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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Berufungskammer
Fallnummer:CR.2020.8
Datum:14.09.2020
Leitsatz/Stichwort:Revision gegen das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017 (Art. 410 ff. StPO)
Schlagwörter : Revision; Urteil; Bundes; Kammer; Konkurs; Sachen; Einziehung; Tatsachen; Entscheid; Verfahren; Bundesstrafgericht; Verfahren; Rechtlich; Berufungskammer; Wiedererwägung; Bundesstrafgerichts; Beweis; Gericht; Rechtsmittel; Gläubiger; Beweismittel; Revisionsgesuch; Urteils; Eingabe; Beschlag; Interesse; Urteil; Vermögenswerte; Beschwerde
Rechtsnorm: Art. 197 KG ; Art. 2 BV ; Art. 230 KG ; Art. 28 KG ; Art. 38 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 385 StPO ; Art. 4 KG ; Art. 41 StPO ; Art. 410 StPO ; Art. 411 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 60 StPO ; Art. 7 StGB ; Art. 71 StGB ; Art. 91 StPO ;
Referenz BGE:100 III 64; 107 III 113; 116 IV 353; 116 IV 80; 127 I 133; 130 IV 72; 131 III 652; 137 IV 59; 141 IV 93; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: CR.2020.8

Beschluss vom 14. September 2020
Berufungskammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Andrea Blum, Vorsitzende

Thomas Frischknecht und Marcia Stucki

Gerichtsschreiber Ömer Keskin

Parteien

Konkursamtliche Nachlassliquidationsmasse der Erbschaft von A. sel.,

handelnd durch die amtliche Konkursverwaltung, Konkurs-amt Aargau, Amtsstelle Brugg, vertreten durch Rechtsanwältin Melanie Gasser, B. AG,

Gesuchstellerin

gegen

Bundesanwaltschaft , vertreten durch Staatsanwalt des Bundes Tobias Kauer ,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Revision gegen das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017 (Art. 410 ff . StPO )


Sachverhalt:

A. Vorgeschichte

A.1 Mit Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2015.44 vom 30. September 2016 wurde A. sel. des gewerbsmässigen Betrugs (Art. 146 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 StGB) schuldig gesprochen und mit einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten bestraft, soweit das Verfahren nicht infolge Verjährung eingestellt wurde. Weiter wurde die Einziehung von Vermögenswerten angeordnet, unter anderem auch von solchen, die auf A. sel. selber lauteten (Dispositiv-Ziffern I.2, I.3 und II.2), wobei die Eröffnung des Urteils im Zivilpunkt zu einem späteren Zeitpunkt vorbehalten wurde (Urteil SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017, Sachverhalt E. R).

A.2 Am 30. März 2017 wurde das Urteil sodann auch betreffend den Zivilpunkt eröffnet (Urteil SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017, Sachverhalt E. S). Diesbezüglich wurde festgestellt, dass sich eine Reihe von Personen nicht mehr als Privatkläger im Verfahren beteiligen. Ferner wurde A. sel. dazu verpflichtet, einer weiteren Gruppe von Privatklägern, deren Anspruch begründet war, Schadenersatz zu bezahlen, teilweise zuzüglich Zins zu 5% seit dem 1. Oktober 2004. Schliesslich wurden die übrigen Privatkläger auf den Zivilweg verwiesen (Urteil SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017 Dispositivziffer IV.1.1, IV.1.2 und IV.1.3).

A.3 Mit Urteil 6B_28/2018 vom 7. August 2018 wies das Bundesgericht eine von A. sel. gegen das Urteil SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017 geführte Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

A.4 Am 5. März 2019 verstarb A. sel. (CAR pag. 1.100.013). Sämtliche seiner Erben erklärten fristgerecht die vorbehaltlose Ausschlagung der Erbschaft, was mit Entscheid SE.2019.88 des Präsidiums des Bezirksgerichts Laufenburg vom 14. Juni 2019 festgestellt wurde. Entsprechend wurde am 14. Juni 2019 um 8.00 Uhr über die Erbschaft die konkursamtliche Liquidation angeordnet. Mit der Durchführung der Liquidation wurde das Konkursamt Aarau, Amtsstelle Brugg, beauftragt (CAR pag. 1.100.015). Dieses bevollmächtigte am 23. März 2020 die B. AG (als Hilfsperson) mit der Durchführung des Nachlassliquidationsverfahrens (CAR pag. 1.100.017).

