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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-1620/2006

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-1620/2006
Datum:22.06.2009
Leitsatz/Stichwort:Mehrwertsteuer
Schlagwörter : Vorsteuer; Beschwerde; Beschwerdeführerin; MWSTG; Forderung; Forderung; Steuer; SchKG; Einsprache; Verfahren; Lassverfahren; Dividende; Lassvertrag; Entgelt; Vorsteuerabzug; Vorsteueranspruch; Verrechnung; Steuerforderung; Gläubiger; Antrag; Höhe; Vorsteuern; Zeitpunkt; Einspracheentscheid; Abrechnung; Schätzung; Sistierung; Entscheid; Forderungen
Rechtsnorm: Art. 21 KG ; Art. 213 KG ; Art. 29 BV ; Art. 29 MWSTG ; Art. 29 KG ; Art. 294 KG ; Art. 297 KG ; Art. 298 KG ; Art. 30 KG ; Art. 31 KG ; Art. 310 KG ; Art. 317 KG ; Art. 321 KG ; Art. 33 MWSTG ; Art. 33 VwVG ; Art. 38 MWSTG ; Art. 43 MWSTG ; Art. 44 MWSTG ; Art. 46 MWSTG ; Art. 49 VwVG ; Art. 63 MWSTG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ; Art. 69 MWSTG ;
Referenz BGE:119 II 386; 122 II 221; 123 II 1; 127 I 54; 129 III 559; 129 V 389; 130 V 90; 131 I 153; 131 II 200; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-1620/200 6

U r t e i l  v o m  2 2.  J u n i  2 0 0 9

Besetzung

Parteien

Gegenstand

Richterin Salome Zimmermann (Vorsitz),

Richter Thomas Stadelmann, Richter Pascal Mollard, Gerichtsschreiberin Sonja Bossart.

X._______ AG in Nachlassliquidation, ..., vertreten durch ...,

Beschwerdeführerin, gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV), Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Mehrwertsteuer (4. Quartal 2001).

Feststellung der Vorsteuern bzw. der Reduktion nach Art. 40 MWSTG im Nachlassverfahren; Verrechnung (Art. 297 Abs. 4 i.V.m. Art. 213 SchKG).

Sachverhalt:

A.

Die X. AG ist seit dem 1. Januar 1995 als Steuerpflichtige im Register der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) eingetragen. Mit Verfügung des Nachlassrichters vom 19. Dezember 2001 wurde ihr die provisorische und am 15. Februar 2002 die definitive Nachlassstundung gewährt. Am 8. März 2002 wurden die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen per 19. Dezember 2001 anzumelden. Auf Aufforderung der ESTV deklarierte die Steuerpflichtige für die Zeit vom

  1. Oktober bis 19. Dezember 2001 geschuldete Mehrwertsteuern von Fr. ... und ein Vorsteuerguthaben von Fr. .... Daraufhin korrigierte die ESTV eine frühere, auf einer Schätzung des steuerbaren Umsatzes beruhende Forderungseingabe im Nachlassverfahren auf Fr. .... Darin enthalten war (neben einer hier nicht interessierenden Forderung betreffend das 3. Quartal 2001) die Forderung der ESTV aufgrund der deklarierten Steuer für die Zeit vom 1. Oktober bis 19. Dezember 2001 von Fr. .... Die in der Abrechnung für diesen Zeitraum geltend gemachten Vorsteuern wurden von der ESTV nicht berücksichtigt. Dies begründete sie in einem Schreiben vom 16. April 2002 damit, dass solche Rechnungen im Nachlassverfahren erfahrungsgemäss nicht beglichen würden und deswegen eine Korrektur im Sinn von Art. 40 des Mehrwertsteuergesetzes vom 2. September 1999 (MWSTG, SR 641.20) vorzunehmen sei. Diese Reduktion umfasse hier den gesamten geltend gemachten Vorsteuerbetrag. Sollte sich im Verlauf des Nachlassverfahrens ergeben, dass die Lieferanten ganz oder zum Teil bezahlt wurden, könne im Rahmen dieser Bezahlung wiederum eine Korrektur erfolgen.

Nachdem die Steuerpflichtige Belege für die Bezahlung eines Teils der geltend gemachten Vorsteuern beibrachte (Schreiben vom 30. Mai und

  1. Juli 2002), stellte die ESTV eine Gutschrift über Fr. ....-- aus und reduzierte die Forderungseingabe auf Fr. ....

    B.

    Am 20. August 2002 bestätigte das zuständige Gericht den Nachlassvertrag mit (vollständiger) Vermögensabtretung im Sinn von Art. 317 ff. des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG, SR 281.1). Wie der Liquidator am 7. November 2003 informierte, sollte gemäss Kollokationsplan auf Drittklassforderungen eine Abschlagszahlung von 33% ausgerichtet werden. Am 23. Januar

    2004 ersuchte die Steuerpflichtige (vertreten durch den Liquidator) die ESTV um eine Bestätigung, wonach ihr für die mit den Abschlagszahlungen (33%) sowie der Schlusszahlung bezahlten Vorsteuern ein Rückforderungsrecht zustehe. Die ESTV wurde um einen Vorschlag zur Berechnung des Vorsteueranspruchs (Problem der "Zirkelrechnung") gebeten. Ebenfalls wurde eine Bestätigung verlangt, dass erst mit den (künftigen) Abschlagsbzw. der Schlusszahlung der Rückforderungsanspruch betreffend die darauf anfallenden Vorsteuern entstehe, weswegen eine Verrechnung durch die ESTV mit ihrer Steuerforderung gestützt auf Art. 297 Abs. 4 SchKG ausgeschlossen sei.

    Die ESTV teilte mit Schreiben vom 26. April 2004 (und vom 2. Juli und

  2. August 2004) mit, dass die Dividendenzahlungen durch den Nachlassschuldner diesen nicht zum Abzug von Vorsteuern berechtigten. Diese Haltung bestätigte sie mit Entscheid vom 4. April 2005, worin sie (neben anderen, vorliegend nicht interessierenden Punkten) feststellte, die Steuerpflichtige habe keinen Anspruch auf den Vorsteuerabzug von Fr. ... (Ziff. 1 des Dispositivs).

Dagegen erhob die X. AG in Nachlassliquidation (vertreten durch den Liquidator) am 22. April 2005 Einsprache. Sie beantragte insbesondere (soweit hier interessierend), es sei festzustellen, dass ihr aus der Abschlagszahlung vom Dezember 2003 in Bezug auf die (teilweise) Bezahlung von mehrwertsteuerrelevanten Forderungen ein Anspruch auf eine (zusätzliche) Vorsteuer von Fr. ... zuzüglich Zins zustehe und ebenso eine Vorsteuer aus allfälligen weiteren Abschlagszahlungen. Weiter sei festzustellen, dass die ESTV diesen Vorsteueranspruch nicht mit ihrer Nachlassforderung verrechnen könne und die Vorsteuerforderung auszubezahlen habe.

C.

Mit Einspracheentscheid vom 9. Juni 2006 wurde die Einsprache abgewiesen und (nebst vorliegend nicht Streitgegenstand bildenden Punkten) erkannt, die Einsprecherin schulde der ESTV unter Berücksichtigung der Nachlassdividende an die nebst der ESTV bestehenden Gläubiger per 19. Dezember 2001 Fr. ... (Ziff. 1 und 2 des Dispositivs). Zur Begründung führte die ESTV im Wesentlichen das Folgende aus:

Die Einsprecherin rechne nach vereinbarten Entgelten ab, weswegen der Vorsteueranspruch gemäss Art. 38 Abs. 7 Bst. a MWSTG am Ende der Abrechnungsperiode entstanden sei, in welcher sie die Rechnungen erhalten habe. Komme es wie vorliegend zu einer Nachlassstundung, stehe fest, dass nicht mehr alle vorsteuerbelasteten Forderungen beglichen würden. Entgegen Art. 40 MWSTG habe die Einsprecherin in der Abrechnung betreffend 1. Oktober bis 19. Dezember 2001 jedoch den vollen Vorsteuerabzug geltend gemacht.

