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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-4565/2014

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-4565/2014

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-4565/2014
Datum:16.12.2014
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Richt; Beschwerde; Wegweisung; Flüchtling; Schweiz; Bundesverwaltungsgericht; China; Beschwerdeführers; Recht; Verfügung; Kloster; Alltags; Ausreise; Tibet; Sinne; Sprache; Vorinstanz; Nepal; Onkel; Flüchtlingseigenschaft; Person; Feiertage; Herkunft; Volksrepublik; Asylgesuch
Rechtsnorm: Art. 44 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV

D-4565/2014/mel

U r t e i l  v o m  1 6.  D e z e m b e r  2 0 1 4

Besetzung Richter Bendicht Tellenbach (Vorsitz),

Richter Robert Galliker, Richter Hans Schürch, Gerichtsschreiber Daniel Merkli.

Parteien A. , geboren ( ),

gemäss eigenen Angaben China (Volksrepublik), ( )

Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des BFM vom 17. Juli 2014 / N

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer verliess eigenen Angaben zufolge seinen Heimatstaat im Oktober 2013 und reiste über Nepal, wo er sich sieben Monate aufgehalten hat, und unbekannte Länder am 29. Mai 2014 in die Schweiz ein, wo er gleichentags im B. ein Asylgesuch einreichte. Am 11. Juni 2014 wurde er summarisch befragt sowie am 7. Juli 2014 einlässlich zu seinen Ausreiseund Asylgründen angehört.

Dabei machte er geltend, er sei chinesischer Staatsangehöriger tibetischer Ethnie und stamme aus dem Ort C. , Gemeinde D. _, Be-

zirk E. _, Präfektur F. , Provinz G.

(Volksrepublik

China), wo er bis zum neunten Lebensjahr gelebt habe. Seine Eltern seien gestorben, als er vier-, fünfjährig gewesen sei, danach habe er bei seinem Onkel in D. gelebt. Als Neunjähriger sei er ins Kloster H. in I. eingetreten. Dort habe er bis zu seiner Ausreise gelebt und tibetisch lesen und schreiben gelernt. Er habe nie eine Schule besucht.

Am 17. März 2013 habe er durch einen Bekannten K. telefonisch erfahren, dass sich ein Mönch namens L. vom Kloster M. in der Provinz N. aus Protest gegen die chinesische Herrschaft selbst verbrannt habe. Aus Betroffenheit habe er einem Mönchskollegen von dem Ereignis erzählt und später mit anderen beschlossen, eine Gebetszeremonie für den Verstorbenen durchzuführen. Am nächsten Abend sei die Polizei ins Kloster gekommen und habe ihn festgenommen, weil er die Nachricht von der Selbstverbrennung verbreitet habe. Nach vier Tagen Haft, während der er auch geschlagen worden sei, habe man ihn ins Kloster zurückgebracht, ihn indessen in der Folge anlässlich von Festanlässen oder Feiertagen jeweils für deren Dauer erneut inhaftiert.

Aus diesem Grund sei er mit dem Bus von N.

nach O.

gefahren und zu Fuss nach Nepal gelangt, wo er sich mehr als sieben Monate in einem Kloster aufgehalten habe, bevor er auf dem Luftweg Nepal verlassen und mit einem Zwischenstopp an einem ihm unbekannten Ort in die Schweiz gelangt sei.

B.

Im Auftrag des BFM wurde am ( ) mittels eines Telefon-Interviews eine

Evaluation des Alltagswissens mit dem Beschwerdeführer durchgeführt. Im Bericht vom 26. Juni 2014 kam der Sachverständige zum Schluss, die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer im behaupteten geographischen Raum gelebt habe, sei klein. Anlässlich der Anhörung vom 7. Juli 2014 informierte das BFM den Beschwerdeführer über den Werdegang und die Qualifikation des Alltagsspezialisten und gewährte ihm zum Abklärungsergebnis das rechtliche Gehör. Er hielt dabei an seinen Aussagen, in Tibet aufgewachsen zu sein und bis zu seiner Ausreise dort gelebt zu haben, fest.

C.

