Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-2753/2007 |
Datum: | 17.09.2009 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | äthiopische; Person; Behörde; Äthiopien; Schweiz; Behörden; Heimat; Beschwerdeführers; Wegweisung; Verfügung; Flüchtling; KINIJIT; Mitglied; Verfolgung; Aktivitäten; Personen; Regierung; Ausland; Recht; Vorinstanz; Vollzug; Heimatland; Bundesverwaltungsgericht; Sinne |
Rechtsnorm: | Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-2753/200 7
Besetzung
Parteien
Gegenstand
Richterin Nina Spälti Giannakitsas (Vorsitz),
Richterin Gabriela Freihofer, Richter Blaise Pagan, Gerichtsschreiberin Sara Steiner.
gegen
Anerkennung als Flüchtling und Vollzug der Wegweisung (Zweitgesuch);
Verfügung des BFM vom 16. März 2007 / N (...).
Der Beschwerdeführer reichte am 24. Oktober 1995 ein erstes Asylgesuch in der Schweiz ein und machte dabei im Wesentlichen geltend, er werde aufgrund seiner (vermuteten) Tätigkeit für die Opposition beziehungsweise die All Amhara People's Organisation (AAPO) durch die Regierung verfolgt. Das BFF (Bundesamt für Flüchtlinge, heute: BFM) lehnte das Gesuch mit Verfügung vom 5. Juli 1996 ab, mit der Begründung, die Vorbringen des Beschwerdeführers vermöchten den Anforderungen an die Glaubwürdigkeit nicht zu genügen. Die gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde lehnte die damals zuständige Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) mit Urteil vom 31. Oktober 1996 ab.
Am 19. Dezember 2006 stellte der Beschwerdeführer - handelnd durch seinen Rechtsvertreter - ein zweites Asylgesuch in der Schweiz, zu dem er am 9. März 2007 durch das BFM angehört wurde.
Der Beschwerdeführer machte dabei im Wesentlichen geltend, nachdem er bereits in seinem Heimatland politisch tätig gewesen sei, sei er nun in der Schweiz seit 1997 aktives Mitglied der Association des Ethiopiens en Suisse (AES) und seit 2006 der KINIJIT, einer Unterstützungsgruppe der Coalition for Unity and Democracy Party (CUDP). Er nehme seit Jahren regelmässig an Demonstrationen und politischen Diskussionen teil. Darüber hinaus beteilige er sich an der Organisation solcher Veranstaltungen, zum Beispiel leite er Informationen weiter. Es sei davon auszugehen, dass die heimatlichen Behörden von seinem Engagement Kenntnis erhalten hätten. Laut den Angaben von zahlreichen Teilnehmenden an den Demonstrationen vor der äthiopischen Vertretung in Genf, seien diese aus der Vertretung heraus fotografiert und gefilmt worden. Zudem seien äthiopische Sicherheitskräfte in die Büros der CUDP eingedrungen und hätten Mitgliederlisten sowie andere Dokumente entwendet. Aufgrund seiner langjährigen, gegen das äthiopische Regime gerichteten politischen Tätigkeit in seinem Heimatland und in der Schweiz sowie aufgrund seiner Kontakte zu oppositionellen Exiläthiopiern befürchte er im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien Opfer von asylrelevanter Verfolgung zu werden.
Zur Stützung seiner Vorbringen reichte der Beschwerdeführer unter anderem die Kopie eines Schreibens der Vizepräsidentin der AES vom
14. September 2006 und des Präsidenten der KINIJIT vom 3. Oktober 2006 sowie Fotografien von Demonstrationen und eine Liste mit seinen politischen Aktivitäten ein.
Mit Verfügung vom 16. März 2007 - gemäss Angaben des Beschwerdeführers am 19. März 2007 eröffnet - lehnte das BFM das zweite Asylgesuch des Beschwerdeführers ab und ordnete dessen Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an.
Mit Eingabe vom 18. April 2007 (Poststempel) erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sowie der Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzuges, eventualiter die Anordnung der vorläufigen Aufnahme aufgrund der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges. In formeller Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
Mit Verfügung vom 27. April 2007 bestätigte die damals zuständige Instruktionsrichterin den Eingang der Beschwerde.
Mit Eingabe vom 4. Mai 2007 reichte der Beschwerdeführer ein weiteres Schreiben des Präsidenten der KINIJIT vom 19. April 2007 (im Original) ein.
