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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Rechtshilfe
Fallnummer:RH.2020.5
Datum:12.08.2020
Leitsatz/Stichwort:Auslieferung an Deutschland. Auslieferungshaftbefehl (Art. 48 Abs. 2 IRSG).
Schlagwörter : Beschwerde; Auslieferung; Beschwerdeführer; Bundes; Recht; Entscheid; Auslieferungshaft; Verfahren; Bundesstrafgericht; Bundesstrafgerichts; Auslieferungshaftbefehl; Erfolgte; Verfolgte; Schweiz; Beschwerdekammer;Reiche; Vermögenswerte; Fluchtgefahr; Rechtshilfe; Beschwerdegegner; Entscheide; Erweist; Ausreichend; Rechtsprechung; Unzulässig; Beschwerdeführers; Haftentlassung; Auslieferungsverfahren; Person
Rechtskraft:Kein Weiterzug, rechtskräftig
Rechtsnorm: Art. 379 StPO ; Art. 51 IPRG ; Art. 63 VwVG ; Art. 84 BGG ; Art. 92 BGG ; Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:111 IV 108; 124 II 146; 125 IV 30; 130 II 306; 135 IV 212; 136 IV 20; 142 IV 250; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RH.2020.5

Entscheid vom 12. August 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Cornelia Cova, Vorsitz,

Giorgio Bomio-Giovanascini und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiberin Santina Pizzonia

Parteien

A. , vertreten durch Rechtsanwalt Lucius Richard Blattner,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung,

Beschwerdegegner

Gegenstand

Auslieferung an Deutschland

Auslieferungshaftbefehl (Art. 48 Abs. 2 IRSG)


Sachverhalt:

A. Mit Ausschreibung vom 6. Juli 2020 im Schengener Informationssystem (SIS) ersuchten die deutschen Strafverfolgungsbehörden gestützt auf einen Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 28. Februar 2020 wegen bandenmässiger Umsatzsteuerhinterziehung mit Bildung einer kriminellen Vereinigung um Fahndung und Festnahme des dänischen Staatsbürgers A. zwecks Auslieferung (act. 3.1).

B. Aufgrund dieser Ausschreibung wurde A. am 9. Juli 2020 anlässlich der Einreisepasskontrolle am Flughafen Zürich angehalten und verhaftet (act. 3.6). Am selben Tag ordnete das Bundesamt für Justiz (nachfolgend «BJ») gegen A. die provisorische Auslieferungshaft an (act. 3.2).

C. Am 11. Juli 2020 wurde A. durch die Kantonspolizei Zürich zur Sache einvernommen. Dabei verlangte er die Durchführung des ordentlichen Auslieferungsverfahrens (act. 3.6).

D. Mit Auslieferungshaftbefehl vom 13. Juli 2020 verfügte das BJ gegen A. die Auslieferungshaft (act. 1.2).

E. Dagegen gelangt A. mit Beschwerde vom 24. Juli 2020 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls und seine unverzügliche Haftentlassung. Eventualiter sei er gegen eine durch die Beschwerdekammer festzusetzende Kaution von maximal CHF 100'000.-- aus der Auslieferungshaft zu entlassen, sofern nicht eine andere Alternative als ausreichend erachtet würde. Die sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte des Beschwerdeführers seien frei- und ihm zurückzugeben, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Staatskasse (act. 1).

F. In seiner Beschwerdeantwort vom 31. Juli 2020 schliesst das BJ auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde (act. 3 ). Mit Eingabe vom 6. August 2020 reichte der Beschwerdeführer seine Replik ein (act. 4). Diese Eingabe wurde dem BJ mit Schreiben vom 7. August 2020 zur Kenntnisnahme übermittelt (act. 5).

G. Auf die weiteren Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Für den Auslieferungsverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland sind primär das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1), die hierzu ergangenen Zusatzprotokolle vom 17. März 1978 (ZPII EAUe; SR 0.353.12) und vom 10. November 2010 (ZPIII EAUe; SR 0.353.13) sowie der Vertrag vom 13. November 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des EAUe und die Erleichterung seiner Anwendung (ZV EAUe; SR 0.353.913.61) massgebend. Überdies ist das Schengener Durchführungsübereinkommen vom 14. Juni 1985 (SDÜ; ABl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19-62) i.V.m. dem Beschluss des Rates über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS der zweiten Generation (SIS II), namentlich Art. 26-31 (ABl. L 205 vom 7. August 2007, S. 63-84) anwendbar, wobei die zwischen den Vertragsparteien geltenden weitergehenden Bestimmungen aufgrund bilateraler Abkommen unberührt bleiben (Art. 59 Abs. 2 SDÜ).

