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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-3074/2013

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-3074/2013
Datum:25.10.2013
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Beschwerde; Schwerdeführer; Beschwerdeführer; Verfahren; Zusammenhang; Türkische; Verfahren; Feier; Bundes; Schweiz; Gericht; Türkischen; Mitglied; Beschwerdeführers; Beziehungsweise; Urteil; Verurteilt; Türkei; Behörde; Vorinstanz; Worden; Newroz-Feier; Verfolgung; Teilnahme; Politisch; Akten; Legitim; Behörden; Rechtsstaatlich
Rechtsnorm: Art. 170 TStG ; Art. 174 TSTG; Art. 21 TStG ; Art. 32 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-3074/2013

U r t e i l  v o m  2 5.  O k t o b e r  2 0 1 3

Besetzung Richter Martin Zoller (Vorsitz),

Richter Markus König, Richter Thomas Wespi, Gerichtsschreiber Daniel Widmer.

Parteien A. , geboren am ( ), Türkei,

vertreten durch lic. iur. Felice Grella, Erdös & Lehmann Rechtsanwälte, ( ),

Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration, Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des BFM vom 22. April 2013 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Mit über die schweizerische Botschaft versandter Verfügung vom ( ) verweigerte das Bundesamt dem Beschwerdeführer, nach vorgängiger Befragung vom ( ) durch die Schweizer Vertretung in Ankara, die Einreise in die Schweiz und lehnte dessen Asylgesuch aus dem Ausland vom ( ) ab. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft ([ ]).

B.

Der Beschwerdeführer bestieg eigenen Angaben zufolge am ( ) in seinem Heimatstaat einen B. und begab sich am ( ) ankam. Von dort gelangte er ( ) am ( ) illegal in die Schweiz. Am 2. November 2009 suchte er in C. um Asyl nach. Am ( ) fand im dortigen Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) eine Befragung statt ([ ]). Am ( ) wurde er in Bern-Wabern durch das Bundesamt in Anwendung von Art. 29 Abs. 1 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) angehört ([ ]).

    1. Der Beschwerdeführer machte im Wesentlichen geltend, er sei türkischer Staatsangehöriger kurdischer Ethnie mit letztem Wohnsitz in D. (E. ). Er sei politisch aktiv gewesen und habe sich in den Jahren 2002 und ( ) als Leiter der F. der Halkin Demokrasi Partisi (HADEP) betätigt. Im Jahr 2003 sei in D. gegen ihn ein Strafverfahren wegen Unterstützung der Partiya Karkerên Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans, PKK) und wegen des Einsatzes von MolotowCocktails eingeleitet worden. Nach einem Jahr in Untersuchungshaft sei er erstinstanzlich zu einer Haftstrafe von nicht ganz 15 Jahren verurteilt worden. Da er Beschwerde gegen dieses Urteil eingereicht habe, habe er den Ausgang des Beschwerdeverfahrens auf freiem Fuss abwarten können.

    2. Im Zeitraum von 2005 bis ( ) sei er normales Mitglied der Demokratik Toplum Partisi (DTP) gewesen und habe an verschiedenen politischen Anlässen teilgenommen. Im ( ) 2006 habe er sich der PKK angeschlossen und im G. in einem PKK-Camp eine ( ) Ausbildung durchlaufen. Nach zirka einem halben Jahr habe er seinen Aufenthalt bei der PKK im G. abgebrochen und sich unter Berufung auf das Reuegesetz für ehemalige PKK-Kämpfer bei den türkischen Behörden gemeldet. Nach einer ( )monatigen Haft sei er gegen Kaution auf freien Fuss gesetzt worden. Das in diesem Zusammenhang gegen ihn eröffnete

      Strafverfahren wegen Mitgliedschaft bei der H.

      der PKK

      (I. ) habe mit einem Freispruch geendet. Die türkischen Sicherheitskräfte hätten ihn während der Haft als Spitzel anwerben wollen. Er vermute, dass seine diesbezügliche Weigerung zu einer Verlängerung seiner Haftdauer geführt habe.

    3. In einem weiteren Strafverfahren vor der ( ) in D.

      sei er

      aufgrund seiner Teilnahme an einer Newroz-Feier im ( ) 2006 wegen Propaganda für die PKK angeklagt worden. Ein Gericht in J. habe ihn in diesem Verfahren freigesprochen. Wegen des gleichen Vorfalls sei jedoch im Jahr 2008 in D. ein neues Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden, welches erstinstanzlich noch hängig sei. In diesem Zusammenhang sei er nie in Gewahrsam oder in Untersuchungshaft gewesen, jedoch sei Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Zudem sei er noch zu ( ) Monaten Haft wegen Refraktion verurteilt worden. Zirka eine Woche vor seiner Ausreise aus der Türkei ([ ]) sei er im Zusammenhang mit dem nicht geleisteten Militärdienst beziehungsweise der NewrozTeilnahme von Zivilpersonen im Laden seiner Familie aufgesucht und angesprochen worden, wobei er sich durch ein Ablenkungsmanöver dem Zugriff der Sicherheitskräfte habe entziehen können.