A.5 Mit Eingabe vom 24. April 2020 ersuchte die amtliche Konkursverwaltung die Strafkammer um Wiedererwägung ihres Urteils SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017 mit dem Begehren, dass die angeordnete Einziehung der Vermögenswerte von A. sel. und der ihm zuzurechnenden Gesellschaften aufzuheben, durch eine Ersatzforderungsbeschlagnahme im Sinne von Art. 71 Abs. 3 StGB zu ersetzen und die beschlagnahmten Vermögenswerte bzw. deren Erlös aus deren Verwertung der Gesuchstellerin zu übertragen sei (CAR pag. 1.100.005 f.). Auf die Begründung dieser Anträge wird - soweit erforderlich - in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

B. Verfahren vor der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts

B.1 Das Wiedererwägungsgesuch der Gesuchstellerin vom 24. April 2020 wurde von der Strafkammer am 12. Mai 2020 im Sinne eines Revisionsbegehrens gemäss Art. 91 Abs. 4 StPO sowie Art. 411 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 38 a StBOG an die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts übermittelt (CAR pag. 1.100.001 f.).

B.2 Mit Schreiben vom 9. Juni 2020 wurde den Verfahrensparteien die Zusammensetzung des Spruchkörpers mitgeteilt (CAR pag. 1.200.002 f.).

Gemäss Art. 412 Abs. 2 und Abs. 3 StPO ( e contrario) wird vorliegend auf die Durchführung eines Schiftenwechsels verzichtet.

Die Berufungskammer erwägt:

1. Zuständigkeit Berufungskammer / Bezeichnung des Rechtmittels

1.1 Seit 1. Januar 2019 ist die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts gemäss Art. 38 a StBOG innerhalb der Strafbehörden des Bundes für den Entscheid über Berufungen und Revisionsgesuche zuständig.

1.2 Die Gesuchstellerin bezeichnet ihre Eingabe ausdrücklich als Wiedererwägungsgesuch. Die StPO kennt jedoch kein Rechtsmittel mit der Bezeichnung «Wiedererwägung» (Beschlüsse der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts BB.2016.89 vom 9. Mai 2016; BB.2016.30 vom 18. Februar 2016; BB.2013.42 vom 25. April 2013, E. 1.1). Soweit sich die Gesuchstellerin unter Verweis auf den Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts BB.2005.72 vom 19. Oktober 2005 auf einen Anspruch auf Wiedererwägung beruft, verkennt sie, dass sich der besagte Entscheid auf eine verfahrensleitende Verfügung der Untersuchungsbehörde bezog, während vorliegend ein rechtskräftiges Urteil teilweise in Wiedererwägung gezogen werden soll. Die Wiedererwägung eines gerichtlichen Sachurteils ist jedoch praxisgemäss ausgeschlossen. Dies stimmt im Übrigen mit der allgemeinen Systematik der Verwaltungsrechtspflege überein, welche die Wiedererwägung als Rechtsbehelf (im Unterschied zur Revision ohne Bindung an Formen oder Fristen) grundsätzlich nur im Rahmen der verwaltungsinternen Verwaltungsrechtspflege zulässt. Dagegen dürfen gerichtliche Urteile - ausser im Falle einer Revision - nicht zurückgenommen werden (Entscheid der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts CR.2019.10 vom 24. Februar 2020 E. 1.2 mit weiteren Hinweisen).