1.2 Soweit die staatsvertraglichen Bestimmungen gewisse Fragen nicht abschliessend regeln, findet auf das Verfahren der Auslieferung ausschliesslich das Recht des ersuchten Staates Anwendung (Art. 22 EAUe ), namentlich das Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1) und die dazugehörige Verordnung vom 24. Februar 1982 (Rechtshilfeverordnung, IRSV; SR 351.11). Das innerstaatliche Recht gelangt nach dem Günstigkeitsprinzip auch dann zur Anwendung, wenn dieses geringere Anforderungen an die Rechtshilfe stellt (BGE 142 IV 250 E. 3; 140 IV 123 E. 2; 137 IV 33 E. 2.2.2; 136 IV 82 E. 3.1). Vorbehalten bleibt die Wahrung der Menschenrechte (BGE 135 IV 212 E. 2.3; 123 II 595 E. 7c; TPF 2016 65 E. 1.2; 2008 24 E. 1.1).

1.3 Für das Beschwerdeverfahren gelten zudem die Art. 379 -397 StPO sinngemäss (Art. 48 Abs. 2 i.V.m. Art. 47 IRSG ) und die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021; vgl. Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes [Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71]).

2.

2.1 Gegen den Auslieferungshaftbefehl des BJ kann der Verfolgte innert zehn Tagen ab der schriftlichen Eröffnung bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erheben.

2.2 Der angefochtene Auslieferungshaftbefehl wurde dem Beschwerdeführer am 15. Juli 2020 schriftlich eröffnet (act. 3.8). Seine am 24. Juli 2020 eingereichte Beschwerde erweist sich daher als fristgerecht (act. 1). Als Verfolgter (vgl. Art. 11 Abs. 1 IRSG ) ist der Beschwerdeführer zur Einreichung der vorliegenden Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.

3. Die Beschwerdekammer ist nicht an die Begehren der Parteien gebunden (Art. 25 Abs. 6 IRSG). Sie prüft die Auslieferungshaftvoraussetzungen grundsätzlich mit freier Kognition. Die Beschwerdekammer befasst sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand der Beschwerde bilden (Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2009.2 vom 9. Juli 2009 E. 2.4; RR.2007.34 vom 29. März 2007 E. 3, je m.w.H.).

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss sich die urteilende Instanz sodann nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Sie kann sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Es genügt, wenn die Behörde wenigstens kurz die Überlegungen nennt, von denen sie sich leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 124 II 146 E. 2a; 122 IV 8 E. 2c; Urteil des Bundesgerichts 1A.59/2004 vom 16. Juli 2004 E. 5.2, m.w.H.).

4. Die Verhaftung des Verfolgten während des ganzen Auslieferungsverfahrens bildet die Regel (BGE 136 IV 20 E. 2.2; 130 II 306 E. 2.2). Eine Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls sowie eine Haftentlassung rechtfertigen sich nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen, wenn der Verfolgte sich voraussichtlich der Auslieferung nicht entzieht und die Strafuntersuchung nicht gefährdet (Art. 47 Abs. 1 lit. a IRSG), wenn er den sogenannten Alibibeweis erbringen und ohne Verzug nachweisen kann, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war (Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG ), wenn er nicht hafterstehungsfähig ist oder andere Gründe vorliegen, welche eine weniger einschneidende Massnahme rechtfertigen (Art. 47 Abs. 2 IRSG ), oder wenn sich die Auslieferung als offensichtlich unzulässig erweist (Art. 51 Abs. 1 IRSG ). Diese Aufzählung ist nicht abschliessend (BGE 130 II 306 E. 2.1; 117 IV 359 E. 2a; vgl. zum Ganzen zuletzt u.a. den Entscheid des Bundesstrafgerichts RH.2018.3 vom 20. Februar 2018 E. 3.2).

Offensichtlich unzulässig kann ein Auslieferungsersuchen sein, wenn ohne jeden Zweifel und ohne weitere Abklärungen ein Ausschlussgrund vorliegt (vgl. BGE 111 IV 108 E. 3a). Im Übrigen sind Vorbringen gegen die Auslieferung als solche oder gegen die Begründetheit des Auslieferungsbegehrens nicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren, sondern im eigentlichen Auslieferungsverfahren zu prüfen (vgl. Moreillon/Dupuis/Mazou , La pratique judiciaire du Tribunal pénal fédéral, in Journal des Tribunaux 2009 IV 111 Nr. 190 und 2008 IV 66 Nr. 322 je m.w.H. auf die Rechtsprechung).

