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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BG.2022.2 vom 14.04.2022

Hier finden Sie das Urteil BG.2022.2 vom 14.04.2022 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BG.2022.2


Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BG.2022.2

Datum:

14.04.2022

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Kanton; Entscheid; Gerichtsstand; Filter; Entscheide; Staatsanwaltschaft; Gesuch; BStGer; Gallen; Verfahren; Schwyz; Bundesstrafgericht; Verfahrens; Bundesstrafgerichts; Beschuldigte; Verfahrensakten; Kantons; Gesuchsteller; Zuständigkeit; Beschwerdekammer; Beschuldigten; Akten; Gerichtsstandes; Baumgartner; Gerichtsstands; Nichtanhandnahmeverfügung; örtlich

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 138 StGB ;Art. 31 StPO ;Art. 310 StPO ;Art. 38 StPO ;Art. 39 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 40 StPO ;Art. 423 StPO ;

Referenz BGE:

86 IV 222; ;

Kommentar:

Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Bundesstrafgerichts

BG.2022.2

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2022.2 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen

Beschluss vom 14. April 2022
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Daniel Kipfer Fasciati und Miriam Forni,

Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

Kanton St. Gallen,

Gesuchsteller

gegen

Kanton Schwyz,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt ( Art. 40 Abs. 2 StPO)


Sachverhalt:

A. Am 17. Februar 2021 erstattete Rechtsanwalt A. namens der Privatkläger B. und C. sowie D. und E. bei der Staatsanwaltschaft St. Gallen (Untersuchungsamt Uznach) Strafanzeige gegen F., Gesellschafter und Geschäftsführer der G. GmbH mit Sitz in Z./SZ, wegen Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 StGB und allfälliger weiterer Tatbestände (Akten Staatsanwaltschaft St. Gallen ST.2021.4922 [nachfolgend Verfahrensakten Kt. SG], Urk. S/1).

Dem Beschuldigten F. wird in der Strafanzeige zusammengefasst vorgeworfen, Gelder, welche im Zusammenhang mit dem Bau eines Terrassenhauses in Y./SG von den Privatklägern als Bauherrschaften auf das Baukonto der G. GmbH bei der Bank H. überwiesen worden seien, für andere Zwecke als zur Begleichung von Forderungen von Handwerkern und Unternehmern verwendet zu haben.

B. Mit Schreiben vom 1. März 2021 ersuchte die Staatsanwaltschaft St. Gallen die Staatsanwaltschaft Schwyz um Prüfung des Gerichtsstandes mit der Begründung, es sei davon auszugehen, dass die Tathandlungen nicht am Standort des Bauobjekts, sondern in den Geschäftsräumlichkeiten der G. GmbH bzw. an der Wohnadresse des Beschuldigten im Kanton Schwyz begangen worden seien (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. GS/1). Die Staatsanwaltschaft Schwyz verneinte mit Schreiben vom 24. März 2021 ihre Zuständigkeit (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. GS/2).

C. Mit Verfügung vom 30. März 2021 nahm die Staatsanwaltschaft St. Gallen die gegen F. erhobene Strafanzeige mangels Vorliegens eines Anfangsverdachts gestützt auf Art. 310 StPO nicht anhand (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. BV/1).

D. Mit Entscheid vom 23. Juni 2021 hiess die Anklagekammer des Kantons St. Gallen die von der Privatklägerschaft gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft St. Gallen erhobene Beschwerde gut (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. BV/10).

E. Mit Schreiben vom 2. Juli 2021 ersuchte die Staatsanwaltschaft St. Gallen die Staatsanwaltschaft Schwyz erneut um Prüfung des Gerichtsstandes (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. GS/3). Die Staatsanwaltschaft Schwyz verneinte mit Schreiben vom 20. Juli 2021 wiederum ihre Zuständigkeit, mit der Begründung, die Staatsanwaltschaft St. Gallen habe mit Erlass einer Nichtanhandnahmeverfügung den Gerichtsstand gemäss Art. 38 Abs. 1 StPO konkludent anerkannt und es lägen keine Hinweise für einen Handlungsort im Kanton Schwyz vor (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. GS/4).

F. Zwecks Nachforschungen zum Handlungsort erliess die Staatsanwaltschaft St. Gallen am 8. Oktober bzw. 3. November 2021 Editionsverfügungen an die Bank H. sowie am 8. Oktober 2021 ein Aktenbeizugsgesuch an das Konkursamt March SZ (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. ED/1, ED/5 und KA/1). In der Folge ersuchte die Staatsanwaltschaft St. Gallen mit Schreiben vom 22. November 2021 erneut die Staatsanwaltschaft Schwyz um Übernahme des Verfahrens mit der Begründung, es sei davon auszugehen, dass die einschlägigen E-Banking-Transaktionen betreffend das obgenannte Baukonto auf dem Gebiet des Kantons Schwyz stattgefunden hätten (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. GS/5). Die Staatsanwaltschaft Schwyz verneinte mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 abermals ihre Zuständigkeit (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. GS/6).