Die in Rechnung gestellte Vorsteuer könne abgezogen werden, soweit mit einer Dividende im Nachlassverfahren mehrwertsteuerbelastete Forderungen getilgt würden. Bei der Berechnung des Vorsteuerabzugs bzw. der Korrektur der geltend gemachten Vorsteuern nach Art. 40 MWSTG ergebe sich ein Zirkelschluss, weil Dividendenzahlungen Einfluss auf den Vorsteueranspruch und ein solcher wiederum Einfluss auf die Aktiven bzw. Passiven des Nachlasses und die Dividendenzahlungen habe. Aufgrund dieser Problematik habe auf das Datum der Genehmigung des Nachlassvertrags eine Schätzung der Vorsteuerkorrektur nach Art. 40 MWSTG zu erfolgen. Es stehe zwar auch dann noch nicht definitiv fest, wie hoch die Dividenden auf den noch offenen Lieferantenforderungen sein werden, diese könnten jedoch geschätzt werden. Würde eine solche Schätzung unterbleiben, stünde ein Teil der Mehrwertsteuerforderung der ESTV bis am Schluss des Verfahrens nicht fest, was Art. 69 Abs. 2 MWSTG zuwiderlaufen würde.

Gestützt namentlich auf die vom Liquidator am 13. August 2003 geschätzte Nachlassdividende von 34-45%, die bereits geleisteten Abschlagszahlungen von 33% und die Schätzung der Schlussdividende von 5-10% könne für die Schätzung des Vorsteuerabzugsrechts eine Gesamtdividende von 35% angenommen werden. Damit ergebe sich ein zu berücksichtigender Vorsteuerbetrag in Höhe von Fr. ... (35% des maximal möglichen Vorsteuerbetrags von Fr. ...). Der Forderungsbetrag der ESTV per 19. Dezember 2001 belaufe sich damit auf Fr. ... (Steuerforderung der ESTV von Fr. ... minus die Vorsteuern von Fr. ...).

In Ziff. 2 der Anträge verlange die Einsprecherin, es sei festzustellen, dass ihr auch auf allfälligen weiteren Abschlagszahlungen oder aus einer Schlusszahlung auf mehrwertsteuerrelevanten Forderungen ein Anspruch auf eine entsprechende Vorsteuer zustehe. Dem sei nicht so. Die ESTV sei bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung gezwungen, die durch die Gesamtdividende betroffenen Vorsteuern zu schätzen. Die einzelnen Abschlagszahlungen führten demnach nicht mehr zu einer Korrektur.

Schliesslich sei der Anspruch auf Vorsteuerabzug als unter den Nachlassvertrag fallend einzureihen und Art. 297 Abs. 4 SchKG i.V.m. Art. 213 Abs. 2 SchKG hinderten die Verrechnung nicht.

D.

Dagegen lässt die X. AG in Nachlassliquidation (Beschwerdeführerin) vertreten durch den Liquidator am 12. Juli 2006 Beschwerde an die Eidgenössische Steuerrekurskommission (SRK) einreichen. Sie beantragt (neben Eventualanträgen) im Hauptantrag unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu ihren Gunsten die Aufhebung von Ziff. 1 und 2 des Dispositivs des Entscheids und die Rückweisung der Sache an die ESTV zur Neubeurteilung der Vorsteuer bzw. der Mehrwertsteuerschuld - gestützt auf die tatsächlich von der Beschwerdeführerin schon geleistete und die noch zu leistende, gesamte Nachlassdividende - zum Zeitpunkt, in welchem sämtliche Aktiven und Passiven der Nachlassmasse ausser der Forderung der ESTV bekannt sind (Antrag 1a). Es sei zudem festzustellen, dass der ESTV in Bezug auf die der Beschwerdeführerin zustehende Vorsteuer kein Verrechnungsrecht hinsichtlich der Mehrwertsteuerforderung per 19. Dezember 2001 zustehe und die Vorsteuer der Beschwerdeführerin bar auszuzahlen sei (Antrag 1b).

Die Beschwerdeführerin rügt (im Hinblick auf Antrag 1a), dass die ESTV den Vorsteuerabzug unzulässigerweise geschätzt habe. Die Ansicht der ESTV, dass im Fall des Nachlassverfahrens zum Zeitpunkt der Genehmigung des Nachlassvertrags eine Schätzung der Vorsteuern anhand der mutmasslichen Schlussdividende vorzunehmen sei und die Schätzung endgültig sei, sei willkürlich und ungesetzlich und verletze Art. 38 MWSTG, weil weder die Aktiven noch die Passiven zu diesem Zeitpunkt genau feststünden. Erst am Schluss des Nachlassverfahrens, im Zeitpunkt der Schlussdividende, stehe fest, in welchem Umfang die Gläubiger befriedigt werden und damit auch die Höhe des Vorsteuerabzugsrechts. Es treffe zu, dass die Berechnung der Vorsteuer zu einem Zirkelschluss führe. Zahle die Beschwerdeführerin eine Dividende, erhöhe sich der Vorsteuerabzug, was wiederum zu einem höheren Nettovermögen der Nachlassmasse führe und weitere Dividendenzahlungen ermögliche. Dieses technische Probleme lasse sich aber mit den heutigen informationstechnischen Mitteln ("Annäherungsrechnung" bzw. "Iteration") lösen.

Zur Begründung von Antrag 1b wird ausgeführt, die Mehrwertsteuerforderung der ESTV sei vor dem 19. Dezember 2001 entstanden und eine Nachlassforderung; das Vorsteuerguthaben der Beschwerdeführerin hingegen sei danach entstanden und eine Masseforderung. Die Verrechnung der ESTV verstosse damit gegen Art. 213 Abs. 2 i.V.m. Art 297 Abs. 4 SchKG.

E.

Mit Vernehmlassung vom 29. September 2006 beantragt die ESTV (neben einem Eventualantrag), die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen. Daneben sei festzustellen, dass die ESTV allenfalls eine Anpassung ihrer Forderung gestützt auf den Ausgang eines (näher bezeichneten) bei ihr hängigen Verfahrens vornehmen könne.

F.

Am 17. Januar 2008 teilt die ESTV dem Bundesverwaltungsgericht mit, die Beschwerdeführerin habe ihr mit Schreiben vom 9. Januar 2008 Dokumente zugestellt, wonach eine weitere Abschlagszahlung von 9% erfolgen könne. Die ESTV sei in ihrer Vernehmlassung von einer Gesamtdividende im Umfang von 35% ausgegangen. Gemäss der neuen Sachlage müsse diese auf 42% (erste Abschlagszahlung von 33% plus zweite von 9%) erhöht und die Berechnung unter Ziff. 6.3 des Einspracheentscheid angepasst werden.

Weiter empfahl die ESTV in einem Schreiben vom 22. Juli 2008 der Beschwerdeführerin für den Fall, dass sie noch eine die Berechnung der ESTV massgeblich beeinflussende Schlussdividende erwarten sollte, die diesbezüglichen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten mit dem Bundesverwaltungsgericht abzuklären.

Mit Eingabe vom 30. September 2008 macht die Beschwerdeführerin auf verschiedene neue Sachumstände aufmerksam, so die (bereits in der Eingabe der ESTV vom 17. Januar 2008 erwähnte) zweite Abschlagszahlung von 9%, die per dato an sämtliche Gläubiger erfolgt sei. Damit seien bisher Dividendenzahlungen von insgesamt 42% erfolgt, was substantiell über der Schätzung der ESTV im Einspracheentscheid von 35% liege. Da noch zwei Aktivprozesse und passivseitig das vorliegende Verfahren hängig seien, könne die Schlussbzw. Gesamtdividende im heutigen Zeitpunkt noch nicht verlässlich geschätzt werden. Dies zeige, dass eine Schätzung der Gesamtdividende, wie sie die ESTV vorgenommen habe, unzulässig und falsch sei.

G.

Von der mit Schreiben vom 24. April 2009 gewährten Gelegenheit zur Einreichung einer Kostennote macht die Beschwerdeführerin bzw. deren Vertreter keinen Gebrauch.

H.

Auf die weiteren Begründungen in den Eingaben der Parteien wird - soweit entscheidrelevant - im Rahmen der Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

Auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer konnten Einspracheentscheide der ESTV nach Art. 65 MWSTG mit Beschwerde bei der SRK angefochten werden. Die SRK ist per 31. Dezember 2006 aufgelöst worden und das Bundesverwaltungsgericht hat am 1. Januar 2007 unter Übernahme der bei der SRK hängigen Fälle seine Tätigkeit aufgenommen. Gemäss Art. 31 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG, SR 173.32) beurteilt dieses Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben ist. Im Bereich der Mehrwertsteuer liegt eine solche Ausnahme nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Es wendet das neue Verfahrensrecht an (Art. 53 Abs. 2 VGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

    1. Die Entstehung der Steuerforderung der ESTV sowie des Anspruchs auf Vorsteuerabzug des Steuerpflichtigen hängen davon ab, ob nach vereinbarten Entgelten (Normalfall) oder nach vereinnahmten Entgelten (Ausnahme) abgerechnet wird (vgl. Art. 44 MWSTG).

