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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BB.2021.62 vom 01.10.2021

Hier finden Sie das Urteil BB.2021.62 vom 01.10.2021 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BB.2021.62


Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BB.2021.62

Datum:

01.10.2021

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Akten; Bundes; Verfahren; Verfahrens; Bundesanwalt; Platini; Bundesanwalts; Bundesanwaltschaft; Verfahrensakten; Akteneinsicht; Einvernahme; Recht; Entscheid; Beschwerdekammer; Einvernahmen; Aktenverzeichnis; Verfügung; Entscheide; Filter; Nellen; Sachverhalts; Blatter; BStGer; Verfahren; Verteidigung

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 10 StPO ;Art. 101 StPO ;Art. 107 StPO ;Art. 13 StGB ;Art. 2 StGB ;Art. 25 StGB ;Art. 31 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 382 StPO ;Art. 391 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 6 StPO ;

Referenz BGE:

121 I 225; ;

Kommentar:

Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Bundesstrafgerichts

BB.2021.62

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2021.62 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen

Beschluss vom 1. Oktober 2021
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Cornelia Cova und Stephan Blättler,

Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien

Michel Platini, vertreten durch Rechtsanwalt Dominic Nellen,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Akteneinsicht (Art. 101 f. i.V.m. Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO)


Sachverhalt:

A.      Die Bundesanwaltschaft eröffnete am 29. Mai 2020 unter der Verfahrensnummer SV.15.1013 gegen Michel Platini (nachfolgend «Platini») eine Straf-untersuchung wegen des Verdachts der Teilnahme an ungetreuer Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB), eventualiter Veruntreuung ( Art. 138 StGB), namentlich in Form der Gehilfenschaft ( Art. 25 StGB), sowie des Verdachts der Urkundenfälschung ( Art. 251 StGB). Joseph S. Blatter (nachfolgend «Blatter») – gegen den die Bundesanwaltschaft unter der nämlichen Verfahrensnummer eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB) sowie eventualiter Veruntreuung ( Art. 138 StGB) führt – soll in seiner damaligen Funktion als Präsident der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) in Verletzung seiner Treuepflichten bewirkt oder zugelassen haben, dass die FIFA in ihrem Vermögen geschädigt worden sei, indem diese am 1. Februar 2011 eine Zahlung von über CHF 2 Mio. an Platini getätigt habe, ohne dass dieser Betrag geschuldet gewesen sei. Platini soll dazu Hilfe geleistet haben, indem er der FIFA eine Rechnung für angeblich aufgeschobene Lohnzahlungen von jährlich CHF 0.5 Mio. für die Jahre 1998-1999, 1999-2000, 2000-2001 und 2001-2002 eingereicht habe (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 01.202-0001 ff.).

B.      Mit Schreiben vom 14. August 2020 liess Platini durch seinen Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Dominic Nellen (nachfolgend «RA Nellen»), die Bundesanwaltschaft um Einsicht in die gesamten amtlichen Akten ersuchen (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0084 ff.). Mit Akteinsichtsverfügung vom 19. August 2020 gewährte die Bundesanwaltschaft Platini Einsicht in die Akten «gemäss beiliegendem Aktenverzeichnis». Zudem wurde Platini die Möglichkeit eingeräumt, nach vorgängiger Anmeldung die Videoaufzeichnungen verschiedener Einvernahmen von Zeugen und von A., der als Auskunftsperson einvernommen wurde, im Einvernahmezentrum im Bern einzusehen (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0089 ff.; act. 1/10 [Aktenverzeichnis]).

C.      Mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 stellte die Bundesanwaltschaft Platini die Protokolle seiner Einvernahmen vom 31. August und 7. September 2020, der Einvernahme von Blatter vom 1. September 2020 (inklusive Beilagen) sowie einen Auszug des geschwärzten Protokolls der Einvernahmen Blatters vom 30. Juli und 6. August 2020 und die Protokolle der Einvernahmen von verschiedenen Zeugen vom 2. und 3. September 2020 zu (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0125 f.). Die Bundesanwaltschaft liess Platini zudem mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 die Korrespondenz zwischen der Bundesanwaltschaft und dem Verteidiger von Blatter zukommen (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0132).

