ihr Ehemann schlage sie so, dass er keine Spuren hinterlasse. Wie er das konkret machte, dazu äusserte sie sich weder an dieser Stelle noch bei anderer Gelegenheit. Das "erbarmungslose" Treten ins Gesicht, das sie im gleichen Eintrag erwähnte, kann sie aus offensichtlichen Gründen nicht so gemeint haben. Eigenartig ist auch, dass die Beschwerdeführerin ihren Ehemann gemäss Eintrag vom 20. Juni 2012 zunächst bei der zuständigen Sozialhilfebehörde wegen Schwarzarbeit denunzierte und gemäss Eintrag vom 2. Juli 2012 bis am Morgen geweint habe, weil er die ganze Nacht ausser Haus geblieben sei. Die Diskrepanz zwischen der angeblichen Vergewaltigung bzw. den sexuellen Übergriffen und den Klagen über ein fehlendes Geschlechtsleben wurde bereits weiter oben thematisiert. Anzufügen bleien zwei Punkte: Zum einen unterliess es die Beschwerdeführerin, einen Arzt zu konsultieren. Dass sie es wegen des Drucks ihres Ehemannes unterliess, wie sie behauptet, kann ihr nicht geglaubt werden. Durch ihr sonstiges Verhalten stellte sie unter Beweis, dass sie ihre Interessen durchaus zu verfolgen wusste, was ihr umso leichter hätte fallen müssen, als ihr Ehemann offenbar häufig ausser Haus war. Zum anderen versäumte es die Beschwerdeführerin, auf ihre Erklärung zurückzukommen, die zur Sistierung des ersten Strafverfahrens geführt hatte, sodass dieses am 9. August 2012 definitiv eingestellt wurde. Beide Unterlassungen sind wenig geeignet, die Vorbringen der Beschwerdeführerin glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Wegen massiver Widersprüche ihrer Aussagen und der Diskrepanz zum Bericht der Kantonspolizei Bern vom 24. Januar 2013 sowie den Schreiben der Beratungsstelle der Opferhilfe Bern vom 1. Februar 2013 und 6. Dezember 2013 kann der Beschwerdeführerin auch nicht geglaubt werden, ihr sei wegen eines Streites der Wohnungsschlüssel genommen worden, sodass sie bei einem Onkel ihres

      Ehemannes drei Wochen habe verbringen müssen. Die gegenteilige Bestätigung des Onkels des Ex-Ehemannes ist ebenfalls unglaubhaft, denn sie beinhaltet Schilderungen von Vorgängen, die von der Beschwerdeführerin so gar nicht behauptet wurden und verortet die Ereignisse mit November 2011 zeitlich mindestens zwei Monate zu früh.

    2. Zu den Tätlichkeiten, die gemäss den vorstehenden Ausführungen als erstellt gelten können, nämlich Ohrfeigen, Ziehen an den Haaren, Halten und heftiges Schütteln, treten erniedrigende und beleidigende Handlungen, wie das Anspucken und massive Drohungen hinzu. Diese sind im Wesentlichen nachvollziehbar geschildert, teilweise mit Beweismitteln unterlegt und vom Ex-Ehemann eingestanden.

    3. Im Rahmen des ersten Strafverfahrens sagten die Beschwerdeführerin und ihr damaliger Ehemann weitgehend übereinstimmend aus, weshalb es zu den Übergriffen gekommen sei, wenn auch aus jeweils anderer Perspektive. Es waren Streitigkeiten, die sich an unterschiedlichen Vorstellungen über das gemeinsame Eheleben entzündet hatten. Dasselbe ergibt sich aus den Schreiben des Ex-Ehemanns und dessen Onkels, die zuhanden des Beschwerdeverfahrens ins Recht gelegt wurden, wobei dort die Optik der Beschwerdeführerin gestützt wird. Die Beschwerdeführerin warf dem Ehemann unverantwortliches Verhalten vor - er bleibe nächtelang mit Kollegen weg, komme angetrunken zurück, gebe das ganze Geld aus -, während er der Auffassung war, sie wolle ihm alle Freiheiten nehmen, wozu er nicht bereit sei.