      Im Fall der Abrechnung nach vereinbarten Entgelten entsteht die Steuerforderung mit der Rechnungsstellung, welche spätestens drei Monate nach der Erbringung der Lieferung oder Dienstleistung zu erfolgen hat (Art. 43 Abs. 1 Bst. a Ziff. 1 MWSTG) bzw. bei Umsätzen, die zu aufeinander folgenden Teilrechnungen oder Teilzahlungen Anlass geben, mit der Ausgabe der Teilrechnung oder mit der Vereinnahmung der Teilzahlung (Art. 43 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2 MWSTG) bzw. bei

      Vorauszahlungen sowie bei Lieferungen und Dienstleistungen ohne oder mit verspäteter Rechnungsstellung mit der Vereinnahmung des Entgelts (Art. 43 Abs. 1 Bst. a Ziff. 3 MWSTG). Im Fall der Abrechnung nach vereinnahmten Entgelten entsteht die Steuerforderung mit der Vereinnahmung des Entgelts (Art. 43 Abs. 1 Bst. b MWSTG). Die Regelung für den Zeitpunkt, in welchem der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden kann, steht hierzu in Korrelation. Bei der Abrechnung nach vereinbarten Entgelten entsteht der Anspruch auf Abzug der Steuer auf den Eingangsleistungen am Ende derjenigen Abrechnungsperiode, in der der Steuerpflichtige die Rechnung erhält, bei Abrechnung nach vereinnahmten Entgelten am Ende der Periode, in welcher er die Rechnung bezahlt hat (Art. 38 Abs. 7 Bst. a MWSTG; zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 2A.220/2003 vom 11. Februar 2004

      E. 2.2.1; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer] A-1530/2006 vom 18. März 2008 E. 2.3; A-1581/2006 vom 23. Juni 2008 E. 5.2).

    2. Die Steuer wird vom Entgelt berechnet (Art. 33 Abs. 1 MWSTG). Die Vorsteuer ihrerseits kann in der Höhe geltend gemacht werden, in der sie vom Leistungserbringer in Rechnung gestellt wurde (Art. 38 Abs. 1 Bst. a MWSTG). Im Fall einer Minderung des fakturierten bzw. vereinbarten Entgelts sind beim Leistungserbringer und beim Leistungsempfänger folgende Korrekturen vorzunehmen:

      1. Ist das vom Empfänger bezahlte Entgelt niedriger als das vereinbarte (Herabsetzung durch Skonto, Preisnachlass, Verlust usw.) oder werden vereinnahmte Entgelte zurückerstattet (namentlich Rückerstattung wegen Rückgängigmachung der Lieferung, nachträglich gewährte Rabatte, Rückvergütungen usw.), so kann der Leistungserbringer in der Abrechnung über die Periode, in der die Entgeltsminderung verbucht oder die Rückvergütung ausgerichtet wurde, einen Abzug vom steuerbaren Umsatz vornehmen (Art. 44 Abs. 2 MWSTG).

      2. Als Gegenstück zu Art. 44 Abs. 2 MWSTG sieht Art 40 MWSTG für den Vorsteuerabzug auf Seiten des Leistungsempfängers im Fall von Entgeltsminderungen (in dieser Konstellation auch Aufwandminderung genannt) vor, dass die Vorsteuer in der Abrechnung über die Periode, in der die Entgeltsminderung eintritt, herabzusetzen ist. Der Steuerpflichtige ist aufgrund dieser Bestimmung gehalten, den Abzug der durch die Entgeltsminderung oder Rückerstattung kleiner gewordenen Vorsteuer entsprechend zu korrigieren (Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 28. August 1996 zur

        Parlamentarischen Initiative "Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer" [Dettling], BBl 1996 V 713 ff. [Bericht WAK], S. 778; MICHAELA MERZ,

        mwst.com, Kommentar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Basel 2000 [mwst.com], N. 5 zu Art. 40).

        Die Entgeltsminderungen im Sinn von Art. 40 MWSTG sind grundsätzlich gleich zu definieren wie jene auf der Umsatzseite nach Art. 44 Abs. 2 MWSTG (vgl. Entscheid der SRK vom 3. Juni 2005, Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 69.127 E. 2b/aa; ALOIS CAMENZIND/NIKLAUS HONAUER/KLAUS A. VALLENDER, Handbuch zum Mehr-

        wertsteuergesetz [MWSTG], Bern 2003, 2. Aufl., Rz. 1433). Solche treten insbesondere bei Uneinbringlichkeit der Forderung aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder Konkurs des Schuldners ein (Urteil des Bundesgerichts 2A.220/2003 vom 11. Februar 2004, E. 3.4; Urteil des BVGer A-1348/2006 vom 30. Mai 2007 E. 3.2). In einem solchen Fall sind allfällig geltend gemachte Vorsteuerabzüge zu korrigieren und von der ESTV in ihrer Forderungseingabe zu berücksichtigen (CAMENZIND/ HONAUER/VALLENDER, a.a.O., Rz. 1436).

      3. Bei Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Art. 40 MWSTG entsteht die Steuerforderung der ESTV im Zeitpunkt, in dem die Minderung oder Rückvergütung des Entgelts erfolgt (Art. 43 Abs. 4 MWSTG).

3.

    1. Das Verfahren vor der ESTV wie auch jenes vor dem Bundesverwaltungsgericht wird von der Untersuchungsmaxime beherrscht. Danach muss die entscheidende Behörde den rechtlich relevanten Sachverhalt von sich aus abklären und darüber ordnungsgemäss Beweis führen. Hat eine der Untersuchungsmaxime unterworfene Behörde den Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt oder hat sie dies nur unvollständig getan, so bildet das einen Beschwerdegrund nach Art. 49 Bst. b VwVG (statt vieler: Urteile des BVGer A-1624/2006 vom 4. November 2008 E. 1.3; A-3069/2007 vom 29. Januar 2008 E. 1.2; ANDRÉ

      MOSER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, Rz. 1.49 ff.). Der Untersuchungsgrundsatz wird jedoch durch die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen bzw. das Selbstveranlagungsprinzip relativiert (statt vieler: Urteile des BVGer A-1624/2006 vom 4. November 2008 E. 1.4; A-3069/2007 vom 29. Januar 2008 E. 1.2).

    2. Aus dem Gebot der Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) folgt der Anspruch des Betroffenen, erhebliche Beweise beizubringen und Beweisanträge zu erheblichen Tatsachen zu stellen bzw. an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken (BGE 127 I 54 E. 2b). Es besteht ein Anspruch auf Abnahme der von ihm angebotenen Beweise, soweit diese erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich beweisuntauglich sind (statt vieler: BGE 131 I 153 E. 3; vgl. auch Art. 33 Abs. 1 VwVG).

    3. Eine Verfahrenssistierung muss durch zureichende Gründe gerechtfertigt sein, andernfalls von einer mit dem Beschleunigungsgebot von Art. 29 Abs. 1 BV nicht zu vereinbarenden Rechtsverzögerung auszugehen wäre (BGE 130 V 90 E. 5; BGE 119 II 386 E. 1a). Als Sistierungsgrund anerkannt ist die Hängigkeit eines anderen Verfahrens, dessen Ausgang für das zu sistierende von präjudizieller Bedeutung ist (BGE 123 II 1 E. 2b; 122 II 211 E. 3e). Eine Sistierung ist auch zulässig, wenn sie aus anderen wichtigen Gründen als geboten erscheint und ihr keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen (MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 3.15 mit Hinweis).

4.