D.      Mit Datum vom 24. November 2020 übermittelte die Bundesanwaltschaft Platini die Ausdehnungsverfügung vom 29. Mai 2020 (vgl. supra lit A.) und teilte mit, dass die mit Blatter, ihm und verschiedenen Auskunftspersonen und Zeugen durchgeführten Einvernahmen respektive die daraus gewonnenen Erkenntnisse eine angepasste rechtliche Qualifikation des vorgeworfenen Sachverhalts bedingen würden. Das Verfahren gegen Platini werde daher ab sofort wegen des Verdachts des Betrugs eventualiter der Teilnahme an Veruntreuung und subeventualiter der Teilnahme an ungetreuer Geschäftsbesorgung sowie der Urkundenfälschung geführt (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0155 f.).

E.      Am 1. und 8. Dezember 2020 stellte die Bundesanwaltschaft Platini weitere Akten zu, nämlich die Editions- und Vermögensbeschlagnahmeverfügung vom 24. November 2020 betreffend ein auf Platini lautendes Konto bei der Bank B., eine Telefonnotiz mit einer Sachbearbeiterin der Bank B. vom 25. November 2020, die Protokolle der Einvernahmen von A. und Platini vom 9. und 16. November 2020, ein Schreiben der Bank B. vom 1. Dezember 2020, die Vermögensausweise für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 24. November 2020, einen Kontoauszug per 24. November 2020 sowie eine Aufstellung der Wertschriftentransaktionen per 24. November 2020 (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0163 f.: Urk. 16.004-0178 f.). Mit Schreiben vom 13. Januar 2021 übermittelte die Bundesanwaltschaft Platini zudem die zwischenzeitlich von der Bank B. edierten Unterlagen (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0195).

F.      Platini ersuchte mit Schreiben vom 27. Januar 2021 um Edition «der amtlichen Akten des Strafverfahrens BB.2020.228 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen vor dem ausserordentlichen Bundesanwalt» (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0205 ff.). Er präzisierte diesen Antrag mit Schreiben vom 5. Februar 2021 dahingehend, dass sein Editionsbegehren das Strafverfahren des ausserordentlichen Bundesanwalts Keller gegen Michael Lauber, Gianni Infantino und Rinaldo Arnold umfasse, aus dem das Beschwerdeverfahren BB.2020.228 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen hervorgegangen sei (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0214 f.).

G.      Mit Schreiben vom 15. Februar 2021 ersuchte Platini mit Blick auf die im März 2021 stattfindenden Einvernahmen erneut um Zustellung der «kompletten amtlichen Akten». Platini hielt im Schreiben fest, es seien der Verteidigung zwar seit Zustellung der kompletten amtlichen Akten am 21. August 2020 die neu zu den Akten erkannten Dokumente sowie die getroffenen Verfügungen jeweils zugestellt worden, dennoch sei es für die Verteidigung zentral, die amtlichen Akten in ihrer Gesamtheit integral zu erhalten . Die Aktenzustellung müsse dabei zeitlich so erfolgen, dass es der Verteidigung möglich sei, die Einvernahmen vom März 2021 vorzubereiten (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0216 f.).

H.      Die Bundesanwaltschaft übermittelte Platini mit Schreiben vom 15. Februar 2021 verschiedene Aktenstücke im Zusammenhang mit einem Akteinsichtsgesuch des ausserordentlichen Bundesanwalts Stefan Keller (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0218 f.).

Mit Verfügung vom gleichen Tag wies der verfahrensleitende Staatsanwalt des Bundes das namens Platini gestellte und als Beweisantrag entgegen genommene Ersuchen vom 27. Januar 2021 um Edition der Akten des vom a.o. Bundesanwalt Stefan Keller gegen Michael Lauber, Gianni Infantino und Rinaldo Arnold geführten Verfahrens ab, soweit er darauf eintrat. Gegenüber RA Nellen sprach er eine Verwarnung im Sinne von Art. 64 StPO aus. Dies, weil RA Nellen in seinem Schreiben vom 27. Januar 2021 an die Bundesanwaltschaft dieser unterstellt habe, in/an rechtswidrigen Handlungen verwickelt/beteiligt gewesen zu sein (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0221 ff.).