    4. Im Rahmen des zweiten Strafverfahrens erhielt die Darstellung der ehelichen Auseinandersetzungen eine zusätzliche Dimension. Der Ehemann brachte eine psychische Labilität der Beschwerdeführerin ins Spiel, die sich in mehreren in der Türkei und der Schweiz begangenen Suizidversuchen geäussert habe, sowie ihre Neigung, in Konfliktsituationen die Selbstkontrolle zu verlieren und sehr aggressiv aufzutreten, bis hin zu körperlicher Gewalt. Seine eigenen Übergriffe stellte er im Wesentlichen als Reaktion dar. Die Beschwerdeführerin bestätigte in ihrer Einvernahme vom

      22. November 2012 die Suizidversuche, wollte dazu aber keine weitere Angaben machen, und bestritt, den Ehemann jemals geschlagen zu haben, beziehungsweise - falls sie das getan haben sollte - nur, um sich selbst zu schützen. Als Frau können sie gegen einen Mann körperlich nicht aufkommen (Rz. 484-487). Damit wird jedoch den behaupteten physischen Angriffen nicht zum vornherein die Glaubwürdigkeit genommen. Es tritt

      hinzu, dass sich unter den von der Beschwerdeführerin erstellten Abschriften von SMS-Nachrichten ihres Ehemannes an sie auch eine befindet, die vom 25. September 2012 datiert ist und die Darstellung der Beschwerdeführerin nicht zu stützen scheint. Darin drohte der Ehemann der Beschwerdeführerin und ihrer Familie, weil er "zusammengeschlagen" worden sei. In seiner Einvernahme vom 22. November 2012 wurde der Ehemann unter anderem mit dieser SMS-Abschrift konfrontiert. Er sagte aus, es sei sehr gut, dass die Beschwerdeführerin diese Abschrift gemacht habe. Er habe die SMS verfasst, weil er von der Beschwerdeführerin wieder einmal angegriffen worden sei. Es habe ihm einfach gereicht (Rz. 142-143, 147-145).

    5. Nicht zu überzeugen vermag der Versuch der Beschwerdeführerin, die Streitigkeiten darauf zurückzuführen, dass sie mit ihrem Ehemann bzw. ihrem Schwiegervater ernsthafte Auseinandersetzungen zum angemessenen Verhalten als verheiratete Frau gehabt habe. Die Gründe wurden weiter oben bereits erwähnt, nämlich die Widersprüchlichkeit der entsprechenden Aussagen der Beschwerdeführerin, der dazu nicht vereinbare Inhalt des Berichts der Kantonspolizei Bern vom 24. Januar 2013 sowie der Schreiben der Beratungsstelle der Opferhilfe Bern vom 1. Februar 2013 und 6. Dezember 2013. Aus den ebenfalls weiter oben genannten Gründen, nämlich der inhaltlichen Unvereinbarkeit mit den Aussagen der Beschwerdeführerin und der fehlerhaften zeitlichen Verortung der Ereignisse, muss der gegenteiligen Bestätigung des Onkels der Beschwerdeführerin die Glaubhaftigkeit abgesprochen werden. Nicht geglaubt werden kann schliesslich die verwandte, noch in der Stellungnahme vom 22. Juli 2013 an die Migrationsbehörde der Stadt Bern erhobene Behauptung, die eheliche Gewalt habe teilweise ihren Ursprung in den Versuchen der Beschwerdeführerin gehabt, Kontakte zu ihrem ausserfamiliären Umfeld zu knüpfen. Solche Konflikte wurden weder im Rahmen des Strafverfahrens noch im Rahmen späterer Eingaben der Beschwerdeführerin an die Vorinstanz und das Bundesverwaltungsgericht thematisiert. Anzufügen bleibt, dass die Beschwerdeführerin die Gelegenheit hatte, von Anfang an Integrationsund Deutschkurse zu besuchen und - sobald es ihre Sprachkompetenz erlaubte - eine Arbeitsstelle anzutreten. Diese Umstände sprechen ebenfalls gegen einen Konflikt wegen der Aussenkontakte der Beschwerdeführerin.

