Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-1507/2013 |
Datum: | 17.12.2013 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdeführer; Vorinstanz; Verfügung; Bundesverwaltungsgericht; Verfahren; Lanka; Quot;; Sachverhalt; Bundesamt; Schweiz; Akten; Wegweisung; Verfahrens; Rückkehr; Person; Entscheid; Sachverhalts; Richter; Parteien; Personen; Ausreise; Beschwerdeführers; Wegweisungsvollzug; Frist; Erwägungen; Vernehmlassung; Sinne; Flüchtlings; Kassation |
Rechtsnorm: | Art. 61 VwVG ;Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-1507/2013
Besetzung Einzelrichter Martin Zoller,
mit Zustimmung von Richter Robert Galliker; Gerichtsschreiber Daniel Widmer.
vertreten durch Gabriel Püntener, Rechtsanwalt, ( ),
Beschwerdeführer,
gegen
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 11. Februar 2013 / N ( ).
Der Beschwerdeführer verliess eigenen Angaben zufolge seinen Heimatstaat am ( ) 2011 ( ) in Richtung B. , wo er sich bis zum ( ) 2011 aufhielt. Am folgenden Tag flog er nach C. , von wo er am ( ) 2011, ( ), nach D. gelangte. Am 14. Dezember 2011 suchte er in E. um Asyl nach. Am( ) 2012 fand im dortigen Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) eine erste Befragung statt. Am ( ) 2013 wurde er in Bern-Wabern durch das Bundesamt in Anwendung von Art. 29 Abs. 1 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) angehört.
Der Beschwerdeführer machte im Wesentlichen geltend, er sei srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Ethnie und stamme aus F. . Im Jahr ( ) habe er zusammen mit ( ) anderen Personen für die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) eine ( ) Grundausbildung
absolvieren müssen. Nach seiner Rückkehr nach G.
sei einer
der Absolventen des Trainings von der sri-lankischen Armee (SLA) ( ) und ein weiterer durch unbekannte Personen ( ) worden. Auch er sei zu Hause gesucht worden, weshalb er sich zunächst zu ( ) in H. und anschliessend nach I. begeben habe. In der Folge habe er sich wegen des Kriegs an verschiedenen Orten im Vanni-Gebiet aufgehalten. Gegen Ende des Bürgerkriegs sei er durch die LTTE aufgefordert worden, für sie zu kämpfen, was er abgelehnt habe. Indessen habe er sich während ( ). Nach dem Ende des Bürgerkriegs sei er in ein ( ) bei J. gebracht und dort verschiedentlich nach seinen Beziehungen zu den LTTE befragt worden, wobei er jegliche derartige Verbindungen abgestritten habe. Nach zirka einem Monat habe ein Mitglied der Eelam People's Democratic Party (EPDP) seine Flucht organisiert, nachdem er über ( ) Rupien bezahlt habe. Daraufhin habe er sich vor der Ausreise
in K.
aufgehalten. In der Schweiz habe er erfahren, dass ( )
durch eine unbekannte Person entführt worden sei. Er vermute, dass eigentlich seine eigene Entführung beabsichtigt gewesen sei.
Für die weiteren Aussagen des Beschwerdeführers wird, soweit für den Entscheid wesentlich, auf die Protokolle bei den Akten verwiesen.
Zum Nachweis seiner Identität reichte der Beschwerdeführer eine Kopie ( ) zu den Akten.
Mit Verfügung vom 11. Februar 2013 - eröffnet am ( ) 2013 - stellte das Bundesamt fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte das Asylgesuch ab. Gleichzeitig ordnete es die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz an und beauftragte den Kanton L. mit dem Vollzug. Im Weiteren hielt das BFM fest, der Wegweisungsvollzug sei zulässig, zumutbar und möglich.
Mit Eingabe vom 20. März 2013 (Datum des Poststempels) an das Bundesverwaltungsgericht beantragte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter unter Kostenund Entschädigungsfolge, es sei die Verfügung der Vorinstanz aufzuheben und die Sache an das BFM zurückzuweisen; eventualiter sei die angefochtene Verfügung aufzuheben, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festzustellen und diesem in der Schweiz Asyl zu gewähren; subeventualiter seien die Dispositivziffern 4 und 5 der vorinstanzlichen Verfügung aufzuheben und die Unzulässigkeit oder Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen. In prozessualer Hinsicht wurden drei Anträge auf Ansetzung einer Frist für das Beibringen von Beweismitteln aus dem Ausland gestellt und um Mitteilung des Spruchkörpers ersucht. Gleichzeitig wurde eine 64 Beilagen umfassende Beweisdokumentation eingereicht. Darauf sowie auf die Begründung wird, soweit für den Entscheid wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
Mit Zwischenverfügung vom ( ) 2013 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit, dass er den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten könne. Gleichzeitig wurden die drei erwähnten Beweisanträge ( ) abgewiesen, der voraussichtliche Spruchkörper bekannt gegeben und Frist zur Bezahlung eines Kostenvorschusses angesetzt. Dieser wurde am ( ) 2013 geleistet.
Mit Vernehmlassung vom ( ) 2013 beantragte das Bundesamt die Abweisung der Beschwerde.
Die Vernehmlassung wurde dem Beschwerdeführer am ( ) 2013 zur Kenntnis gebracht und ihm eine Frist bis zum ( ) 2013 zur Replik angesetzt.
