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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BG.2021.37
Datum:14.07.2021
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : Kanton; Entscheid; Kantons; Schwyz; Filter; öffnen; Hinzufügen; Entscheide; BStGer; Gerichtsstand; Verfahren; Verfahrens; Bundesstrafgericht; Bundesstrafgerichts; Zuständigkeit; Verfahrensakten; Zuständig; Behörden; Über; Beschluss; Konkludent; Oberstaatsanwalt; Verfolgung; Konkurs; Gesuch; Taten; Ablehnung; Beschuldigte; Ortes
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 15 StGB ; Art. 158 StGB ; Art. 16 StGB ; Art. 3 StPO ; Art. 31 StPO ; Art. 34 StPO ; Art. 36 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 423 StPO ; Art. 731 OR ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

BG.2021.37

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2021.37 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen

Beschluss vom 14. Juli 2021
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré , Vorsitz,

Giorgio Bomio-Giovanascini und Stephan Blättler,    

Gerichtsschreiberin Inga Leonova

Parteien

Kanton Zürich , Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

Gesuchsteller

gegen

1.    Kanton Schwyz , Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz,

2.    Kanton Aargau, Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt ( Art. 40 Abs. 2 StPO)


Sachverhalt:

A. Gemäss den Abklärungen der Kantonspolizei Zürich wird A. verdächtigt, am 15. Juni 2017 die B. GmbH mit Sitz in Z./AG (bis zum 15. Juni 2017 war der Sitz in Y./ZH) übernommen zu haben, als diese bereits überschuldet gewesen sei bzw. ihm wird vorgeworfen, er hätte erkennen müssen, dass zu diesem Zeitpunkt Besorgnis zur Überschuldung bestanden habe. Insbesondere habe A. unterlassen, während der Zeit als deren Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsleitung mit Einzelunterschrift die Bilanz zu deponieren, obschon dazu Anlass bestanden habe. Dadurch habe A. die B. GmbH als Endorgan (sog. «Bestatter») in den Konkurs geführt. Über die B. GmbH eröffnete das Handelsgericht des Kantons Aargau am 2. März 2018 den Konkurs (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/1).

Weiter wird A. verdächtigt, am 7. Mai 2018 die C. GmbH mit Sitz in X./SZ (bis zum 27. März 2018 war der Sitz in W./AG) übernommen zu haben, als diese überschuldet gewesen sei bzw. ihm wird vorgeworfen, dass er zu diesem Zeitpunkt hätte zumindest erkennen müssen, dass Besorgnis zur Überschuldung bestanden habe. Insbesondere habe A. unterlassen, während der Zeit als deren Geschäftsführer mit Einzelunterschrift die Bilanz zu deponieren, obschon dazu Anlass bestanden habe. Dadurch soll A. den Konkurs der C. GmbH verschleppt haben. Der Konkurs über die C. GmbH wurde durch das Bezirksgericht March am 4. Juli 2018 eröffnet (Verfahrensakten ZH, Urk. D-2/1).

B. Mit Schreiben vom 23. Juli 2020 gelangte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (nachfolgend «OStA ZH) an die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau und ersuchte um Übernahme des bei ihr hängigen Verfahrens (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/8/1). Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau lehnte das Übernahmeersuchen mit der Begründung ab, dass über die B. GmbH nicht der ordentliche Konkurs eröffnet worden sei. Sie sei gemäss Art. 731b OR wegen Mängeln in der Organisation nach den Vorschriften des Konkurses liquidiert worden. Damit bestehe in Bezug auf die B. GmbH der Verdacht auf ungetreue Geschäftsbesorgung i.S.v. Art. 158 StGB und nicht auf Misswirtschaft nach Art. 154 StGB. Der Vorwurf der Misswirtschaft als die mit der schwereren Strafe bedrohte Tat liege im Kanton Schwyz (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/8/2).

C. In der Folge gelangte die OStA ZH mit Übernahmeersuchen vom 22. September 2020 an den Kanton Schwyz und führte aus, dass der Vorwurf gegenüber A. in Bezug auf die B. GmbH auf ungetreue Geschäftsbesorgung laute, währendem in Bezug auf die C. GmbH der Verdacht auf Misswirtschaft bestehe. Da der Tatbestand der Misswirtschaft die mit der schwereren Strafe bedrohte Tat darstelle, liege die Zuständigkeit im Kanton Schwyz (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/8/3). Das Schreiben der OStA ZH ging bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (nachfolgend «StA SZ») am 23. September 2020 ein (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/8/4).