Die ausnahmsweise zu gewährende Haftentlassung ist an strengere Voraussetzungen gebunden als der Verzicht auf die gewöhnliche Untersuchungshaft in einem Strafverfahren oder die Entlassung aus einer solchen. Diese Regelung soll es der Schweiz ermöglichen, ihren staatsvertraglichen Auslieferungspflichten nachzukommen (vgl. BGE 130 II 306 E. 2.2 und 2.3; 111 IV 108 E. 2; Entscheid des Bundesstrafgerichts RH.2015.14 vom 9. Juli 2015 E. 4.1).

5.

5.1 Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, es läge kein ausreichend geschilderter Tatverdacht vor (act. 1 S. 8 f.). Es sei unklar, wo denn die eigentliche Tatbegehung stattgefunden haben solle (act. 1 S. 8). Ihm werde vorgeworfen, er habe für die B. AB, C. AS, D. OU und E. SA Strohgeschäftsführer angeworben und im Auftrag der Organisation die Zahlungsflüsse verwaltet mit dem Ziel, die hinterzogene deutsche Umsatzsteuer zu waschen. Es werde ihm nicht einmal mitgeteilt, in welchen Ländern sich diese Gesellschaften befänden und wer die angeblichen Strohmänner seien. Die Darstellung erschöpfe sich auf unklare Behauptungen (act. 1 S. 9).

Der Beschwerdeführer wendet sodann ein, der Tatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Sinne von § 129 Abs. 1 D-StGB sei verjährt (act. 1 S. 11). In Ermangelung der Anforderung der doppelten Strafbarkeit könne daher keine Rechtshilfe geleistet werden. Er stellt sich auf dem Standpunkt, dass die Auslieferung als im Sinne von Art. 51 Abs. 1 « IPRG » offensichtlich unzulässig qualifiziert werden müsse (act. 1 S. 12)

Der Beschwerdeführer macht in einem nächsten Punkt geltend, er sei nicht die zur Auslieferung ausgeschriebene Person. Die Personalien, die im Europäischen Haftbefehl aufgeführt worden seien, würden mit seinen übereinstimmen. Diese Personalien habe er jedoch erst seit einer Namensänderung mit Datum vom 24. November 2011. Es werde weder im Europäischen Haftbefehl noch im Auslieferungshaftbefehl dargelegt, warum der Beschwerdeführer, der erst ab dem 24. November 2011 den Namen A. trage, für Delikte, die sich einiges früher abgespielt hätten, verantwortlich sein solle. Es mangle am Erfordernis von Art. 28 Abs. 2 lit. d IRSG , wonach «möglichst genaue und vollständige Angaben über die Person, gegen die sich das Strafverfahren richtet» im Ersuchen aufzuführen seien. Es werde daher die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes gerügt (act. 1 S. 12 f.).

In der Replik hält der Beschwerdeführer daran fest, dass ein gravierender Mangel vorliege, welcher in der Phase der Auslieferungshaft geprüft werden könne (act. 4 S. 2).

5.2 Die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen gegen die Sachverhaltsdarstellung und doppelte Strafbarkeit beziehen sich auf die betreffenden Auslieferungsvoraussetzungen. Der Beschwerdeführer zeigt mit seiner Kritik keine Gründe auf, welche seine Auslieferung ohne jeden Zweifel und ohne weitere Abklärungen als offensichtlich unzulässig erscheinen lassen (s. supra E. 4). Wie vom Beschwerdegegner zurecht hervorgehoben (act. 3 S. 3), wird auf die entsprechenden Rügen gegebenenfalls im Rahmen des Auslieferungsentscheides näher einzugehen sein. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er sei nicht die zur Ausschreibung ausgeschriebene Person, ist ihm entgegenzuhalten, dass im SIS Formular nicht nur sein aktueller Familienname sondern auch sein Geburtsname aufgeführt wurde (act. 3.1 S. 1). Es bestehen daher keine Zweifel an seiner Identität. Im Übrigen kann der Beschwerdeführer, wie einleitend erläutert, den Alibibeweis nur mit dem Nachweis führen, dass er zur fraglichen Zeit überhaupt nicht am Tatort war oder dass es sich um einen Irrtum in der Person handelt. Dieser Nachweis ist unverzüglich und ohne Weiterungen zu erbringen (Urteil des Bundesgerichts 1A.199/2006 vom 2. November 2006, E. 2.3). Was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, genügt diesen Anforderungen klar nicht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind zusammenfassend keine Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf deuten würden, dass eine Auslieferung des Beschwerdeführers offensichtlich unzulässig i.S.v. Art. 51 Abs. 1 IRSG wäre.