    6. Anzufügen bleibt, dass der Ex-Ehemann seiner Darstellung der Beschwerdeführerin eine weitere Facette hinzufügt. Er schildert sie als eine berechnende Person, die seine Schwäche, die strafrechtliche Vorbelastung, genau kannte und mit ihr geschickt spielte, um Kontrolle über ihn zu

      gewinnen und sich selbst ein Aufenthaltsrecht zu sichern. Denn der damalige Ehemann hatte seit Mitte 2006 insgesamt fünf Verurteilungen wegen Vermögensund Dogendelikten (Konsum) erwirkt. Zuletzt wurde mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 19. Januar 2012 wegen Konsums einer unbestimmten Menge Kokains (begangen kurz vor dem 13. August 2011) gebüsst (StA act. 267-268). Illustrativ ist in diesem Zusammenhang seine detailreiche und angesichts der früheren Suizidversuche der Beschwerdeführerin emotional nachvollziehbare Darstellung, wie es dazu kam, dass er die Badezimmertür eintrat. Darauf wurde bereits weiter oben eingegangen. Allerdings scheint dieses Ereignis, wenn es sich tatsächlich so zutrug, eher singulärer Natur und nicht charakteristisch für das Verhalten der Beschwerdeführerin gewesen zu sein. Denn dass die Beschwerdeführerin von Anfang an Übergriffen ihres Ehemannes ausgesetzt war und polizeiliche sowie ausserpolizeiliche Hilfe in Anspruch nahm, steht aufgrund der vorstehenden Erwägungen fest. Ein manipulatives Verhalten, wie es ihr vom Ehemann unterstellt wurde, wäre unter den gegebenen Umständen sinnlos, für sie mit Risiken verbunden (denn der Friedfertigkeit des Ex-Ehemannes konnte sie sich nicht sicher sein) und nur sehr schwer konsequent durchzuhalten gewesen.

    7. Zusammenfassend geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin Opfer physischer und psychischer Gewalt wurde in Gestalt von Ohrfeigen, Reissen an den Haaren, Halten und heftigem Schütteln, Anspucken und Drohungen. Die Gründe lagen in den unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wie das eheliche Zusammenleben zu gestalten ist. Es gibt zwar gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Tätlichkeiten im Verlauf einer dynamischen, sich aufschaukelnden Interaktion wechselseitig erfolgten, wobei die Beschwerdeführerin das Ihrige dazu beitrug. Im Vergleich zu den detaillierten, in sich stimmigen und psychologisch nachvollziehbaren Vorbringen des Ehemannes anlässlich der polizeilichen Einvernahmen fallen denn auch die Aussagen der Beschwerdeführerin auffallend oberflächlich und stereotyp aus. Dieser Umstand lässt an der Systematik und der Zielsetzung der Gewaltakte zweifeln, welche die Rechtsprechung im Kontext der ehelichen Gewalt nach Art. 50 Abs. 2 AuG verlangt. Angesichts der der Sache inhärenten Beweisschwierigkeiten dürfen jedoch an den Nachweis keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Ansonsten würde die gesetzliche Regelung allzu häufig die praktische Wirksamkeit verlieren und der damit verfolgte Zweck verfehlt werden. Im vorliegenden Fall erscheint es als ausschlaggebend, dass die genannten Gewaltakte zweifellos feststehen, die Beschwerdeführerin von Anfang konsequent die Hilfe der Polizei und die Unterstützung durch die Opferhilfe in

Anspruch nahm, welche ihre Darstellung in wesentlichen Punkten stützten, und schliesslich dass in den Schreiben vom 26. und 27. März 2014 der ExEhmann die massgebende Verantwortung für die Gewaltakte übernahm und sein Onkel diese Kausalität bestätigte. Somit bleibt als Ergebnis der Beweiswürdigung festzustellen, dass die Beschwerdeführerin Opfer systematischer ehelicher Gewalt von der notwendigen Intensität geworden ist.

9.