Vorliegend wurde der Beschwerdeführerin am 19. Dezember 2001 vom Nachlassrichter die Nachlassstundung gewährt (Art. 295 SchKG). In der Folge kam mit den Gläubigern ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Art. 317 ff. SchKG) zustande, welcher vom Richter am

20. August 2002 bestätigt wurde (Art. 310 SchKG). Die Steuerpflicht der Beschwerdeführerin endet erst mit Abschluss des Liquidationsverfahrens (Art. 29 Bst. a MWSTG). Im Folgenden ist der Einfachheit halber generell von der (steuerpflichtigen) "Beschwerdeführerin" die Rede, auch wenn die entsprechenden Handlungen (vgl. Art. 298 und 319 SchKG: beschränkte bzw. aufgehobene Verfügungsbefugnis) der Sachwalter bzw. Liquidator vornahm.

Strittig ist vorliegend, in welcher Höhe die Beschwerdeführerin Vorsteuern auf Lieferantenrechnungen, die aus der Zeit vor der Nachlassstundung vom 19. Dezember 2001 stammen und zu diesem Zeitpunkt noch nicht bezahlt waren, zum Abzug bringen kann. Zur Diskussion steht ein total fakturierter (maximal möglicher) Vorsteuerbetrag von Fr. ... (vgl. Beschwerde S. 10 Ziff. 30, Einspracheentscheid S. 20). Umstritten ist, welcher Teil dieser Vorsteuern aufgrund der teilweisen

Bezahlung der Lieferantenrechnungen durch Abschlagsbzw. Dividendenzahlungen im Nachlassverfahren noch geltend gemacht werden kann und wie (und wann) dieser zu bestimmen ist.

Nachdem die ESTV im (Erst-)Entscheid vom 4. April 2005 einen Anspruch auf Vorsteuerabzug noch ganz verneint hatte (vgl. Dispositiv Ziff. 1, Ziff. 3.7 der Begründung), hat sie im Einspracheentscheid eingeräumt, dass ein Vorsteuerabzugsrecht der Beschwerdeführerin grundsätzlich besteht, soweit die vorsteuerbelasteten Kreditorenrechnungen im Nachlassverfahren noch bezahlt werden. Sie hat deswegen die Gesamtdividende geschätzt (auf 35%) und entsprechend einen Vorsteueranspruch von Fr. ... (35% von Fr. ...) anerkannt, welchen sie von ihrer Steuerforderung abgezogen hat (vgl. Einspracheentscheid S. 20 f.; vorn Bst. C). Die Beschwerdeführerin bestreitet die Zulässigkeit einer Schätzung der Vorsteuern in grundsätzlicher Hinsicht sowie der Höhe nach (zur Frage der Verrechnung später E. 5 und 6).

    1. Vorab ist in Bezug auf den Vorsteueranspruch der Beschwerdeführerin per 19. Dezember 2001 und dessen Entstehung Folgendes festzuhalten:

      1. Die Beschwerdeführerin rechnete nach vereinbartem Entgelt ab. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug entstand deswegen gemäss Art. 38 Abs. 7 Bst. a MWSTG am Ende der Abrechnungsperiode, in welcher sie die Rechnungen erhalten hat (vorn E. 2.1). Der fragliche Vorsteuerbetrag von Fr. ... wurde unbestrittenermassen mit vor dem 19. Dezember 2001 (Stundungsbewilligung) erhaltenen Rechnungen fakturiert und der Vorsteueranspruch ist vor diesem Datum entstanden. Die Beschwerdeführerin hat diese Vorsteuern in der Abrechnung per

        1. Dezember 2001 denn auch bereits deklariert (in einem etwas geringeren Betrag, vgl. vorn Bst. A, was hier nicht relevant ist).

      2. Aufgrund des Nachlassverfahrens trat sodann, was an sich unbestritten ist, ein Fall von Art. 40 MWSTG ein (s.a. E. 2.2.2). Zeitpunkt der Entgeltsminderung nach Art. 40 MWSTG und damit auch der Entstehung der Steuerforderung der ESTV gemäss Art. 43 Abs. 4 MWSTG (E. 2.2.3) ist (spätestens) jener der Bewilligung der Stundung nach Art. 294 f. SchKG am 19. Dezember 2001, denn dann ist (jedenfalls beim vorliegenden Liquidationsvergleich nach Art. 317 ff. SchKG) offensichtlich, dass die offenen Lieferantenrechnung nicht vollumfänglich beglichen werden können (vgl. auch CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER, a.a.O., Rz. 1437). In ihrer Abrechnung per 19. Dezember 2001 hätte

        die Beschwerdeführerin, was aus Art. 40 MWSTG wie auch aus dem Selbstveranlagungsprinzip (vgl. Art. 46 f. MWSTG) abzuleiten ist, die von ihr zuvor bzw. in der selben Abrechnung geltend gemachten Vorsteuern wieder herabzusetzen gehabt (vorn E. 2.2.2).

      3. Unzutreffend ist der Standpunkt der Beschwerdeführerin (Beschwerde S. 22), ihr Anspruch auf Vorsteuerabzug entstehe erst mit den Dividendenzahlungen (woraus sie gestützt auf Art. 297 Abs. 4 SchKG die Unzulässigkeit der Verrechnung durch die ESTV ableiten will, hierzu später E. 5). Dies widerspräche der Regelung in Art. 38 Abs. 7 Bst. a MWSTG, wonach bei Abrechnung nach vereinbarten Entgelten für die Entstehung der Vorsteuerforderung nicht der Zeitpunkt der Zahlung sondern jener des Eingangs der Rechnungen massgeblich ist. Vorliegend ist deswegen der Anspruch auf Vorsteuerabzug vor der Nachlassstundung entstanden (E. 4.1.1 f.). Daran ändert die Nachlassstundung nichts, sie bewirkt bloss eine Minderung des Vorsteueranspruchs gestützt auf Art. 40 MWSTG (E. 4.1.2); hingegen bewirkt sie nicht dessen Untergang und folglich kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bei Zahlung der Dividenden auch kein neuer Vorsteueranspruch entstehen. Die Dividendenzahlungen sind nur bedeutsam für die Höhe des Vorsteueranspruchs, genauer für die Höhe der Minderung nach Art. 40 MWSTG, nicht aber für den Zeitpunkt der Entstehung der Vorsteuerforderung. Das Gesagte gälte auch unter der von der ESTV im Entscheid vom 4. April 2005 (Ziff. 2.2, 3.7) noch getroffenen und (entsprechend) in der Beschwerde (vgl. S. 22 Ziff. 87 f.) angesprochenen Annahme, aufgrund des Nachlassverfahrens sei die deklarierte Vorsteuer gestützt auf Art. 40 MWSTG vollumfänglich zu kürzen und allenfalls - wie die ESTV in einem Schreiben vom 16. April 2002 (act. 10) in Aussicht stellte - später erneut geltend zu machen, falls und soweit die Lieferanten im Nachlassverfahren doch noch bezahlt würden. Auch unter dieser Annahme (welche vorliegend, da im Einspracheentscheid nicht mehr verfolgt, ansonsten nicht weiter zu prüfen ist) wäre der Vorsteuerabzug durch die Nachlassstundung nicht vollständig untergegangen und deswegen auch nicht anlässlich der Dividendenzahlungen neu entstanden.

    1. Die Beschwerdeführerin wehrt sich gegen die im Einspracheentscheid vertretene Ansicht der ESTV, zum Zeitpunkt der Genehmigung des Nachlassvertrags sei eine (definitive) Schätzung des Vorsteueranspruchs bzw. der Reduktion nach Art. 40 MWSTG vorzunehmen. Sie ist der Auffassung, es seien sämtliche bisherigen und künftigen Dividendenzahlungen für die Berechnung des abziehbaren Vorsteuerbetrags zu berücksichtigen bzw. die Vorsteuer sei zum Zeitpunkt, in welchem sämtliche Aktiven und Passiven der Nachlassmasse ausser der Forderung der ESTV bekannt seien, zu beurteilen (vgl. Antrag 1a und Rz. 60 der Beschwerde).