D. Nachdem die OStA ZH hinsichtlich ihrer Gerichtsstandsanfrage seitens des Kantons Schwyz bis zum 24. Februar 2021 keine Rückmeldung erhalten hatte, trat sie gleichentags das bei ihr hängige Verfahren an den Kanton Schwyz ab. Zur Begründung der Abtretungsverfügung führte die OStA ZH aus, dass der Kanton Schwyz seine Zuständigkeit durch seine Untätigkeit über eine Dauer von mehr als fünf Monaten konkludent anerkannt habe (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/8/5).  

E. Mit Schreiben vom 8. März 2021 lehnte die StA SZ das Ersuchen der OStA ZH mit der Begründung ab, dass die StPO eine einseitige Abtretung einer Strafuntersuchung nicht vorsehe und im konkreten Fall keine von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme vorliege. Die konkludente Anerkennung eines Gerichtsstandes betreffe lediglich die ersuchende Behörde, wenn diese nach Ablehnung der Gerichtsstandsanfrage durch den angefragten Kanton während mehreren Monaten untätig bleibe. Weiter führte die StA SZ (unter Beilage des Schreibens vom 13. Oktober 2020 und der Zürcher Untersuchungsakten STR/2020/10018392 und 2020/10019608) aus, dass das Ersuchen der OStA ZH am 13. Oktober 2020 hätte abgelehnt und die Akten hätten ihr zugleich retourniert werden sollen. Das Ablehnungsschreiben vom 13. Oktober 2020 sei aufgrund eines administrativen Versehens bei der StA SZ nicht versendet worden, was erst mit Erhalt der Abtretungsverfügung bemerkt worden sei. Schliesslich wies die StA SZ auf Absatz 3 von Art. 158 StGB und auf allfällige Bereicherungsabsicht des Beschuldigten hin und kam zum Schluss, dass die Behörden des Kantons Aargau zuständig seien (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/8/6, D-1/8/7).

F. Daraufhin leitete die OStA ZH mit Schreiben von 4. Mai 2021 den abschliessenden Meinungsaustausch mit den Kantonen Aargau und Schwyz ein (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/8/8). Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau (nachfolgend «OStA AG») lehnte die Anfrage um Verfahrensübernahme am 7. Mai 2021 mit der Begründung ab, der Kanton Schwyz habe seine Zuständigkeit konkludent anerkannt (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/8/9). Der Stellvertretende Oberstaatsanwalt des Kantons Schwyz lehnte die Zuständigkeit des Kantons Schwyz ab und verwies auf das Schreiben der StA SZ vom 8. März 2021 (Verfahrensakten ZH, Urk. D-1/8/10).

G. Am 25. Mai 2021 gelangte die OStA ZH an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit dem Antrag, die Strafuntersuchungsbehörden des Kantons Schwyz, eventualiter diejenigen des Kantons Aargau seien für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die A. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen (act. 1).

H. Die OStA AG liess sich mit Eingabe vom 31. Mai 2021 vernehmen und erachtet den Kanton Schwyz infolge des nicht versandten Ablehnungsschreibens als zuständig (act. 3). Der Kanton Schwyz lehnte seine Zuständigkeit mit Schreiben vom 2. Juni 2021 ab und ersucht, den Kanton Aargau für berechtigt und verpflichtet zu erklären, A. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen (act. 4). Die Gesuchsantworten wurden den beteiligten Kantonen am 7. Juni 2021 zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 5).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

            Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Die Eintretensvoraussetzungen (durchgeführter Meinungsaustausch zwischen den involvierten Kantonen und zuständigen Behörden, Frist und Form; vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.7 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 21. März 2014 E. 1) sind vorliegend erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.

2.