    4. Am ( ) sei nach ( ) Kassationen das endgültige erstinstanzliche Urteil im ersterwähnten Verfahren aus dem Jahr 2003 wegen Besitzes und Einsatzes von Molotow-Cocktails ergangen (vgl. vorstehend B.a). Dabei sei er durch die ( ) in D. zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und ( ) Monaten verurteilt worden; dieses Urteil sei am ( ) vom Kassationshof bestätigt worden. Da er unter erheblichem Druck der Behörden gestanden habe, habe er sich im ( ) 2009 zur Flucht aus der Türkei entschlossen. Am ( ) 2010 sei sein Bruder K. durch die Anti-TerrorAbteilung in D. nach seinem Verbleib befragt worden. Die türkischen Behörden wüssten nun, dass er sich in der Schweiz aufhalte.

    5. Zur Stützung seiner Vorbringen reichte der Beschwerdeführer entsprechende Gerichtsakten ein, darunter - im Nachgang zu den Befragungen - auch die Urteile vom ( ) ([ ]) und vom ( ) ([ ]).

C.

Mit Schreiben vom ( ) teilte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) dem BFM mit, ihm seien betreffend den Beschwerdeführer keine konkreten Vorfälle bekannt, welche eine Gefährdung des Staatswesens bewirken könnten.

D.

Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft L. vom ( ) wurde der Be-

schwerdeführer wegen M.

zu einer bedingt aufgeschobenen

Geldstrafe von ( ) Tagessätzen zu je Fr. ( ) verurteilt.

E.

Mit Verfügung vom 22. April 2013 - eröffnet am 29. April 2013 - stellte das Bundesamt fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte das Asylgesuch ab. Gleichzeitig verfügte es die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz und beauftragte den Kanton Zürich mit dem Vollzug.

    1. Zur Begründung führte das BFM im Wesentlichen aus, die geltend gemachten Verfolgungsvorbringen genügten, soweit glaubhaft, den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft nicht. Für die Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft sei der Zeitpunkt des Asylentscheides massgebend. Deshalb vermöge der Beschwerdeführer aus den durch Freispruch abgeschlossenen Strafverfahren betreffend Teilnahme an den NewrozFeierlichkeiten 2006 und Mitgliedschaft in der I. keine Schutzbedürftigkeit mehr abzuleiten. Dasselbe gelte im Zusammenhang mit dem in J. eröffneten Verfahren betreffend PKK-Mitgliedschaft und Rekrutierung von PKK-Mitgliedern, in welchem er, nach ( ) Monaten in Untersuchungshaft, freigesprochen worden sei, wobei er sich in diesem Zusammenhang nicht mehr gefährdet sehe und es deshalb nicht für nötig erachte, den Asylbehörden das diesbezügliche Urteil einzureichen.

    2. Im Strafverfahren aus dem Jahr 2003 wegen PKK-Unterstützung und Umgangs mit Sprengstoff sei er nach ( ) Kassationen am ( ) 2009 erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und ( ) verurteilt worden, welche Strafe nach ( ) Abweisung seiner Beschwerde durch Urteil des Kassationshofs vom ( ) 2011 rechtskräftig geworden sei. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung erweise sich eine Ahndung von Unterstützungshandlungen zugunsten der gewaltextremistischen PKK im Kern als gemeinrechtlich legitimiert und stelle keine politische Verfolgung dar, auch wenn die dafür drohenden Haftstrafen aus hiesiger Sicht hoch erschienen. Auch erfülle der Einsatz von Molotow-Cocktails unabhängig von einem allfälligen politischen Kontext einen gemeinrechtlichen Straftatbestand, dessen Ahndung grundsätzlich legitim sei. In diesem Zusammenhang habe er anlässlich der Anhörung vom ( ) erklärt, lediglich als Zuschauer beziehungsweise als "J. " mitgewirkt und dies den türkischen Behörden gegenüber nur unter Misshandlungen bei