G. Im Rahmen des abschliessenden Meinungsaustausches zwischen den Kantonen St. Gallen und Schwyz bestreiten diese ihre jeweilige Zuständigkeit, zuletzt der Kanton Schwyz mit Schreiben vom 30. Dezember 2021 (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. GS/7 und GS/8).

H. Mit Gesuch vom 4. Januar 2022 gelangt die Staatsanwaltschaft St. Gallen an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt, es seien die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Schwyz für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die dem Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen (act. 1). Die Staatsanwaltschaft Schwyz beantragt mit Eingabe vom 14. Januar 2022, das Gesuch sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei, und die Strafbehörden des Kantons St. Gallen seien berechtigt und verpflichtet zu erklären, die der beschuldigen Person zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen (act. 3). Die Gesuchsantwort wurde der Staatsanwaltschaft St. Gallen am 17. Januar 2022 zur Kenntnis zugestellt (act. 4).

I. Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen eingegangen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Ein streitiger Gerichtsstand, der zur Anrufung der Beschwerdekammer berechtigt, liegt vor, wenn der Meinungsaustausch zwischen den Kantonen gescheitert ist ( Art. 40 Abs. 2 StPO). Demgemäss tritt die Beschwerdekammer vor Abschluss des Meinungsaustauschs zwischen sämtlichen ernstlich in Frage kommenden Kantonen auf ein Gesuch um Bestimmung des Gerichtsstandes nicht ein (vgl. hierzu die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2022.7 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 23. Februar 2022 E. 1.2.1; BG.2017.7 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 26. Juli 2017 E. 4.1; BG.2017.13 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 5. Mai 2017 E. 1.3.1; BG.2015.19 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 17. Juni 2015; BG.2015.16 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 15. April 2015 E. 1.3.1; alle m.w.H.; siehe auch Baumgartner, Die Zuständigkeit im Strafverfahren, 2014, S. 481 ff., 490 f. m.w.H.).

1.2 Der Gesuchsgegner macht geltend, es lägen nicht alle Eintretensvoraussetzungen vor, nachdem der Gesuchsteller in seinem Gesuch zwar davon ausgehe, einzelne Tathandlungen seien im Kanton Zürich begangen worden, dieser die Strafbehörden des Kantons Zürich aber nicht in den Meinungsaustausch miteinbezogen habe (act. 3, S. 2). Zwar weist der Gesuchsteller in seinem Gesuch an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 4. Januar 2022 tatsächlich auf angeblich untergeordnete und vereinzelte Tathandlungen des Beschuldigten in der Form von Barbezügen im Kanton Zürich hin, er hat sich aber im vorliegenden Verfahren weder an den Kanton Zürich gewendet noch ihn je für zuständig erachtet. Ob eine Zuständigkeit des Kantons Zürich vorliegend ernsthaft in Frage gekommen wäre, kann mit Blick auf den Verfahrensausgang jedoch offengelassen werden.

1.3 Nach dem Gesagten sind die Eintretensvoraussetzungen (durchgeführter Meinungsaustausch zwischen den involvierten Kantonen und zuständigen Behörden, Fristen und Form, vgl. Art. 39 ff. StPO und Art. 396 Abs. 1 StPO p.a.) als erfüllt anzusehen und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf das Gesuch ist einzutreten.

2.

2.1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist ( Art. 31 Abs. 1 StPO). Der Ausführungsort geht als primärer Gerichtsstand allen anderen Gerichtsständen vor ( Baumgartner, a.a.O., S. 58 m.w.H.; Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl. 2004, N. 60) und befindet sich dort, wo der Täter gehandelt hat ( BGE 86 IV 222 E. 1 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen).

2.2 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder sei sicher ausgeschlossen. Der Gerichtsstand bestimmt sich also nicht nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem, was ihm vorgeworfen wird, das heisst, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt. Dabei stützt sich die Beschwerdekammer in ständiger Praxis auf Fakten nicht auf Hypothesen. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (vgl. hierzu zuletzt u.a. die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2021.51 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 3. Januar 2022 E. 2.3; BG.2021.41 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 21. Oktober 2021 E. 2.3; BG.2021.36 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 13. Oktober 2021 E. 2.2; jeweils m.w.H.).

