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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-1541/2006

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts A-1541/2006

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-1541/2006
Datum:25.05.2008
Leitsatz/Stichwort:Mehrwertsteuer
Schlagwörter : Mehrwertsteuer; Gesellschaft; Verfahren; MWSTG; Einsprache; Bundesverwaltungsgericht; Mehrwertsteuerabrechnung; Quartal; Mehrwertsteuerabrechnungen; Verfahrens; Kollektivgesellschaft; Entscheid; Zahlung; Frist; Quot;; Mehrwertsteuerpflichtige; Handelsregister; Verwaltung; Verfahrenskosten; Löschung; Steuer; Verfügung; Einspracheverfahren; Einreichung; Parteien; Kantons; Mehrwertsteuerpflichtigen; Mehrwertsteuerbetrag
Rechtsnorm: Art. 17 MWSTG ;Art. 32 MWSTG ;Art. 46 MWSTG ;Art. 49 VwVG ;Art. 55 OR ;Art. 59 OR ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 68 MWSTG ;
Referenz BGE:81 II 361
Kommentar:
-, Kommentar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Art. 68 MWSTG, 2000

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-1541/200 6

{T 0/2}

U r t e i l  v o m  2 5.  M a i  2 0 0 8

Besetzung

Parteien

Gegenstand

Richterin Salome Zimmermann (Vorsitz),

Richter Pascal Mollard, Richter Daniel Riedo, Gerichtsschreiber Johannes Schöpf.

X._______, ..., Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung,

Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern

Vorinstanz.

Mehrwertsteuer (MWSTG; 4. Quartal 2004 und

  1. Quartal 2005).

    Sachverhalt:

    A.

    Die X._______ ist eine Kollektivgesellschaft, die im Jahr 1985 in das Handelsregister des Kantons A._______ eingetragen wurde. Als Gesellschaftszweck ist "Büro für Treuhand und Unternehmensberatung" angegeben. Der Gesellschafter B._______ und die Gesellschafterin C._______ zeichnen je mit Einzelunterschrift. Die X._______ war seit dem 1. Januar 1995 gestützt auf Art. 17 der Verordnung vom 22. Juni

    1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV, AS 1994 1464) bzw. Art. 21 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (MWSTG, SR 641.20) im von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) geführten Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen. Die Verwaltung hat der Gesellschaft am 6. Januar 1995 die Abrechnung der Mehrwertsteuer nach vereinnahmten Entgelten bewilligt.

    B.

    Die X._______ hat für die Abrechnungsperioden 4. Quartal 2004 und

    1. Quartal 2005 (Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 31. März 2005) trotz Mahnung ihre Mehrwertsteuerabrechnungen nicht eingereicht und keine Zahlungen geleistet. Daher nahm die ESTV eine Schätzung des erzielten Umsatzes mit Ergänzungsabrechnung (EA) Nr. ... vom 9. August 2005 vor und machte eine Mehrwertsteuerforderung von Fr. ... nebst Verzugszins geltend. Da die X._______ keine Zahlungen leistete, leitete die Verwaltung für diese Forderung die Betreibung ein (Zahlungsbefehl Nr. ... vom 22. September 2005 des Betreibungsamtes E._______). In Bestätigung ihrer Forderung und zur Beseitigung des von der Gesellschaft erhobenen Rechtsvorschlages erliess die ESTV am 18. Oktober 2005 einen (formellen) Entscheid nach Art. 63 MWSTG.

C.

Mit Verfügung vom 2. November 2005 hat der Konkursrichter des Bezirksgerichts D. _____ über die X._______ den Konkurs eröffnet. Das Obergericht des Kantons A._______ erkannte am 17. November 2005 dem gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs die aufschiebende Wirkung zu. In Gutheissung des Rekurses hat das Obergericht des Kantons A._______ mit Beschluss vom 22. Dezember 2005 die Verfügung des Konkursrichters des Bezirksgerichts

D. _____ vom 2. November 2005, mit der über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet wurde, aufgehoben.

Die fehlenden Mehrwertsteuerabrechnungen der X._______ für das 4. Quartal 2004 und 1. Quartal 2005, datiert vom 14. November 2005, sind am 15. November 2005 bei der ESTV eingegangen, welche diese als Einsprache entgegen nahm. Am 14. November 2005 leistete die X._______ der Verwaltung eine Zahlung von Fr. ..., die dem abgerechneten Mehrwertsteuerbetrag entsprach.

D.