6.

6.1 Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer Fluchtgefahr. Seiner Ansicht nach könne eine Fluchtgefahr mangels Kenntnis und zusätzlich mangels Absicht, sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen, nicht bejaht werden. Wäre er rechtshilfeweise an seinem Wohn- und Arbeitsort in Dubai angeschrieben oder einvernommen worden, wäre er ohne weiteres zu Aussagen im Strafverfahren der ersuchenden Behörde bereit gewesen (act. 1 S. 13 f.).

Der Beschwerdeführer kritisiert weiter, dass vom Beschwerdegegner einfach eine Verdunkelungsgefahr gemutmasst und leichtfertigt behauptet werde. Die ersuchende Behörde habe keine Verdunkelungsgefahr geltend gemacht und eine solche sei auch nicht ansatzweise zu erkennen (act. 1 S. 14 f.).

Der Beschwerdeführer rügt zudem, es liege eine Unangemessenheit vor, indem der Beschwerdegegner nicht auf die in casu ausreichende Sicherheitsleistung eingehe, eine solche nicht einmal geprüft habe. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Unklarheit in sachverhaltlicher Hinsicht erscheine die Anordnung einer Sicherheitsleistung von maximal CHF 100'000.-- sicherlich als ausreichend. Schliesslich seien von Amtes wegen weitere Alternativen zu prüfen (act. 1 S. 16 f.).

Mit der Replik führt der Beschwerdeführer aus, er reiche «einige» Unterlagen zu den Vermögensverhältnissen ein. Dazu erklärt er, Steuererklärungen könnten nicht einfach ins Recht gelegt werden, da Privatpersonen in Dubai keine Einkommenssteuer zu entrichten hätten (act. 4 S. 4). Sein jährliches Einkommen betrage rund CHF 67'889.--. Er verfüge über ein liquides Vermögen von CHF 36'350.-- plus CHF 1'988.-- sowie gebundenes Vermögen in der Höhe von CHF 152'155.--; die angebotene Sicherheitsleistung von CHF 100'000.-- sei sehr substantiell (act. 4 S. 4 f.).

6.2 Wie einleitend ausgeführt, bildet nach der Rechtsprechung die Haft des Verfolgten während des ganzen Auslieferungsverfahrens die Regel (BGE 136 IV 20 E. 2.2 S. 23; 130 II 306 E. 2.2 S. 309). Eine Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls sowie eine Haftentlassung rechtfertigen sich nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen, wenn der Verfolgte sich voraussichtlich der Auslieferung nicht entzieht und die Strafuntersuchung nicht gefährdet (Art. 47 Abs. 1 lit. a IRSG ), wenn er den sogenannten Alibibeweis erbringen und ohne Verzug nachweisen kann, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war (Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG), wenn er nicht hafterstehungsfähig ist oder andere Gründe vorliegen, welche eine weniger einschneidende Massnahme rechtfertigen (Art. 47 Abs. 2 IRSG ), oder wenn sich die Auslieferung als offensichtlich unzulässig erweist (Art. 51 Abs. 1 IRSG; vgl. auch Forster , Basler Kommentar, 2015, Art. 47 IRSG N. 5 und 6). Diese Aufzählung ist nicht abschliessend (BGE 130 II 306 E. 2.1; 117 IV 359 E. 2a S. 361; vgl. auch Entscheide des Bundesstrafgerichts RH.2016.10 vom 6. September 2016 E. 2; RH.2016.7 vom 2. August 2016 E. 4.2).