Mit Verfügung vom 11. Februar 2009 stellte die neu zuständige Instruktionsrichterin fest, der Beschwerdeführer könne den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und verschob den Entscheid über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG auf den Endentscheid. Gleichzeitig überwies sie dem BFM die Beschwerdeakten zur Vernehmlassung.
Mit Vernehmlassung vom 12. Februar 2009 - welche dem Beschwerdeführer am 17. Februar 2009 zur Kenntnis gebracht wurde - schloss das BFM ohne detaillierte Erwägungen auf Abweisung der Beschwerde.
Mit Verfügung vom 25. Februar 2009 sistierte das Amt für Migration und Rückführung des Kantons Luzern ein durch den Beschwerdeführer gestelltes Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 14 Abs. 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG,
SR 142.31).
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
Die Beschwerde ist formund fristgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Der Beschwerdeführer ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1, 50 und 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Die Verweigerung von Asyl und die Anordnung der Wegweisung wurden nicht angefochten, weshalb die Ziffern 2 und 3 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung in Rechtskraft erwachsen sind und nachfolgend über die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling aufgrund subjektiver Nachfluchtgründe sowie über den Wegweisungsvollzug zu befinden ist.
Als Flüchtling wird eine ausländische Person anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 AsylG).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
Die Vorinstanz lehnte das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab, da die geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe den Anforderungen für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG nicht genügen würden. Einleitend sei zu bemerken, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seines ersten Asylverfahrens keine politisch motivierte Verfolgung durch die äthiopischen Behörden habe glaubhaft machen können. Es bestehe somit kein Anlass zur Annahme, er sei vor dem Verlassen seines Heimatstaates als regimefeindliche Person registriert worden. Demzufolge sei auch nicht davon auszugehen, dass er nach seiner Ankunft in der Schweiz unter spezieller
Beobachtung seitens der äthiopischen Behörden gestanden habe. Die blosse Mitgliedschaft in der AES, einem Verein mit Sitz in Genf, führe zu keiner Verfolgung durch die äthiopischen Behörden. Diese Vereinigung betätige sich hier vorwiegend kulturell und bezeichne sich selbst als politisch unabhängig. Es handle sich also nicht um eine eigentliche exilpolitische Oppositionspartei. Zudem könne den Akten kein Hinweis entnommen werden, dass die äthiopischen Behörden von seiner Mitgliedschaft bei der AES/KINIJIT überhaupt Kenntnis genommen oder gar gestützt darauf irgendwelche Massnahmen zum Nachteil seiner Person eingeleitet hätten. Er habe sich zwar, wie viele seiner Landsleute, erwiesenermassen exilpolitisch betätigt. Die von ihm eingereichten Beweismittel - wie auch zahlreiche weitere, ähnlich dokumentierte Eingaben in anderen Verfahren - zeigten aber, dass allein in der Schweiz innert weniger Monate viele exilpolitische Anlässe stattfänden, von denen anschliessend oftmals gestellte Gruppenaufnahmen von nicht selten Hunderten von Teilnehmern in einschlägigen Medien publiziert würden. Vor diesem Hintergrund erscheine es aber unwahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden all diesen - oft nur schlecht erkennbaren - Gesichtern konkrete Namen zuordnen könnten. Selbst wenn die äthiopischen Behörden über die politischen Aktivitäten ihrer Staatsangehörigen im Ausland informiert wären, könnten sie angesichts der hohen Zahl der im Ausland lebenden äthiopischen Staatsangehörigen nicht jede einzelne Person überwachen und identifizieren. Zudem dürfte auch den äthiopischen Behörden bekannt sein, dass viele äthiopische Emigranten aus vorwiegend wirtschaftlichen Gründen versuchten, sich in Europa und speziell auch in der Schweiz vor oder nach Abschluss ihres Asylverfahrens ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erwirken, indem sie regimekritischen Aktivitäten (Teilnahme an Demonstrationen, Veröffentlichung von entsprechendem Bildund Textmaterial, und so weiter) nachgingen. Das Rundschreiben der äthiopischen „Direktion für Angelegenheiten von im Ausland lebenden Äthiopiern“ sowie die darin in Erinnerung gerufenen, bereits früher erlassenen Richtlinien seien ihm (dem BFM) bekannt, zumal diese Dokumente auf einschlägigen Seiten im Internet auffindbar seien. Die Direktion habe nach allgemein zugänglichen Informationen im Wesentlichen die Aufgabe, für eine bessere Vernetzung der etwa eine Million Menschen zählenden äthiopischen Diaspora mit dem Heimatland zu sorgen. Das erwähnte Rundschreiben und die Richtlinien bezweckten offensichtlich, die Loyalität und das Wählerpotenzial der im Ausland lebenden Äthiopier zugunsten der Regierung in der Heimat zu fördern und bestimmte Mitglieder der Exilopposition unter Anklage zu stellen.