I.        Mit Schreiben vom 17. Februar 2021 liess Platini erneut um vollständige Einsicht in die kompletten amtlichen Akten ersuchen. RA Nellen begründete dieses Ersuchen damit, dass er das Einlegen eines Rechtsmittels gegen die Verfügung betreffend Verwarnung vom 15. Februar 2021 prüfen müsse und auf vollständige Akteneinsicht angewiesen sei (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0231).

J.       Mit Schreiben vom 22. Februar 2021 stellte die Bundesanwaltschaft Platini den Bericht der FFA (Forensische Finanzanalyse) vom 25. Januar 2021 (inkl. Beilagen) zu. Gleichzeitig wies sie dessen Begehren vom 17. Februar 2021 um Übersendung der kompletten amtlichen Akten ab (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0232 f.).

K.      Dagegen gelangte Platini mit Beschwerde vom 26. Februar 2021 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (nachfolgend «Beschwerdekammer»). Er beantragt die Aufhebung der Verfügung vom 22. Februar 2021 und die Bundesanwaltschaft sei anzuweisen, umgehend aktuelle, umfassende Akteneinsicht zu gewähren (act. 1 S. 2).

L.      In der gleichen Beschwerdeschrift erhebt zudem RA Nellen in eigenem Namen bei der Beschwerdekammer Beschwerde gegen die Verfügung vom 15. Februar 2021 betreffend Verwarnung. Die Beschwerdekammer behandelt diese Beschwerde unter der separaten Verfahrensnummer BB.2021.61 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen.

M.     Ausserdem stellte RA Nellen namens Platini gleichtentags bei der Bundesanwaltschaft ein Ausstandsbegehren gegen den verfahrensleitenden Staatsanwalt des Bundes C., den Staatsanwalt des Bundes D. und die Assistenz-Staatsanwältin des Bundes E. ( BB.2021.65 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 1).

N.      Mit Schreiben vom 1. März 2021 liess die Bundesanwaltschaft Platini eine Eingabe der FIFA vom 19. Februar 2021 mitsamt Beilagen zukommen, die Bezug nahm auf die Editionsverfügung der Bundesanwaltschaft vom 1. Februar 2021 im Zusammenhang mit der Zahlung von CHF 2 Mio. an den Beschwerdeführer (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0266; Urk. 07.201-0372 f.; Urk. B07.201.115-0001 ff.).

O.      Das Ausstandsgesuch Platinis (vgl. supra lit. M) wurde am 8. März 2021 der Beschwerdekammer von der Bundesanwaltschaft übermittelt ( BB.2021.65 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen act. 2).

P.      Im vorliegenden Beschwerdeverfahren beantragt die Bundesanwaltschaft mit Eingabe vom 22. März 2021 die kostenfällige Abweisung der Beschwerde (act. 4). Sie weist daraufhin, dass die Verfahrensakten SV.15.1013 gemäss Aktenverzeichnis Stand 19. August 2020 und gemäss Aktenverzeichnis Stand 19. März 2021 mit der Stellungnahme zum Ausstandsgesuch vom 22. März 2021 der Beschwerdekammer zugestellt worden sind (act. 4 S. 3). In seiner Replik vom 27. April 2021 hält Platini sinngemäss an seinem in der Beschwerde vom 26. Februar 2021 gestellten Antrag fest (act. 8). Ebenso wiederholt die Bundesanwaltschaft in ihrer Duplik vom 17. Mai 2021 den Antrag auf Abweisung der Beschwerde (act. 10), was Platini am 18. Mai 2021 zur Kenntnis gebracht wird (act. 11).

          Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1     Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Bundesanwaltschaft kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erhoben werden ( Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Zur Beschwerde berechtigt ist jede Partei oder jeder andere Verfahrensbeteiligte, welche oder welcher ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat ( Art. 382 Abs. 1 StPO). Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen ( Art. 396 Abs. 1 StPO). Mit ihr gerügt werden können gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (lit. a), die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) sowie die Unangemessenheit (lit. c). Die Beschwerdekammer ist bei ihrem Entscheid nicht an die Anträge und Begründungen der Parteien gebunden ( Art. 391 Abs. 1 StPO).

1.2     Der Beschwerdeführer macht geltend, die angefochtene Verfügung vom 22. Februar 2021 verletze seinen Anspruch auf Akteneinsicht und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Beschwerdeführer ist als Beschuldigter durch den Entscheid direkt betroffen und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten.

2.        Die Verfahrensakten des Ausstandsverfahrens BB.2021.65 Entscheide BStGer Als Filter hinzufügen Link öffnen werden beigezogen (vgl. supra lit. P).


3.

3.1     Der Beschwerdeführer macht geltend, die Bundesanwaltschaft habe ihm mit Schreiben vom 19. August 2020 nur eine Auswahl an Akten zukommen lassen. Ferner seien von August 2020 bis dato mutmasslich eine Vielzahl von grösseren und kleinere Verfahrenshandlungen vorgenommen worden, von denen dem Beschwerdeführer lediglich die wichtigsten Unterlagen zugestellt worden seien. Zahlreiche Aktennotizen, kleinere Anfragen und wohl auch die Schriftenwechsel mit der FIFA würden dem Beschwerdeführer fehlen (act. 1 S. 17; act. 8 S. 4 ff.).

3.2     Gemäss Art. 101 Abs. 1 StPO können die Parteien spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen; vorbehalten bleibt Art. 108 StPO. Das Recht der Parteien auf Akteneinsicht und Besichtigung von Beweismitteln ist als Grundlage des Äusserungs- und Antrags- bzw. Verteidigungsrechts elementarer Bestandteil des Anspruchs auf rechtliches Gehör ( Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO). Die Verfahrensbeteiligten haben denn auch schon aufgrund von Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 bzw. Ziff. 3 lit. b EMRK das uneingeschränkte Recht, in alle für das Verfahren wesentlichen Akten, d.h. in jene Akten, die Grundlage einer Entscheidung bilden, Einsicht zu nehmen. Das Akteneinsichtsrecht soll sicherstellen, dass der Beschuldigte als Verfahrens-partei von den Entscheidgrundlagen Kenntnis nehmen und sich wirksam und sachbezogen verteidigen kann ( BGE 121 I 225 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen E. 2a; 129 I 85 E. 4.1 BGE Als Filter hinzufügen Link öffnen m.H.; Brüschweiler/Grünig, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2020, N. 1 zu Art. 101 StPO). Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts sind zurückhaltend und unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes vorzunehmen ( Brüschweiler/Grünig, a.a.O.). Der Umfang der Akteneinsicht ist im Verlauf der Untersuchung flexibel zu handhaben. Die Akteneinsicht wird häufig zu Beginn der Untersuchung zu verweigern oder nur in beschränktem Umfang zu gewähren sein. Mit dem Fortschreiten der Untersuchung kann sie i.d.R. erweitert werden ( Schmutz, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 21 zu Art. 100 StPO). Da das Bestehen von Akten sowie deren vollständige und korrekte Führung Vorbedingung des Akteneinsichtsrechts ist, muss das Aktendossier alles enthalten, was im Hinblick auf die verfolgte Tat mit einem möglichen Schuldvorwurf und einer allfälligen Strafzumessung in einen thematischen Zusammenhang gebracht werden kann ( Brüschweiler/Grünig, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 StPO).