      der polizeilichen Einvernahme gestanden zu haben. Dies treffe jedoch in Bezug auf sein entsprechendes, vor Gericht abgelegtes Teilgeständnis nicht zu. Auch seien die damals vom Beschwerdeführer wegen Foltervorwürfen angezeigten Polizisten freigesprochen worden. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer anlässlich der Befragung durch die Schweizer Vertretung in Ankara (vgl. Sachverhalt Bst. A) bezüglich der polizeilichen Einvernahme klar verneint, misshandelt worden zu sein, und erklärt, "nur" psychischem Druck ausgesetzt gewesen zu sein. Schliesslich habe er auf Vorhalt dieses Widerspruchs erklärt, er sei damals nicht gefoltert, aber geschlagen worden. Somit sei es ihm nicht gelungen, den Widerspruch aufzulösen, wobei seine Aussagen im Auslandverfahren eher der Wahrheit entsprechen dürften. Unter diesen Umständen sei seine Anklage und Verurteilung wegen PKK-Unterstützung und mehrfachen Einsatzes von Molotow-Cocktails im Kern als rechtsstaatlich legitim einzustufen. Dasselbe gelte für die in diesem Zusammenhang gegen den Beschwerdeführer ergriffenen strafrechtlichen Massnahmen. So habe er nach einer Untersuchungshaft von einem Jahr den Ausgang des Verfahrens in Freiheit abwarten können. Der effektive Verfahrensverlauf mit ( ) Kassationen belege, dass sich die türkischen Behörden eingehend mit den Vorwürfen gegen den Beschwerdeführer auseinandergesetzt hätten und gemäss dem rechtskräftigen Urteil das Gericht den rechtsstaatlichen Grundsatz der Anwendung des milderen Rechts beachtet habe. Das Strafmass erscheine zwar auf den ersten Blick hoch, belege jedoch keinen Politmalus, zumal der Beschwerdeführer zweimal auf städtischem Gebiet Molotow-Cocktails geworfen habe und beide Male das Risiko schwerer Verletzungen bei allfälligen Opfern und der Verursachung eines Brandausbruchs eingegangen sei. Demnach sei er aus legitimen Motiven und in einem rechtsstaatlichen Verfahren verurteilt worden und daher nicht schutzbedürftig.

    3. Dieselben Überlegungen würden auch in Bezug auf das Strafverfahren und die Verurteilung wegen der nach der Teilnahme an der NewrozFeier 2006 betriebenen PKK-Propaganda gelten, weshalb sich auch dieses Verfolgungsvorbringen als asylrechtlich nicht relevant erweise. Schliesslich vermöge er auch aus der Verurteilung zu einer fünfmonatigen Haftstrafe wegen Refraktion und dem Umstand, dass er sich in diesem Zusammenhang einer Festnahme entzogen habe, keine Schutzbedürftigkeit abzuleiten, zumal in der Türkei weder die Einberufung in den Militärdienst noch die Bestrafung wegen Refraktion oder Desertion aus einem der in Art. 3 AsylG genannten Gründe erfolge, wobei diesbezüglich, wie

      auch der Fall des Beschwerdeführers zeige, vergleichsweise milde Strafen verhängt würden.

    4. Der Vollzug der Wegweisung sei zulässig, zumutbar und möglich. Zwar sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei der Wiedereinreise in die Türkei aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe sowie wegen eines bestehenden Haftbe- ziehungsweise Vorführbefehls eines erstinstanzlich noch hängigen Strafverfahrens festgenommen werde. Indes sei jedoch bei der Wiedereinreise und einer polizeilichen Überprüfung nach der Einführung einer neuen Strafprozessordnung im Jahr 2005 und einer deutlichen allgemeinen Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei nicht mit einer menschenrechtswidrigen Behandlung zu rechnen. Das Risiko einer unmenschlichen Behandlung während des Strafvollzugs könne praktisch verneint werden.

F.

Mit Eingabe vom 29. Mai 2013 (Datum des Poststempels) an das Bundesverwaltungsgericht beantragte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter unter Kosten und Entschädigungsfolge, es sei die Verfügung der Vorinstanz aufzuheben und ihm in der Schweiz Asyl zu gewähren. In prozessualer Hinsicht wurden die Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, der unentgeltlichen Prozessführung und einer Parteientschädigung sowie die Ansetzung einer Nachfrist zur Einreichung von Beweismitteln beantragt. Gleichzeitig wurden die Befragungsprotokolle aus den beiden erstinstanzlichen Asylverfahren (vgl. Sachverhalt Bst. A und B), je eine zusammenfassende Übersetzung der vorstehend unter Bst. B. e aufgeführten türkischen Urteile vom ( ) 2009 ([ ]) und vom ( ) (Kassationsgericht [ ]) sowie ( ) weitere Dokumente betreffend die Strafverfahren in der Türkei, welche Unterlagen bereits beim BFM zu den Akten gereicht worden waren, in Kopie eingereicht. Darauf sowie auf die Begründung wird, soweit für den Entscheid wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

G.