Deshalb würden Auslandorganisationen angewiesen, extremistisch tätige Führer und Aktivisten oppositioneller Parteien der Zentrale zu melden. Sie würden aber nicht dazu aufgerufen, gegen die grosse Masse von exilpolitisch aktiven Personen vorzugehen und entsprechende Informationen zu sammeln. Vielmehr werde zwischen Personen, die ohne jede Toleranz Hasspolitik betrieben, und gemässigten Personen, mit denen der Dialog zu suchen sei, unterschieden. Die äthiopischen Behörden hätten nur dann ein Interesse an der Identifizierung einer Person, wenn deren Aktivitäten als konkrete Bedrohung für das politische System wahrgenommen würden. Vorliegend bestünden keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer in dieser besonderen Art und Weise betätigt und exponiert habe. Er gehöre mit Sicherheit nicht zur Zielgruppe des „harten Kerns“ von aktiven oppositionellen Äthiopiern im Ausland, für die sich die äthiopischen Behörden gemäss erwähnten Dokumenten interessierten.
In seiner Beschwerde hielt der Beschwerdeführer den Argumenten der Vorinstanz entgegen, die äthiopische Regierung wisse ganz genau über die Exilaktivitäten von äthiopischen Personen in der Schweiz Bescheid. Entgegen der Vorinstanz würden seines Erachtens die diesbezüglichen Anstrengungen der äthiopischen Regierung mit der Weisung des äthiopischen Aussenministeriums zusätzlich bestätigt. Die äthiopische Regierung gehe nicht nur gegen hochrangige Führungsmitglieder von politischen Parteien, sondern auch gegen einfache Mitglieder vor. Ihnen könne willkürliche Verhaftung, Folter und Misshandlungen drohen. Das äthiopische Regime sei bekannt dafür, dass es die Opposition mit allen Mitteln bekämpfe. Die Theorie der Vorinstanz, wonach exilpolitisch tätige Personen nur dann von den heimatlichen Behörden verfolgt würden, wenn diese von der Regierung als gefährlich eingestuft worden seien, sei vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Die Tatsache, dass die äthiopische Regierung seit kurzem LaisserPasser an äthiopische Personen ausstelle, bedeute nicht, dass diese ohne Gefahr ins Heimatland zurückkehren könnten. Vielmehr werde beabsichtigt gegen Personen, die die Interessen Äthiopiens verletzt hätten, ein Verfahren wegen Verrats et cetera anzustreben. Es handle sich dabei um Personen, die sich regimekritisch geäussert hätten und offenkundig gegen das Regime eingestellt seien. Seines Erachtens drohe ihm aufgrund seines Engagements unter anderem ein solches Verfahren. Auch sei zu berücksichtigen, dass seit einiger Zeit die Proteste der Exiläthiopier stark zugenommen hätten und dies dem Ansehen Äthiopiens schade. Die Regierung könnte deshalb durchaus die
Taktik verfolgen, eher eine durch Repression kontrollierbare Opposition im eigenen Land zu haben, als eine unkontrollierbare im Ausland.
Zur Stützung seiner Vorbringen reichte der Beschwerdeführer zwei Fotografien einer KINIJIT-Veranstaltung vom 24. März 2007 ein.
Vorliegend ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch sein Verhalten nach der Ausreise aus dem Heimatland, namentlich wegen der geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten in der Schweiz, befürchten muss, einer zukünftigen Verfolgung seitens der äthiopischen Behörden ausgesetzt zu sein und er aus diesem Grunde die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfüllt.