Die übrigen Elemente, die potentiell geeignet sind, zur Anerkennung eines schwerwiegenden Härtefalls beizutragen bzw. zu diesem Zweck geltend gemacht werden, stellen sich wie folgt dar:

    1. Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Stellungnahme an die Vorinstanz vom 6. Januar 2014 sowie in ihrer Rechtsmitteleingabe, ihr damaliger Ehemann habe sie Ende September 2013 (recte 2012) nachweislich dazu angehalten, für ihn Drogenverkäufe zu vermitteln. Sie nimmt damit Bezug auf eine Gesprächsnotiz vom 21. November 2012, in der sie feststellt, der Ehemann habe ihr am 30. September 2012 gesagt, er könne mit dem Verkauf von Kokain beginnen, wenn sie ihm dies erlaube, weshalb sie den weiteren, in der Notiz wiedergegebene Gesprächsverlauf mit ihrem Mobiltelefon aufgezeichnet habe (StA act. 171). In ihrer Einvernahme vom

      22. November 2012 erläuterte die Beschwerdeführerin das Geschehen und übergab die Gesprächsnotiz den Behörden (Rz. 342-360). Inwiefern der behauptete Vorfall als Element eines nachehelichen Härtefalls von Relevanz sein soll, erschliesst sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Trennung der Beschwerdeführerin von ihrem Ehemann - sie wurde am Folgetag vollzogen - bereits beschlossene Sache. Es tritt hinzu, dass der Ehemann in seiner Einvernahme als Beschuldigter vom 22. November 2012 bestritt, jemals im Drogenhandel tätig gewesen zu sein (Rz. 307-332), und die Aufzeichnung des Gesprächs aus den von der Staatsanwaltschaft in ihrer Einstellungsverfügung vom 13. September 2013 genannten Gründen als Beweismittel nicht verwertbar war. Der Darstellung der Beschwerdeführerin fehlt es im Übrigen an Plausibilität: Weshalb sich der Ehemann in dieser Form der Beschwerdeführerin hätte offenbaren sollen und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem er von ihren Trennungsabsichten sichere Kenntnis hatte, ist unverständlich.

    2. Was die Verankerung der Beschwerdeführerin in der Schweiz angeht, so hält sie sich mit etwas mehr als vier Jahren vergleichsweise kurz im Land auf. Gemessen an dieser Aufenthaltsdauer jedoch verdienen ihre

      sprachlichen, beruflichen und sozialen Integrationsleistungen Anerkennung. Bald nach ihrer Einreise besuchte sie erfolgreich diverse Integrations- und Deutschkurse. Zum Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung hatte sie das Sprachniveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erreicht (EMF act. 8892, SEM act. 7/166). Im Mai 2012, d.h. knapp ein Jahr nach ihrer Einreise, nahm sie als Crewmitglied mit unregelmässigen Arbeitszeiten eine Erwerbstätigkeit in einem Fastfood-Restaurant auf. Per 1. August 2013 konnte ihr dank "hervorragender Arbeitsleistungen", so der Arbeitgeber in der Arbeitsbestätigung vom 9. Juli 2013 (SEM act. 7/167), ein Vollzeitvertrag angeboten werden. Der Arbeitgeber hob in seiner Bestätigung hervor, dass sich die Beschwerdeführerin hervorragend in den Betrieb integriert habe. Innerhalb kurzer Zeit sei sie zu einem unverzichtbaren Teil des Teams geworden. Ihre sprachlichen Defizite habe sie in wenigen Monaten völlig behoben. Sie sei in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für die Mitarbeitenden und eine grosse Unterstützung für das Management. Auch der Sozialdienst der Stadt Bern - die Beschwerdeführerin wurden von November 2011 bis Juli 2013 von der Sozialhilfe unterstützt, bis Oktober 2012 zusammen mit ihrem Ehemann und anschliessend als Einzelperson - äusserte sich in seinem Schreiben vom 25. November 2013 (SEM act. 7/171) ausgesprochen positiv über den Integrationswillen und die Kooperationsbereitschaft der Beschwerdeführerin. Er berichtet, dass sich die Beschwerdeführerin von Anfang an bemüht habe, die zuständige Sozialarbeiterin zu verstehen - zu diesem Zweck habe sie bei der Anmeldung bei der Sozialhilfe im November 2011 ein Wörterbuch bei sich gehabt -, dass sie regelmässig und ohne Absenzen die Deutschkurse besucht und innert kurzer Zeit ein gutes und verständliches Deutsch gesprochen habe. Sie sei pflichtbewusst, selbstständig und immer sehr kooperativ gewesen. Es sei ihr schliesslich gelungen, mit Erhalt eines Vollzeitpensums per Juli 2013 die Sozialhilfe abzulösen, wenn auch mit einem sehr knappen Budget. Nach dem Wissen des Sozialdienstes verfügt die Beschwerdeführerin über einen kleinen aber stabilen Freundeskreis; ihre soziale Integration sei sehr gut. Die gute soziale Integration der Beschwerdeführerin wird durch eine Reihe von Unterstützungsschreiben bestätigt, die von Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen zu Handen des Bewilligungsverfahrens verfasst wurden (SEM act. 7/163-165 und 168-169). Die genannten Elemente sind zwar nicht entscheidend. Sie sind jedoch in die Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen.