      Ein solches Vorgehen scheint die ESTV anders als im Einspracheentscheid in der Vernehmlassung nicht mehr auszuschliessen. Sie wiederholt zwar, dass betreffend die Höhe der zu erwartenden Gesamtdividende "per Nachlassstundungsdatum" eine Schätzung getroffen werden müsse. Sie hält aber (neu) dafür, diese Schätzung habe zeitlich spätestens nach Bekanntsein sämtlicher Aktiven und Passiven der Nachlassmasse sowie vor Erstellung der Verteilungsliste zu erfolgen. Zudem ergänzt sie, wenn ein steuerpflichtiger Schuldner eine von der ESTV geschätzte Forderung bestreite und erwarte, dass sich Aktiven oder Passiven noch stark veränderten, es an ihm läge, die Einsprache gegen die Schätzung zusätzlich mit einem Antrag auf Sistierung, bis die Aktiven und Passiven der Nachlassmasse definitiv feststehen, zu versehen (S. 12 Vernehmlassung). Die ESTV schliesst damit nicht mehr aus, dass das Verfahren - gestützt auf ein entsprechendes Gesuch - bis zum Feststehen der Nachlassmasse (ausser der Steuerforderung der ESTV) sistiert und das Vorsteuerguthaben erst dann festgelegt werden könnte.

      1. Ein förmliches Sistierungsbegehren hat die Beschwerdeführerin im Verfahren vor der ESTV nicht gestellt. Sie hat aber konsequent vorgebracht, dass sich bis zum Abschluss des Nachlassverfahrens noch Änderungen in der Höhe des Vorsteueranspruchs ergeben können, welchen ihrer Ansicht nach Rechnung getragen werden müsse. Entsprechend hat sie in der Einsprache (wie schon in vorgängigen Schreiben an die ESTV) die Feststellung beantragt, dass ihr aus weiteren Abschlagszahlungen oder aus einer Schlussdividende noch weitere Vorsteueransprüche zustehen (Antrag 2 der Einsprache, welcher von der ESTV abgewiesen wurde: vgl. S. 22 Einspracheentscheid). Unter diesen Umständen erübrigte sich ein Sistierungsantrag, weil bei Gutheissung dieses Antrags dasselbe Ergebnis erzielt worden wäre wie mit einer Sistierung. Das Gleiche gilt, sofern dieser nicht ohnehin als Sistierungsantrag qualifiziert werden könnte, für den Antrag 1a der Beschwerde. Der Hinweis der ESTV auf den fehlenden Sistierungsantrag (Vernehmlassung S. 12) ist somit sowohl für das Verfahren vor der ESTV als auch für das Beschwerdeverfahren nicht stichhaltig.

        Im Folgenden ist vorab zu prüfen, ob die ESTV berechtigt oder sogar, wie sie im Einspracheentscheid noch vertritt, gezwungen war, bereits in einem frühen Stadium des Nachlassverfahrens einen - mit Rechtskraft verbindlichen und definitiven - Entscheid über die Höhe des (zu schätzenden) Vorsteueranspruchs der Beschwerdeführerin zu erlassen (sogleich E. 4.2.2). Sodann ist angesichts der erwähnten Anträge der Beschwerdeführerin zu untersuchen, ob die ESTV vielmehr ihr Verfahren hätte sistieren müssen und ob eine Sistierung auch im jetzigen Zeitpunkt noch gewährt werden kann (E. 4.2.3).

      2. Wie erläutert ist der Vorsteueranspruch der Beschwerdeführerin mit Eingang der Rechnungen entstanden, und sie hat die gesamten Vorsteuern auf den noch nicht bezahlten Rechnungen in der Abrechnung per 19. Dezember 2001 auch deklariert (E. 4.1.1). Hingegen hat sie trotz Eintritts eines Anwendungsfalls von Art. 40 MWSTG anlässlich der Nachlassstundung die Vorsteuern pflichtwidrigerweise nicht nach Art. 40 MWSTG herabgesetzt (E. 4.1.2). Zur Geltendmachung ihrer Forderung im Sinn von Art. 40 MWSTG (hierzu E. 4.1.2) und, da diese der Höhe nach bestritten war, zum Erlass eines entsprechenden Entscheids (vgl. Art. 63 Abs. 1 Bst. c MWSTG) war die ESTV damit grundsätzlich berechtigt. Auch aus Art. 69 Abs. 2 MWSTG, wonach eine bestrittene Steuerforderung im Kollokationsplan nicht definitiv eingereiht werden darf, wenn über sie noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, folgt, dass zumindest irgendwann im Verlauf des Nachlassverfahrens ein Entscheid über die Steuerforderung (unter Berücksichtigung der Vorsteuern) ergehen muss (vgl. JÜRG WERNLI, mwst.com, a.a.O., Rz. 25 zu Art. 69; Bericht WAK, a.a.O., S. 792). Art. 69 Abs. 2 MWSTG sagt aber (wie Art. 63 Abs. 1 Bst. c MWSTG) nichts darüber aus, wann die ESTV diesen Entscheid treffen musste oder durfte.

        Die Festlegung der zum Abzug zuzulassenden Vorsteuern durch die ESTV war zudem nötig, weil sie ihre Steuerforderung im Nachlassverfahren einzugeben hatte. Hierzu wurden die Gläubiger am 8. März 2002 aufgefordert (vgl. act. 6). Die bei diesem Schuldenruf nach Art. 300 SchKG gesetzte Frist ist zwar nicht zwingend, denn es können bis zum Ende des Verfahrens (bis zur Verteilung des Liquidationserlöses) noch Eingaben gemacht werden (vgl. Art. 251 i.V.m. Art. 321 Abs. 2 SchKG; ALEXANDER VOLLMAR, Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 1998 [im Folgenden: Komm. SchKG], N. 9 zu Art. 300). Die nicht rechtzeitige Eingabe hat aber trotzdem negative Konsequenzen (vgl. hierzu

        Art. 300 Abs. 1 und Art. 306 SchKG), weswegen die ESTV ein Interesse hatte, die Eingabe fristgerecht zu machen. Anlässlich dieser Forderungseingabe hatte die ESTV auch die geltend gemachten Vorsteuern abzüglich der Herabsetzung nach Art. 40 MWSTG zu berücksichtigen, wobei diese in diesem Zeitpunkt offensichtlich nur geschätzt werden konnten (hierzu auch später E. 4.2.5). Auch zum Zweck der Forderungseingabe war der Erlass eines Entscheids aber noch nicht zwingend. Die ESTV hätte damit zuwarten bzw. das Verfahren sistieren und trotzdem ihre Forderung im Nachlass eingeben können.

        Es ergibt sich, dass die ESTV nicht gezwungen war, bereits in einem frühen Stadium des Nachlassverfahrens einen Entscheid über die Höhe des Vorsteueranspruchs zu erlassen. Weder Art. 69 Abs. 2 MWSTG noch die Tatsache, dass die ESTV eine Forderungseingabe im Nachlassverfahren machen musste, standen einer Sistierung entgegen. Selbstverständlich hindert beides auch nicht eine Sistierung im jetzigen Zeitpunkt.

      3. Demnach ist zu prüfen, ob die ESTV das Verfahren hätte sistieren müssen und ob einer Sistierung im Sinn von Antrag 1a der Beschwerde aktuell noch stattgegeben werden kann.

        1. Die Höhe des Vorsteueranspruchs der Beschwerdeführerin (unter Herabsetzung nach Art. 40 MWSTG) hängt davon ab, in welchem Umfang die vorsteuerbelasteten Lieferantenrechnungen im Nachlassverfahren noch beglichen werden, mithin von der Höhe der Dividendenzahlungen an die Gläubiger. Die Höhe der gesamten Dividende steht jedoch erst am Ende des Nachlassverfahrens fest (vgl. HANS ULRICH HARDMEIER, Komm. SchKG, a.a.O., N. 4 zu Art. 318), insbe-

          sondere müssen noch hängige Aktivund Passivprozesse abgeschlossen sein. In solchen anlässlich des Einspracheentscheids und soweit bekannt auch aktuell noch bestehenden (vgl. vorn Bst. F) Prozessen kann ohne Weiteres ein wichtiger Grund für eine Sistierung gesehen werden (vgl. E. 3.3), da sie nach dem Gesagten den Umfang des Vorsteueranspruchs beeinflussen. Es bestand damit zur Zeit des Einspracheverfahrens (und soweit bekannt auch aktuell noch) ein erhebliches Interesse der Beschwerdeführerin bzw. der Nachlassmasse und damit auch aller anderen Nachlassgläubiger an der Sistierung und dem Zuwarten mit einem Entscheid bis zum Abschluss der (abgesehen vom vorliegenden) hängigen Verfahren bzw. bis alle (übrigen) Aktiven und Passiven des Nachlasses feststehen. Dann kann der zu Recht bestehende Vorsteueranspruch zwar immer noch nicht genau (aufgrund des Zirkelschlusses, vgl. unten E. 4.2.5), aber doch am präzisesten berechnet werden. Demgegenüber ist kein gegen eine Sistierung sprechender Grund und insbesondere kein Interesse der ESTV an einer Beschleunigung des Verfahrens ersichtlich (vgl. E. 3.3); so beinhaltet der Zeitablauf angesichts des Nachlassverfahrens, in welchem die Gleichbehandlung aller (Drittklass-)Gläubiger sichergestellt wird, kein sich vergrösserndes Risiko, dass die Steuerforderung nicht mehr durchgesetzt werden kann.