Subjektive Nachfluchtgründe sind dann anzunehmen, wenn eine asylsuchende Person erst durch die unerlaubte Ausreise aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat oder wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise eine Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG zu befürchten hat. Als subjektive Nachfluchtgründe gelten insbesondere unerwünschte exilpolitische Betätigungen, illegales Verlassen des Heimatlandes (sog. Republikflucht) oder Einreichung eines Asylgesuches im Ausland, wenn sie die Gefahr einer zukünftigen Verfolgung begründen. Personen mit subjektiven Nachfluchtgründen erhalten zwar kein Asyl, werden jedoch als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2000 Nr. 16 E. 5a S. 141 f., mit weiteren Hinweisen).
Den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts zufolge ist davon auszugehen, dass die äthiopischen Sicherheitsbehörden die Aktivitäten der jeweiligen Exilgemeinschaften relativ intensiv überwachen und diese ausserdem in elektronischen Datenbanken registrieren. Unter diesen Umständen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Ausland agierende Personen, welche erkennbar in der KINIJIT aktiv waren oder auch nur mit ihr sympathisieren, individuell identifiziert werden könnten und im Falle einer Zwangsrückschaffung dem äthiopischen Sicherheitsdienst am Flughafen bekannt würden. Es dürfte davon auszugehen sein, dass die äthiopischen Sicherheitsorgane eine zwangsweise aus dem Ausland zurückgeführte Person, die Anhänger oder Mitglied der KINIJIT war oder noch ist, nach wie vor als zu verfolgenden Gegner der Regierung ansehen würden, solange von dieser Person vor ihrer Ausreise aus dem jeweiligen Gastland kein eindeutiges Bekenntnis zur verfassungsmässigen Ordnung Äthiopiens und eine klare Abkehr von der bisherigen Politik der KINIJIT vorliegt. Angesichts der 2007 in Äthiopien erfolgten Amnestie von einigen Mitgliedern der CUDP und der nicht unerschöpflichen Ressourcen des äthiopischen Nachrichtendienstes mag sich die Frage nach der aktuellen Überwachungsdichte in der Schweiz stellen, welche indes in casu offenbleiben kann. Denn der Umstand einer allfälligen Überwachung exilpolitischer Tätigkeiten durch das äthiopische Regime reicht für sich allein genommen nicht aus, um eine begründete Verfolgungsfurcht glaubhaft zu machen. Vielmehr müssen zusätzliche, konkrete Anhaltspunkte - nicht lediglich die abstrakte oder rein theoretische Möglichkeit - dafür vorliegen, dass ein exilpolitisch aktiver Äthiopier tatsächlich das Interesse der äthiopischen Behörden auf sich gezogen hat respektive als regimefeindliche Person namentlich identifiziert und registriert wurde. Wie nachfolgend dargelegt, bestehen derartige konkrete Hinweise vorliegend nicht.
Mit dem Entscheid der ARK vom 31. Oktober 1996 wurde rechtskräftig festgestellt, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung durch die heimatlichen Behörden glaubhaft machen konnte. Auch wurde in diesem Urteil festgestellt, der Beschwerdeführer habe nicht in glaubhafter Weise darzulegen vermocht, dass er jemals eine oppositionelle Haltung gegenüber der Regierung ernsthaft manifestiert habe. Es ist somit nicht davon auszugehen, dass er bereits vor seiner Ausreise ein politisches Bewusstsein entwickelt hatte. Vor diesem Hintergrund kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er bereits vor dem Verlassen seines Heimatlandes als regimefeindliche Person beim äthiopischen Regime registriert war und überwacht wurde. Daraus kann zwar nicht zwingend auf ein fehlendes Interesse des Staates an seiner politischen Exilaktivität geschlossen werden. Jedoch kann es durchaus als erster Hinweis für die Unwahrscheinlichkeit des staatlichen Interesses an der Exilaktivität des Beschwerdeführers gewertet werden, welche es wie nachstehend zu konkretisieren gilt.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zwar geltend machte, er nehme seit Jahren regelmässig an Demonstrationen und politischen Diskussionen teil und sei seit 1997 aktives Mitglied der AES und seit 2006 der KINIJIT. Den Beweismitteln ist dies jedoch nicht zu entnehmen. Die Schreiben der AES und der KINIJIT datieren vom