Mit Zwischenverfügung vom ( ) teilte das Bundesverwal-tungsgericht dem Beschwerdeführer mit, dass er den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten könne, hiess das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) unter der Voraussetzung des Nachreichens einer Fürsorgebestätigung sowie

unter Vorbehalt der Veränderung der finanziellen Lage des Beschwerdeführers gut und setzte diesem Frist bis zum ( ) zur Einreichung einer Fürsorgebestätigung oder zur Leistung eines Kostenvorschusses, verbunden mit der Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfall. Zudem wurde ihm im Zusammenhang mit dem diesbezüglich gestellten Antrag - unter Hinweis auf Art. 32 Abs. 2 VwVG - eine Frist von 30 Tagen ab Erhalt der Zwischenverfügung zur Einreichung von in der Beschwerde in Aussicht gestellten Beweismitteln samt Übersetzung angesetzt.

H.

Am ( ) reichte der Beschwerdeführer eine Fürsorgebestätigung zu den Akten.

I.

Mit Schreiben vom ( ) teilte der Beschwerdeführer mit, die in Aussicht gestellten Beweismittel (begründetes Urteil des Kassationsgerichts [( )] und Unterlagen betreffend ( ) seien bisher nicht eingetroffen.

J.

    1. Mit Vernehmlassung vom ( ) beantragte das Bundesamt die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung führte es aus, die Beschwerdeschrift enthalte keine neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, welche eine Änderung seines Standpunkts rechtfertigten, und verwies auf seine Erwägungen, an welchen es festhielt.

    2. Die Vernehmlassung wurde dem Beschwerdeführer am ( ) zur Kenntnis gebracht.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser - was in casu nicht zutrifft - bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d

      Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG,

      SR 173.110]).

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

2.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 108 Abs. 1 AsylG sowie Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1 und Art. 52 VwVG). Nach fristgerechter Einreichung der Fürsorgebestätigung ist somit auf die Beschwerde einzutreten.

3.

Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

4.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

5.

Zur Begründung der Beschwerde wurde ausgeführt, einem Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 20. Dezember 2010 sei zu entnehmen, dass Teilnehmer an von der PKK unterstützten Demonstrationen wie PKK-Mitglieder behandelt und entsprechend hart bestraft würden. Sodann verkenne die Vorinstanz, dass in den Jahren 2002/2003 eine andere politische Situation in der Türkei geherrscht habe als heute. Indes würden die Haftbedingungen in den Gefängnissen vom Typ F gemäss der EU-Kommission, Amnesty International und des USAussenministeriums weiterhin stark kritisiert, da kurdische Häftlinge weiterhin Übergriffen von Aufsehern und Behörden ausgeliefert seien, wobei auffalle, dass sich die Anzahl der getöteten Häftlinge in den vergangenen Jahren massiv erhöht habe. Somit könne der Einschätzung der Vorinstanz, wonach die Behandlung in den F-Gefängnissen der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) konform sei und Häftlinge keiner Gefahr, Misshandlungen beziehungsweise keiner konkreten Lebensgefahr ausgesetzt seien, nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer sei bis zum Jahr ( ) nicht Mitglied der PKK gewesen, habe im Jahr ( ) mit den türkischen Behörden zusammengearbeitet und sich von der PKK losgesagt und sei trotzdem als Demonstrationsteilnehmer und "J. " im Alter von weniger als ( ) Jahren zu einer Strafe von zwölf Jahren und ( ) verurteilt worden. Mit dem Urteil des Kassationsgerichts vom ( ) 2011 seien die vom Strafgericht in D. für die einzelnen Delikte um ( ) erhöhten Strafen bestätigt worden. Der angefochtenen Verfügung könne weiter entnommen werden, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten psychischen Misshandlungen und Schläge, welche anfangs zu einem vollumfänglichen Geständnis geführt hätten, das teilweise widerrufen worden sei, nicht glaubhaft seien. Diesbezüglich verkenne die Vorinstanz, dass die Verhältnisse in den Jahren 2002/2003 massiv schlechter gewesen seien als heute und gemäss den Einschätzungen von unabhängigen Behörden dazumal noch systematische Folterungen und Misshandlungen an der Tagesordnung gewesen seien. Unter diesen Umständen könne die Einschätzung der Vorinstanz, wonach die vom Beschwerdeführer im Jahr 2003 gegenüber den zuständigen Polizisten zur Anzeige gebrachten psychischen Folterungen beziehungsweise Schläge von einem "unabhängigen" Gericht als nicht zutreffend festgestellt worden seien, nicht nachvollzogen werden. Aufgrund der damaligen Verhältnisse seien die Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er zu einem Geständnis gezwungen worden sei, glaubhaft. Somit müsse auf das Teilgeständnis des Beschwerdeführers abgestellt werden beziehungsweise darauf, dass