Mit Einspracheentscheid vom 17. Januar 2006 hiess die ESTV die Einsprache gut und verpflichtete die X._______ für die Steuerperioden 4. Quartal 2004 und 1. Quartal 2005 (Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis

31. März 2005) zur Zahlung des Mehrwertsteuerbetrages von Fr. ... zuzüglich 5 % Verzugszins seit dem 16. April 2005. Die Zahlung von Fr.

... wurde an die Mehrwertsteuerschuld angerechnet und der Rechtsvorschlag gegen den Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes E._______ in diesem Betrag aufgehoben. Die ESTV behielt sich eine Kontrolle nach Art. 62 MWSTG vor.

Zusätzlich verpflichtete die ESTV die X._______ zur Zahlung der Verfahrenskosten des Einspracheentscheides von Fr. ... (Spruchgebühr Fr. ..., Schreibgebühr Fr. ...). Zur Begründung führte sie aus, üblicherweise würden im Einspracheverfahren keine Kosten erhoben, doch sei von diesem Grundsatz abzuweichen, wenn das Verfahren vom Mehrwertsteuerpflichtigen unnötigerweise verursacht worden sei, beispielsweise durch die verspätete Einreichung der Mehrwertsteuerabrechnungen.

E.

Mit Eingabe vom 24. Januar 2006 (Postaufgabe 26. Januar 2006) erhob die X._______ (Beschwerdeführerin) Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 17. Januar 2006 bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission (SRK). Sie beantragte, ihr seien die auferlegten Verfahrenskosten von Fr. ... zu erlassen. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, der "Hauptverantwortliche" und alleinige Geschäftsführer B._______ habe seit längerer Zeit schwerwiegende gesundheitliche und familiäre Probleme gehabt, die sich über die Zeit kumuliert hätten und in eine Arbeitsunfähigkeit gemündet seien. So hätten sich gehäuft Verzögerungen in der Abwicklung der administrativen Arbeiten, insbesondere bei den Mehrwertsteuerabrechnungen, ergeben. Kurzfristig sei F. ____ bevollmächtigt worden, sich der unerledigten administrativen Arbeiten anzunehmen, wobei unverzüglich die beiden fehlenden Mehrwertsteuerabrechnungen am 14. November 2005 eingereicht worden seien. Damit sei das Versäumnis geheilt worden und eine unnötige Verursachung des Verfahrens erscheine im Hinblick auf die gesundheitlichen Gründe als nicht gegeben. Gleichzeitig wurde der SRK ein ärztliches Zeugnis (Kopie) von Dr. med. G._______ vom 7. November 2005 eingereicht, aus dem sich entnehmen lässt, dass sich B._______ seit dem 4. November 2005 bei diesem Arzt in Behandlung befand und er infolge Krankheit voraussichtlich für zwei Wochen ganz arbeitsunfähig sein werde. Ebenfalls wurde der SRK eine Kopie der Vollmacht vom 6. November 2005 eingereicht, mit der B._______ F. ____ insbesondere beauftragt hatte, die stellvertretende Geschäftsführung zu übernehmen.

F.

In ihrer Vernehmlassung vom 1. März 2006 beantragte die ESTV die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, die geltend gemachten gesundheitlichen und familiären Probleme seien keine unverschuldeten Gründe, die eine Aufhebung der Verfahrenskosten rechtfertigen würden. Es sei der Beschwerdeführerin jederzeit offen gestanden, um eine Fristerstreckung für die Mehrwertsteuerabrechnungen zu ersuchen, was indessen nicht geschehen sei.

G.

Am 6. Februar 2007 teilte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien mit, dass es das vorliegende Beschwerdeverfahren zuständigkeitshalber übernommen hat.

H.

Die Kollektivgesellschaft X._______ hat sich am 24. Juli 2007 aufgelöst und wurde im Handelsregister des Kantons A._______ gelöscht (Publikationsdatum 30. Juli 2007). Die Instruktionsrichterin hat der ESTV mit Verfügung vom 28. Februar 2008 Frist angesetzt, sich zu den Auswirkungen dieser Löschung auf das vorliegende Verfahren zu äussern. Mit Eingabe vom 10. März 2006 (recte 2008) wies die ESTV auf die Mithaftung der Gesellschafter nach Art. 32 Abs.

1 Bst. a MWSTG hin sowie auf die persönliche Haftung der Kollektivgesellschafter nach Art. 591 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom

30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht [OR, SR 220]).

I.