1.3 Es stellt sich entsprechend die Frage, ob das Ersuchen der Gesuchstellerin in den Anwendungsbereich des Revisionsrechts fällt und (in Anlehnung an das in Art. 385 Abs. 3 StPO verankerte Prinzip « falsa demonstratio non nocet») nach den Vorschriften zur Revision entgegenzunehmen ist ( Calame , Commentaire romand, 2. Aufl. 2019, Art. 385 StPO N. 24). Vorliegend äussert die Gesuchstellerin ihren Anfechtungswillen ausdrücklich dahingehend, dass sie ein bereits rechtskräftiges Sachurteil teilweise abgeändert haben will. Hierzu weist sie auf neue Tatsachen hin, deren Geltendmachung im Strafverfahren ihr zuvor nicht möglich gewesen sei und die daher bisher unberücksichtigt geblieben seien. Die geltend gemachten neuen Tatsachen hätten die Umstände des Urteils betreffend die Frage der Einziehung wesentlich geändert (vgl. Eingabe der Gesuchstellerin vom 24. April 2020, insb. Rechtsbegehren Ziffer 1 f. und Rz. 6 [CAR pag. 1.100.005 und 007]). Folglich kann der Anfechtungswille der Gesuchstellerin derart ausgelegt werden, dass ein Urteil aufgrund unberücksichtigt gelassener, unmittelbar rechtserheblicher Tatsachen abgeändert werden soll. Dies deckt sich insofern mit dem Ziel und Zweck der Revision, als diese traditionsgemäss darauf ausgelegt ist, ein Urteil durch die Korrektur eines unrichtigen Sachverhalts abzuändern ( Heer , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 410 StPO N. 2). Die Eingabe der Gesuchstellerin vom 24. April 2020 ist demzufolge als Revisionsgesuch entgegenzunehmen. Durch die Möglichkeit der Revision werden die aus Art. 29 BV hervorgehenden und von der Gesuchstellerin ausdrücklich geltend gemachten Rechte damit ebenfalls hinreichend berücksichtigt (vgl. BGE 127 I 133 E. 6; vgl. Jacquemoud-Rossari , Commentaire romand, 2. Aufl. 2019, Art. 410 StPO N. 1).

1.4 Die Zuständigkeit der Berufungskammer für die Beurteilung der als Revisionsgesuch entgegenzunehmenden Eingabe vom 24. April 2020 ist daher zu bejahen.

1.5

2. Eintretensvoraussetzungen

2.1

2.1.1 Gemäss Art. 410 Abs. 1 StPO kann die Revision nur verlangen, wer durch ein rechtskräftiges Urteil, einen Strafbefehl, einen nachträglichen richterlichen Entscheid oder einen Entscheid im selbstständigen Massnahmenverfahren beschwert ist. Die Beschwer ist eine Eintretensvoraussetzung, welche von Amtes wegen zu überprüfen ist (vgl. BGE 116 IV 80 E. 2a; Heer , a.a.O., Art. 410 StPO N. 16). Vorausgesetzt ist ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des betreffenden Entscheids im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO . Neben den unmittelbaren Verfahrensbeteiligten können auch Dritte ein rechtlich geschütztes Interesse an der Revision eines rechtskräftigen Urteils haben und ein entsprechendes Gesuch einreichen. Das rechtlich geschützte Interesse hat indessen aktuell zu sein ( Heer , a.a.O., Art. 410 StPO N. 16; Jacquemoud-Rossari , a.a.O., Art. 410 StPO N. 18; vgl. Ziegler/Keller , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 382 StPO N. 2).

2.1.2 Gemäss Art. 44 SchKG geschieht die Verwertung von Gegenständen, welche aufgrund strafrechtlicher oder fiskalischer Gesetze mit Beschlag belegt sind, nach den zutreffenden eidgenössischen oder kantonalen Gesetzesbestimmungen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Vorschrift haben über die Voraussetzungen und Wirkungen einer solchen Beschlagnahme einzig die nach diesen Gesetzen zuständigen Straf- und Fiskalbehörden zu entscheiden. Die Betreibungs- und Konkursbehörden sind nicht befugt, einer strafrechtlichen oder fiskalischen Beschlagnahme eine eigene gegenteilige Verfügung entgegenzusetzen, die dann der betreibungsrechtlichen Beschwerde unterliegen würde. Entsprechend müssen sich die Gläubiger bzw. die Konkursverwaltung gegen solche Beschlagnahme mit den Rechtsmitteln des Strafprozess- bzw. Fiskalrechts zur Wehr setzen (BGE 131 III 652 E. 3.1; BGE 107 III 113 E. 1). Da es sich technisch gesehen um einen Vorbehalt zugunsten der Straf- und Steuergesetze handelt, fällt es in die Zuständigkeit der durch diese Gesetze bestimmten Behörden, über die Bedingungen und Wirkungen Beschlagnahme zu entscheiden. Die Gläubiger oder die Konkursverwaltung können die Beschlagnahme gemäss den in diesen Gesetzen vorgesehenen Rechtsmitteln anfechten (BGE 131 III 652 E. 3.1; Acocella , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2010, Art. 44 SchKG N. 7; Scholl , in: Ackermann (Hrsg.), Kommentar: Kriminelles Vermögen - Kriminelle Organisationen, 1. Aufl., Art. 70 StGB N. 601).