Mit Verfügung vom 17. Juli 2014 - eröffnet am 19. Juli 2014 - wies das BFM das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab, verfügte seine Wegweisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug der Wegweisung an. Im Übrigen hielt es ausdrücklich fest, dass der Wegweisungsvollzug in die Volksrepublik China ausgeschlossen sei.

D.

Mit Eingabe vom 15. August 2014 erhob der Beschwerdeführer unter Beilage verschiedener Dokumente (u.a. Kartenauszug Google maps, Länderanalyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 15. August 2013 zur Situation tibetischer Flüchtlinge in Nepal, Fürsorgebestätigung) Beschwerde gegen diesen Entscheid und beantragte, die Verfügung des BFM vom 17. Juli 2014 sei aufzuheben und die Sache zwecks Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventualiter sei der Beschwerdeführer als Flüchtling anzuerkennen und es sei ihm Asyl zu gewähren; subeventualiter sei er unter Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund von subjektiven Nachfluchtgründen vorläufig aufzunehmen; subsubeventualiter sei infolge Unzumutbarkeit oder Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme anzuordnen. In prozessualer Hinsicht wurde um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG sowie der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ersucht.

E.

Mit Zwischenverfügung vom 20. August 2014 hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, der Beschwerdeführer könne den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten und hiess das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG gut. Im Übrigen lud es das BFM ein, eine Vernehmlassung einzureichen.

F.

In seiner Vernehmlassung vom 27. August 2014 hielt das BFM an seinen Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

G.

Mit Zwischenverfügung vom 5. September 2014 stellte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer die Vernehmlassung des BFM zur Kenntnis zu und bot ihm Gelegenheit zur Einreichung einer Stellungnahme.

H.

In seiner Replik vom 15. September 2014 reichte der Beschwerdeführer ein Schreiben seines in D. lebenden Onkels in tibetischer Sprache im Original samt Zustellkuvert ein, und gab dessen wesentlichen Inhalt in deutscher Sprache wieder, verbunden mit dem Gesuch, "den Inhalt des Schreibens von einem offiziellen Übersetzer bestätigen zu lassen".

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG und das AsylG nichts anderes bestimmen (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die

angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

4.

    1. Zur Begründung seines ablehnenden Entscheides wies das BFM als erstes darauf hin, dass der Sachverständige gestützt auf die durchgeführte Evaluation des Alltagswissens zum Schluss gekommen sei, die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer im von ihm behaupteten geografischen Raum gelebt habe, sei klein. Zum einen seien die Kenntnisse des Beschwerdeführers über die administrative Einteilung des angeblichen Herkunftsortes beziehungsweise die dortigen Verwaltungseinheiten ungenügend. Zwar habe der vom Beschwerdeführer angegebene Geburtsort

      D. vom Experten lokalisiert werden können, jedoch in einer anderen als der vom Beschwerdeführer angegebenen Gemeinde E. , welche wie die vom Beschwerdeführer angegebenen umliegenden Städte O. , P. und Q. vom Experten gar nicht hätten gefunden werden können. Zum anderen sei es dem Beschwerdeführer im Gespräch mit dem Experten nicht möglich gewesen, korrekte Angaben zu landschaftlichen Merkmalen seiner Region zu machen oder die Herstellung tibetischer Alltagsgerichte zu beschreiben, geschweige denn den Ort namentlich zu nennen, in dem er einkaufen gegangen sei. Auch seien seine Angaben zur Erlangung chinesischer Identitätsdokumente nicht zutreffend ausgefallen. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer im Rahmen der Anhörung vom 7. Juli 2014, obwohl angeblich stets in China wohnhaft, nicht in der Lage gewesen, die chinesischen Feiertage zu datieren (vgl. BFMProtokoll A19 S. 5). Auch habe er im Rahmen des ihm gewährten rechtlichen Gehörs den Abklärungsergebnissen der Evaluation nichts entgegensetzen können, sondern lediglich mit Rückfragen reagiert und bereits Gesagtes wiederholt. Somit würden die aus der Evaluation des Alltagswissens gezogenen Schlüsse, wonach die Hauptsozialisation des Beschwerdeführers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im behaupteten Lebensraum stattgefunden habe, seinen geltend gemachten Asylvorbringen ohnehin die Grundlage entziehen.