Am 7. März 2008 meldete sich B._______ telefonisch beim Bundesverwaltungsgericht in Abwesenheit der Instruktionsrichterin und erklärte, er überlege sich den Rückzug der Beschwerde. Ein Rückruf auf die hinterlassene Telefonnummer erwies sich als nicht möglich. Mit Verfügung vom 10. April 2008 setzte die Instruktionsrichterin der Beschwerdeführerin Frist an, sich zur Eingabe der ESTV vom 10. März 2006 (recte 2008) zu äussern. Obwohl diese Verfügung gemäss „Track and Trace“ der Schweizerischen Post am 15. April 2008 zugestellt worden war, äusserte sich die Beschwerdeführerin nicht innert Frist.

Auf die weiteren Begründungen der Eingaben wird - soweit entscheidwesentlich - im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Bis zum 31. Dezember 2006 konnten Einspracheentscheide der ESTV auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer nach Art. 44 ff. des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) innert 30 Tagen nach Eröffnung mit Beschwerde bei der SRK angefochten werden (aArt. 65 MWSTG, in der Fassung vom 1. Januar 2001 [AS 2000 1300]; aufgehoben per 31. Dezember 2006). Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, die Ende 2006 bei der SRK hängigen Rechtsmittel. Die Beurteilung erfolgt nach neuem Verfahrensrecht (Art. 53 des Bundesgesetzes vom

      17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 172.32]). Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG). Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Behandlung der Beschwerde sachlich wie funktionell zuständig (Art. 31, 32 und 33 Bst. d VGG).

    2. Die Beschwerde erfolgte seinerzeit fristgerecht an die SRK. Die Beschwerdeführerin ist beschwert und zur Anfechtung befugt (vgl. Art. 48 VwVG). Der von der Beschwerdeführerin einverlangte Kostenvorschuss von Fr. ... ist fristgerecht bezahlt worden. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten.

    3. Das Bundesverwaltungsgericht kann den angefochtenen Entscheid grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen. Die Beschwerdeführerin kann neben der Verletzung von Bundesrecht (Art. 49 Bst. a VwVG) und der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) auch die Rüge der Unangemessenheit erheben (Art. 49 Bst. c VwVG).

    4. Partei im mehrwertsteuerlichen Beschwerdeverfahren ist der oder die Steuerpflichtige. Nach Art. 17 Abs. 2 MWSTG kann auch eine Personengesellschaft, also auch eine Kollektivgesellschaft, mehrwertsteuerpflichtig sein. Die Beschwerdeführerin wurde denn auch als Kollektivgesellschaft am 1. Januar 1995 im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen. Der Handelsregisterauszug vom

      14. Februar 2008 enthält unter dem Datum des 24. Juli 2007 den folgenden Eintrag: "Die Gesellschaft hat sich aufgelöst. Die Liquidation ist durchgeführt. Die Firma ist erloschen". Damit stellt sich die Frage, ob die Beschwerdeführerin immer noch Partei im vorliegenden Verfahren sein kann. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre zu prüfen, ob Art. 32 Abs. 1 Bst. a MWSTG (Mithaftung) zur Anwendung kommt und ob die ESTV diese neue Rechtgrundlage im vorliegenden Verfahren einbringen kann. Diese Fragen sind von Amtes wegen zu prüfen.

      Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine kaufmännische Kollektivgesellschaft. Diese entsteht unabhängig vom Handelsregistereintrag (Art. 553 OR; ARTHUR MEIER-HAYOZ/PETER FORSTMOSER, Schwei-

      zerisches Gesellschaftsrecht, 10. Aufl., Bern 2007, § 13 Rz. 74). Ebensowenig bewirkt im Falle einer Liquidation einer kaufmännischen Kollektivgesellschaft die Löschung des Eintrags im Handelsregister das Ende der Gesellschaft; auch die Löschung ist bloss deklaratorisch (DANIEL STAEHELIN, Basler Kommentar, Rz. 4 zu Art. 590 OR). Entscheidend ist die tatsächliche Beendigung der Liquidation. Diese ist insbesondere solange nicht beendet, als noch Gesellschaftsprozesse hängig sind (WERNER VON STEIGER, in Schweizerisches Privatrecht, Band VIII/1, Basel 1976, S. 582 Fn 59; STAEHELIN, a.a.O., Rz. 2 zu Art. 582

      OR, Rz. 1 zu Art. 590 OR). Solange also eine aufgelöste Gesellschaft noch Ansprüche gegen Dritte besitzt oder Forderungen Dritter gegen sie vorhanden sind, besteht sie trotz Löschung im Handelsregister weiter. Folgerichtig kann - unbekümmert um die zu Unrecht erfolgte