In seiner Replik vom ( ) 2013 nahm der Beschwerdeführer Stellung zum Inhalt der Vernehmlassung, worin er grundsätzlich an seinen bisherigen Vorbringen festhielt.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend - endgültig (vgl. Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
[BGG, SR 173.110]; Art. 105 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG und das AsylG nichts anderes bestimmen (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters respektive einer zweiten Richterin zu behandeln, weil sie sich im Ergebnis als offensichtlich begründet erweist (Art. 111 Bst. e AsylG).
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Die Vorinstanz ist in Verfahren, die Staatsangehörige Sri Lankas tamilischer Ethnie betreffen, systematisch dazu übergegangen, keine Ausreisefristen mehr zu verhängen und bereits angeordnete Ausreisefristen aufzuheben. Faktisch zieht sie damit sämtliche Verfahren (auch solche im Vollzugsstadium) in Wiedererwägung, und zwar unbesehen der konkreten Umstände im Einzelfall. Das vorinstanzliche Vorgehen geht auf zwei im August 2013 bekannt gewordene Vorfälle sri-lankischer Rückkehrer zurück, welche in der Schweiz jeweils erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen haben und weggewiesen wurden (vgl. Medienmitteilung des BFM vom 4. September 2013: "Bundesamt hat Rückführungen nach Sri Lanka vorläufig ausgesetzt"). Die sri-lankischen Behörden haben die tamilischen Rückkehrer bei der Wiedereinreise in Haft genommen. Daraufhin hat die Vorinstanz in Aussicht gestellt, die beiden Vorfälle und eine allfällige Veränderung der allgemeinen Situation und insbesondere die Lage der Rückkehrenden in Sri Lanka vertieft abzuklären. Hierfür ersuchte sie das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), die beiden Fälle einer Qualitätsprüfung zu unterziehen sowie anschliessend auch die Dossiers jener Personen zu überprüfen, deren Gesuche rechtskräftig abgelehnt worden sind und die mit der Rückführung nach Sri Lanka hätten rechnen müssen (vgl. Medienmitteilung des BFM vom 3. Oktober 2013: "Sri Lanka gibt bekannt, warum zwei ehemalige Asylsuchende in Haft sind" sowie: Neue Zürcher Zeitung [NZZ] vom 4. Oktober 2013: "UNHCR überprüft Asyldossiers - zwei zurückgeschickte Tamilen seit Wochen in Haft"). Die Vorinstanz geht damit selbst davon aus, dass der Sachverhalt, wie er der Verfügung vom 11. Februar 2013 zugrunde liegt, offensichtlich nicht vollständig festgestellt ist. Denn es besteht kein Zweifel, dass eine neue Lagebeurteilung vor Ort sich auf die konkrete Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts auswirken kann, sei es im Flüchtlingsund Asylpunkt, sei es im Wegweisungsvollzugspunkt.
Gemäss Art. 61 Abs. 1 VwVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück. Eine Kassation und Rückweisung an die Vorinstanz ist insbesondere angezeigt, wenn weitere Tatsachen festgestellt werden müssen und ein umfassendes Beweisverfahren
durchzuführen ist. Die in diesen Fällen fehlende Entscheidungsreife kann grundsätzlich zwar auch durch die Beschwerdeinstanz selbst hergestellt werden, wenn dies im Einzelfall aus prozessökonomischen Gründen angebracht erscheint; sie muss dies aber nicht (vgl. BVGE 2012/21 E. 5). Vorliegend liegt der Mangel in einer unvollständigen Sachverhaltsfeststellung, wobei die unterbliebenen notwendigen Abklärungen eine relativ aufwändige und umfangreiche Beweiserhebung darstellen, weshalb sich eine Kassation der angefochtenen Verfügung rechtfertigt. Im Übrigen bleibt auf diese Weise der Instanzenzug erhalten, was umso wichtiger ist, als das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich entscheidet.
Die Beschwerde ist demnach im Sinne der Erwägungen gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung ist aufzuheben, die Sache ist zur vollständigen Sachverhaltsfeststellung sowie zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen und die vorinstanzlichen Akten sowie das Beschwerdedossier, welches ebenfalls Prozessstoff des vorinstanzlichen Verfahrens bilden wird, werden dem BFM zugestellt. Auf die weiteren Vorbringen in der Rechtsmitteleingabe ist aufgrund der vorliegenden Kassation zum heutigen Zeitpunkt nicht näher einzugehen.
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihnen notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen. Es wurde keine Kostennote zu den Akten gereicht. Der notwendige Vertretungsaufwand lässt sich indes aufgrund der Aktenlage zuverlässig abschätzen, weshalb auf die Einholung einer solchen verzichtet werden kann (Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE). Gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-11 und 13 VGKE) ist dem Beschwerdeführer zulasten der Vorinstanz eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 2000.- (inkl. Auslagen und MWSt) zuzusprechen.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Die Verfügung des BFM vom 11. Februar 2013 wird aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Dem Beschwerdeführer ist der von ihm am ( ) 2013 geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.- zurückzuerstatten.
Das BFM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) auszurichten.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die kantonale Migrationsbehörde.
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Martin Zoller Daniel Widmer
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