        2. Eine Sistierung war und ist aus weiteren Gründen geboten. Das Verfahren vor der ESTV wie auch jenes vor dem Bundesverwal-

          tungsgericht untersteht der Untersuchungsmaxime (vorn E. 3.1). Auch

          eine Schätzung, die voraussetzt, dass der Sachverhalt ungewiss ist, darf die Behörde im Prinzip erst dann vornehmen, wenn sie alle zur Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts geeigneten und ihr zumutbaren Untersuchungsmassnahmen vorgenommen hat und sich die Ungewissheit im Sachverhalt dennoch nicht beseitigen lässt (vgl. MARTIN ZWEIFEL, Die Sachverhaltsermittlung im Steuerveranlagungsverfahren, Zürich 1989, S. 129). Die Relativierung des Untersuchungsgrundsatzes durch Mitwirkungspflichten bzw. das Selbstveranlagungsprinzip (vorn E. 3.1) ist vorliegend nicht von Belang. Die bestehende Unklarheit im Sachverhalt, nämlich die Höhe der abziehbaren Vorsteuern aufgrund der - künftigen - Bezahlung von Lieferantenrechnungen, beruht auf von der Beschwerdeführerin nicht beeinflussbaren, dem Nachlassverfahren inne wohnenden Gründen (siehe E. 4.2.3.1); entsprechend ist auch die unterlassene Deklaration der Reduktion nach Art. 40 MWSTG (E. 4.1.2) hierzu nicht ursächlich. Neben dem Untersuchungsgrundsatz ist auch das Recht auf Beibringung von Beweisen, auf Beweisanträge und Beweisabnahme - immer sofern erhebliche Tatsachen zur Diskussion stehen - betroffen (vorn E. 3.2). Dieser Anspruch besteht im Entscheid-, Einspracheund Beschwerdeverfahren gleichermassen, der Beweis der Unrichtigkeit einer Schätzung der ESTV ist jederzeit möglich (statt vieler: Urteile des BVGer A-1379/2006 vom 10. September 2007 E. 2.6.1; A-1376/2006 vom

          1. November 2007 E. 2.1 f., je mit Hinweisen).

          Vorliegend sind der Ausgang des Nachlassverfahrens (Bestimmung der Aktiven und Passiven) und die resultierenden Abschlagsbzw. Dividendenzahlungen entscheidrelevant, da dadurch die Höhe des Vorsteueranspruchs massgeblich beeinflusst wird (vorn E. 4.2.3.1). Es bestand (und besteht) aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes grundsätzlich eine Pflicht zur Abklärung dieses rechtserheblichen Sachverhalts, was nur durch eine Sistierung möglich war und ist. Zudem hat die Beschwerdeführerin den Beweis dieser erheblichen Tatsachen angeboten, worauf die ESTV nicht eingegangen ist (hierzu E. 4.2.1). Dadurch verunmöglichte sie die Beibringung bzw. verweigerte die Abnahme entscheidrelevanter Beweise, denn diese können vor Erledigung der Aktivund Passivprozesse gar nicht erbracht werden. Folglich hätte sich aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes und des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Verfahren vor der ESTV eine Sistierung aufgedrängt. Das selbe kann in Bezug auf das vorliegende Verfahrensstadium gesagt werden.

      4. Demnach ist Beschwerdeantrag 1a (weitgehend, vgl. sogleich

        E. 4.2.5 in fine) gutzuheissen. Die Sache ist zum neuen Entscheid über die Höhe des Vorsteueranspruchs an die ESTV zurückzuweisen. Dabei hat die ESTV der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben, die aktuelle Sachlage darzustellen, ihr Verfahren - falls noch verlangt und erforderlich - zu sistieren, bis die noch hängigen Prozesse (ausser des vorliegenden) erledigt sind (vgl. E. 4.2.3.1) und das Ergebnis des Nachlassverfahrens entsprechend zu berücksichtigen.

      5. Was die Eruierung des Vorsteueranspruchs durch die ESTV im zweiten Rechtsgang anbelangt, ist festzuhalten, dass eine effektive Berechnung beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung in keinem Zeitpunkt möglich ist, auch nicht nach Erledigung der hängigen Aktivund Passivprozesse (ausser dem vorliegenden). Die Höhe des Vorsteueranspruchs hängt wie erläutert von der Höhe der gesamten Nachlassdividende ab. Diese wiederum wird aber auch von der Höhe der vorliegend zu beurteilenden Steuerforderung bzw. des Vorsteueranspruchs der Beschwerdeführerin beeinflusst und kann damit vor Abschluss des vorliegenden Verfahrens gar nicht bekannt sein (siehe ausführlich S. 11 f. Vernehmlassung; vgl. zum von den Parteien erwähnten "Zirkelschluss": Beschwerde S. 13, Einspracheentscheid

        S. 18, vorn Bst. C, D). Deswegen muss die ESTV zwangsläufig zu einer Schätzungsmethode oder einer Methode zur annäherungsweisen Ermittlung greifen. Das in der Beschwerde erwähnte Verfahren der "Iteration" ist dabei allenfalls eine Möglichkeit, es wurde aber nicht dargelegt und ist nicht anzunehmen, dass dies die einzige sachgerechte

        Möglichkeit wäre. Die Wahl einer sachgerechten Methode ist der ESTV im zweiten Rechtsgang zu überlassen.

        Ferner kann deswegen dem Beschwerdeantrag 1a insoweit nicht stattgegeben werden, als verlangt wird, die Vorsteuer bzw. die Mehrwertsteuerschuld sei "gestützt auf die tatsächlich von der Beschwerdeführerin schon geleistete und die noch zu leistende, gesamte Nachlassdividende" festzulegen; Letzteres ist gar nicht möglich.

      6. Schliesslich rechtfertigen sich folgende Bemerkungen zu verschiedenen Vorbringen der Parteien:

        1. Angesichts der (weitgehenden) Gutheissung des Beschwerdeantrags 1a braucht zum Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. Ziff. 31 der Beschwerde) aufgrund des gegenüber dem Erstentscheid neuen Standpunkts im Einspracheentscheid, die Vorsteuer sei zu schätzen, nicht Stellung genommen zu werden.

        2. Wegen der Rückweisung an die ESTV erübrigt sich ein Eingehen auf ihren Antrag in der Vernehmlassung, es sei festzustellen, dass sie gestützt auf den Ausgang des bei ihr von der Beschwerdeführerin am 21. Juni 2006 anhängig gemachten - näher bezeichneten - Verfahrens allenfalls eine Anpassung ihrer Forderung vornehmen könne. Die ESTV ist angesichts vorstehenden Ergebnisses berechtigt und verpflichtet, im Rahmen ihres neuen Entscheids der aktuellen Sachlage Rechnung zu tragen, wozu auch die Konsequenzen aus dem genannten Verfahren gehören. Zudem geht aus dem Schreiben des Liquidators vom 9. Januar 2008 (Gläubigerzirkular Nr. 8, Beilage Nr. 4 zur Eingabe der Beschwerdeführerin vom 30. September 2008) hervor, dass die ESTV mit in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 30. November 2006 festgestellt habe, dass die Mehrwertsteuerpflicht betreffend fraglichen Vergleichsbetrag nicht die Nachlassmasse der Beschwerdeführerin treffe. Soweit diese Angaben zutreffen, wäre der Antrag der ESTV ohnehin gegenstandslos geworden.