3.3     Die Beschwerdegegnerin erwog mit Akteneinsichtsverfügung vom 19. August 2020, dass keine Umstände vorliegen würden, die eine vollumfängliche Einschränkung des Akteneinsichtsrechts des Beschwerdeführers gebieten würden, weshalb dem Beschwerdeführer die Akteneinsicht in einer umfassenden Art zu gewähren sei. Zu diesem Zweck übermittelte die Beschwerdegegnerin am 19. August 2020 dem Beschwerdeführer die Akten sowie das Aktenverzeichnis auf einem Datenträger (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0089 ff.) und in den Folgemonaten weitere Aktenstücke, letztmals am 1. März 2021 (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0125 f.; Urk. 16.004-0132; Urk. 16.004-0163 f.; Urk. 16.004-0178 f.; Urk. 16.004-0195; Urk. 16.004-0218 f.; Urk. 16.004-0232 f.; Urk. 16.004-0266; Urk. 07.201-0372 f. und Urk. B07.201.115-0001 ff.; vgl. supra lit. B, C, D, E, H, J und N).

Der Beschwerdeführer ist zunächst der Ansicht, der mit Schreiben vom 19. August 2020 zugestellte USB-Stick enthalte nur eine Auswahl der Akten; so würden etwa sämtliche prozessleitenden Verfügungen der Bundesanwaltschaft von 2015 bis 2020 auf dem USB-Stick fehlen (act. 1 S. 17 Rz. 49). Der USB-Stick sowie das Aktenverzeichnis Stand 19. August 2020 liegen der Beschwerdekammer vor. Dem Aktenverzeichnis ist unter anderem der Hinweis zu entnehmen, dass dieses der elektronischen Aktenanlage entspreche, wie es im Zeitpunkt der betreffenden Akteneinsicht vorliege (act. 1/10). Unter den Rubriken 7 (Bankauskünfte, Edition, Vermögenssperre, Grundbuchsperre), 8 (Hausdurchsuchung, Asservat u. Beschlagnahmungen), 12 (Einvernahmen mit Privatkläger, Auskunftspersonen, Zeugen), 13 (Einvernahmen mit Beschuldigten), 15 (Geschädigte, Privatkläger, Dritte und Rechtsbeistände), 16 (Beschuldigte, Verteidigung) und 18 (Rechtshilfe, Amtshilfe) befinden sich zahlreiche prozessleitende Verfügungen der Bundesanwaltschaft aus den Jahren 2015 bis 2020. Es erhellt sich damit dem Gericht nicht, welche prozessleitenden Verfügungen dem Beschwerdeführer vorenthalten sein sollen. Der Beschwerdeführer moniert ferner, es sei nicht ersichtlich, welche Dokumente sich hinter der Bezeichnung «[nicht in diesen Akten enthalten]» verbergen würden, weshalb nicht abgeschätzt werden könne, ob diese auch für die Beweisführung in dem den Beschwerdeführer betreffenden Sachverhaltskomplex «Zahlung von CHF 2 Mio.» von Relevanz sei (act. 1 S. 17; act. 5 S. 5). Diesbezüglich wurde bereits im Aktenverzeichnis darauf hingewiesen, dass verschiedene Sachverhaltsbereiche Gegenstand des Gesamtverfahrens SV.15.1013 seien und die Untersuchung gegen mehrere Beschuldigte geführt werde, die nicht im gleichen Umfang Einsicht in die Akten erhalten würden (vgl. act. 1/10 S. 1). Wie bereits ausgeführt, hat das Aktendossier alles zu enthalten, was im Hinblick auf die verfolgte Tat mit einem möglichen Schuldvorwurf und einer allfälligen Strafzumessung in einen thematischen Zusammenhang gebracht werden kann (vgl. supra E. 3.2). Wenn sich somit sachverhaltsfremde Akten nicht in den Akten betreffend das gegen den Beschwerdeführer geführte Verfahren befinden, ist dies nicht zu beanstanden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Beschwerdegegnerin habe dem Beschwerdeführer Akten vorenthalten, die den ihm vorgeworfenen Sachverhaltsbereich betreffen. Die Beschwerdegegnerin führte im Rahmen des Schriftenwechsels unter Hinweis auf die einschlägigen Akten aus, soweit Beschuldigte in einem anderen Sachverhaltskomplex Aussagen mit Bezug auf den Sachverhaltsbereich «Zahlung von CHF 2 Mio.» gemacht hätten, seien dem Beschwerdeführer diese Aussagen vorgelegt, und es sei der Verteidigung die Möglichkeit eingeräumt worden, vom Fragerecht Gebrauch zu machen, worauf diese