14. September beziehungsweise vom 3. Oktober 2006 und enthalten kein Eintrittsdatum in die Organisation. Die Demonstrationen, von denen Fotos eingereicht wurden, haben erst ab Ende 2006 stattgefunden. Die vom Beschwerdeführer selber verfasste Liste, in der geltend gemacht wird, er sei bereits seit dem Jahre 2003 politisch aktiv, lässt sich durch die Akten nicht belegen und hat als reine Parteibehauptung keinen Beweiswert. Demnach ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer erstmals im Jahre 2006 exilpolitisch aktiv wurde. Dass er sich ab diesem Zeitpunkt durch die - aus der geringen Anzahl der eingereichten Fotografien zu schliessen - sporadische Teilnahme an Kundgebungen politisch engagierte, ist unbestritten und durch die eingereichten Fotografien dokumentiert, auf welchen er zu erkennen ist. Allerdings geht aus den Aussagen des Beschwerdeführers nicht hervor, dass er im Zusammenhang mit seinen politischen Aktivitäten irgendwo namentlich erwähnt wurde. Auch ist den Akten nicht zu entnehmen, dass er sich bei diesen Kundgebungen besonders und über das Mass der anderen Kundgebungsteilnehmer exponiert oder eine Führungsposition inne gehabt hätte. Insbesondere aufgrund der eingereichten Fotografien ist nicht von einer führenden Rolle des Beschwerdeführers und insgesamt von einem eher wenig ausgeprägten politischen Profil auszugehen. An der Anhörung am 9. März 2007 gab er denn auch an, an der Organisation solcher Veranstaltungen lediglich zum Beispiel durch das Weiterleiten von Informationen beteiligt gewesen zu sein. Zu seiner Motivation und dem Inhalt seiner exilpolitischen Aktivitäten konnte er nur vage und allgemeine Auskünfte geben. Den Namen der AES gab er gar falsch an, indem er geltend machte, bei der EMAS Mitglied zu sein. Somit ist insgesamt nicht davon auszugehen, sein politisches Engagement ginge sehr weit. An dieser Tatsache ändert auch das Schreiben der AES nichts, welches vage und allgemein gehalten darauf hinweist, der Beschwerdeführer falle bei der Organisation von Demonstrationen, Protesten und Diskussionen durch seine Entschlossenheit auf. Aufgrund des sehr schwachen politischen Profils, das der Beschwerdeführer insgesamt aufweist, muss dies als Gefälligkeitsschreiben qualifiziert werden. Es liegen sodann keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er von allenfalls an den Kundgebungen beziehungsweise den Versammlungen anwesenden Spitzeln des äthiopischen Regimes identifiziert und in der Folge registriert worden wäre. Daran vermögen auch die in den Schreiben des Präsidenten der KINIJIT geäusserte Befürchtung, die Aktivitäten des Beschwerdeführers sowie seine Mitgliedschaft in der KINIJIT dürfte den Agenten des äthiopischen Regimes in der Schweiz bekannt sein beziehungsweise er stehe auf einer schwarzen Liste, aus den oben genannten Gründen nichts zu ändern. Insbesondere ist erneut darauf hinzuweisen, dass
der Beschwerdeführer seine Identität bisher nicht mit rechtsgenüglichen Dokumenten untermauern konnte, sondern lediglich Kopien von Schuldokumenten einreichte und dies erst am 30. Dezember 2008. Deshalb erscheint es auch fraglich, ob er tatsächlich unter seiner wahren Identität auftritt und politisch aktiv ist. Zuletzt gilt es anzumerken, dass die letzte aktenkundige politische Betätigung des Beschwerdeführers am 24. März 2007 stattgefunden hat.
Insgesamt erscheint es daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - ungeachtet möglicher Überwachungsaktivitäten der äthiopischen Behörden - angesichts der sehr bescheidenen Quantität und Qualität seiner exilpolitischen Aktivitäten überwiegend unwahrscheinlich, dass die Behörden davon Kenntnis erlangt und ihn namentlich identifiziert und registriert haben. Der Beschwerdeführer hätte demnach bei einer Rückkehr nach Äthiopien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung zu gewärtigen. Es fehlen denn auch jegliche Hinweise, dass gegen ihn aufgrund seiner exilpolitischen Aktivität in Äthiopien ein Strafverfahren eingeleitet worden wäre. Selbst wenn die exilpolitischen Aktivitäten des Beschwerdeführers den äthiopischen Behörden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt werden sollten, so erscheint es angesichts der eher bescheidenen Qualität und Quantität seines Engagements als unwahrscheinlich, dass er deswegen bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung zu gewärtigen hätte.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe nicht geeignet sind, eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsfurcht zu begründen. Das Bundesamt hat die Flüchtlingseigenschaft demnach zu Recht verneint.