      Im Weiteren weise die Schilderung der Fluchtgründe wesentliche Unglaubhaftigkeitselemente auf, was die Einschätzung des Experten, wonach der Beschwerdeführer nur mit geringer Wahrscheinlichkeit in dem von ihm behaupteten geografischen Raum gelebt habe, bestätige. So habe der Beschwerdeführer seine Verfolgungsgeschichte anlässlich der Befragungen nahezu deckungsgleich wiedergegeben, was mehr auf einen auswendigen Vortrag, denn auf persönliches Erleben schliessen lasse, und auf Nachfragen zu den Asylgründen in der Anhörung äusserst verhalten reagiert.

      Ferner sei auf die unglaubhafte Reiseschilderung des Beschwerdeführers hinzuweisen. Auch diese sei teils stereotyp, teils unsubstantiiert ausgefallen, weshalb davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer unter Verwendung eigener Identitätspapiere in die Schweiz gelangt sei, zumal er zu den fehlenden chinesischen Ausweispapieren tatsachenwidrige Angaben gemacht habe.

      Obwohl der Beschwerdeführer unbestrittenermassen tibetischer Ethnie sei, sei somit aufgrund der mangelhaften Länderbeziehungsweise Regionalkenntnisse, der mangelnden Kenntnisse der chinesischen Sprache,

      der fehlenden Einreichung von Identitätsdokumenten sowie der unglaubhaft vorgetragenen Asylgründe davon auszugehen, dass dieser nicht in der von ihm angegebenen Region sozialisiert worden sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ankunft in der Schweiz nicht in der Volksrepublik China, sondern in der exilpolitischen Diaspora gelebt habe. Da der Beschwerdeführer jedoch keine konkreten, glaubhaften Hinweise auf einen längeren Aufenthalt in einem Drittstaat vorgewiesen habe, sei davon auszugehen, dass keine flüchtlingsoder wegweisungsvollzugsbeachtlichen Gründe gegen eine Rückkehr an den bisherigen Aufenthaltsort des Beschwerdeführers bestünden (BVGE E-2981/2012 E. 5.8 - 5.10).

    2. In der Rechtsmitteleingabe machte der Beschwerdeführer unter Einreichung eines Kartenauszuges von Google maps geltend, der Lingua-Experte habe seine Wohnsitzgemeinde und die von ihm genannten, umliegenden Städte nicht lokalisieren können, weil die Ortschaften in Tibet als Folge der chinesischen Besetzung Tibets "auf Chinesisch umgetauft worden seien". Zum Vorwurf, dass er die Zubereitung tibetischer Gerichte nicht habe beschreiben können, sei klarzustellen, dass er im Interview nicht nach der Zubereitung von tibetischen, sondern von chinesischen Gerichten gefragt worden sei, wobei er erzählt habe, dass er keine chinesischen Gerichte zubereiten könne. Im Weiteren habe er beim Einkaufen nicht auf die Preise geachtet, da er lediglich als Helfer des für den Einkauf zuständigen Mönchs unterwegs gewesen sei. Schliesslich habe er die chinesischen Feiertage nicht datieren können, da in seinem Dorf und im Kloster keine chinesischen Feiertage gefeiert worden seien.

      Was die Schilderung seines Fluchtweges betreffe, so sei zu berücksichtigen, dass die Flucht eine sehr dramatische Erfahrung für ihn gewesen sei und er sich in diesem Ausnahmezustand nicht jedes einzelne Detail habe merken können. Im Weiteren sei es ihm nicht möglich, neue tibetische beziehungsweise chinesische Identitätspapiere zu beschaffen, weil er kein Familienbuch besitze.

      Schliesslich hielt der Beschwerdeführer fest, dass er die chinesische Staatsbürgerschaft besitze und machte mit Hinweis auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ( ) geltend, es sei das Bestehen von Hinweisen auf Verfolgung in Bezug auf China zu prüfen. Da er illegal aus der Volksrepublik China ausgereist sei, habe er bei einer Rückkehr begründete Furcht, ernsthaften Nachteilen im Sinne von Art. 3 AsylG ausgesetzt zu werden.

      Sollte für den Zeitpunkt der Ausreise eine asylrechtlich relevante Verfolgung verneint werden, wäre infolge der illegal erfolgten Ausreise das Bestehen subjektiver Nachfluchtgründe zu bejahen, und er sei (wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs) als Flüchtling vorläufig aufzunehmen.