2.1.3 Zur Frage ihres rechtlich geschützten Interesses führt die Gesuchstellerin aus, dass sie eine von der Einziehung gemäss Dispositiv Ziff. II.2.1 des Urteils SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017 betroffene Dritte sei, soweit davon Vermögenswerte von A. sel. sowie der ihm zuzurechnenden Gesellschaften betroffen seien. Diese Einziehung verhindere, dass die besagten Vermögenswerte in die Konkursmasse fallen würden und reduziere damit das nach den Vorschriften des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) auf die Gläubigergesamtheit zu verteilende Nachlassliquidationsergebnis. Erschwerend komme hinzu, dass in diesem Falle die Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven gemäss Art. 230a Abs. 1 SchKG drohe. Die Konkursmasse sei damit in ihren rechtlich geschützten Interessen unmittelbar betroffen und habe ein aktuelles und praktisches Interesse an der Wiedererwägung des streitbetroffenen Urteils (vgl. Eingabe der Gesuchstellerin vom 24. April 2020, Rz. 5 [CAR pag. 1.100.007.]). Den gesuchstellerischen Ausführungen ist zuzustimmen. Die im Urteil SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017 angeordnete Einziehung der Vermögenswerte von A. sel. verhindert, dass diese in die aus seinem Nachlass bestehende Konkursmasse fallen und schmälert das nach den Vorschriften des SchKG auf die Gesamtheit der Gläubiger zu verteilende Nachlassliquidationsergebnis. Die amtliche Konkursverwaltung, welche die Interessen der Konkursmasse zu wahren hat (vgl. BGE 100 III 64 E. 1), hat demnach ein rechtlich geschütztes Interesse und ist zur Anhebung des vorliegenden Revisionsgesuchs berechtigt.

2.2

2.2.1 Gemäss Art. 410 Abs.1 StPO kann die Revision verlangt werden, wenn: neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere oder wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person oder eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen (lit. a); der Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht (lit. b); sich in einem anderen Strafverfahren erweist, dass durch eine strafbare Handlung auf das Ergebnis des Verfahrens eingewirkt worden ist; eine Verurteilung ist nicht erforderlich; ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden (lit. c). Laut Art. 410 Abs. 2 StPO kann die Revision ausserdem verlangt werden, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen und die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen. Schliesslich gelten nach Art. 60 Abs. 3 StPO die Bestimmungen über die Revision, wenn ein Ausstandsgrund gegen eine in der Strafbehörde tätige Person erst nach Abschluss des Verfahrens entdeckt wird. Die Aufzählung der Revisionsgründe in der StPO ist damit erschöpfend ( Jacquemoud-Rossari , a.a.O., Art. 410 StPO N. 19).