      Löschung - ein vor beendigter Liquidation angehobener Aktiv- oder Passivprozess ohne Änderung der Partei weitergeführt und es können neue Prozesse im Namen der Gesellschaft oder gegen sie angehoben werden, wobei das Urteil auf den Namen der Gesellschaft auszufällen ist (BGE 81 II 361 E. 1; Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 12. Mai 2003, veröffentlicht in Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins [ZBJV] 2004 705; Blätter für Zürcherische Rechtsprechung [ZR] 102 (2003) 206 E. 3). Entsprechend muss auch das vorliegende mehrwertsteuerliche Beschwerdeverfahren trotz Löschung weitergeführt und ein auf den Namen der Beschwerdeführerin lautender Entscheid gefällt werden. Damit ist weder auf die von der ESTV in ihrer Stellungnahme vom 10. März 2006 (recte 2008) aufgeworfene Frage der Mithaftung nach Art. 32 Abs. 1 Bst. a MWSTG noch auf die persönliche Haftung der Kollektivgesellschafter nach Art. 591 OR einzugehen.

    5. Die Beschwerde an die SRK bzw. an das Bundesverwaltungsgericht richtet sich vorliegend einzig gegen die Auferlegung der Kosten von Fr. ... für das Einspracheverfahren vor der ESTV.

2.

    1. Die Veranlagung und Entrichtung der Mehrwertsteuer erfolgen nach dem Selbstveranlagungsprinzip (Art. 46 f. MWSTG; vgl. ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 421 ff.). Dies bedeutet, dass der Mehrwertsteuerpflichtige selbst und unaufgefordert über seine Umsätze und Vorsteuern abzurechnen und innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf der Abrechnungsperiode den geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag (Steuer vom Umsatz abzüglich Vorsteuern) an die ESTV abzuliefern hat. Die Verwaltung ermittelt die Höhe des geschuldeten Mehrwertsteuerbetrages nur dann an Stelle des Mehrwertsteuerpflichtigen, wenn dieser seinen Pflichten nicht nachkommt (Art. 60 MWSTG, Ermessenseinschätzung; vgl. ALOIS CAMENZIND/NIKLAUS HONAUER/KLAUS A. VALLENDER, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz [MWSTG], 2. Aufl., Bern 2003, Rz. 1680 ff.; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1377/2006 vom 20. März 2007 E. 2.2, A-1476/2006 und

      A-1492/2006 vom 26. April 2007 E. 4.2.1, A-1553/2006 und

      A-1554/2006 vom 26. September 2007 E. 2.4, A-1446/2006 vom

      24. Januar 2008 E. 2.1).

    2. Im Veranlagungsund im Einspracheverfahren werden in der Regel keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigungen ausgerichtet (Art. 68 Abs. 1 MWSTG); vom Grundsatz der Kostenlosigkeit wird jedoch dann abgewichen, wenn der Mehrwertsteuerpflichtige das Verfahren schuldhaft verursacht hat (vgl. PETER A. MÜLLER-STOLL, mwst.com, Kommentar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Basel 2000, Rz. 3 zu Art. 68). Gemäss Rechtsprechung rechtfertigt sich eine solche Ausnahme von der Kostenlosigkeit namentlich dann, wenn ein Mehrwertsteuerpflichtiger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist und beispielsweise ein Beweismittel, mithin die Mehrwertsteuerabrechnung, nicht oder zu spät, also erst im Verlaufe des Einspracheoder Beschwerdeverfahrens, eingereicht hat (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1478/2006 und A-1477/2006 vom 10. März 2008 E. 4.1 und A-1435/2006 und A-1584/2006 vom 20. Feb-

ruar 2007 E. 2.1 je mit Hinweisen), oder wenn er die Bezahlung der Steuerschuld ungerechtfertigterweise verweigert hat (Entscheide der SRK vom 5. August 2003 [SRK 2003-083] und vom 12. Januar 2004 [SRK 3003-134]). Dieser Auffassung hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen. Überdies sieht Art. 68 Abs. 2 MWSTG explizit vor, dass die Kosten von Untersuchungshandlungen ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens derjenigen Partei auferlegt werden können, die sie schuldhaft verursacht hat.

3.

    1. Im vorliegenden Fall macht die Beschwerdeführerin geltend, eine Abweichung vom Grundsatz des Art. 68 Abs. 1 MWSTG, in der Regel keine Kosten für das Einspracheverfahren zu erheben, sei nicht zulässig. Insbesondere wegen der bei B._______ aufgetretenen gesundheitlichen Probleme, die durch ein Arztzeugnis nachgewiesen seien, könne nicht von einer unnötigen Verursachung des Einspracheverfahrens gesprochen werden.