        3. Ebensowenig ist zu entscheiden, inwiefern die von der ESTV im Einspracheentscheid getroffene Schätzung im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch hätte angepasst werden können, wenn entgegen dem Vorstehenden die Sistierung nicht zu gewähren gewesen wäre. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass eine Anpassung aufgrund neuer Erkenntnisse im Nachlassverfahren (vgl. vorn Bst. F; Schreiben der ESTV vom 17. Januar 2008), nämlich der mittlerweile ausgerichte-

ten Dividendenzahlungen von 42%, die einiges über der Schätzung der Gesamtdividende durch die ESTV liegen, ohne Weiteres möglich gewesen wäre, da vom Bundesverwaltungsgericht neue Sachverhaltsumstände berücksichtigt werden können (vgl. MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 2.204 ff.). Dies räumt auch die ESTV im erwähnten Schreiben vom 17. Januar 2008 ein. Die Beschwerde wäre auch deswegen gutzuheissen gewesen, was aber aufgrund des vorstehenden Ausgangs nicht mehr relevant ist.

5.

Die Beschwerdeführerin macht sodann geltend, ihr Anspruch auf Vorsteuerabzug sei als Masseforderung zu qualifizieren und gestützt auf Art. 297 Abs. 4 i.V.m. Art. 213 SchKG dürfe die ESTV ihre Steuerforderung (ohne Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs) nicht mit dem Vorsteueranspruch verrechnen (Antrag 1b und S. 22 f. Beschwerde).

Vorab ist zu bemerken, das Antrag 1b als Feststellungsbegehren formuliert ist. Vorliegend ist aber ein Feststellungsentscheid aufgrund seiner Subsidiarität gegenüber Gestaltungsund Leistungsentscheiden nicht zulässig (vgl. etwa Urteil des Bundesgerichts 2A.150/2001 vom

13. Februar 2002 E. 2b). Das fragliche Begehren kann aber - zumal in Antrag 1a die Aufhebung von Ziff. 1 und 2 des Dispositivs des Einspracheentscheides beantragt wird - in dem Sinn entgegen genommen werden, dass Ziff. 2 des Einspracheentscheides aufzuheben sei, soweit die ESTV darin die Steuerforderung mit dem Vorsteuerguthaben verrechnet hat.

    1. Für die Verrechenbarkeit von Forderungen während der Nachlassstundung gelten gemäss Art. 297 Abs. 4 SchKG (für alle Arten des Nachlassvertrags) die konkursrechtlichen Regeln in Art. 213 f. SchKG, wobei als Stichtag statt der Konkurseröffnung die Bekanntmachung der Stundung gilt.

      Art. 213 Abs. 1 SchKG statuiert den Grundsatz, dass ein Konkursgläubiger (hier Nachlassgläubiger) seine Forderung mit einer Forderung des Schuldners ihm gegenüber verrechnen kann. Verboten ist die Verrechnung aber insbesondere, wenn der Gläubiger erst nach Konkurseröffnung (hier nach Bewilligung der Stundung) Schuldner des Konkursiten bzw. der Konkursmasse (hier des Nachlassschuldners bzw. der Nachlassmasse) wird (Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG). Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt der Entstehung (und nicht etwa der Fälligkeit) der Forderung. Die Verrechnung ist nur bezüglich Forderungen ausgeschlossen, deren Rechtsgrund auf Tatsachen beruht, die in die Zeit nach der Konkurseröffnung (Nachlasstundung) fallen (BGE 122 II 221 E. 4; 117 III 25 E. 3b).

    2. Es wurde bereits erläutert (E. 4.1), dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Vorsteuerabzug mit Erhalt der Rechnungen und damit vor der Bewilligung der Nachlassstundung entstanden ist. Auch die Steuerforderung der ESTV ist vor Gewährung der Stundung entstanden (E. 4.1) bzw. beruht im Sinn der soeben (E. 5.1) zitierten Rechtsprechung auf Tatsachen, welche vor Bewilligung der Nachlassstundung gegeben waren. Dies trifft sowohl auf die Umsatzsteuerforderung der ESTV zu als auch auf ihre Forderung aufgrund der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Art. 40 MWSTG. Das Verrechnungsverbot im Sinn von Art. 297 Abs. 4 i.V.m. Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG greift damit nicht. Die weiteren Voraussetzungen der Verrechenbarkeit (vgl. etwa Urteil des BVGer A-1662/2006 vom 14. Januar 2009 E. 3) werden im Übrigen nicht bestritten. Die ESTV war damit grundsätzlich zur Verrechnung befugt.

    3. Ferner dringt das Argument der Beschwerdeführerin nicht durch, es bestehe (betreffend die Verrechnung im Konkurs bzw. Nachlassverfahren) eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach vereinnahmten Entgelten abrechnenden Steuerpflichtigen, weil bei diesen der Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Bezahlung der Rechnungen, also mit den Dividendenzahlungen, entstanden wäre (S. 23 f. Beschwerde). Vorab kann auf die Ausführungen in der Vernehmlassung (S. 10 f.) verwiesen werden, wonach gemäss Verwaltungspraxis bei nach vereinnahmten Entgelten Abrechnenden bei Konkurs und Nachlass auf die Abrechnungsart nach vereinbarten Entgelten umgestellt werde, womit es zu keiner unterschiedlichen Behandlung käme. Zudem läge selbst ohne solchen Wechsel der Abrechnungsart kein Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot vor. Dieses verlangt lediglich, dass "Gleiches" nach Massgabe seiner Gleichheit gleich zu behandeln ist (siehe ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, Rz. 495 ff.). In diesem Sinn identisch zu behandelnde Sachverhalte sind bei verschieden abrechnenden Steuerpflichtigen nicht vorhanden. Die ungleiche Behandlung beruhte auf effektiv unterschiedlichen Gegebenheiten, nämlich der unterschiedlichen Abrechnungsart und den daraus fliessenden Konsequenzen für die Entstehung des Vorsteuerabzugsanspruchs wie auch der Steuerforderung der ESTV (hierzu E. 2.1).

6.

Als Nächstes stellt sich aber die Frage, ob die ESTV ihre gesamte Umsatzsteuerforderung oder nur die ihr im Rahmen des vorliegenden Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung zufallende Dividende (bzw. den aus der Liquidation gedeckten Forderungsbetrag) mit dem Vorsteuerguthaben der Beschwerdeführerin verrechnen kann.

Diese Problematik wird zwar von der Beschwerdeführerin nicht angesprochen. Das Bundesverwaltungsgericht kann jedoch aufgrund des Grundsatzes der Rechtsanwendung von Amtes wegen die Beschwerde bzw. den fraglichen Antrag 1b auch aus anderen als den vorgebrachten Gründen (teilweise) gutheissen (MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 1.54). Da die Beschwerdeführerin mit dem Antrag 1b der ESTV das Verrechnungsrecht ganz abspricht, wird im Folgenden auch nicht etwa der Streitgegenstand ausgeweitet, denn dieser ergibt sich aus der beantragten Rechtsfolge und nicht aus der Begründung des Antrags (BGE 131 II 200 E. 3.3; Urteil des Bundesgerichts 2C_642/2007 vom 3. März 2008 E. 2.2).

    1. Der Nachlassvertrag wird gemäss Art. 310 Abs. 1 SchKG mit der Bestätigung durch den Richter für alle Gläubiger (eine Ausnahme besteht nur für Pfandgläubiger) verbindlich, deren Forderungen vor Bekanntmachung der Stundung oder seither ohne Zustimmung des Sachwalters entstanden sind. Dies gilt auch für bestrittene Forderungen, für Forderungen von Gläubigern, die dem Vertrag nicht zugestimmt haben sowie zu spät oder gar nicht angemeldete Forderungen. In diesem Sinn unter den Nachlassvertrag fallen auch Steuerforderungen (BGE 129 V 389 E. 4.2; HARDMEIER, Komm. SchKG, a.a.O., N. 5 f.

      zu Art. 310; KURT AMONN/FRIDOLIN WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungsund Konkursrechts, 7. Aufl., Bern 2003, Rz. 4 zu § 55).