2.3 Geht in einem Kanton eine Strafanzeige bzw. ein Strafantrag ein, so hat die betroffene Strafverfolgungsbehörde von Amtes wegen zu prüfen, ob nach den Gerichtsstandsbestimmungen die örtliche Zuständigkeit ihres Kantons gegeben ist. Damit diese Prüfung zuverlässig erfolgen kann, muss die fragliche Behörde alle für die Festlegung des Gerichtsstandes wesentlichen Tatsachen erforschen und alle dazu notwendigen Erhebungen durchführen (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2016.22 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 25. August 2016 E. 2.2 m.w.H.). Solange die Frage der Zuständigkeit offen oder streitig ist, bleibt jeder Kanton verpflichtet, die sein Gebiet betreffenden Tatsachen so weit abzuklären, als es der Entscheid über den Gerichtsstand erfordert. Diese ersten Ermittlungshandlungen haben für sich allein keine zuständigkeitsbegründende Wirkung, denn es wäre unbillig, jene Behörden, welche Abklärungen für die Ermittlung des Gerichtsstandes vornehmen, allein deswegen schon zu verpflichten, nachher auch das ganze Verfahren durchzuführen (vgl. Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2019.2 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 8. Mai 2019 E. 4.1; BG.2016.22 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 25. August 2016 E. 2.2; Baumgartner, a.a.O., S. 174 f.; Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 558; vgl. auch Ziff. 8 der Empfehlungen der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz [SSK] zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit [ Gerichtsstandsempfehlungen]).

3.

3.1 Dem Beschuldigten werden Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB sowie allfällige weitere Delikte vorgeworfen. Der Veruntreuung macht sich strafbar, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet.

3.2 Gemäss Strafanzeige vom 17. Februar 2021, deren Ergänzung vom 2. Dezember 2021 mit den entsprechenden Beilagen (Verfahrensakten Kt. SG, Urk. S/7 und S/7/1-4) sowie den vom Gesuchsteller (mit Editionsverfügungen vom 8. Oktober bzw. 3. November 2021 an die Bank H. sowie mit einem Aktenbeizugsgesuch vom 8. Oktober 2021 an das Konkursamt March SZ) eingeholten Unterlagen soll – wie eingangs ausgeführt – der Beschuldigte von November 2018 bis September 2021 wiederholt Gelder, welche von den Privatklägern auf das Baukonto der G. GmbH überwiesen worden seien, via E-Banking-Transaktionen umgeleitet haben. Zudem sei aus den Akten ersichtlich, dass der Beschuldigte im Kanton Zürich vereinzelt Barbezüge getätigt habe.

3.3 Aus den Akten, den edierten Bankunterlagen sowie den Kontoauszügen ist nicht ersichtlich, wo sich der Beschuldigte genau befunden haben soll, als er die Zahlungen via E-Banking getätigt haben soll. Offenbar seien vereinzelte Tathandlungen, wie aus den Kontoauszügen ersichtlich, nachvollziehbar im Kanton Zürich begangen worden; dass die E-Banking-Transaktionen im Kanton Schwyz stattgefunden haben sollen, da der Firmensitz der G. GmbH sowie der Wohnsitz des Beschuldigten sich in Schwyz befinde, ist eine Annahme, die der Gesuchsteller nicht weiter überprüfte. Eine etwaige Befragung des Beschuldigten geht aus den Akten nicht hervor. Aufgrund der offenen Fragen ist unklar, wo sich der Handlungsort befindet. Es ist demnach fraglich, ob der Gesuchsteller alle nötigen Abklärungen bezüglich des Handlungsortes getroffen hat. Die Frage nach dem gesetzlichen Gerichtsstand kann aufgrund der nachfolgenden Erwägungen jedoch offengelassen werden.

4.

4.1 Der Gesuchsgegner wendet ein, der Gesuchsteller habe seine Zuständigkeit durch den Erlass der Nichtanhandnahmeverfügung vom 30. März 2021 konkludent anerkannt (act. 3). Darauf ist nachfolgend näher einzugehen.