er an den ( ) geltend gemachten unbewilligten Demonstrationen als Teilnehmer beziehungsweise als "J. " zugegen gewesen sei. Sodann seien bei der rechtlichen Beurteilung des Strafmasses von zwölf Jahren und ( ) sowohl Art. 220 des türkischen Strafgesetzbuchs als auch das Anti-Terror-Gesetz zu berücksichtigen, aufgrund welcher Bestimmungen jeder Teilnehmer an einer Demonstration der PKK als deren Mitglied qualifiziert worden sei, unabhängig davon, ob vom Verurteilten eine Straftat begangen worden und ob er PKK-Mitglied gewesen sei. Aufgrund des Gesagten habe der türkische Staat alle Kurden, welche sich für ihre Kultur und ihre verfassungsmässigen Rechte eingesetzt hätten, willkürlich als Terroristen qualifiziert und verurteilt. Unter diesen Umständen vermöge die Feststellung der Vorinstanz, dass kein Politmalus vorliege, nicht zu überzeugen. Zusammenfassend sei der Beschwerdeführer aufgrund seiner kurdischen Ethnie sowie seiner passiven Unterstützung der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt worden, welche einen gewichtigen Politmalus enthalte. Zwar werde der Türkei von der Europäischen Kommission (EU-Kommission) in Bezug auf Verfolgung von Minderheiten beziehungsweise eines garantierten EMRK-konformen Gerichtsverfahrens eine leichte Verbesserung attestiert, indes würden die Zustände aktuell in keiner Art und Weise den Richtlinien der EU-Kommission entsprechen. Nach dem Gesagten erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 1 und 2 AsylG und sei folglich als Flüchtling anzuerkennen ([ ]).

6.

In casu ist zu prüfen, ob das BFM zu Recht dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt hat, indem es im Zusammenhang mit dem im Jahr 2003 eröffneten Strafverfahren, welches nach mehreren Kassationen schliesslich im Jahr 2011 zu einer Verurteilung zu insgesamt zwölf Jahren und einem Monat Gefängnis führte, von einer Strafverfolgung aus legitimen Motiven im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens ausgegangen ist und eine asylrelevante Verfolgung in Bezug auf ein wegen PKK-Propaganda eröffnetes Strafverfahren im Zusammenhang mit der Teilnahme des Beschwerdeführers an einer Newroz-Feier im Jahr 2006 verneint hat.

6.1 Die Flucht vor einer rechtsstaatlich legitimen Strafverfolgung im Heimatland bildet grundsätzlich keinen Grund für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für die Asylgewährung. Ausnahmsweise kann aber die Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines gemeinrechtlichen Delikts eine Verfolgung im asylrechtlichen Sinne darstellen. Dies

trifft unter anderem dann zu, wenn einer Person eine gemeinrechtliche Tat untergeschoben wird, um sie wegen ihrer äusseren oder inneren Merkmale, namentlich ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Anschauungen zu verfolgen, oder wenn die Situation eines Täters, der ein gemeinrechtliches Delikt tatsächlich begangen hat, aus einem solchen Motiv in bedeutender Weise erschwert wird. Eine solche Erschwerung der Lage (sog. Politmalus) ist insbesondere dann anzunehmen, wenn deswegen eine unverhältnismässig hohe Strafe ausgefällt wird (sog. Malus im absoluten Sinne), wenn das Strafverfahren rechtsstaatlichen Ansprüchen klarerweise nicht zu genügen vermag oder wenn der asylsuchenden Person in Form der Strafe oder im Rahmen der Strafverbüssung eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte, insbesondere Folter droht (vgl. BVGE 2011/10 E. 4.3 S.127 f. mit weiteren Hinweisen).

6.2

      1. Der Beschwerdeführer wurde im Zusammenhang mit einer Protestaktion vom ( ) 2002 gegen die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan, in deren Rahmen er zusammen mit einem Freund ein Spruchband fixierte und Molotow-Cocktails geworfen wurden, und einer weiteren Aktion vom ( ) 2003, bei welcher Parolen zugunsten von Abdullah Öcalan gerufen und erneut Molotow-Cocktails geworfen wurden, nach ( ) Kassationen mit Urteil des ( ) in D. vom ( ) 2009 - nebst Geldstrafen - zu folgenden Gefängnisstrafen verurteilt, welche mit Urteil der ( ) vom ( ) 2011 ( ) bestätigt wurden:

        1. wegen Begehung von Straftaten als Mitglied einer bewaffneten Organisation (Art. 314 Abs. 2 türkisches Strafgesetzbuch [TStGB] i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Anti-Terror-Gesetz [ATG]): zu drei Jahren und ( ) Monaten (dies gestützt auf ein vorher ergangenes Urteil, ansonsten das Strafmass sechs Jahre und [ ] Monate betragen hätte);

        2. wegen Besitzes und Verwendung von Sprengstoff (betrifft [ ] 2003; Art. 174 i.V.m. Art. 170 Abs. 1 Bst. c TStGB): zu vier Jahren und ( ) Monaten;

        3. wegen Besitzes und Verwendung von Sprengstoff (betrifft [ ] 2002; Art. 174 i.V.m. Art. 170 Abs. 1 Bst. c TStGB): zu vier Jahren und ( ) Monaten,

        wobei das Strafmass vorgängig jeweils in Anwendung von Art. 5 ATG (Delikt a) beziehungsweise Art. 174 Abs. 2 TSTGB (Delikte b und c) um die Hälfte erhöht und in Anwendung von Art. 62 TStGB um einen Sechstel herabgesetzt worden war.