In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob das BFM den Wegweisungsvollzug zu Recht angeordnet hat.
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG, SR 142.20]).
Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder in einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen (vgl. MARIO GATTIKER, Das Asylund Wegweisungsverfahren, 3. Aufl., Bern 1999, S. 89). Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann das in Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulements im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Äthiopien ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung nach Äthiopien dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde
(vgl. EMARK 2001 Nr. 16 S. 122, mit weiteren Hinweisen; EGMR, Bensaid gegen Grossbritannien, Urteil vom 6. Februar 2001, Recueil des arrêts et décisions 2001-I, S. 327 ff.). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in Äthiopien lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt klarerweise nicht als unzulässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002 3818).
In Äthiopien herrscht zurzeit keine Situation allgemeiner Gewalt, weshalb in konstanter Praxis von der generellen Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs nach Äthiopien ausgegangen wird (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts D-5356/2006 vom 8. Juni 2009 sowie D-3894/2006 vom 25. September 2008, D-5060/2007 vom 30. November 2007; EMARK 1998 Nr. 22). Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Äthiopien und Eritrea am 12. Dezember 2000 kam es zwar zu sporadischem Wiederaufflackern des Grenzkonfliktes; immerhin scheinen aber sowohl Äthiopien als auch Eritrea den Schiedsspruch der hierfür eingesetzten internationalen Kommission, welcher am 13. April 2002 ergangen ist, grundsätzlich zu akzeptieren, und ein erneuter offener Ausbruch des Konflikts konnte bis heute erfolgreich verhindert werden. Aufgrund der allgemeinen Lage in Äthiopien kann somit nicht von einer konkreten Gefährdung des Beschwerdeführers ausgegangen werden.
Vorliegend sind den Akten keine Anhaltspunkte für individuelle Unzumutbarkeitsindizien zu entnehmen. Es ist nicht in Abrede zu stellen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat aufgrund seiner mehrjährigen Landesabwesenheit mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert werden könnte. Indes hat der - soweit den Akten zu entnehmen ist - gesunde Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise im Jahre 1995 mit einem Unterbruch von 5 Jahren, mithin
28 Jahre, in seinem Heimatstaat gelebt. Sodann verfügt er über eine zwölfjährige Schulbildung sowie ein weiterführendes fünfjähriges Studium am politischen Wissenschafts-College in Y. ____. Auch konnte er sich im Heimatland Berufserfahrungen als Lagerist und Händler aneignen und ist in der Schweiz im Gastronomiebereich tätig. Gemäss seinen Angaben leben seine Mutter sowie mehrere Geschwister in Äthiopien und weitere Geschwister in Amerika. Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland über ein soziales Beziehungsnetz verfügt, welches ihm eine Reintegration erleichtern kann. Zudem kann es den in Amerika lebenden Geschwistern zugemutet werden, den Beschwerdeführer finanziell zu unterstützen. Blosse soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten, von denen die ansässige Bevölkerung im Allgemeinen betroffen ist, genügen nicht, um eine Gefahr im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG darzustellen (vgl. die weiterhin zutreffende Praxis der ARK in EMARK 2005 Nr. 24 E. 10.1. S. 215).
Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch als zumutbar.
Insgesamt ist die durch die Vorinstanz verfügte Wegweisung zu bestätigen. Die Vorinstanz hat deren Vollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich erachtet. Nach dem Gesagten fällt eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 5 VwVG) und auf insgesamt Fr. 600.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008
über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Das in der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG ist abzuweisen, da der Beschwerdeführer seit dem
14. November 2007 einer Erwerbstätigkeit nachgeht. (Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Das Gesuch im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG wird abgewiesen. Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an:
die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers (Einschreiben; Beilage: Einzahlungsschein)
das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. N (...) (per Kurier; in Kopie)
- B._______ (in Kopie)
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Nina Spälti Giannakitsas Sara Steiner
Versand:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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