    3. In ihrer Vernehmlassung verwies die Vorinstanz in Bezug auf das vom Beschwerdeführer zitierte Urteil des BVGer ( ) darauf, dass die Rechtsprechung gemäss EMARK 2005 Nr. 1 in der Zwischenzeit durch das Urteil des BVGer E-2981/2012 vom 20. Mai 2014 präzisiert worden sei (inzwischen publiziert in BVGE 2014/12).

    4. In seiner Replik vom 15. September 2014 reichte der Beschwerdeführer ein Schreiben seines Onkels in tibetischer Sprache im Original samt Zustellkuvert ein, und gab dessen wesentlichen Inhalt in deutscher Sprache wieder. Sein Onkel habe vom Mönch, bei dem er sich in Nepal vor seiner Ausreise aufgehalten habe, von seiner Situation erfahren und sei erfreut, dass er in der Schweiz in Sicherheit sei. Er habe die Neuigkeit gleich dem R. seines Klosters weitergegeben. Es gehe ihm, dem Onkel, gut und er, der Beschwerdeführer, solle sich, falls er Hilfe benötige, an F. wenden, und sich in der Schweiz wohlfeil verhalten.

5.

    1. Das BFM hat im Ergebnis das Asylgesuch des Beschwerdeführers zu Recht abgelehnt.

    2. Im - von der Vorinstanz erwähnten - Länderurteil BVGE 2014/12 präzisierte das Bundesverwaltungsgerichts seine Praxis gemäss EMARK 2005 Nr. 1 dahingehend, dass bei Personen tibetischer Ethnie, die ihre wahre Herkunft verschleiern oder verheimlichen, vermutungsweise davon auszugehen sei, dass keine flüchtlingsoder wegweisungsbeachtlichen Gründe gegen eine Rückkehr an ihren bisherigen Aufenthaltsort beständen. Die Abklärungspflicht der Asylbehörden finde ihre Grenze an der Mitwirkungspflicht der asylsuchenden Person; verunmögliche eine tibetische Asylsuchende durch die Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht die Abklärung, welchen effektiven Status sie in Nepal respektive in Indien innehabe, könne namentlich keine Drittstaatenabklärung im Sinne von Art. 31a Abs. 1 Bst. c AsylG stattfinden. Überdies werde durch die Verheimlichung und Verschleierung der wahren Herkunft auch die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft der betreffenden Person in Bezug auf ihr effektives Heimatland verunmöglicht .

    3. Aufgrund der Aktenlage besteht Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer seine wahre Herkunft zu verschleiern versucht.

      Dabei kann zur Hauptsache auf die Evaluation des Alltagswissens verwiesen werden. Diese stammt von einer qualifizierten Person und vermag im Ergebnis zu überzeugen, wohingegen es dem Beschwerdeführer im Rahmen des rechtlichen Gehörs und des Beschwerdeverfahrens nicht gelungen ist, die dortigen Schlussfolgerungen zu entkräften.

    4. Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen sollte,

      wonach die von ihm genannte Wohnsitzgemeinde C.