      2. Der vorinstanzlichen Argumentation, die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung wegen Unterstützungstätigkeiten für die PKK und Delikten im Zusammenhang mit illegalem Besitz und Verwendung von Sprengstoff als rechtsstaatlich legitim zu betrachten, ist grundsätzlich zuzustimmen. Daran vermag nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt weder Mitglied der PKK noch sonst einer bewaffneten Organisation war: Damals setzte er sich für die legale Partei HADEP ein, welche erst am 13. März 2003 durch das türkische Verfassungsgericht verboten wurde, und schloss sich ( ) Jahre später, nämlich im ( ) 2006 der PKK an, von welcher er sich im ( ) 2006 wieder lossagte, wobei er stets abstritt, selbst Molotow-Cocktails besessen oder geworfen zu haben, leistete er doch seine aktiven Tatbeiträge im Rahmen von illegalen Protestkundgebungen. Ein Politmalus im Zusammenhang mit der Behandlung, die der Beschwerdeführer während der ( ) Tage erfuhr, als er sich ab dem ( ) 2003 auf der Anti-Terror-Abteilung in Gewahrsam befand und einvernommen wurde, wurde gestützt auf seine diesbezüglich unstimmigen Aussagen im Asylverfahren und den Umstand, dass die vom ihm wegen Foltervorwürfen angezeigten Polizisten freigesprochen wurden, durch das BFM mit zutreffender Begründung verneint. Schliesslich vermag der Beschwerdeführer auch aus dem Umstand, dass er während mehrerer Monate bis ( ) in einem F-Gefängnis inhaftiert war, keinen Politmalus abzuleiten, hätten sich doch dort seinen Angaben zufolge, abgesehen von Problemen der Häftlinge mit den Wärtern und dem Direktor, keine besonderen Vorfälle zugetragen ([ ]).

    1. Demgegenüber ergibt eine Prüfung der Akten, dass die asylrechtliche Relevanz der geltend gemachten Verfolgung hinsichtlich des wieder eröffneten Strafverfahrens im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Newroz-Feier im ( ) 2006 von der Vorinstanz zu Unrecht verneint worden ist.

      1. Gemäss seinen diesbezüglich unbestrittenen Aussagen im Asylverfahren wurde der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einem wegen seiner Teilnahme an der erwähnten Newroz-Feier eröffneten Strafverfahren im ( ) 2006 von einem Gericht in J. freigesprochen. Aus den von ihm diesbezüglich eingereichten Akten geht hervor, dass in dieser

        Angelegenheit im Jahr 2008 gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet, am ( ) 2008 bei der ( ) in D. Anklage wegen Propaganda für eine Terrororganisation sowie Lobes einer Straftat und eines Straftäters erhoben und am ( ) 2009 ein Haftbefehl erlassen wurde. Diese Angaben werden in einem Anwaltsschreiben vom ( ) 2010 bestätigt, wonach für den Beschwerdeführer gestützt auf Art. 7 Abs. 2 ATG (Propaganda für eine terroristische Organisation) eine Gefängnisstrafe von einem bis fünf Jahren und gestützt auf Art. 215 TStGB (Loben einer Straftat und eines Straftäters) eine solche bis zu zwei Jahren beantragt werde. Gemäss den gerichtlichen Unterlagen bestehen Fotound Videoaufnahmen, auf welchen der Beschwerdeführer die rechte Seite eines grossen Posters von Abdullah Öcalan gehalten habe. Der Beschwerdeführer erklärte diesbezüglich anlässlich der Anhörung vom ( ), er habe erst in der Schweiz von seinem Anwalt in der Türkei von diesem neu eröffneten Verfahren Kenntnis erhalten. Der Demonstrationszug zum Kundgebungsplatz sei nicht illegal gewesen, sondern in Begleitung der Polizei erfolgt. Bei der anschliessenden Feier habe er getanzt und der Musik zugehört. Er sei zwar kein offizielles DTP-Mitglied, habe aber schon im Namen der Partei an der Feier teilgenommen. Er sei nicht der einzige Angeklagte. Da man wegen der Teilnahme an der Newroz-Feier nicht verurteilt werden könne, müssten andere Vorwürfe gefunden werden ([ ]).