Die ausnahmsweise zu gewährende Haftentlassung ist deshalb an strengere Voraussetzungen gebunden als der Verzicht auf die gewöhnliche Untersuchungshaft in einem Strafverfahren oder die Entlassung aus einer solchen. Diese Regelung soll es der Schweiz ermöglichen, ihren staatsvertraglichen Auslieferungspflichten nachzukommen (vgl. BGE 130 II 306 E. 2.2 und 2.3; 111 IV 108 E. 2; Entscheid des Bundesstrafgerichts RH.2015.14 vom 9. Juli 2015 E. 4.1). Die Rechtsprechung ist hinsichtlich der Verneinung von Fluchtgefahr überaus restriktiv und misst der Erfüllung dieser staatsvertraglichen Auslieferungspflichten im Vergleich zu den Interessen des Verfolgten ausserordentlich grosses Gewicht bei (vgl. BGE 130 II 306 E. 2 S. 310 ff. m.w.H.; Entscheid des Bundesstrafgerichts RH.2015.4 vom 23. Februar 2015 E. 5.2). So wurde beispielsweise die Möglichkeit einer Verurteilung zu einer langen Freiheitsstrafe zur Verweigerung der Haftentlassung als ausreichend betrachtet, obwohl der Verfolgte über eine Niederlassungsbewilligung verfügte, seit 18 Jahren in der Schweiz lebte, mit einer Schweizerin verheiratet und Vater zweier Kinder im Alter von 3 und 8 Jahren war und die beiden Kinder die schweizerische Nationalität besassen (Urteil des Bundesgerichts 8G.45/2001 vom 15. August 2001 E. 3a). Ebenso wurde Fluchtgefahr bei einem Verfolgten bejaht, der seit seinem 17. Lebensjahr seit 10 Jahren ununterbrochen in der Schweiz lebte und seine Freundin wie auch den Freundeskreis hier hatte (Entscheid des Bundesstrafgerichts BH.2006.4 vom 21. März 2006 E. 2.2.1).

6.3 Der 32-jährige Beschwerdeführer ist dänischer Staatsbürger mit Arbeitsort in Dubai, wo er gemäss eigener Darstellung auch wohne. Weder seine Ehefrau noch seine beiden Kinder sind in der Schweiz wohnhaft. Der Beschwerdeführer weist keine geschäftlichen oder privaten Bindungen in der Schweiz auf. Er wurde lediglich auf seiner Durchreise von Dubai nach Istanbul via Zürich in Begleitung seiner Freundin in der Schweiz festgenommen (act. 3.6, Verhaftsrapport S. 2). Der Beschwerdeführer führte selber auch aus, er verfüge über einen klaren Lebensmittelpunkt (in Dubai), von dem er sich nicht entfernen könne und wolle (act. 1 S. 15). Die von ihm signalisierte Bereitschaft, sich dem deutschen Strafverfahren zu stellen, steht dazu klar in Widerspruch. Schliesslich widersetzt er sich konkret seiner Auslieferung nach Deutschland (vgl. act. 3.6, Einvernahme S. 1). Dabei verweist der Beschwerdegegner auf die von ihm gemachten Erfahrungen, wonach nicht nur der Auslieferungsverkehr, sondern auf die akzessorische Rechtshilfe mit dem Wohnsitzstaat des Beschwerdeführers faktisch mit grossen Schwierigkeiten verbunden oder gar unmöglich ist (act. 3 S. 4). Der Beschwerdegegner geht daher zu Recht vom Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr aus (act. 3 S. 4). Diese wird noch erhöht wegen des jungen Alters des Beschwerdeführers und seines guten Gesundheitszustandes (vgl. act. 3.6, Einvernahme S. 2; BGE 136 IV 20 E. 2.2 S. 23 f. mit Hinweis).

6.4 Mildere Ersatzmassnahmen, die geeignet wären, der erheblichen Fluchtgefahr ausreichend zu begegnen, sind vorliegend keine ersichtlich. Die vom Beschwerdeführer anerbotenen Ersatzmassnahmen sind nicht geeignet, die Fluchtgefahr erheblich zu mindern, geschweige denn zu beseitigen. Wie vom Beschwerdegegner zutreffend erläutert (act. 3 S. 5), werden Ersatzmassnahmen wie Abgabe der Reisedokumente, Schriftensperre, Meldepflicht und Electronic Monitoring angesichts der einfachen Möglichkeit, sich ins Ausland abzusetzen, nach konstanter Rechtsprechung nur in Kombination mit einer sehr substantiellen Sicherheitsleistung als überhaupt geeignet erachtet, eine bestehende Fluchtgefahr ausreichend zu bannen (Entscheide des Bundesstrafgerichts RH.2017.17 vom 2. Oktober 2017 E. 5.4.4; RH.2015.20 vom 1. September 2015 E. 5.3.2; RH.2015.10 vom 10. Juni 2015 E. 5.3; RH.2015.4 vom 23. Februar 2015 E. 5.2). Grundsätzlich kann nach der Rechtsprechung die Höhe der Kaution ohne eine detaillierte Darlegung der finanziellen Verhältnisse nicht festgelegt werden (vgl. hierzu auch den Entscheid des Bundesgerichts 8G.11/2003 vom 21. Februar 2003, E. 5). Mit der Beilage «einiger» Dokumente hat der Beschwerdeführer seine finanziellen Verhältnisse nicht umfassend offengelegt, weshalb sich bereits aus diesem Grund Weiterungen mit Bezug auf die angebotene Sicherheitsleistung erübrigen.