jedoch verzichtet habe. Die entsprechenden, allerdings geschwärzten Einvernahmeprotokolle seien dem Beschwerdeführer im Nachgang zu den Einvernahmen übermittelt worden (act. 10 S. 4). Damit sind Akten aus anderen Sachverhaltsbereichen als den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Sachverhaltsbereich, diesem zur Kenntnis gebracht bzw. in den ihn betreffenden Verfahren aufgenommen worden. Eine diesbezügliche Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. des Akteneinsichtsrechts kann nicht ausgemacht werden. Soweit der Beschwerdeführer sodann konkret moniert, ihm seien die Akten «Korrespondenz/Unterlagen des TAS» gemäss Aktenverzeichnis Stand 19. März 2021 vorenthalten worden, hat die Beschwerdegegnerin in ihrer Duplik darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um Akten handle, von welchen der Beschwerdeführer Kenntnis gehabt habe, wie von ihm eingereichte Steuererklärungen und Unterlagen aus dem durch den Beschwerdeführer beim Sportschiedsgericht (TAS) gegen die FIFA geführten Verfahren. Unbegründet sind die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Replik, wonach er keine Einsicht in das Aktenstück «RA F./BA; Übergabe Unterlagen betreffend das […]» erhalten habe. Ebendieses Dokument wurde dem Beschwerdeführer am 8. Oktober 2020 zusammen mit dem Protokoll der Einvernahme Blatters vom 1. September 2020 zugestellt (Verfahrensakten SV.15.1013, Urk. 16.004-0125 f.; insbes. Urk. 13.001-0292). Im Sinne eines Zwischenergebnisses kann somit festhalten werden, dass dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die per 15. März 2021 angesetzte Schlusseinvernahme sämtliche Verfahrensakten (Stand 19. August 2020) sowie die in der Folge bis zum 1. März 2021 erhobenen Beweisstücke und weitere Akten übermittelt worden sind. Dem Beschwerdeführer waren daher mit Bezug auf die Schlusseinvernahme sämtliche Entscheidgrundlagen bekannt, und eine wirkungsvolle Verteidigung des Beschwerdeführers war gewährleistet. Bei den vom Beschwerdeführer in seiner Replik exemplarisch aufgeführten Akten, die ihm nicht zugestellt worden seien (vgl. act. 10 S. 5 Rz. 89), handelt es sich (wie sich bereits aus dem Aktenverzeichnis selber ergibt) nicht um Beweisunterlagen, sondern um Korrespondenz zwischen der Beschwerdegegnerin und den Rechtsvertretern der FIFA und Blatters, wie Fristerstreckungsersuchen, diverse Übermittlungsschreiben und Empfangsbestätigungen, ferner um Aktennotizen zu Telefonaten, um Korrespondenz zwischen der Beschwerdegegnerin und dem Handelsregisteramt Waadt sowie dem Bundesstrafgericht betreffend Anfrage Rechtskraft Beschlagnahmeverfügung vom 13. Januar 2021. Die Beschwerdegegnerin hat mehrfach betont, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen der letztlich zu ergehenden Mitteilung gemäss Art. 318 StPO nochmals umfassend Akteneinsicht gewährt werde. Davon wird auch die soeben genannte Korrespondenz betroffen sein.

3.4     Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass in diesem Verfahren das Akteneinsichtsrecht des Beschwerdeführers nicht verletzt ist. Die Beschwerde erweist sich diesbezüglich als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist.

4.       Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen ( Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.-- festzusetzen ( Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 1 BStKR).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 1. Oktober 2021

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                             Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

-              Rechtsanwalt Dominic Nellen

-              Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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