      2. Unter den vorerwähnten Umständen erscheinen die von den türkischen Justizbehörden erhobenen Vorwürfe als nicht berechtigt beziehungsweise ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer gestützt darauf eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe zu gewärtigen hätte, welche als unangemessen zu qualifizieren wäre. Es scheint vielmehr, dass das Verfahren gegen den Beschwerdeführer, der schon früher in Verfahren verwickelt war, politisch motiviert ist. In diesem Sinn ist in casu ein Politmalus zu bejahen. So erscheint vorweg nicht nachvollziehbar, weshalb gegen den Beschwerdeführer, nachdem er im ( ) 2006 freigesprochen worden war, nach anderthalb Jahren in derselben Angelegenheit erneut Anklage erhoben wurde, ist doch davon auszugehen, dass ihn angeblich belastendes Beweismaterial wie Fotound Videoaufnahmen bereits im ersten Verfahren vorgelegen wäre. Des Weiteren ist nicht bekannt, dass es im Zusammenhang mit den Newroz-Feierlichkeiten vom ( ) 2006 in D. zu Ausschreitungen gekommen wäre. Auch wurde das Verbot der DTP erst am 16. November 2007 beantragt und am

  1. Dezember 2009 rechtskräftig. Unter diesen Umständen ist aufgrund der Aktenlage nicht von einer rechtsstaatlich illegitimen Teilnahme des Beschwerdeführers an der (legalen) Newroz-Feier auszugehen.

    7.

    Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bereits anlässlich der Befragung durch die Schweizer Vertretung in Ankara erklärte, dass ihm wegen der behördlichen Fichierung bei Polizeikontrollen manchmal Schwierigkeiten entstanden seien ([ ]). Diesem Vorbringen wurde von der Vorinstanz nicht Rechnung getragen, obwohl der Kontext der übrigen Sachverhaltsvorbringen darauf schliessen lässt, dass über den Beschwerdeführer bei den türkischen Behörden tatsächlich ein Datenblatt bestehen dürfte. So verliess er seinen Heimatstaat ( ) Monate nach der erwähnten Befragung beziehungsweise ( ) einen Monat nach der Eröffnung der Ablehnung seines in der Türkei gestellten Asylgesuchs durch das BFM und beantwortete er die Frage nach den Gründen für die Ausreise anlässlich der Befragung im EVZ zwar auch mit den Gefängnisstrafen, doch führte er auch aus, dass - obwohl seine finanzielle Situation gut gewesen sei - er ständig verfolgt worden sei und unter psychischem Druck gestanden habe; nach der erwähnten Befragung habe er die Flucht ergriffen und sich nicht erwischen lassen, wobei er Zivilpolizisten, welche ihn angehalten hätten, entkommen sei ([ ]). Anlässlich der Anhörung vom ( ) bestätigte er diese Aussagen sinngemäss. So sei immer wieder zu Hause nach ihm gesucht worden; kurz vor der Ausreise hätten Zivilpolizisten versucht, ihn aus ihm nicht bekannten Gründen der Staatsanwaltschaft zuzuführen; wenn er an einer öffentlichen Newroz-Feier teilnehme, bekomme er Probleme; bei der Newroz-Feier 2009 sei er von der Polizei beschattet worden, weshalb er nach Hause gegangen sei ([ ]). Aus den beim BFM eingereichten Akten geht schliesslich hervor, dass der Bruder K. des Beschwerdeführers am ( ) 2010 durch die Anti-Terror-Abteilung in D. über diesen befragt wurde, wobei er dessen Aufenthaltsort in der Schweiz bekanntgab. Auch der Umstand, dass in der Vergangenheit wegen politischer Delikte Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer eröffnet wurden und er diesbezüglich bereits verurteilt wurde, lässt auf das Bestehen eines politischen Datenblatts schliessen. In der Regel ist bereits aufgrund dieser Fichierung von einer berechtigten Furcht vor künftiger asylrechtlich relevanter staatlicher Verfolgung auszugehen (vgl. BVGE 2010/9). Eine solche ist gestützt auf die Aktenlage auch in Bezug auf den Beschwerdeführer zu bejahen. Daran vermag die Argumentation der Vorinstanz, im Strafverfahren betreffend die Teilnahme an der Newroz-Feier 2006 sei noch kein erstinstanzliches Urteil gefällt worden, weshalb der Verfahrensausgang offen sei und der Beschwerdeführer zudem bei einer allfälligen Verurteilung eine Beschwerdemöglichkeit hätte, nichts zu ändern.

    8.