      Mit dem Nachlassvertrag (ausser dem Stundungsvergleich, wo alle Forderungen voll beglichen werden) ist ein - endgültiger - Verzicht der Gläubiger auf einen Teil der Forderung verbunden. Der Schuldner muss die Nachlassgläubiger nur noch soweit befriedigen, wie es der Nachlassvertrag festlegt. Die Forderungen der Gläubiger gehen im Umfang des Nachlasses, also bezüglich des die Dividende übersteigenden bzw. vom Erlös aus der Liquidation des abgetretenen Vermögens nicht gedeckten Teils der Forderung, unter. Anders als im Konkurs (wo die nicht gedeckten Forderungen nicht untergehen, vgl. etwa MARTIN ZWEIFEL/HUGO CASANOVA, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht,

      Direkte Steuern, 2008, S. 415 f.) werden keine Verlustscheine ausgestellt. All dies gilt auch für Steuerforderungen (HARDMEIER, Komm. SchKG, a.a.O., N. 1, 13 zu Art. 310 und N. 10 zu Art. 306; AMONN/ WALTER, a.a.O., Rz. 3 zu §55; MICHAEL BEUSCH, Zweifel/Athanas [Hrsg.], Bd. I/2b, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 2. Aufl. 2008,

      N. 20 zu Art. 167; ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 500 mit dem Vorbehalt der Geltendmachung gegenüber Mitverpflichteten gestützt auf Art. 303 SchKG).

      Für den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (sog. Liquidationsvergleich) gilt unter Vorbehalt des - hier nicht interessierenden - Falls, dass der Nachlassvertrag den Gläubigern im Sinn von Art. 318 Abs. 1 Ziff. 1 (2. Satzteil) SchKG ein Nachforderungsrecht einräumt (AMONN/ WALTHER, a.a.O., Rz. 42 zu § 55) nichts anderes: Die Gläubiger verzichten auf den bei der Liquidation bzw. durch den Erlös aus der Vermögensabtretung nicht gedeckten Forderungsbetrag (Art. 318 Abs. 1 Ziff. 1 [1. Satzteil] SchKG; vgl. auch BGE 129 III 559 E. 3.3). Der nicht gedeckte Teil der Forderung geht unter, es verbleibt keine Restschuld und die Gläubiger erhalten keine Verlustscheine (SYLVAIN MARCHAND, Yersin/Noël [Hrsg.], Commentaire romand, Impôt fédéral direct, Basel 2008, N. 1 f. zu Art. 310; AMONN/WALTHER, a.a.O., Rz. 26 zu §55;

      A. WINKELMANN/L. LÉVY/V. JEANNERET/O. MERKT/F. BIRCHLER, Komm. SchKG,

      a.a.O., Rz. 4 zu Art. 318).

    2. Diese Rechtslage zeitigt Folgen für die Verrechenbarkeit im Nachlassverfahren: Nach Publikation des Nachlassvertrags ist eine Verrechnung nur noch in Höhe der Dividende möglich, da die Forderungen des Gläubigers in dem die Dividende übersteigenden Betrag untergegangen ist (HARDMEIER, Komm. SchKG, a.a.O., N. 17 zu Art. 310). Diese auf den Dividendenvergleich bezogene Aussage muss auch für den Liquidationsvergleich gelten, da die Ausgangslage nach dem soeben Ausgeführten dieselbe ist. Nach Bestätigung des Nachlassvertrags und mithin nach Verbindlichkeit des darin enthaltenen Verzichts kann die Verrechnung nur noch für den Teil der Forderung möglich sein, welcher nicht aufgrund des Nachlasses untergegangen ist.

    3. Die Steuerforderung der ESTV (Steuer auf den Umsätzen), welche sie mit dem Vorsteuerguthaben der Beschwerdeführerin zur Verrechnung bringen will, ist unstrittigerweise vor der Bekanntmachung der Stundung entstanden. Der Nachlassvertrag wurde damit im Sinn von Art. 310 Abs. 1 SchKG mit der Bestätigung durch den Richter für die

ESTV und deren Steuerforderung verbindlich. Im vorliegenden Nachlassvertrag (vgl. act. 11 S. 1 unten) haben die Gläubiger auf die Nachforderung eines Ausfalls verzichtet, es wurden auch keine Nachforderungsrechte vorbehalten, wie dies gemäss Art. 318 Abs. 1 Ziff. 1 2. Satzteil SchKG möglich wäre. Es gilt damit das vorstehend Gesagte: Der Schuldner bzw. die Nachlassmasse muss aufgrund von Art. 310 Abs. 1 SchKG den Gläubigern nur noch das erbringen, was im Nachlassvertrag vorgesehen wurde. Der darüber hinausgehende, gemäss Nachlassvertrag nicht gedeckte Teil der Forderungen aller Gläubiger geht aufgrund des im Vertrag festgehaltenen Nachlasses bzw. Verzichts unter (E. 6.1). Nach Bestätigung des Nachlassvertrags durch den Richter können die untergegangen Teile der Forderungen der Gläubiger nicht mehr geltend gemacht und ebensowenig mit Schulden der Gläubiger verrechnet werden (E. 6.2).

Aus den Akten ergibt sich, dass die ESTV ihre Verrechnung erstmals im Einspracheentscheid, datierend aus dem Jahr 2006, und damit lange nach Bestätigung des Nachlassvertrags vom 20. August 2002 erklärt hat. Die Formulierung auf den verschiedenen Forderungseingaben der ESTV (vor Bewilligung des Vertrags) (vgl. act. 9, 10, 18), wonach "Verrechnungen mit Guthaben von anderen Bundesstellen ... ausdrücklich vorbehalten" bleiben, kann offensichtlich nicht als Verrechnungserklärung in Bezug auf das Vorsteuerguthaben interpretiert werden. Dass eine solche erst im Einspracheentscheid erfolgte, ist darauf zurückzuführen, dass die ESTV dort erstmals einen Vorsteueranspruch der Beschwerdeführerin anerkannt hat. Es ist jedoch festzuhalten, dass eine Verrechnung auch mit einer bestrittenen Forderung möglich ist und die ESTV die Verrechnungserklärung somit ohne Weiteres betreffend die von ihr bestrittene Vorsteuerforderung der Beschwerdeführerin hätte abgeben können (vgl. THEO GUHL/ALFRED KOLLER/ ANTON K. SCHNYDER/JEAN N. DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, S. 301 N. 15 ff.; EUGEN BUCHER, Schweizeri-

sches Obligationenrecht, 2. Aufl., Zürich 1988, S. 432 f.).

Die nach Publikation des Nachlassvertrags erklärte Verrechnung mit dem Vorsteuerguthaben der Beschwerdeführerin ist damit nur soweit zulässig, als der ESTV in Bezug auf ihre Umsatzsteuerforderung eine Dividende zusteht. Ihre Forderung im die Dividende übersteigenden Betrag ist im Zeitpunkt der Genehmigung des Nachlassvertrags untergegangen, womit sie nicht mehr geltend gemacht und auch nicht mehr zur Verrechnung gebracht werden kann (E. 6.2).

Das Ergebnis ist damit betragsmässig dasselbe, wie wenn der Argumentation der Beschwerdeführerin zur Begründung von Antrag 1b (E. 5) zu folgen gewesen wäre; in beiden Fällen kann die ESTV nur die ihr zugesprochene Dividende durchsetzen, nicht aber ihre ganze Steuerforderung. Antrag 1b der Beschwerde ist damit im Ergebnis - lediglich abgesehen von der beantragten Barauszahlung des Vorsteuerguthabens - gutzuheissen. Im zweiten Rechtsgang hat die ESTV das Vorsteuerguthaben festzustellen (E. 4.2.4 f.) und darf es nur mit ihrer aus dem Nachlass resultierenden Dividende betreffend die Umsatzsteuerforderung, und nicht mit dem ursprünglich eingegebenen Betrag, verrechnen.

7.

Die Beschwerde ist in ihren Hauptanträgen 1a und 1b im Sinn der Erwägungen weitgehend (betreffend Antrag 1a vgl. E. 4.2.5 in fine und betreffend Antrag 1b vgl. E. 6.3 in fine) gutzuheissen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin nach Art. 63 Abs. 1 VwVG keine Verfahrenskosten zu tragen. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 7'000.-- wird ihr zurückerstattet. Die Vorinstanz hat der obsiegenden Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 64 Abs. 1 und 2 VwVG; Art. 7 ff. des Reglements vom

21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Von der mit Schreiben vom 24. April 2009 gewährten Gelegenheit zur Einreichung einer Kostennote wurde kein Gebrauch gemacht. Die Parteientschädigung wird in Anwendung von Art. 14 Abs. 2 Satz 2 VGKE auf Fr. 10'000.-- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) festgesetzt.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und die Sache im Sinn der Erwägungen zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird sie abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 7'000.-- wird nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet.

3.

Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr.10'000.-- auszurichten.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. ...; Gerichtsurkunde)

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Salome Zimmermann Sonja Bossart

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).

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