6.5 Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

7. Andere Gründe, welche eine Auslieferung offensichtlich auszuschliessen oder sonst zu einer Aufhebung der Auslieferungshaft zu führen vermöchten, werden weder geltend gemacht noch sind solche ersichtlich. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten in der Hauptsache als offensichtlich unbegründet.

8.

8.1 Der Beschwerdeführer beantragt in einem letzten Punkt die Freigabe der sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte (act. 1 S. 17 f.). Er kritisierte, im Auslieferungshaftbefehl würden die von der Anordnung konkret betroffenen Gegenstände und Vermögenswerte nicht aufgeführt und nicht dargelegt, unter welchem Titel sie sichergestellt bleiben sollen. Dies stelle eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs dar. Die Anordnung sei daher aufzuheben (act. 1 S. 17).

8.2 Die Sicherstellung im Sinne von Art. 45 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 3 IRSG ist eine vorläufige prozessuale Massnahme zur Beweissicherung bzw. zur Sicherung des durch die strafbare Handlung erzielten unrechtmässigen Gewinnes, die noch keinen materiellen Eingriff in die Vermögensrechte des Betroffenen darstellt. Sie weist lediglich konservatorischen Charakter auf und erfolgt unter Vorbehalt eines späteren Entscheides über deren Aushändigung gemäss Art. 55 Abs. 1 IRSG , dem sie in keiner Weise vorgreift.

Nach Art. 62 Abs. 2 IRSG kann persönliches Eigentum des Verfolgten zur Deckung der Kosten des Auslieferungsverfahrens verwendet werden, soweit es nicht auszuliefern ist. Hieraus folgt deshalb, dass eine Sicherstellung auch dann zulässig ist, wenn sich unter den sicherzustellenden Gegenständen und Vermögenswerten solche befinden, die voraussichtlich nicht auszuliefern sind, aber zur Kostendeckung verwendet werden können. Die sicherzustellenden Gegenstände und Vermögenswerte sind im Auslieferungshaftbefehl möglichst konkret zu bezeichnen (vgl. hiezu BGE 125 IV 30 E. 1a; 121 IV 41 E. 4b bb, je m.w.H., sowie Entscheid des Bundesstrafgericht RR.2007.83 vom 21. Juni 2007, E. 6).

8.3 Im angefochtenen Auslieferungshaftbefehl wird unter Hinweis auf Art. 45 Abs. 1 , Art. 47 Abs. 3 und Art. 62 Abs. 2 IRSG verfügt, dass vorbehältlich eines gegenteiligen Entscheides des Beschwerdegegners die bei der Festnahme erfolgte Sicherstellung der Gegenstände und Vermögenswerte des Beschwerdeführers während des ganzen Auslieferungsverfahrens aufrecht erhalten bleibt (act. 3.8 S. 3). Die bei der Festnahme sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte sind dem Verhaftsrapport der Kantonspolizei Zürich vom 9. Juli 2020 zu entnehmen, welches ein detailliertes Verzeichnis der Effekten des Beschwerdeführers enthält (act. 3.6). Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nach dem Gesagten nicht auszumachen.

9. Zusammenfassend erweist sich die Beschwerde damit in allen Punkten als unbegründet. Sie ist abzuweisen.

10. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG ). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.- festzusetzen (Art. 63 Abs. 5 VwVG und Art. 73 StBOG sowie Art. 5 und 8 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 12. August 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Die Vizepräsidentin: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Rechtsanwalt Lucius Richard Blattner

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung

Rechtsmittelbelehrung

Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig (Art. 92 Abs. 1 BGG). Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden (Art. 92 Abs. 2 BGG ).

Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sind andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar. Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können, oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Entscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (vgl. Art. 93 Abs. 1 und 2 BGG ). Ist die Beschwerde gegen einen Vor- oder Zwischenentscheid gemäss Art. 93 Abs. 1 und 2 BGG nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG ).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (vgl. Art. 84 Abs. 1 BGG ). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG ).

Die Beschwerde ist innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (vgl. Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG ).

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