    Insgesamt kann diesen Erwägungen gemäss im Zusammenhang mit der Teilnahme des Beschwerdeführers an der Newroz-Feier 2006 in D. nicht von einer rechtmässigen Strafverfolgung durch die türkischen Behörden gesprochen werden, zumal ihm eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe droht, welche nicht als rechtsstaatlich legitim bezeichnet werden könnte. Aufgrund der vorliegenden Akten ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von den türkischen Sicherheitskräften für seine politische Haltung und für rechtsstaatlich legitime politische Aktivitäten verfolgt worden ist und weitere Verfolgungshandlungen nicht auszuschliessen sind. Aufgrund dieser Überlegungen und der grossen Wahrscheinlichkeit der Fichierung des Beschwerdeführers ist dessen Furcht vor weiteren Verfolgungsmassnahmen durch die türkischen Sicherheitskräfte, mithin auch angesichts der bereits erlebten Vorkommnisse, aufgrund der heutigen Aktenlage objektiv nachvollziehbar und somit als begründet im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG zu erachten. Da die befürchteten Nachteile von den türkischen Sicherheitskräften ausgehen, welche auf dem Territorium der Türkei die Staatsmacht repräsentieren, ist im vorliegenden Fall auch nicht vom Bestehen einer sicheren innerstaatlichen Schutzalternative auszugehen. Unter diesen Umständen erübrigt es sich, auf die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Refraktion und die Ausführungen in der Beschwerde betreffend den Strafvollzug in der Türkei beziehungsweise die Zustände in F-Gefängnissen einzugehen.

    9.

    Aufgrund der Aktenlage besteht sodann kein Grund zur Annahme einer Asylunwürdigkeit des Beschwerdeführers gemäss Art. 53 AsylG, zumal keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er verwerfliche Handlungen im Sinne dieser Bestimmung begangen hat oder die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährdet. Zwar ist der Beschwerdeführer von einem türkischen Gericht wegen Straftaten als Mitglied einer bewaffneten Organisation und Sprengstoffdelikten verurteilt worden (vgl. vorstehend E. 6. 2). Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass er zum Tatzeitpunkt im ( ) 2002 beziehungsweise ( ) 2003 weder Mitglied der PKK noch einer anderen terroristischen Organisation war, sondern sich für eine damals legale Partei (HADEP) einsetzte. Was die Sprengstoffdelikte anbelangt, versicherte er im Asylverfahren glaubhaft, weder Molotow-Cocktails hergestellt noch solche geworfen zu haben, sondern sich als "J. " am Tatort aufgehalten zu haben. In Bezug auf die Anklage im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Newroz-Feier 2006

    könnte, selbst wenn der Beschwerdeführer damals tatsächlich ein Poster von Abdullah Öcalan mitgetragen hätte, nicht von einer Gewaltbereitschaft im Sinne der Asylunwürdigkeit ausgegangen werden, umso weniger, als er weder einer illegalen Organisation angehörte noch in gewalttätige Aktionen verstrickt war. Sodann hat auch die Überprüfung des Beschwerdeführers durch den NDB, welchem die geltend gemachten Verfolgungsvorbringen und namentlich auch die mehrmonatige PKKMitgliedschaft des Beschwerdeführers bekannt waren, keine konkreten nachteiligen Erkenntnisse gebracht (vgl. Sachverhalt Bst. C vorstehend). Zu Letzterem ist anzumerken, dass die alleinige (kurzfristige beziehungsweise vorübergehende) Zugehörigkeit zur PKK nach schweizerischer Rechtsprechung keine verwerfliche Handlung darstellt, da jene nicht als kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB, SR 311.0) betrachtet wird. Dasselbe gilt in Bezug auf den Tatbestand des M. (vgl. Sachverhalt Bst. D vorstehend) bereits aufgrund der Strafandrohung (bis zu drei Jahre, wobei es sich um ein Antragsdelikt handelt), dessen Verwirklichung in casu offensichtlich auch zu keiner Verletzung oder Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit des schweizerischen Staatswesens geführt hat.

    10.

    Diesen Erwägungen gemäss ist die Beschwerde gutzuheissen, die angefochtene Verfügung vom 22. April 2013 aufzuheben und das Bundesamt anzuweisen, dem Beschwerdeführer in der Schweiz Asyl zu gewähren.

    11.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG).

    2. Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Entschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten (Art. 64 Abs. 1 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2). Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat keine Kostennote eingereicht. Der notwendige Vertretungsaufwand lässt sich jedoch aufgrund der Aktenlage hinreichend zuverlässig abschätzen. Die von der Vorinstanz zu entrichtende Parteientschädigung ist unter Berücksichtigung der massgeblichen Bemessungsfaktoren auf Fr. 1800.- festzusetzen (Art. 14 Abs. 2 VGKE).

(Dispositiv nächste Seite)

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2.

Die Verfügung vom 22. April 2013 wird aufgehoben und das BFM angewiesen, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.

Das BFM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 1800.- auszurichten.

5.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die zuständige kantonale Behörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Martin Zoller Daniel Widmer

Versand:

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