2.2.2 Die Gesuchstellerin bringt diesbezüglich vor, dass dem Einzelnen gestützt auf Art. 29 BV ein Anspruch auf Wiedererwägung zustehe, wenn die Umstände sich seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert hätten oder wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen und Beweismittel namhaft mache, die ihm im früheren Verfahren nicht bekannt gewesen seien, deren Geltendmachung schon damals für ihn rechtlich oder tatsächlich unmöglich gewesen sei oder dazu keine Veranlassung bestanden habe. In diesem Sinne habe eine Strafverfolgungsbehörde eine Beschlagnahme aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen dahingefallen seien, beispielsweise, weil sich die Beschlagnahme als nicht mehr verhältnismässig erweise oder im Hinblick auf ihren Zweck nicht mehr notwendig sei. Gleiches müsse analog auch für die vorliegende Einziehung gelten. Gemäss Art. 197 Abs. 1 SchKG bilde sämtliches pfändbares Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Konkurseröffnung gehöre, gleichviel wo es sich befinde, eine einzige Masse, die zur gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger diene. Durch die Ausschlagung der Erbschaft von A. sel. durch dessen Erben und der damit einhergehenden Anordnung der Nachlassliquidation hätten sich die Umstände seit dem Einziehungsentscheid somit wesentlich geändert, indem die Berechtigung an dem A. sel. zuzurechnendem pfändbaren Vermögen von diesem auf dessen Konkursmasse bzw. dessen Gläubigergesamtheit übergegangen sei. Dabei handle es sich um eine erhebliche Tatsache, die im früheren Verfahren geltend zu machen tatsächlich unmöglich gewesen sei (vgl. Eingabe der Gesuchstellerin vom 24. April 2020 Rz.6 [CAR pag. 1.100.007]).

2.2.3 Die Gesuchstellerin argumentiert ferner, dass durch die Einziehung zudem eine ungerechtfertigte Bevorzugung derjenigen Gläubiger erfolge, welche im Strafurteil eine Forderung zugesprochen erhielten, gegenüber einerseits denjenigen Gläubigern, welche zwar am Strafverfahren teilnahmen, jedoch auf den Zivilweg verwiesen wurden, und andererseits allen weiteren Gläubigern des Verstorbenen. Deshalb erweise sich die Einziehung vorliegend als unverhältnismässig. Dabei könne das Geschädigtenprivileg nicht als Rechtfertigung herangezogen werden, denn das angefochtene Urteil schweige sich aus, ob die in den Rechtsbegehren bezeichneten Vermögenswerte um deliktisch erlangte Werte handle. Auch werde im Hinblick auf allfällige Surrogate kein «paper trail» aufgezeigt. Der Staat habe jedoch die einziehungsbegründenden Umstände grundsätzlich zu beweisen. Die Einziehung sei daher unrechtmässig erfolgt. Im Weiteren könne die von A. sel. an der Hauptverhandlung ausgesprochene Zustimmung zur Einziehung der streitbetroffenen Vermögenswerte die Gläubigerbevorzugung nicht rechtfertigen, welche schliesslich einer Absichtsschädigung nach Art. 288 SchKG gleichkomme (vgl. Eingabe der Gesuchstellerin vom 24. April 2020 Rz. 7 ff. [CAR pag. 1.100.007 ff.]).

2.2.4 Aufgrund der gesuchstellerischen Ausführungen ist vorliegend insbesondere Art. 410 Abs.1 lit. a StPO (Korrektur eines unrichtigen Sachverhalts) zu prüfen. Allfällige Rechtsfehler oder die falsche Würdigung des Sachverhalts oder einzelner Beweismittel unterliegen nicht der Revision ( Heer , a.a.O., Art. 410 StPO N. 3 sowie 37). Als subsidiäres Rechtsmittel dient die Revision gerade nicht dazu, verpasste Rechtsmittel nachzuholen ( Heer , a.a.O., Art. 410 StPO N. 10 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind unter «Tatsachen» Umstände zu verstehen, die im Rahmen des dem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalts von Bedeutung sind. Mit Beweismitteln wird der Nachweis von Tatsachen erbracht (BGE 141 IV 93 E. 2.3; Jacquemoud-Rossari , a.a.O., Art. 410 StPO N. 26). Diese müssen einerseits unmittelbar rechtserheblich und anderseits neu sein (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2 ff.; BGE 130 IV 72 E. 1). Tatsachen und Beweismittel sind neu, wenn diese dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, d.h. ihm überhaupt nicht in irgendeiner Form zur Beurteilung vorlagen (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2; BGE 130 IV 72 E. 1; vgl. Heer , a.a.O., Art. 410 StPO N. 34). Dabei ist die Perspektive des Gerichts entscheidend. Tatsachen und Beweismittel müssen lediglich für das Gericht neu sein (BGE 116 IV 353 E. 3a). Massgebend für die Bestimmung der Neuheit von Tatsachen und Beweismitteln ist der Moment, in welchem das Urteil im ursprünglichen Verfahren gefällt wurde ( Heer , a.a.O., Art. 410 StPO N. 44). Damit gelten sämtliche zeitlich nach dem Urteil eingetretene Tatsachen oder Beweismittel nicht als neu. Dies geht bereits im Umkehrschluss aus dem Wortlaut von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO hervor.