4.2 Die Beschwerdekammer kann (wie die beteiligten Staatsanwaltschaften untereinander auch) einen andern als den in den Art. 31–37 StPO vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen ( Art. 40 Abs. 3 StPO). Ein solches Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand soll indes die Ausnahme bleiben. Die Überlegungen, welche den gesetzlichen Gerichtsstand als unzweckmässig erscheinen lassen, müssen sich gebieterisch aufdrängen; die Anforderungen, um vom gesetzlichen Gerichtsstand abzuweichen, sind entsprechend hoch anzusetzen. Überdies kann ein Kanton entgegen dem gesetzlichen Gerichtsstand nur für zuständig erklärt werden resp. sich selber als zuständig erklären, wenn dort tatsächlich ein örtlicher Anknüpfungspunkt besteht ( TPF 2019 82 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 2.3; TPF 2018 38 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 3.1; TPF 2012 66 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 3.1 S. 67 f.; TPF 2011 178 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 3.1 S. 180 f.). Der Wohnsitz einer geschädigten Person kann als örtlicher Anknüpfungspunkt gelten (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2011.38 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 26. Oktober 2011 E. 2.3; BG.2007.32 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 25. Februar 2008 E. 2.6; s. auch Baumgartner, a.a.O., S. 359 m.w.H.). Ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand ist u.a. möglich, sofern ein Kanton das Verfahren durch bestimmte Prozesshandlungen konkludent übernommen hat. Eine konkludente Anerkennung liegt u.a. beim Erlass eines Strafbefehls, einer Nichtanhandnahmeverfügung ( Art. 310 Abs. 1 StPO) oder einer Einstellungsverfügung ( Art. 319 StPO) vor (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2021.44 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 8. November 2021 E. 3.2.4; BG.2015.49 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 4. April 2016 E. 2.1; Baumgartner, a.a.O., S. 386 f.). Hält sich die Staatsanwaltschaft eines Kantons für unzuständig, so darf sie nicht kurzerhand eine Nichtanhandnahmeverfügung erlassen (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2008.5 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 13. Februar 2008 E. 3.1). Zudem kann die Staatsanwaltschaft nach der Rückweisung des Verfahrens durch die Beschwerdeinstanz nicht mehr behaupten, örtlich nicht zuständig zu sein ( Baumgartner, a.a.O., S. 386 f.).

4.3 Hat ein Kanton den Gerichtsstand – ausdrücklich oder konkludent – anerkannt, ist seine Zuständigkeit grundsätzlich unwiderruflich begründet. Die nachträgliche Änderung eines von einem Kanton ausdrücklich oder konkludent anerkannten Gerichtsstands ist nur noch aus triftigen Gründen zulässig; sie muss die Ausnahme bilden und sich wegen veränderter Verhältnisse aufdrängen, sei es im Interesse der Prozessökonomie, sei es zur Wahrung anderer, neu ins Gewicht fallender Interessen (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2010.21 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 30. März 2011 E. 3.2; Entscheid des Bundesstrafgerichts BG.2009.29 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 30. März 2010 E. 4.1; jeweils m.w.H.). In Frage kommen insbesondere eine Ermessensüberschreitung durch die Kantone beim Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand, das Fehlen eines Anknüpfungspunktes beim verfolgenden Kanton oder das Auftauchen neuer Tatsachen, wonach sich aus verfahrensökonomischen Gründen ein Wechsel des Gerichtsstands gebieterisch aufdrängt (Entscheid des Bundesstrafgerichts BG.2006.13 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 21. August 2006 E. 4.1 m.w.H.). Ein nachträgliches Abweichen vom konkludent anerkannten Gerichtsstand ist auch dann möglich, wenn wesentliche neue Erkenntnisse oder Entwicklungen bei einer neuen gesamthaften Beurteilung klar zu einem ganz anderen Ergebnis führen müssten. Auch in diesem Fall kann jedoch nur eine offensichtlich und erheblich veränderte Ausgangslage ein Zurückkommen auf den Anerkennungsentscheid rechtfertigen (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2019.45 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 16. Oktober 2019 E. 4.5; siehe zum Ganzen auch Baumgartner, a.a.O., S. 416 ff.).

4.4 Entgegen den Ausführungen des Gesuchstellers ist nach den obigen Ausführungen (supra unter E. 4.2) mit dem Erlass der Nichtanhandnahmeverfügung vom 30. März 2021 von einer konkludenten Anerkennung des Gerichtsstandes durch den Gesuchsteller auszugehen. Andere neue, konkrete triftige Gründe, im Sinne der eben erwähnten Rechtsprechung, welche eine nachträgliche Änderung des vom Gesuchsteller anerkannten Gerichtsstandes aus verfahrensökonomischen Gründen gebieterisch aufdrängen würden, bringt er dagegen keine vor. Insbesondere fehlt es aufgrund des Wohnsitzes der geschädigten Personen im Kanton St. Gallen nicht an einem örtlichen Anknüpfungspunkt im Gebiet des Gesuchstellers.

5. Nach dem Gesagten ist das Gesuch abzuweisen, und es sind die Strafbehörden des Kantons St. Gallen für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die dem Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

6. Es ist keine Gerichtsgebühr zu erheben ( Art. 423 Abs. 1 StPO).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafbehörden des Kantons St. Gallen sind berechtigt und verpflichtet, die F. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 14. April 2022

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                             Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

-              Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen

-              Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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