    3. Abschliessend ist auf die Situation einzugehen, der die Beschwerdeführerin ausgesetzt wäre, müsste sie in die Türkei zurückkehren.

      1. Einleitend ist mit der Vorinstanz festzustellen, dass die heute 25-jährige Beschwerdeführerin im Alter von 21 Jahren in die Schweiz gelangte. Damit verbrachte sie den grössten Teil ihres bisherigen Lebens und insbesondere die Schulzeit sowie die prägenden Jugendjahre in ihrer Heimat. Sie verfügt offenbar über eine Schulbildung, die ihr zusammen mit den erworbenen Fremdsprachenkenntnissen und der Berufserfahrung, die sie sich in der Schweiz aneignen konnte, beim künftigen Aufbau einer eigenen Existenzgrundlage und dem Einstieg in das Erwerbsleben - beispielsweise im Tourismussektor - dienlich sei dürfte. Mit der Bereitschaft allein in die Schweiz zu reisen und ihren Integrationsleistungen stellte die Beschwerdeführerin ein beträchtliches Mass an Selbständigkeit und die Fähigkeit unter Beweis, sich an veränderte Verhältnisse anzupassen. Sie ist arbeitsfähig und mit 25 Jahren in einem Alter, in dem eine berufliche Wiedereingliederung in der Türkei durchaus als möglich erscheint. Von daher spricht wenig für die Annahme rechtlich relevanter Probleme der Beschwerdeführerin bei der Reintegration in ihrem Heimatland. Der Rechtsvertreter weist in seinen Eingaben allerdings nachdrücklich auf einige Besonderheiten in der Person der Beschwerdeführerin hin, die seiner Auffassung nach für sich alleine geeignet sind, einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall zu begründen. Darauf ist nachfolgend einzugehen.

      2. Der Rechtsvertreter bringt in seiner Stellungnahme an die Vorinstanz in der Rechtsmitteleingabe vor, die Beschwerdeführerin sei als Folge erlittener physischer und psychischer Gewalt und der Trennung von ihrem Ehemann in eine schwere depressive Verstimmung geraten. Sie habe sich daher ab Januar 2013 in regelmässige psychotherapeutische Behandlung bei Dr. phil. E. , Fachpsychologe für Psychotherapie, begeben müssen, und am 4. März 2014 sei sie vom Notfallzentrum des Inselspitals Bern den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) in stationäre Behandlung zugewiesen worden. Dort befinde sie sich immer noch (Zeitpunkt der Anhebung der Beschwerde). Die Beschwerdeführerin werde noch lange behandlungsbedürftig sein. Zum Beweis reichte die Rechtsvertretung einen Bericht des erwähnten Dr. phil. E. vom 20. Dezember 2013 über die psychotherapeutische Behandlung der Beschwerdeführerin ein (SEM act. 7/173) sowie einen undatierten Bericht von Dr. med. F. , Assistenzärztin bei den UPD über die am 5. April (recte: März) 2014 erfolgte Hospitalisation der Beschwerdeführerin. Diesen Dokumenten kann entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin an einer reaktiven Depression bei psychosozialer Belastung aufgrund häuslicher Gewalt und Problemen der Beziehung zum ehemaligen Ehepartner sowie zur Herkunftsfamilie leide und die Einweisung in stationäre Behandlung wegen einer akuten depressiven Symptomatik erfolgt sei. Ein in der Replik in Aussicht gestellter aktueller Bericht Dr. phil. E. s wurde bis zum heutigen Tag nicht eingereicht.