2.2.5 Die Gesuchstellerin stützt ihr Revisionsgesuch auf das Ableben von A. sel. sowie auf das durch die Ausschlagung der Erben ausgelöste konkursrechtliche Nachlassliquidationsverfahren. Sie bringt diese beiden Ereignisse als Grund für die Revision des betreffend die Einziehung angefochtenen Urteils vor, da dadurch das Nachlassliquidationsergebnis geschmälert werde. Der Tod von A. sel., die Ausschlagung dessen Erbschaft durch die Erben und das darauffolgende konkursrechtliche Nachlassverfahren sind jedoch als «Tatsachen» zeitlich nach dem für die Neuheit von Tatsachen und Beweismitteln massgeblichen Moment der Urteilsfällung eingetreten, weshalb sie als «neue Tatsachen» im Sinne von Art. 410 Abs.1 lit. a StPO bzw. als mögliche Revisionsgründe ausser Betracht fallen. Demzufolge vermögen sie vorliegend eine Revision nicht zu begründen. Es ist zudem auch nicht ersichtlich, dass sich der Tod von A. sel. auf den (ursprünglichen) Einziehungsentscheid rechtserheblich hätte auswirken können. Ebenfalls nicht zu hören ist die Rüge der Gesuchstellerin, das Urteil sei unrechtmässig, weil darin unterlassen werde, den Deliktskonnex zu prüfen. Mit diesem Vorbringen beanstandet die Gesuchstellerin einen Rechtsfehler, wofür die Revision als subsidiäres Rechtsmittel gerade nicht zur Verfügung steht.

2.2.6 Da sich das Revisionsgesuch auf keinen der gesetzlich vorgesehenen Revisionsgründe stützt, ist es offensichtlich unbegründet.

2.3 Gemäss Art. 412 Abs. 2 und Abs. 3 ( e contrario) StPO verzichtet das Gericht auf einen Schriftenwechsel und tritt auf das Revisionsgesuch nicht ein, falls Letzteres offensichtlich unbegründet ist. Auf das Revisionsgesuch ist deshalb ohne Durchführung eines Schriftenwechsels nicht einzutreten.

3. Gerichtskosten und Parteientschädigungen

Nach Art. 428 Abs. 1 StPO tragen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die Gerichtsgebühr der Gesuchstellerin aufzuerlegen und auf Fr. 200.00 festzusetzen (Art. 73 Abs. 1 lit. a und b sowie Abs. 3 lit. c StBOG i.V.m. Art. 1 Abs. 4 , Art. 5 und Art. 7 bis BStKR). Es sind keine Parteienschädigungen zuzusprechen.


Die Berufungskammer beschliesst:

1. Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 200.00 wird der Gesuchstellerin auferlegt.

3. Es werden keine Parteientschädigungen ausgerichtet.

Im Namen der Berufungskammer

des Bundesstrafgerichts

Die Vorsitzende Der Gerichtsschreiber

Zustellung an (Gerichtsurkunde):

- Bundesanwaltschaft, Herrn Tobias Kauer, Staatsanwalt des Bundes

- Frau Rechtsanwältin Melanie Gasser, B. AG

Kopie an:

- Bundesstrafgericht, Strafkammer

Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an:

- Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug & Vermögensverwaltung

Rechtsmittelbelehrung

Beschwerde an das Bundesgericht

Gegen verfahrensabschliessende Entscheide der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts kann innert 30 Tagen nach Eröffnung der vollständigen Ausfertigung Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht eingelegt werden. Das Beschwerderecht und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in den Art. 78 -81 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 ( BGG ) geregelt. Die begründete Beschwerdeschrift ist beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.

Versand 15. September 2020

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