      und die

      nächst gelegenen Städte D. , E. und F. nur unter den chinesischen Bezeichnungen auf einer Karte zu finden seien, änderte dies nichts an der vom Sachverständigen festgestellten Tatsache, dass es dem Beschwerdeführer ganz offensichtlich an wesentlichen Informationen über seinen Wohnkreis G. mangelt. Auch war der Beschwerdeführer nach Feststellung des Sachverständigen nicht in der Lage, die Herstellung tibetischer Alltagsgerichte richtig zu beschreiben. An dieser Feststellung vermag der unbehelfliche Erklärungsversuch, wonach er im Interview nicht nach der Zubereitung von tibetischen, sondern von chinesischen Gerichten gefragt worden sei, wobei er erzählt habe, dass er keine chinesischen Gerichte zubereiten könne, nichts zu ändern. Auch die weitere Erklärung, wonach er die chinesischen Feiertage nicht habe datieren können, da in seinem Dorf und im Kloster keine chinesischen Feiertage gefeiert worden seien, vermag nicht zu überzeugen. Im Weiteren ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer kaum Chinesisch spricht, was ebenfalls als gewichtiges Indiz zu werten ist. So ist davon auszugehen, dass er im Rahmen seines Alltags mit anderen Leuten in Kontakt gekommen und dabei mit dem in der Umgangssprache gebräuchlichen Chinesisch konfrontiert worden wäre und sich mit dieser Sprache schliesslich auch vertraut gemacht haben dürfte. Jedenfalls ist festzuhalten, dass für das Fehlen von einfachstem Chinesisch keine nachvollziehbaren Gründe angebracht wurden. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nach Feststellung des Sachverständigen auch unzutreffende Angaben zum Schulwesen und zu den Identitätspapieren machte und auch nicht in der Lage war, konkrete Angaben zu den Lebensmittelpreisen zu machen. Der Erklärungsversuch, wonach er beim Einkaufen nicht auf die Preise geachtet habe, da er lediglich als Helfer des für den Einkauf zuständigen Mönchs unterwegs gewesen sei, vermag nicht zu überzeugen.

    5. Ferner wird die Annahme einer Täuschung über die tatsächliche Herkunft durch die Unglaubhaftigkeitselemente in den Aussagen hinsichtlich der Vorfluchtgründe sowie der Ausreise bekräftigt. In diesen Punkten kann auf die zutreffenden Ausführungen in der vorinstanzlichen Verfügung verwiesen werden (vgl. dazu E. 4.1), welchen auf Beschwerdestufe nicht Substanzielles entgegnet wurde.

    6. Schliesslich vermögen auch die vom Beschwerdeführer eingereichten Beweismittel diese Schlussfolgerungen nicht umzustossen. So beinhalten die eingereichten Artikel keine konkret den Beschwerdeführer betreffenden Aussagen. Was das auf Beschwerdeebene eingereichte Schreiben in tibetischer Sprache im Original betrifft, bei dem es sich nach den Angaben des Beschwerdeführers um ein Schreiben seines Onkels handelt, so ist dessen Beweiskraft unabhängig von der Frage der Authentizität vor dem Hintergrund der Unglaubhaftigkeit der Vorbringen und der naheliegenden Möglichkeit, dass es sich um ein reines Gefälligkeitsschreiben handelt, als wenig beweistauglich zu erachten. Das Gesuch des Beschwerdeführers, den von ihm in groben Zügen wiedergegebenen Inhalt des Schreibens von einem offiziellen Übersetzer bestätigen zu lassen, ist mangels Notwendigkeit abzuweisen.

    7. Zusammenfassend ist in Übereinstimmung mit dem BFM festzustellen, dass der Beschwerdeführer über seine Herkunft täuschende Angaben gemacht hat. In Anwendung der in BVGE 2014/12 E. 5.10 entwickelten Rechtsprechung hat das BFM daher zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint und sein Asylgesuch abgelehnt.

6.

    1. Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

    2. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

7.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG [SR 142.20]).

      Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

    2. Unter Hinweis auf die in Erwägung 5.2 skizzierte Rechtsprechung ist der Vollzug der Wegweisung für zulässig, zumutbar und möglich zu erachten.

    3. Nachdem diejenigen Tibeterinnen und Tibeter, welche die chinesische Staatsbürgerschaft besitzen, in Bezug auf China zumindest subjektive Nachfluchtgründe haben, weil sie als Unterstützer des Dalai Lama und damit als separatistisch gesinnte Oppositionelle betrachtet werden und - wiederum in Bezug auf China - die Flüchtlingseigenschaft erfüllen (vgl. BVGE 2009/29), ist an dieser Stelle, in Übereinstimmung mit dem Dispositiv der angefochtenen Verfügung, darauf hinzuweisen, dass für alle Exil-Tibeterinnen und -Tibeter und somit auch für den Beschwerdeführer ein Vollzug der Wegweisung nach China auszuschliessen ist, da ihnen dort gegebenenfalls eine unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht (vgl. BVGE 2014/12 E. 6).

8.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.

9.

Da das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG mit Zwischenverfügung vom 20. August 2014 gutgeheissen wurde, sind keine Verfahrenskosten zu erheben.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Bendicht Tellenbach Daniel Merkli

Versand:

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