      3. Ferner wird im vorinstanzlichen Verfahren und auf Rechtsmittelebene geltend gemacht, die Beschwerdeführerin stamme aus einem ländlichen Umfeld, das für seine gesellschaftliche Rückständigkeit und entsprechende Unterdrückung der Frau bekannt sei. Da die Beschwerdeführerin mit ihrer Scheidung die Ehre der Familie beschmutzt habe, drohe ihr die Verstossung aus der Familie oder eine Zwangsverheiratung mit einem wesentlich älteren Mann. Das sei ihr vom eigenen Vater telefonisch angedroht worden. Ein selbständiges Leben losgelöst von der Familie sei keine valable Option. Einerseits sei es moralisch höchst anrüchig, wenn eine junge Frau ausserhalb der Familie allein lebe, andererseits sei es nicht möglich, ohne wirtschaftliche Unterstützung der Familie mit einem einzigen Lohn für eine unqualifizierte Arbeit die Lebenshaltungskosten zu tragen. Auf die Schutzbereitschaft des türkischen Staates könne die Beschwerdeführerin aber entgegen der in der angefochtenen Verfügung geäusserten Überzeugung der Vorinstanz nicht zählen. Zum Beweis verweist die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin auf die bereits mehrfach zitierte Bestätigung eines Onkels des Ex-Ehemannes sowie auf eine beigelegte Email-Mitteilung von Denise Graf, Türkeispezialistin bei Amnesty International, Sektion Schweiz, vom 27. März 2014 (Beschwerdebeilage 5), sowie deren am 20. September 2013 zuhanden des Rechtsmittelverfahrens D-2602/2013 erstelltes Gutachten zu Zwangsheiraten in der Türkei (Beschwerdebeilage 6). Der sich aus der konkreten Drohung mit Verstossung und Zwangsheirat verbundenen Belastungssituation sei die Beschwerdeführerin umso weniger gewachsen, als ihre psychischen Ressourcen krankheitsbedingt erschöpft seien. Dass sie durch eine erzwungene Rückkehr in die Türkei in den sozialen Tod oder einen Suizid aus Verzweiflung getrieben würde, liege auf der Hand.

      4. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin gründen zentral auf der Behauptung, dass sie einem rückständigen, den traditionellen Werten verpflichteten Milieu entstammt, in welchem die Unterdrückung der Frau üblich ist. Allein diese Behauptung wird nicht substantiiert. Es fehlen überprüfbare Sachverhaltsangaben, die sich auf die ganz konkreten Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin in der Türkei beziehen und die es dem Bundesverwaltungsgericht gestatteten, die angeblich drohendende Gefahr einer Verstossung bzw. Zwangsverheiratung nachzuvollziehen. Alles, was