    2. Dem Handelsregisterauszug der Kollektivgesellschaft X._______ lässt sich entnehmen, dass bis zur Löschung dieser Gesellschaft Mitte 2007 sowohl B._______ als auch C._______ je einzelzeichnungsberechtigt waren; der "Hauptverantwortliche" war daher - entgegen seiner Behauptung - nicht alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft. Selbst bei einem Ausfall von B._______ aufgrund einer langandauernden Erkrankung war die Kollektivgesellschaft X._______ daher weiterhin handlungsfähig. Dazu

      kommt, dass sich eine Gesellschaft so zu organisieren hat, dass (termingebundene) administrative Arbeiten auch bei einem längeren Ausfall eines wichtigen Mitarbeitenden (beispielsweise eines Inhabers) weiterhin erledigt werden und das Unternehmen funktionsfähig bleibt; dazu gehört auch die fristgerechte Einreichung der Mehrwertsteuerabrechnungen und die Bezahlung der offenen Mehrwertsteuerbeträge.

    3. Dem von der Beschwerdeführerin als Beweismittel eingereichten Arztzeugnis von Dr. med. G._______ über die Arbeitsunfähigkeit von B._______ kann entnommen werden, dass er sich seit dem 4. November 2005 beim erwähnten Arzt in Behandlung befand und er infolge Krankheit voraussichtlich für zwei Wochen ganz arbeitsunfähig sein werde. Die beiden 60-tägigen Fristen für die Einreichung der Mehrwertsteuerabrechnungen für das 4. Quartal 2004 sowie für das

      1. Quartal 2005 liefen jedoch bereits Ende Februar 2005 bzw. Ende Mai 2005 ab, sodass das vorgelegte Arztzeugnis gar keine Aussage über den Gesundheitszustand von B._______ zum Zeitpunkt dieser beiden Termine trifft. Auf jeden Fall wäre es der Beschwerdeführerin zuzumuten gewesen, der ESTV bei Vorliegen stichhaltiger Gründe innert dieser beiden 60-tägigen Fristen für die Einreichung der fraglichen Mehrwertsteuerabrechnungen Fristerstreckungsgesuche einzureichen.

    4. Insgesamt konnte die Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Gründe für die Nichteinhaltung der Fristen zur Einreichung der beiden Mehrwertsteuerabrechnungen für das 4. Quartal 2004 und 1. Quartal 2005 anführen. Aus diesem Grund war die ESTV dazu gezwungen, den von der Beschwerdeführerin geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag zu schätzen und einzufordern. Die Beschwerdeführerin hat gegen die eingeleitete Betreibung Rechtsvorschlag erhoben, sodass die Verwaltung dazu gezwungen war, am 18. Oktober 2005 einen (formellen) Entscheid zu erlassen. Die beiden fehlenden Mehrwertsteuerabrechnungen der Beschwerdeführerin gingen erst am 15. November 2005 bei der ESTV ein, sodass die ESTV sie nicht bereits im (formellen) Entscheid berücksichtigen konnte, sondern sie als Einsprache entgegen nehmen und gestützt darauf einen Einspracheentscheid erlassen musste.

Die Beschwerdeführerin ist somit den ihr als Mehrwertsteuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und sie konnte auch keine aus rechtlicher Sicht stichhaltigen Gründe für die verspätete Einreichung der beiden Mehrwertsteuerabrechnungen vorbringen. Die ESTV hat daher zutreffend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, der Beschwerdeführerin die unnötigerweise verursachten Verfahrenskosten des Einspracheverfahrens von Fr. ... aufzuerlegen.

4.

Dem Gesagten zufolge ist die Beschwerde in allen Punkten abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind der Beschwerdeführerin sämtliche Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Verfahrenskosten werden in Anwendung von Art. 4 des Reglements vom 11. Dezember 2006 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) auf Fr. ... festgesetzt und mit dem von der Beschwerdeführerin geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet. Eine Parteientschädigung an die Beschwerdeführerin kommt unter diesen Umständen nicht in Frage (Art. 64 Abs. 1 VwVG sowie Art. 7 Abs. 1 VGKE, je e contrario).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. ... werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss von Fr. ... verrechnet.

3.

Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Gerichtsurkunde)

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Salome Zimmermann Johannes Schöpf

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).

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