2.1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig (Art. 31 Abs. 1 und 2 StPO ). Ist die Straftat an mehreren Orten verübt worden oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind ( Art. 31 Abs. 2 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind ( Art. 34 Abs. 1 StPO). Die schwerste Tat im gerichtsstandsrechtlichen Sinn ist diejenige mit der höchsten abstrakten, gesetzlichen Strafdrohung, wobei Qualifizierungs- und Privilegierungselemente des besonderen Teils des StGB, welche den Strafrahmen verändern, zu berücksichtigen sind (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2013.31 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 28. Januar 2014 E. 2.1; Entscheid des Bundesstrafgerichts BK_G 031/04 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 12. Mai 2004 E. 1.2 in fine; Baumgartner, Die Zuständigkeit im Strafverfahren, 2014, S. 232 m.w.H.). Weisen die zu beurteilenden Tatbestände die gleiche Höchststrafe aus, ist für die Bestimmung des Gerichtstandes die angedrohte Mindeststrafe massgebend (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2011.17 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 15. Juli 2011 E. 3.2; Baumgartner , a.a.O., S. 233).

2.2 Gemäss Art. 36 Abs. 1 StPO sind bei Straftaten nach den Artikeln 163–171bis StGB die Behörden am Wohnsitz, am gewöhnlichen Aufenthaltsort oder am Sitz der Schuldnerin oder des Schuldners zuständig. Dabei ist massgeblich, wo sich der Sitz zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung befunden hat (vgl. die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2018.1 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 2. März 2018 E. 2.2; BG.2016.4 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 7. Juni 2016 E. 3.1; BG.2015.23 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 24. August 2015 E. 3.1; BG.2011.5 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 1. Juni 2011 E. 2.2).

2.3 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was der beschuldigten Person letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder sei sicher ausgeschlossen. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.10 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 10. Juni 2014 E. 2.1).

3.

3.1 Dem Beschuldigten wird in Bezug auf die B. GmbH ungetreue Geschäftsbesorgung mit Bereicherungsabsicht nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB und betreffend die C. GmbH Misswirtschaft nach Art. 165 StGB vorgeworfen (act. 1, S. 4; act. 4, S. 2).

3.2

3.2.1 Die maximale Strafdrohung beträgt bei beiden Tatbeständen Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Gemäss dem Wortlaut von Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB kann auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren erkannt werden, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern. Damit weist der Absatz 3 von Art. 158 Ziff. 1 StGB als Qualifizierungstatbestand einen strengeren Strafrahmen aus. Ob es sich beim Passus «kann auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren erkannt werden» infolge eines Übersetzungsfehlers bei der Einführung des revidierten AT («Zuchthaus» ersetzt durch «Freiheitsstrafe von einem Jahr») um keine Mindestfreiheitsstrafe handelt (vgl. Niggli, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 158 StGB N. 177 ff.; Urteil des Wirtschaftsgerichts des Kantons Bern WSG-Nr. 3/2009 vom 12. Februar 2010 E. 2.1), kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Bei der Annahme, es handle sich dabei um eine Mindestfreiheitsstrafe läge das dem Beschuldigten mit der höheren Strafdrohung vorgeworfene Delikt im Kanton Aargau. Der Ansicht von Niggli folgend würden die beiden Tatbestände die gleiche Strafdrohung aufweisen und die Aargauer Behörden wären auch in diesem Fall für die Verfolgung und Beurteilung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten zuständig. Namentlich wäre der Gerichtsstand bei gleicher Strafdrohung anhand des Ortes zu bestimmen, wo die Verfolgungshandlungen zuerst vorgenommen worden sind (vgl. supra E. 2.1). Indes sind die ersten Verfolgungshandlungen lediglich im Kanton Zürich erfolgt, dessen Unzuständigkeit vorliegend ausser Frage steht. Da auch ein Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit in einem der Kantone nicht vorliegt, ist in Analogie zu Art. 34 Abs. 1 Satz 2 StPO darauf abzustellen, wo der Beschuldigte zeitlich das erste gerichtsstandsrelevante Delikt begangen hat (Entscheid des Bundesstrafgerichts BG.2009.32 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 23. November 2009 E. 2.1; Baumgartner, a.a.O., S. 228 f. m.w.H.). Dieses liegt im Kanton Aargau, was von ihm nicht in Abrede gestellt wird. Vielmehr wendet der Kanton Aargau gegen seine Zuständigkeit ein, der Kanton Schwyz habe seine Zuständigkeit durch das Nichtversenden des Ablehnungsschreibens anerkannt (act. 3). Dem kann aus nachfolgenden Gründen nicht gefolgt werden.

3.2.2 Eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen zwei oder mehreren Kantonen kann ausdrücklich oder konkludent geschlossen werden ( Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., Bern 2004, S. 147 ff.). Eine konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes darf nicht leichthin angenommen werden (statt vieler vgl. Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2020.37 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 30. September 2020 E. 3.3; BG.2013.31 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 28. Januar 2014 E. 2.2; BG.2009.29 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 30. März 2010 E. 3.1) und setzt eine örtliche Anknüpfung im Kanton voraus ( TPF 2011 178 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 3.1). Diese von der Rechtsprechung entwickelte Möglichkeit um vom gesetzlichen Gerichtsstand ausnahmsweise abzuweichen, bezieht sich in erster Linie auf die Behörde, welche sich als unzuständig erachtet, jedoch mit der Gerichtsstandsanfrage zu lange zuwartet oder diese gänzlich unterlässt resp. nach der Ablehnung der Gerichtsstandsanfrage untätig bleibt oder Prozesshandlungen vornimmt, die über die Gerichtsstandabklärungen hinausgehen ( TPF 2011 178 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 2.1 S. 180; vgl. u.a. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2013.31 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 28. Januar 2014 E. 2.2; Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2006.28 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 26. September 2006 E. 3.1; BG.2005.29 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vom 13. Dezember 2005 E. 2.2). Keinen Schutz verdient das Verhalten einer Strafbehörde, welche durch Stillschweigen die Durchführung eines Meinungsaustauschs zwecks Klärung einer Gerichtsstandsanfrage und damit in der Sache eine möglichst rasche Einigung verhindert. Ein sechs Monate langes Stillschweigen des ersuchten Kantons trotz mehrmaligen Nachfragens des ersuchenden Kantons kann unter Umständen als konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes gewertet werden ( TPF 2018 65 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 2.2; a.M. Baumgartner , a.a.O., S. 389).

3.2.3 Vorliegend war der Kanton Schwyz der ersuchte Kanton und blieb nicht untätig. Vielmehr ging die StA SZ irrtümlicherweise davon aus, dass das ablehnende Schreiben vom 13. Oktober 2020 an die Zürcher Behörden versendet wurde. Hinzu kommt, dass gestützt auf den Grundsatz des Treu und Glaubens ( Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO) und mit Blick auf das Beschleunigungsgebot ( Art. 5 StPO) es opportun gewesen wäre, dass sich der Gesuchsteller nach einer gewissen Zeit bei der StA SZ nach dem Stand seines Übernahmeersuchens schriftlich oder zumindest telefonisch erkundigt hätte (vgl. TPF 2018 65 Entscheide der Amtlichen Sammlung Als Filter hinzufügen Link öffnen Sachverhalt und E. 2.2). Dadurch hätte der versehentlich unterlassene Versand des Ablehnungsschreibens vom 13. Oktober 2020 und der Untersuchungsakten zu einem früheren Zeitpunkt erkannt werden können. Dass der Gesuchsteller dies getan hätte, geht weder aus seinen Ausführungen noch den vorliegenden Akten hervor. Aktenkundig ist lediglich, dass die OStA ZH rund fünf Monate nach ihrem Ersuchen die Abtretungsverfügung vom 24. Februar 2021 erliess. Unter den gegebenen Umständen vermochte der Kanton Zürich die Zuständigkeit des Kantons Schwyz mittels der Abtretungsverfügung nicht zu begründen.

3.2.4 Aus dem Gesagten folgt, dass der Kanton Schwyz seine Zuständigkeit nicht konkludent anerkannt hat. Die Zuständigkeit liegt gestützt auf Art. 34 Abs. 1 Satz 2 StPO per analogiam im Kanton Aargau.

4. Nach dem Gesagten ist das Gesuch gutzuheissen. Die Strafbehörden des Kantons Aargau sind berechtigt und verpflichtet, die A. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

5. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Gesuch wird gutgeheissen. Die Strafbehörden des Kantons Aargau sind berechtigt und verpflichtet, die A. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 14. Juli 2021

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                             Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

-              Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (unter Rücksendung der eingereichten Akten)

-              Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz

-              Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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