zu Gunsten der Beschwerdeführerin vorgebracht wird, erschöpft sich im Wesentlichen in stereotypen Wertungen und Allgemeinheiten. Zu ihrer konkreten Situation in der Türkei ist praktisch nichts bekannt. So ist nicht bekannt, wie die Familie der Beschwerdeführerin personell zusammengesetzt ist, wo die einzelnen Familienmitglieder genau leben und welchen persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Hintergrund sie haben. Unbekannt ist auch die konkrete Einbettung der Beschwerdeführerin in das heimatliche Umfeld. Das Wenige, das bekannt ist, spricht tendenziell gegen ihre Darstellung. So ist aktenkundig, dass die Beschwerdeführerin noch vor ihrem Zuzug in die Schweiz mehrere Suizidversuche beging. Offenbar verlor sie deswegen nicht die Unterstützung ihrer Familie. Ferner kann den Akten entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin in der Türkei ein angefangenes Studium bzw. eine angefangene Ausbildung nach drei Semestern wegen der Heirat und Übersiedlung in die Schweiz abbrach (vgl. Bestätigung C. s vom 26.03.2014, Beschwerdebeilage 4, Psychotherapeutischer Bericht Dr. phil. E. s vom 20.12.2014, SEM act. 7/173). Die Tatsache, dass ihr als Frau der Zugang zu höherer Bildung ermöglicht wurde, ist für das von ihr behauptete rückständige Milieu untypisch. Untypisch ist auch, dass sie offenbar ihren Ehemann frei wählen konnte. Die Art und Weise, wie sie sich später gegen ihren Ehemann zur Wehr setzen und sich rasch in die neue Umgebung integrieren konnte, zeigt ein hohes Mass an Selbständigkeit und eine gut entwickelte Fähigkeit, sich veränderten Verhältnissen anzupassen. Auch diese Umstände sprechen klar gegen das Bild einer aus einem rückständigen Milieu stammenden, unterdrückten, im Zustand der Abhängigkeit gehaltenen Frau. Demzufolge kann auch nicht davon ausgegangen werden, die Beschwerdeführerin wäre im Falle einer Rückkehr in die Türkei in der behaupteten ausweglosen Situation. Damit soll nicht behauptet werden, dass sich die Reintegration der Beschwerdeführerin als geschiedene Ehefrau problemlos gestalten würde. Dies gilt umso mehr, als ihre psychische Gesundheit offenbar recht fragil ist. Für sich allein vermögen solche Reintegrationsprobleme einen nachehelichen Härtefall aber klar nicht zu begründen. Als Element nebst anderen sind sie gleichwohl in eine Gesamtwürdigung miteinzubeziehen.

10.

Unter Berücksichtigung aller Aspekte des Falles, unter denen der häuslichen Gewalt besonderes Gewicht zukommt, gelangt das Bundesverwaltungsgericht abschliessend zum Ergebnis, dass die Situation der Beschwerdeführerin den Anforderungen an einen persönlichen nachehelichen Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 Bst. b AuG knapp genügt. Die

angefochtene Verfügung erweist sich demnach als bundesrechtswidrig (Art. 49 VwvG). In Gutheissung der Beschwerde ist sie daher aufzuheben und der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin durch den Kanton Bern ist die Zustimmung zu erteilen.

11.

Der Beschwerdeführerin wurde mit Zwischenverfügung vom 22. Mai 2014 die unentgeltliche Rechtspflege gewährt, welche die Befreiung von den Verfahrenskosten und die Bestellung von Fürsprecher Peter Huber zum unentgeltlichen Rechtsvertreter umfasste. Mit dem Obsiegen der Beschwerdeführerin ist die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos geworden. Dieser Verfahrensausgang hat zur Folge, dass von keinem der Verfahrensbeteiligten Verfahrenskosten zu erheben sind (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG), und der Beschwerdeführerin zu Lasten der Vorinstanz eine Parteientschädigung für ihr entstandene notwendige Kosten zuzusprechen ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 VwVG, Art. 7 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Die Höhe der Parteientschädigung ist in Beachtung des aktenkundigen Aufwands sowie der Komplexität des Falles und in Anwendung der gesetzlichen Bemessungskriterien von Art. 8 ff. VGKE auf Fr. 2'600.- festzusetzen. In diesem Betrag ist der Mehrwertsteuerzuschlag im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bst. c VGKE eingeschlossen.

Dispositiv S. 34

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Verfügung des SEM vom 21. Februar 2014 wird aufgehoben und der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin durch den Kanton Bern wird die Zustimmung erteilt.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Die Vorinstanz wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'600.- auszurichten.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin ( )

  • die Vorinstanz ( )

  • Die Migrationsbehörde der Stadt Bern ( )

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Andreas Trommer Julius Longauer

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz