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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BB.2020.5
Datum:05.02.2020
Leitsatz/Stichwort:Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 StPO).
Schlagwörter : Berufung; Kammer; Recht; Verfahren; Entschädigung; Urteil; Stunden; Verfahren; Bundes; Honorar; Beschwerde; Berufungsverfahren; Rechtsanwalt; Amtliche; Aufwand; Verfahrens; Bundesgericht; Anklage; Verteidiger; Verteidigung; Kanton; Begründung; Schuldig; Entscheid; Honorarnote; Staatsanwaltschaft; Bundesgerichts; Bezirksgericht; Pauschal
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 104 StPO ; Art. 11 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 140 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 29 BV ; Art. 31 ZPO ; Art. 333 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 409 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 7 BGG ;
Referenz BGE:111 Ia 1; 111 Ia 273; 127 V 431; 133 I 201; 136 I 265; 136 I 39; 137 I 195; 137 V 210; 139 IV 179; 140 I 99; 140 III 167; 140 IV 213; 141 I 124; 141 I 60; 141 I 70; 143 IV 40; 143 IV 453; 144 I 11; 144 II 427; 145 IV 99; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2020.5

Beschluss vom 5. Februar 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Patrick Robert-Nicoud und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

Rechtsanwalt A. ,

Beschwerdeführer

gegen

Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer,

Beschwerdegegner

Gegenstand

Entschädigung der amtlichen Verteidigung
(Art. 135 Abs. 3 StPO )


Sachverhalt:

A. Rechtsanwalt A. war seit dem 26. Dezember 2014 amtlicher Verteidiger von B. Die Staatsanwaltschaft Baden warf B. in den schwersten Anklagepunkten vor, bei zwei Kompagnons (C. und D.) den Wunsch ausgesprochen zu haben, jemanden zu überfallen, der Drogen zu Hause habe und dies in der Folge in der Wohnung von E. umgesetzt zu haben. Dabei habe B. mit einem unbekannten, spitzen, geschliffenen Gegenstand insgesamt mindestens neunmal auf E. eingestochen und ihm dabei tiefe Stichwunden und schwere Verletzungen zugefügt. Ohne umgehende operative Versorgung wäre E. gemäss Anklage mit grosser Wahrscheinlichkeit gestorben.

Das Bezirksgericht Baden sprach B. mit Urteil vom 22. September 2016 (86 Seiten, ST.2016.4) des (einfachen) Raubes (Art. 140 Ziff. 1 StGB ), der Drohung, der Sachbeschädigung sowie der Beschimpfung für schuldig. Es sprach ihn von den Vorwürfen des versuchten Mordes sowie Diebstahls frei. Es bestrafte ihn mit einer Gesamtstrafe von 6 ½ Jahren sowie 10 Tagessätzen Geldstrafe à Fr. 30.--. In der Strafe enthalten war eine Rückversetzung in den Strafvollzug für eine Reststrafe von 699 Tagen aus einem Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 1. Februar 2006. Das Bezirksgericht Baden sprach weiter einem Privatkläger nebst geringem Schadenersatz eine Genugtuung von Fr. 10'000.-- zu und verwies dessen Ansprüche ansonsten auf den Zivilweg. B. hatte auch die Verfahrenskosten zu tragen.

B. Gegen das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 22. September 2016 meldeten B. (am 3. Oktober 2016), die Staatsanwaltschaft Baden (am 10. Oktober 2016) sowie der Privatkläger E. (am 19. Oktober 2016) Berufung an. Der Privatkläger zog seine angemeldete Berufung am 17. März 2017 zurück.

Die Staatsanwaltschaft Baden erklärte am 9. März 2017 ihre Berufung (2 Seiten) an das Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer (nachfolgend "Strafkammer"). Sie focht den Schuldpunkt, die Bemessung der Strafe sowie die Kosten-, Entschädigungs- und Genugtuungsfolgen an. Sie beantragte, B. sei des versuchten Mordes sowie des qualifizierten Raubes (Art. 140 Ziff. 1 und 3 StGB ) schuldig zu sprechen. Dafür sei er zu einer Gesamtstrafe von 15 Jahren und einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen à Fr. 30.-- zu verurteilen. Sie stellte zudem den Verfahrensantrag: Sollte das Obergericht der Ansicht sein, das zur Anklage gebrachte Verhalten könnte den Tatbestand des qualifizierten Raubs im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 und 3 StGB erfüllen, die Anklage entspreche aber nicht den gesetzlichen Anforderungen, so sei der Staatsanwaltschaft im Berufungsverfahren in Anwendung von Art. 333 Abs. 1 StPO sowie in Nachachtung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gem. Entscheid 6B_777/2011 vom 10. April 2012 E. 2 Gelegenheit zu geben, die Anklage im Berufungsverfahren entsprechend zu ergänzen.

Am 21. März 2017 liess B. von Rechtsanwalt A. Berufung erklären (6 Seiten). Er sei von den Vorwürfen der Drohung, Sachbeschädigung und Beschimpfung frei zu sprechen und für den (einfachen) Raub mit einer unbedingten Freiheitsstrafe (Gesamtstrafe) von höchstens 3 Jahren zu bestrafen. Als Genugtuung seien dem Privatkläger Fr. 2'500.-- (statt Fr. 10'000.--) zuzusprechen. Er focht sodann die Festsetzung und die Verteilung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten an. Im Berufungsverfahren seien sodann eine Auskunftsperson und ein Zeuge einzuvernehmen.

Weder die Staatsanwaltschaft (31. Mai 2017) noch der Privatkläger (8. Juni 2017) erhoben Einwände gegen eine schriftliche Durchführung des Berufungsverfahrens. Rechtsanwalt A. verlangte für B. am 27. Juni 2017 das mündliche Berufungsverfahren. Er beantragte weiter, die drei Berufungsverfahren gegen B. und die zwei weiteren Beschuldigten (C. und D., vgl. litera A, 1. Absatz) seien zu vereinigen sowie gemeinsam fortzuführen und zu beurteilen.

Die Strafkammer ordnete mit Verfügung vom 12. Juli 2017 das mündliche Verfahren an. C. und D. hätten in ihren Verfahren beantragt, auf die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft Baden nicht einzutreten, worüber gemäss Art. 403 StPO im schriftlichen Verfahren zu entscheiden sei. Die Strafkammer regte an, die Begründungen der Berufung bzw. der Anschlussberufung und deren Antworten vor der Verhandlung zu erstatten. B. war mit diesem Vorgehen am 16. August 2017 einverstanden. Er ersuchte dabei, die Fristen für die Begründungen erst nach rechtskräftiger Erledigung der Eintretensfrage auf die Anschlussberufungen der Staatsanwaltschaft Baden anzusetzen. Ein Nichteintreten bezüglich qualifizierten Raubes müsse von Amtes wegen auch im Verfahren gegen B. berücksichtigt werden. Die Strafkammer nahm danach im Verfahren von B. für rund acht Monate keine Verfahrenshandlungen vor.

C. Die Strafkammer hob in ihrem Beschluss vom 6. März 2018 (20 Seiten) die Verurteilung von B. (SST.2017.74) sowie der Mitbeschuldigten C. und D. durch das Bezirksgericht Baden vom 22. September 2016 auf und wies die Angelegenheiten im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung ans Bezirksgericht zurück. Die Strafkammer entschädigte Rechtsanwalt A. für 6 Stunden Aufwand mit Fr. 1'334.90 (inkl. Auslagenpauschale von 3% und MwSt.; Beschluss S. 16 f. Ziff. 6.3.1, Dispositiv Ziff. 3.1).

Die Strafkammer war der Auffassung, der Sachverhalt der Anklage mache eine Verurteilung von B. wegen qualifizierten Raubes grundsätzlich denkbar - anders als bei den Mitbeschuldigten C. und D. Hier seien, anders als bei B., die Qualifikationsmerkmale des Art. 140 Ziff. 3 StGB (Bandenmässigkeit oder besondere Gefährlichkeit) nicht umschrieben. Die Vorinstanz habe die Prüfung zu Unrecht mit Verweis auf den ungenügenden Sachverhalt der Anklageschrift unterlassen. Denn es wäre ihr freigestanden, die Sache an die Staatsanwaltschaft zur Ergänzung der Anklagen zurückzuweisen (Beschluss vom 6. März 2018, S. 13 Ziff. 4.2, 4.3; S. 14 Ziff. 4.5). Dass dies unterblieben sei, stelle einen wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens dar. Unter Berücksichtigung auch der Parteirechte, des Rechts auf Wahrung des Instanzenzuges und des Grundsatzes der Verfahrenseinheit sei es notwendig, die Urteile des Bezirksgerichts Baden vom 22. September 2016 entsprechend Art. 409 StPO aufzuheben und die Verfahren zur gemeinsamen Beurteilung zurückzuweisen (S. 15 Ziff. 4.6).

Die Rückweisung stehe auch im Einklang mit dem jüngst ergangenen Urteil des Bundesgerichts 6B_910/2017 vom 29. Dezember 2017 E. 2.4, wonach das Berufungsgericht die Pflicht treffe, einen hinsichtlich der Sachverhaltsumschreibung inhaltlich ungültigen Strafbefehl an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eine solche Rückweisung könne gemäss dem Urteil nach Massgabe von Art. 409 Abs. 2 und 3 StPO mit Weisungen verbunden werden (Beschluss S. 15 Ziff. 4.7). Die Strafkammer wies das Bezirksgericht Baden an, eine mögliche Tatverwirklichung des qualifizierten Raubes in den Varianten des Art. 140 Ziff. 1 und 3 (Bandenmässigkeit oder besondere Gefährlichkeit) und Art. 140 Ziff. 1 und 4 (In Lebensgefahr bringen, eine schwere Verletzung zufügen oder grausame Behandlung des Opfers) zu prüfen. Der Staatsanwaltschaft Baden sei Gelegenheit zu geben, die Anklagen zu ändern bzw. zu ergänzen (S. 15 f. Ziff. 4.8).

D. Rechtsanwalt A. erklärte in seinem Schreiben vom 8. März 2019, aufgrund der mittlerweile veränderten prozessualen Situation auf eine mündliche Berufungsverhandlung zu verzichten. Er nahm dabei Bezug auf eine telefonische Besprechung mit der Strafkammer vom 1. März 2019. Die Strafkammer stellte mit Verfügung vom 12. März 2019 fest, C. und D. hätten ihre Berufungen zurückgezogen, womit auch die Anschlussberufungen der Staatsanwaltschaft dahingefallen seien. "Unter den gegebenen Umständen erweist sich auch der Rückweisungsbeschluss im Strafverfahren gegen B. als hinfällig und ist das Berufungsverfahren vor Obergericht weiterzuführen." Die Strafkammer setzte Frist für die Berufungsbegründungen an.

Die Staatsanwaltschaft Baden reichte ihre Berufungsbegründung am 18. April 2019 ein (gut 13 Seiten). B. liess seine Berufung am 25. April 2019 begründen (19 Seiten). Er beantragte im Wesentlichen neu, von einer Rückversetzung in den Strafvollzug für die Reststrafe aus dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 1. Februar 2006 sei abzusehen. B. sei mit einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren zu bestrafen, wobei festzustellen sei, dass er diese Strafe bereits verbüsst habe. Es sei dem Beschuldigten der bedingte Strafvollzug zu gewähren und die Probezeit sei auf vier Jahre festzusetzen.

Die Berufungsantworten der Staatsanwaltschaft (14. Mai 2019, 5 Seiten) sowie des Privatklägers (17. Mai 2019, 3 Seiten) gingen dahin, die Berufung von B. sei abzuweisen. Der Privatkläger E. verlangte zudem im Falle einer Verurteilung von B. wegen versuchten Mordes eine Genugtuung von Fr. 70'000.--. Rechtsanwalt A. erstattete seine Stellungnahme zu den Berufungsantworten der Gegenparteien am 3. Juni 2019 (4 Seiten). Am 3. Juni 2019 reichte der Privatkläger, wie von der Strafkammer gewünscht, ärztliche Berichte zu seinem Gesundheitszustand ein. Am 14. Juni 2019 gab B. seine Berufungsantwort ab (28 Seiten). Die Staatsanwaltschaft Baden äusserte sich dazu am 24. Juni 2019 (2 Seiten).

Rechtsanwalt A. reichte der Strafkammer am 19. Juli 2019 seine Honorarnote ein. Er ersuchte, bei der Bemessung der Entschädigung insbesondere dem sehr aussergewöhnlichen Verlauf des Berufungsverfahrens Rechnung zu tragen.

E. Die Strafkammer ordnete am 29. Juli 2019 eine mündliche Verhandlung an. Zur Begründung verwies sie auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_606/2018 vom 12. Juli 2019: Ein schriftliches Berufungsverfahren ist ausgeschlossen, wenn die Staatsanwaltschaft Berufung oder Anschlussberufung erhebt.

In Ihrer Verfügung vom 26. August 2019 führte die Strafkammer aus: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten in der Anklage vor, im Rahmen des Raubüberfalls eigenhändig auf das Opfer eingestochen zu haben. Hinsichtlich der Stichverletzungen des Opfers ist jedoch ebenso der Vorwurf mittäterschaftlichen Handelns denkbar, d.h. dass sich alle drei Beschuldigten am Angriff auf das Opfer beteiligt oder einverstanden erklärt haben und sich dabei das Handeln der anderen, insbesondere auch, wenn sich das Opfer gewehrt hat, zu Eigen gemacht haben. Es käme diesfalls nicht darauf an, ob der Beschuldigte eigenhändig auf das Opfer eingestochen hat. Da dieser Vorwurf in der Anklage nicht enthalten ist, ist der Staatsanwaltschaft Frist zur Ergänzung der Anklage gemäss Art. 333 Abs. 1 StPO (hier: Eventualanklage auf Mittäterschaft) anzusetzen, was gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts auch im Berufungsverfahren zulässig ist (vgl. Urteil des Bundegerichts 6B_904/2019 vom 8. Februar 2019 E. 2.4).

Die Strafkammer setzte mit Verfügung vom 4. September 2019 die mündliche Berufungsverhandlung auf den 19. Dezember 2019 an.

Die Staatsanwaltschaft Baden ergänzte am 10. September 2019 die Anklageschrift (7 Seiten). Die Strafkammer stellte sie gleichentags B. und dem Privatkläger E. zur Kenntnis zu.

F. Der Strafantrag wegen Sachbeschädigung sowie Drohung wurde am 30. Oktober / 3. Dezember 2019 zurückgezogen.

Rechtsanwalt A. wandte sich am 15. November 2019 an das Amt für Justizvollzug des Kantons Aargau. Er bat um Verlegung von B. fort aus Haftbedingungen, die auf den Vollzug von kurzen Freiheitsstrafen ausgerichtet seien (Zentralgefängnis Lenzburg/Haus B) und in den ordentlichen Vollzug in einer JVA.

Rechtsanwalt A. schrieb am 13. Dezember 2019, die Verurteilung wegen Beschimpfung zu akzeptieren und beantragte, B. sei sofort aus dem Strafvollzug zu entlassen. Die Strafkammer verfügte am 16. Dezember 2019, dass über das Haftentlassungsgesuch zusammen mit dem Urteil entschieden werde.

Rechtsanwalt A. reichte der Strafkammer am 18. Dezember 2019 seine Honorarnote ein.

G. Die Strafkammer verurteilte B. am 19. Dezember 2019 wegen versuchten Mordes, (einfachen) Raubes und Beschimpfung zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren sowie zu einer unbedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen à Fr. 10.-- (Verfahren SST.2017.74; Urteil von 49 Seiten). Die Plädoyernotizen von Rechtsanwalt A. umfassen 20 Seiten. Die Strafkammer stellte fest, dass die Rückversetzung hinsichtlich der Reststrafe aus dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 1. Februar 2006 nicht mehr angeordnet werden könne. Die Strafkammer stellte weiter fest, das Beschleunigungsgebot verletzt zu haben. Sie entschädigte Rechtsanwalt A. für die amtliche Verteidigung im Berufungsverfahren mit Fr. 10'200.-- (Dispositiv Ziffer 10.2, 1. Absatz). Dies entsprach einer Kürzung um rund 70%. Rechtsanwalt A. hatte in seinen Honorarnoten vom 19. Juli und 18. Dezember 2019 (act. 1.4, 1.5) insgesamt und unter Abzug der Zahlung vom 14. Juni 2018 (aus dem Beschluss der Strafkammer vom 6. März 2018, SST.2017.74) noch Fr. 34'600.25 beantragt (inkl. MwSt. und Auslagen).

Das Urteil der Strafkammer vom 19. Dezember 2019 begründete den versuchten Mord (Art. 112 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB ) über 12 Seiten wie folgt: Ergänzung der Anklage (1 ½ Seiten; Ziff. 2 S. 14 f.); Verwendbarkeit der Aussagen der beiden Mitbeschuldigten (1 ½ Seiten; Ziff. 3 S. 15-17); Sachverhalt und Subsumtion (9 Seiten; Ziff. 4 S. 17-26). Sie verneinte den qualifizierten Raub auf rund einer Seite (Ziff. 4.5 S. 26). Im Wesentlichen behandelte sie sodann auf 17 ½ Seiten die folgenden Punkte: Strafzumessung (8 ½ Seiten; Ziff. 6 S. 27-35); Verletzung des Beschleunigungsgebots (2 Seiten; Ziff. 8 S. 36-38); Höhe der Genugtuung (2 ½ Seiten; Ziff. 12 S. 39-41; Ziff. 1.2 S. 14); Höhe und Verteilung der Verfahrenskosten (4 ½ Seiten; Ziff. 13 S. 41-46).

Die Strafkammer wies mit Beschluss vom gleichen Tag (19. Dezember 2019) das Haftentlassungsgesuch von B. ab. Die Voraussetzungen für Sicherheitshaft seien nach der Verurteilung gegeben.

H. Rechtsanwalt A. gelangte am 15. Januar 2020 mit Honorarbeschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Er beantragt, er sei für die amtliche Verteidigung von B. im Berufungsverfahren mit Fr. 33'000.-- zu entschädigen (act. 1 S. 2). Er reichte dazu eine konsolidierte Honorarnote, vom 14. Januar 2020, ein (act. 1.6).

Die Strafkammer beantragt am 20. Januar 2020, die Beschwerde sei abzuweisen (act. 5). Das Gericht brachte diese Eingabe Rechtsanwalt A. gleichentags zur Kenntnis (act. 5). Dieser äusserte sich am 24. Januar 2020 kurz und unaufgefordert zur Vernehmlassung der Strafkammer. Das Gericht leitete seine Stellungnahme gleichentags der Strafkammer zur Kenntnis zu. Die Strafkammer reichte ihrerseits am 29. Januar 2020 eine unaufgeforderte Stellungnahme ein. Sie wurde Rechtsanwalt A. gleichentags zur Kenntnis gebracht.

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gegen den Entschädigungsentscheid durch eine kantonale Berufungs- oder Beschwerdeinstanz kann die amtliche Verteidigung bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde nach den Vorschriften der Art. 393 ff . StPO erheben (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO i.V.m. Art. 35 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 1 StBOG ; BGE 143 IV 40 E. 3.2.2; 141 IV 187 E. 1.2). Die amtliche Verteidigung zählt nicht zu den Verfahrensparteien (Art. 104 Abs. 1 StPO). Ihre Rechtsmittellegitimation ergibt sich aus Art. 135 Abs. 3 StPO . Sie muss in eigenem Namen Beschwerde führen (BGE 140 IV 213 E. 1.4; 139 IV 199 E. 5.6 S. 204). Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO ). Die Frist für die Beschwerde beginnt mit der Eröffnung des schriftlich begründeten Entscheids (BGE 143 IV 40 E. 3.4.4).

Mit der Beschwerde können gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO Rechtsverletzungen gerügt werden, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (lit. a), die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) sowie die Unangemessenheit (lit. c).

1.2 Der Beschwerdeführer erhielt von der Vorinstanz als amtlicher Verteidiger eine tiefere Entschädigung zugesprochen, als er beantragt hatte. Er ist zur vorliegenden Beschwerde legitimiert. Auf die auch frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

2. Die urteilende Instanz muss sich nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen. Sie kann sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken, und es genügt, wenn die Behörde wenigstens kurz die Überlegungen nennt, von denen sie sich leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 145 IV 99 E. 3.1; 141 IV 249 E. 1.3.1; 139 IV 179 E. 2.2; Urteil des Bundesgerichts 1C_143/2016 vom 2. Mai 2016 E. 2).

3.

3.1 Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung richtet sich unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nach dem notwendigen Aufwand und wird im Einzelnen bestimmt durch den Anwaltstarif des Bundes oder des Kantons, in dem das Strafverfahren durchgeführt wurde (Art. 135 Abs. 1 StPO ). Für den Kanton Aargau gilt das Dekret des Grossen Rates über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif) vom 10. November 1987 (AnwT/AG; SAR 291.150). Gemäss § 9 Abs. 1 AnwT/AG bemisst sich die Entschädigung nach dem angemessenen Zeitaufwand des Anwaltes. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers wird auf Grund einer Rechnung des Anwaltes festgesetzt (§ 12 Abs. 2 AnwT/AG). Bei der amtlichen Verteidigung beträgt der Stundenansatz in der Regel Fr. 200.- und kann in einfachen Fällen bis auf Fr. 180.- reduziert werden (§ 9 Abs. 3 bis AnwT/AG). Neben der Entschädigung sind dem Anwalt sämtliche notwendigen Auslagen (Gerichts- und Betreibungskosten, Vorschüsse, Reisespesen, Porti, Telefon-, Telex- und Telefaxgebühren, Kopien usw.) zu ersetzen. Die Entscheidbehörde kann für den Auslagenersatz eine Pauschale festsetzen (§ 13 Abs. 1 AnwT/AG).

Nach der verfassungsrechtlichen Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV umfasst der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand nicht alles, was für die Wahrnehmung der Interessen des Mandanten von Bedeutung ist. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch besteht gemäss Art. 29 Abs. 3 BV vielmehr einzig, soweit es zur Wahrung der Rechte notwendig ist. Der Begriff der Notwendigkeit bestimmt nicht nur den qualitativen Anspruch (die Bestellung eines Rechtsbeistands), sondern auch den quantitativen (sprich den Umfang der Vergütung). Entschädigungspflichtig sind jene Aufwendungen, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Wahrung der Rechte im Verfahren stehen und notwendig und verhältnismässig sind. Nur in diesem Umfang lässt es sich rechtfertigen, die Kosten der Staatskasse und qua Rückzahlungsverpflichtung der beschuldigten Person aufzuerlegen. Allerdings muss das Honorar so festgesetzt werden, dass der unentgeltlichen Rechtsvertretung ein Handlungsspielraum verbleibt und das Mandat wirksam ausgeübt werden kann (vgl. BGE 141 I 124 E. 3.1; Urteile des Bundesgerichts 1B_96/2011 vom 6. Juni 2011 E. 2.2; 6B_856/2009 vom 9. November 2009 E. 4.2; 6B_130/2007 vom 11. Oktober 2007 E. 3.2.5).

Wird eine detaillierte Honorarnote eingereicht und steht der geltend gemachte Zeitaufwand zum Umfang und zur Schwierigkeit des Falles in einem offensichtlichen Missverhältnis, dann darf nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Strafsachen die Entschädigung pauschal bemessen werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_224/2013 vom 27. Januar 2014 E. 2.5 f. betreffend den Kanton Zürich). Gewisse Kantone sehen Pauschalen nach Rahmentarifen vor, so z.B. der Kanton Zürich (aber nur für das gerichtliche Verfahren; BGE 143 IV 453 E. 2.5.1 und Urteil des Bundesgerichts 6B_224/2013 vom 27. Januar 2014 E. 2.5) oder der Kanton St. Gallen (für den ganzen Strafprozess; BGE 141 I 124 E. 4.4 und Urteil des Bundesgerichts 6B_618/2015 vom 16. Dezember 2015 E. 2.6.1). Bei einer Honorarbemessung nach Pauschalbeträgen werden alle prozessualen Bemühungen zusammen als einheitliches Ganzes aufgefasst und der effektive Zeitaufwand lediglich im Rahmen des Tarifansatzes berücksichtigt. Pauschalen nach Rahmentarifen erweisen sich aber als verfassungswidrig, wenn sie auf die konkreten Verhältnisse in keiner Weise Rücksicht nehmen und im Einzelfall ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Rechtsanwalt geleisteten Diensten stehen ( BGE 141 I 124 E. 4.3 S. 128). Ausgangspunkt ist eine Gesamtbetrachtung des Honorars unter Berücksichtigung des konkreten Falles. Das Bundesgericht unterstrich, dass eine Vorinstanz, indem sie das Anwaltshonorar nach dem massgebenden Tarif als Pauschalbetrag ausgerichtet hatte, zutreffend von einer Beurteilung der einzelnen Positionen der eingereichten Honorarrechnung absehen konnte ( BGE 143 IV 453 E. 2.5.1; 141 I 124 E. 4.5 S. 129).

3.2

3.2.1 Die konsolidierte Honorarnote von Rechtsanwalt A. vom 14. Januar 2020 rechnet seine Leistungen vom 26. September 2016 bis 6. Januar 2020 ab. Er stellt zwar seinen Aufwand nicht je Kategorie (notwendige Besprechungen/Kontakte mit dem Beschuldigten; Berufungsbegründung und Stellungnahmen, etc.) dar. Indes rechnet er über 10 Seiten entweder jede Tätigkeit einzeln ab oder zieht bei kleineren Positionen die Aufwände je Arbeitsschritt zusammen. Zumeist fügt die Honorarnote sinnhafte Stichworte zu den Tätigkeiten an. Sie erwähnt z.B. jeweils, welche Akten Rechtsanwalt A. studierte oder weist bei Besuchen in der Justizvollzugsanstalt die Positionen "Hinweg; Loge/Warten; Besprechung mit Klient; Rückweg" separat aus. Auch die Auslagen sind in dieser Präzision ausgewiesen. Wer so abrechnet, der ermöglicht dem Gericht, sich mit seiner Honorarnote konkret auseinanderzusetzen. Rechtsanwalt A. verrechnete Fr. 31'090.-- für 155.45 Stunden Aufwand, zuzüglich Auslagen von Fr. 782.30, insgesamt Fr. 33'004.50.-- (inkl. MwSt.). Die Zahlung vom 14. Juni 2018 über Fr. 1'334.90 (aus dem Beschluss der Strafkammer SST.2017.74 vom 6. März 2018) ist davon bereits abgezogen.

Gewichtige Einzelpositionen sind:

· 3 ½ Stunden für die Berufungserklärung am 21 März 2017 (dazu act. 1 S. 12 Ziff. 7.2);

· 3 ½ Stunden für die Aufarbeitung der für die schriftliche Berufungsbegründung wesentlichen Verfahrensakten im Hinblick auf die Besprechung mit dem Klienten am 4. April 2019 (dazu act. 1 S. 10, S. 16 Ziff. 7.6);

· 22 ½ Stunden für die Berufungsbegründung: am 18. April 2019 6 ½ Stunden (modifizierte Berufungsanträge, Freisprüche betr. Drohung, Sachbeschädigung und Beschimpfung), am 23. und 24. April 2019 je 5 Stunden (Strafzumessung) sowie am 25. April 2019 6 Stunden (Zivilansprüche, Kosten-/Entschädigungsfolgen; Überarbeitung und Korrektur der Berufungsbegründung); dazu act. 1 S. 12 f. Ziff. 7.3;

· 2.8 Stunden für die Stellungnahme zu den Berufungsantworten der Gegenparteien am 3. Juni 2019 (dazu act. 1 S. 12 f. Ziff. 7.3);

· 37 Stunden für die Berufungsantwort: am 5. Juni 2019 6 Stunden (Auszugsweises Studium des bezirksgerichtlichen Urteils sowie seiner Plädoyernotizen, der Personal- und Gesundheitsakten des Klienten), am 6. Juni 2019 5 Stunden (Aussageprotokolle und weitere Verfahrensakten betr. E.C.), am 7. und 11. Juni 2019 je 5 Stunden (Aussageprotokolle Privatkläger und Mitbeschuldigte, Spurenberichte, etc.), am 13. Juni 2019 5 Stunden (medizinische Akten), sowie am 14. Juni 2019 6 Stunden (Berufungsantwort abschliessen, korrigieren, ergänzen und fertigstellen); dazu act. 1 S. 13 f. Ziff. 7.3(2);

· 3 ½ Stunden für die Aufarbeitung der wesentlichen Verfahrensakten im Hinblick auf die Besprechung mit dem Klienten am 3. Dezember 2019 (dazu act. 1 S. 10 Ziff. 7.1.1);

· 21 Stunden für das Plädoyer: am 13., 16. und 17. Dezember 2019 je 6 Stunden; am 18. Dezember 2019 3 Stunden (überarbeiten und korrigieren); dazu act. 1 S. 14 f. Ziff. 7.4;

· 6.30 Stunden Berufungsverhandlung inkl. Wege am 19. Dezember 2019 (dazu act. 1 S. 15 Ziff. 7.5;);

· 2.9 Stunden Studium des Urteils mit Brief an Klient am 6. Januar 2020 (dazu act. 1 S. 16 Ziff. 7.6).

Prozessual ging es darum, die eigene Berufung zur erklären und zu begründen sowie die Eingaben der Staatsanwaltschaft und des Privatklägers zu beantworten. Die Strafkammer wies weiter das Verfahren an das Bezirksgericht zurück (Rückweisungsbeschluss vom 6. März 2018), nahm das Berufungsverfahren aus eigenem Antrieb wieder auf (12. März 2019), liess die Anklage nach Abschluss des Schriftenwechsels ergänzen und führte eine Berufungsverhandlung durch. Der Beschwerdeführer stellte ein Haftentlassungsgesuch. Der Strafantrag wegen Sachbeschädigung sowie Drohung (wozu der Beschwerdeführer zwei Beweisanträge gestellt hatte) wurde zurückgezogen. Das Verfahren dauerte rund 2 Jahre und 9 Monate (März 2017 bis Dezember 2019) und damit lange. Grobthematisch ging es im Wesentlichen um die Tatbestände des versuchten Mordes, der Sachbeschädigung und Beschimpfung. Umstritten war auch, ob ein einfacher oder qualifizierter Raub vorliege und ob die Anklage insoweit zu ergänzen war. Verfahrensthema war sodann das Verhältnis zu den beiden Mitbeschuldigten, inkl. einer Verfahrensvereinigung, und ob aufgrund des Sachverhaltes eine Mittäterschaft vorliege. Es ging weiter um die Anrechnung einer früheren Strafe, die Haftbedingungen, eine Haftentlassung, die Strafzumessung wie auch die Höhe und Verteilung der Verfahrenskosten sowie die Höhe der Genugtuung.

3.2.2 Die Strafkammer kürzt in ihrem Urteil vom 19. Dezember 2019 den geltend gemachten Aufwand mit der Begründung, Rechtsanwalt A. sei mit den tatsächlichen und rechtlichen Fragen bereits aus dem erstinstanzlichen Verfahren bestens vertraut, wofür er mit Fr. 95'897.05 entschädigt sei. Andernorts schätzt die Strafkammer diesen Betrag als "sehr hoch" ein, worauf mangels Anfechtung indes nicht mehr zurückzukommen sei (Urteil S. 45 Ziff. 13.2.2). Das Berufungsverfahren habe sich auf den Freispruch des versuchten Mordes, die Verurteilungen betreffend Drohung, Sachbeschädigung sowie Beschimpfung, das Strafmass, die Genugtuung sowie die vorinstanzliche Kostenverlegung beschränkt. Je vertiefter sich der amtliche Verteidiger mit diesen Punkten im erstinstanzlichen Verfahren, für das er bereits entschädigt worden sei, auseinandergesetzt habe, desto geringer falle diesbezüglich der angemessene Aufwand im Berufungsverfahren aus. Im Berufungsverfahren könne die Strafkammer nicht unbesehen auf die insgesamt klar überhöhte Kostennote abstellen.

Soweit der Aufwand nicht bereits von der erstinstanzlichen Entschädigung abgedeckt sei, seien 46 Stunden (anstelle von 166.2h) angemessen: 2 Stunden für notwendige Besprechungen/Kontakte mit dem Beschuldigten; 1 ½ Stunden für die Berufungserklärung; 18 Stunden für die Berufungsbegründung und Stellungnahmen; 8 Stunden für die Berufungsantwort; 4 Stunden für die Vorbereitung der Berufungsverhandlung; 6 ½ Stunden für die Teilnahme an der Berufungsverhandlung inkl. kurzer Nachbesprechung sowie Hin- und Rückfahrt ab Kantonsgrenze; 2 Stunden für übrige Aufwendungen mit verfahrensleitenden Verfügungen; 4 Stunden für zusätzliche Aufwendungen aufgrund der langen Verfahrensdauer. Die Auslagen wurden gestützt auf § 13 AnwT/AG auf 3% veranlagt und Rechtsanwalt A. zusammen mit der Mehrwertsteuer gerundet eine Entschädigung von Fr. 10'200.-- zugesprochen.

3.3

3.3.1 Rechtsanwalt A. erläutert in seiner Beschwerde gut strukturiert die einzelnen Aufwandspositionen. Er orientiert sich dabei an den Kategorien im angefochtenen Urteil (vgl. Erwägung 3.2.2 oben). Eine Liste seiner Stunden pro Kategorie gibt dazu den Überblick (act. 1 S. 17). Die Honorarnote sei auch unter dem Gesichtspunkt verhältnismässig, dass sie rund einen Drittel der erst­instanz­li­chen Entschädigung betrage (rund Fr. 33'000.-- zu Fr. 95'897.05).

Das Berufungsverfahren sei komplex gewesen. Dies zeige sich an der langen Verfahrensdauer von rund zwei Jahren und neun Monaten und am Umfang der Untersuchungsakten von 20 Bundesordnern, dies ohne die sehr umfangreichen Beizugsakten. Mitte März 2019, zwei Jahre nach Zustellung des begründeten Urteils des Bezirksgerichts, habe er sich trotz Fallkenntnis erneut in die wesentlichen Akten einarbeiten müssen. Praktisch alle Aspekte des erstinstanzlichen Urteils seien auch Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen. Die Strafkammer habe den aussergewöhnlichen Verlauf des Berufungsverfahrens nicht berücksichtigt. Er habe sich damit für die Berufungsverhandlung auseinandersetzen müssen (Fragen einer Kompetenzanmassung durch die Strafkammer; der Zulässigkeit, der Beurteilung durch die Vorinstanz als einzige Instanz), was sich auch in seinen Plädoyernotizen zeige. Speziell die ergänzte Eventualanklage auf mittäterschaftliche Begehung des versuchten Mordes und des qualifizierten Raubes habe eine neue Auseinandersetzung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erfordert. Es sei dies komplex, schwierig und zeitaufwändig gewesen. Die Strafkammer habe all dies nicht berücksichtigt und ebenso wenig, dass es in der Berufung um zwei Kapitalverbrechen und eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren gegangen sei. In den zugestandenen 46 Stunden wäre keine wirksame Verteidigung möglich gewesen.

Die Strafkammer habe lapidar festgestellt, der Zeitaufwand von rund 155 Stunden sei übertrieben. Dem sei nicht so. Für eine pauschale Entschädigung gebe es keinen Raum. Die Vorinstanz habe seine Entschädigung genau besehen denn auch nicht pauschal festgesetzt, sondern acht als notwendig eingestufte Aufwandskategorien aufgelistet und für jede Kategorie sodann den als angemessen erachteten Zeitaufwand eingesetzt. Mit ihrer Vorgehensweise habe die Strafkammer implizit den darüber hinausgehenden Zeitaufwand ohne nähere Begründung als unverhältnismässig und daher als nicht entschädigungspflichtig eingestuft. So vorzugehen sei klarerweise unzulässig. Es sei auch nicht einzusehen, wie angesichts seiner im Detail ausgewiesenen Auslagen diese einfach pauschal entschädigt werden dürften. Die Strafkammer hätte sich konkret mit seinen Honorarnoten auseinandersetzen müssen. Sie habe dies unterlassen und sich damit ungenügend mit den konkreten Verhältnissen auseinandergesetzt. Die Honorarfestsetzung verletze sein rechtliches Gehör und sei willkürlich.

3.3.2 Die Strafkammer ergänzt in ihrer Vernehmlassung vom 20. Januar 2020 (act. 5), sie habe im Urteil die entschädigungspflichtigen Positionen aufgelistet und den dafür angemessenen Zeitaufwand genannt; etwas anderes habe die Beschwerde nicht dargelegt. Die Entschädigung sei zurecht pauschal bemessen worden. Das Bundesgericht habe dieses Vorgehen im Urteil 6B_1115/2019 vom 3. Dezember 2019 geschützt und die Verletzung des rechtlichen Gehörs verneint. Dem Beschwerdeführer sei es denn auch ohne weiteres möglich gewesen, seine Entschädigung durch die Strafkammer anzufechten.

Der amtliche Verteidiger sei im erstinstanzlichen Verfahren mit Fr. 95'897.05 entschädigt worden. Die Strafkammer gehe davon aus, ein grosser Teil dieser Entschädigung habe auch den notwendigen und angemessenen Aufwand des Berufungsverfahrens abgedeckt, inkl. dem Besprechungsaufwand. Insoweit es nicht um neue Vorbringen gegangen sei, habe der Verteidiger daher ohne Weiteres auf den bereits erfolgten und entschädigten Aufwand im erstinstanzlichen Verfahren zurückgreifen bzw. nahtlos daran anschliessen können.

Um ein in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht besonders komplexes Verfahren habe es sich nicht gehandelt. Der blosse Umstand einer Anklageerweiterung (Mittäterschaft anstatt bloss eigenhändiges Handeln) habe zu keinen wesentlichen Weiterungen geführt. Vor dem Hintergrund des Berufungsgegenstands sei insbesondere nicht ersichtlich, weshalb im Berufungsverfahren nochmals fünf Besprechungen in der JVA notwendig gewesen sein sollten. Die Berufungsanmeldung und das Studium des erstinstanzlichen Urteils sei bereits durch die Entschädigung der Vorinstanz abgedeckt. Die Strafkammer weist abschliessend darauf hin, dass nur ein Honorar ausser­halb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den geleisteten Diensten nicht statthaft sei.

3.3.3 Rechtsanwalt A. erläutert am 24. Januar 2020 einige Punkte seiner Honorarnote und äussert sich zur Vernehmlassung der Strafkammer. Namentlich habe das Bezirksgericht keinen Aufwand des Berufungsverfahrens entschädigt. Er fasst die Punkte zusammen, welche im vorliegenden Fall eine pauschale Entschädigung ausschlössen: aussergewöhnlich umfangreiche Aktenlage; komplexes und schwieriges Berufungsverfahren; praktisch gleicher Umfang der Verfahrensthemen wie vor Bezirksgericht; Anklageergänzung im Sinne einer Eventualanklage auf mittäterschaftliche Zurechnung der Tatvorwürfe des versuchten Mordes und qualifizierten Raubes; Anklageergänzung nach Abschluss der beiden Schriftenwechsel zur Begründung und Beantwortung der beiden Berufungen; Strafprozessuale Verfahrensfragen: Frage der Kompetenzanmassung der Strafkammer, Frage der Zulässigkeit der Anklageergänzung, Beurteilung der ergänzten Anklage durch die Strafkammer als einzige Instanz; Tragweite des Berufungsverfahrens für den Beschuldigten. Der amtliche Verteidiger hält an den gemachten Ausführungen und Anträgen fest.

3.3.4 Die Strafkammer betont in ihrer unaufgeforderten Stellungnahme vom 29. Januar 2020, dass sie sich ausführlich mit dem Fall auseinandergesetzt habe und deshalb sehr gut beurteilen könne, was notwendig sei, was angemessen sei und was bereits auf Vorgebrachtes abstelle. Die Tat als solche sei nicht umstritten gewesen: Von Anfang an habe festgestanden, dass das Opfer mehrere Messerstiche erlitten habe. Allein umstritten sei gewesen, ob der Beschuldigte die Messerstiche eigenhändig geführt oder ein Mitbeschuldigter sie ausgeführt habe. Vor diesem Hintergrund habe die Anklageergänzung zur Prüfung auch einer Mittäterschaft geführt. Dabei sei der entsprechende Zeitaufwand berücksichtigt worden, ebenso wie derjenige aus der langen Verfahrensdauer. Die Strafkammer verweist auf sechs andere (eige­ne) Verfahren, die vergleichbar und z.T. sehr viel komplexer gewesen seien, in welchen der amtliche Verteidiger dennoch Entschädigungen zwischen Fr. 3'500.-- und Fr. 6'000.-- erhalten habe (Verfahren SST.2018.58, SST.2016.155, SST.2015.111, SST.2016.397, SST.2018.91, SST.2013.96). Es sei überdies gerichtsnotorisch, dass Honorarnoten von Zürcher Anwälten regelmässig um ein Vielfaches höher als solche von Aargauer Anwälten ausfielen. Dieser Umstand rechtfertige nach Dafürhalten der Strafkammer nicht, Zürcher Anwälten unbesehen des notwendigen und angemessenen Aufwands höhere Entschädigungen zuzusprechen.

3.4 Ein Entscheid muss, um dem verfassungsmässigen Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV ) Genüge zu tun, dergestalt abgefasst sein, dass sich der Betroffene über seine Tragweite Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Tatsache an die höhere Instanz weiterziehen kann (zum Ganzen BGE 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; 138 I 232 E. 5.1 S. 237). Gegenteiliges, das heisst ein Rechtsmittelverfahren ohne Kenntnis der Entscheidgründe, ist den Parteien und der Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nicht zuzumuten (vgl. zur Berufung im Zivilprozess Reetz/Theiler , in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 16 zu Art. 311 ZPO ; zum Ganzen BGE 143 IV 40 E. 3.4.3).

Eine Begründungspflicht besteht, wenn der unentgeltliche Rechtsbeistand eine Kostennote einreicht und das Gericht die Entschädigung abweichend davon auf einen bestimmten, nicht der Praxis entsprechenden Betrag festsetzt (Urteil des Bundesgerichts 8C_465/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 2.1 und 5.1.1). Akzeptiert das Gericht einzelne Posten aus der Kostennote, setzt es aber andere herab, hat es zu jeder Reduktion zumindest kurz auszuführen, aus welchem konkreten Grund die Aufwendungen oder Auslagen als unnötig betrachtet werden (SVR 2013 IV Nr. 26 S. 75; Urteile des Bundesgerichts 6B_121/2010 vom 22. Februar 2011 E. 3.1.4; 8C_54/2013 vom 8. Mai 2013 E. 4.1; zum Ganzen BGE 141 I 70 E. 5.2).

3.5 Die Strafkammer geht gestützt auf die folgenden Elemente in einem ersten Schritt von einer überhöhten Honorarnote des amtlichen Verteidigers aus:

· Vertrautheit des Verteidigers mit den tatsächlichen und rechtlichen Fragen aus dem erstinstanzlichen Verfahren;

· Verweis auf die sehr hohe Entschädigung im erstinstanzlichen Verfahren;

· Das Berufungsverfahren habe sich auf die Themen Freispruch des versuchten Mordes, Verurteilungen betreffend Drohung, Sachbeschädigung sowie Beschimpfung, Strafmass, Genugtuung sowie vor­in­stanz­li­che Kostenverlegung beschränkt;

· In der Vernehmlassung: Es sei weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht ein besonders komplexes Verfahren.

Die ersten beiden Begründungselemente (Vertrautheit, vorinstanzliche Entschädigung) liegen vor, wann immer ein amtlicher Verteidiger ein Urteil weiterzieht. Sie sind wenig geeignet zu klären, ob eine konkrete Honorarnote überhöht sei. Es werden weiter Themen und Komplexität der Berufung genannt. Die umfangreiche Auflistung der Berufungsthemen entkräftet dabei die Argumentation mehr als sie zu belegen. Das nackte Vorbringen einer mangelnden Komplexität ist angesichts der Rückweisung und Anklageergänzung wie auch der Verfahrensdauer nicht nachvollziehbar. Die Begründung bleibt abstrakt und substanzarm, mithin generisch. Es ist kein offensichtliches Missverhältnis zwischen beantragter und angemessener Entschädigung dargetan, welches im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. obige Erwägung 3.1) eine pauschale Honorarfestsetzung erlaubte.

3.6 Da die Honorarnote überhöht sei, setzt die Strafkammer in einem zweiten Schritt den angemessenen Aufwand pauschal fest, also ohne sich konkret mit dem Aufwand der Verteidigung auseinanderzusetzen. Gemäss dem Urteil der Strafkammer seien 46 Stunden (anstelle von 166.2h) angemessen: 2 Stunden für notwendige Besprechungen/Kontakte mit dem Beschuldigten; 1 ½ Stunden für die Berufungserklärung; 18 Stunden für die Berufungsbegründung und Stellungnahmen; 8 Stunden für die Berufungsantwort; 4 Stunden für die Vorbereitung der Berufungsverhandlung; 6 ½ Stunden für die Teilnahme an der Berufungsantwort inkl. kurzer Nachbesprechung sowie Hin- und Rückfahrt ab Kantonsgrenze; 2 Stunden für übrige Aufwendungen mit verfahrensleitenden Verfügungen; 4 Stunden für zusätzliche Aufwendungen aufgrund der langen Verfahrensdauer.

Die Strafkammer bemisst die Pauschale nur ungenügend nach den konkreten Verhältnissen. Der Verteidiger weist zurecht darauf hin (act. 1 S. 9 Ziff. 6.2), dass eine reine Auflistung von acht Aufwandskategorien mit Zeitaufwand (ausser wohl in sehr einfachen Fällen) keine eigentliche Begründung enthält. Es wird daraus nicht klar, welcher konkrete Aufwand sachfremd oder übertrieben sei, was die Verteidigung hätte tun oder unterlassen sollen. Die Honorarnote hätte solche Ausführungen ohne weiteres ermöglicht. Der Verteidiger musste sich in seiner Beschwerde mit sämtlichen eigenen Positionen auseinandersetzen, ohne die Einwendungen der Strafkammer zu kennen. Ein Rechtsmittelverfahren ohne Kenntnis der Entscheidgründe ist den Parteien und der Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nicht zuzumuten. Erläuterungsbedürftig wäre sodann das Kriterium der Kantonsgrenze, dies im Lichte des Gleichbehandlungsgebotes der Verfassung und des Binnenmarktgesetzes ( SR 943.02).

Sollten die vier Begründungspunkte zur überhöhten Honorarnote (vgl. vorstehende Erwägung 3.5) auch in die Bemessung der Pauschale eingeflossen sein, so wäre dies zumindest teilweise nicht sachgerecht: Die Verteidigung vor der Vorinstanz erspart zwar eine Einarbeitung in die tatsächlichen und rechtlichen Fragen der Strafsache. Die Entschädigung im Verfahren vor Bezirksgericht entschädigt aber nicht auch Aufwand der Verteidigung im Verfahren vor der Strafkammer. Offenbar wurde hier zusätzlich eine schriftliche Begründung der Berufung verlangt und aus der reinen Kenntnis des Falles schreibt diese sich nicht selbst. Die Verteidigung muss sich vielmehr mit der Begründung der unteren Instanz, vor allem aber den Vorbringen der Staatsanwaltschaft und der Privatklägerschaft, auseinandersetzen. Dem Rechtsmittelsystem der "double instance" ist zudem inhärent, dass vor der oberen Instanz auch gleiche Rechtsfragen nochmals aufgeworfen werden dürfen (resp. für einen Weiterzug ans Bundesgericht, müssen). Die Bemessung der Pauschale kann von der Beschwerdekammer anhand der Begründung nicht zuverlässig überprüft werden.

Massgeblich für die Entschädigung der amtlichen Verteidigung durch die Strafkammer ist, ob die konkreten Rechts- und Tatfragen den Aufwand im Berufungsverfahren selbst rechtfertigen. Der Verlauf des Berufungsverfahrens war aussergewöhnlich, was den angemessenen Aufwand der Verteidigung beeinflusst. Zum Rückweisungsbeschluss gab es keine Aargauer Praxis; er beruhte auf einem jüngsten Urteil des Bundesgerichts zur Situation bei einem Strafbefehl. Im gleichen Verfahren ein doppeltes Berufungsverfahren durchzuführen, schriftlich und mündlich, erhöht den Aufwand, welchen die Verteidigung angemessenerweise aufwenden muss. Eine Anklageerweiterung, vorliegend ob die Tat in Mittäterschaft verübt sei oder nicht, schafft beim Verteidiger notwendigen Aufwand. Unklar ist auch, wie die Zahl von exakt vier Stunden Mehraufwand - aufgrund der Verletzung des Beschleunigungsgebots - zustande kommt. Die Strafkammer verweist dafür zurecht nicht auf Erfahrungswerte.

3.7 Weder die Voraussetzungen für eine pauschale Entschädigung der amtlichen Verteidigung noch für deren Bemessung sind genügend nachvollziehbar. Die Verteidigung hat ihren Aufwand für die Mandatsführung in allen Einzelheiten ausgewiesen, weshalb die Vorinstanz unter dem Gesichtspunkt von Art. 29 Abs. 2 BV verpflichtet gewesen wäre, sich damit auseinanderzusetzen und in Bezug auf die konkreten, geltend gemachten Aufwendungen der Verteidigung nachvollziehbar darzulegen, aus welchem Grund es diese als sachfremden oder übertriebenen Aufwand nicht entschädigt. Die Beschwerdekammer hat nicht von sich aus ein mögliches offensichtliches Missverhältnis zwischen beantragter und angemessener Entschädigung aus den Strafakten zu eruieren. Dazu hätte sie sich ähnlich einem Sachgericht in den Fall einzuarbeiten.

Die Strafkammer verweist in der Vernehmlassung auf das Urteil 6B_1115/2019 vom 3. Dezember 2019, worin das Bundesgericht ausdrücklich anerkannt habe, dass bei einer Begründung wie der vorliegenden keine Verletzung der Begründungspflicht bzw. des Anspruches auf rechtliches Gehör vorliege. Diese Argumentation geht fehl. Honorare sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unter Berücksichtigung des konkreten Falles festzusetzen (vgl. obige Erwägung 3.1); das zitierte Urteil des Bundesgerichts erging zu einer (vom Obergericht nochmals gekürzten) Entschädigung des Bezirksgerichts Aarau in einem anderen Verfahren. Es handelt sich beim zitierten Urteil auch nicht um einen Leitentscheid mit Erwägungen, die über den konkreten Fall hinausgehen. Im Gegenteil war in jenem Verfahren mass­geb­lich, dass der Verteidiger nur pauschale Kritik übte.

3.8 Die Beschwerdekammer hatte jüngst mehrfach Anlass, sich mit Fällen von Pauschalentschädigungen durch das Obergericht des Kantons Aargau zu befassen (vgl. die Entscheide vom heutigen Datum BB.2020.1 ; BB.2019.280 ; BB.2019.269 ; BB.2019.256 ; BB.2019.209 ; BB.2019.203 ; BB.2019.118 ; BB.2019.77 ). Entschädigt die Strafkammer wie vorliegend pauschal - ohne dass eine pauschale Festsetzung nach Rahmentarif vorgesehen ist - so belässt sie amtliche Verteidiger im Dunkeln, ob und wie ihr Aufwand honoriert wird. Dabei handelt es sich um eine bedeutsame Frage - nicht nur wegen der Anzahl betroffener Verteidiger, der Akzeptierbarkeit und der finanziellen Bedeutung (vgl. zu den vorstehenden Kriterien Schindler , Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 5 N. 32 ff.; Häfelin/Müller/Uhlmann , Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, S. 80-85). Es tangiert auch den Individualanspruch des Beschuldigten auf wirksame Verteidigung. Die Kantone Zürich und St. Gallen umschreiben die Pauschalen auf Verordnungsstufe. Ein generell-abstrakter und genügend bestimmter Rechtssatz stellt sicher, dass die Entschädigung für die amtlichen Verteidiger vorhersehbar ist und sie rechtsgleich behandelt werden.

Das Dekret des Grossen Rates des Kantons Aargau über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif) sieht zwar Pauschalen in Zivil- und Verwaltungssachen vor (§ 3 , 8 , 8 a AnwT AG), basierend auf dem Streitwert (§ 4 AnwT AG). Demgegenüber bemisst sich in Strafsachen die Entschädigung gemäss § 9 Abs. 1 AnwT/AG nach dem angemessenen Zeitaufwand alleine. Entsprechend sieht § 12 Abs. 2 AnwT/AG vor, dass die Entschädigung des amtlichen Verteidigers auf Grund einer Rechnung des Anwaltes festgesetzt wird. Die Pauschalentschädigungen der Strafkammer stützen sich offensichtlich nicht auf den (vom Parlament erlassenen) kantonalen Anwaltstarif ab. Es bestehen auch keine Hinweise, dass das Bundesgericht mit seiner Praxis zu Entschädigungspauschalen bei einem offensichtlichen Missverhältnis (vgl. obige Erwägung 3.1) kantonales Recht derogieren wollte. Im Gegenteil führte das Bundesgericht in einem Zivilverfahren aus, die analoge Anwendung seiner Rechtsprechung zur Entschädigung der amtlichen Verteidigung (welche auf die anwendbaren Anwaltstarife verweist) ohne Prüfung des in der Sache anwendbaren Tarifrechts verletze das Willkürverbot (BGE 140 III 167 E. 2.3).

Für eine pauschale Entschädigungspraxis fehlt im Kanton Aargau eine Grundlage in dem vom Parlament erlassenen Rechtssatz. Liegt nur in Einzelfällen ein offensichtliches Missverhältnis vor, so können die bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. obige Erwägung 3.1) und die aus dem rechtlichen Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV ) fliessenden Mitwirkungsrechte eine vorhersehbare, rechtsgleiche und nach § 9 Abs. 1 AnwT/AG angemessene Entschädigung von amtlichen Verteidigern gewährleisten.

3.9 Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines solchen Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen und Einsicht in die Akten zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (BGE 140 I 99 E. 3.4 S. 102 f.; 135 II 286 E. 5.1 S. 293). Voraussetzung des Äusserungsrechts sind genügende Kenntnisse über den Verfahrensverlauf, was auf das Recht hinausläuft, in geeigneter Weise über die entscheidwesentlichen Vorgänge und Grundlagen vorweg orientiert zu werden (BGE 141 I 60 E. 3.3 S. 64; 140 I 99 E. 3.4 S. 102 f.). Wie weit dieses Recht geht, lässt sich nicht generell, sondern nur unter Würdigung der konkreten Umstände beurteilen (BGE 111 Ia 273 E. 2b S. 274; Urteil des Bundesgerichts 8C_158/2009 vom 2. September 2009 E. 5.2, nicht publ. in: BGE 136 I 39). Entscheidend ist, ob dem Betroffenen ermöglicht wurde, seinen Standpunkt wirksam zur Geltung zu bringen (BGE 136 I 265 E. 3.2 S. 272; 135 II 286 E. 5.1 S. 293; 132 II 485 E. 3.2 S. 494; Urteil des Bundesgerichts 2C_807/2015 vom 18. Oktober 2016 E. 2.2.1; zum Ganzen BGE 144 I 11 E. 5.3; vgl. auch BGE 144 II 427 E. 3.1).

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Parteientschädigung, die auch auf die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands Anwendung findet (Urteile des Bundesgerichts 5D_4/2011 vom 20. April 2011 E. 4.2.2; 5D_45/2009 vom 26. Juni 2009 E. 3.1), muss der Entscheid über die Höhe des anwaltlichen Honorars in der Regel nicht begründet werden, was zumindest dann gilt, wenn ein Tarif oder eine gesetzliche Regelung der Ober- und Untergrenze der Entschädigung besteht und das Gericht diesen Tarif beziehungsweise diese Bandbreite einhält und von der Partei keine aussergewöhnlichen Umstände vorgebracht werden (BGE 111 Ia 1 E. 2a S. 1 f.; 93 I 116 E. 2 S. 120 f.). Eine Begründungspflicht wird namentlich dann angenommen, wenn das Gericht die Entschädigung abweichend von der Kostennote der Rechtsanwältin auf einen bestimmten, nicht der üblichen, praxisgemäss gewährten Entschädigung entsprechenden Betrag festsetzt. In einem solchen Fall kann nicht mehr davon gesprochen werden, die Anwältin vermöge die Überlegungen, die das Gericht zu einem solchen Entschädigungsentscheid führten, auch ohne Begründung zu erkennen (Urteile des Bundesgerichts 4A_275/2010 vom 11. August 2010 E. 8.2; 2C_832/2008 vom 4. Mai 2009 E. 6.3, in: StR 64/2009 S. 668; Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 308/1998 vom 28. Juli 1999 E. 3b, in: Pra 2000 Nr. 109 S. 635). Akzeptiert das Gericht in einem solchen Fall einzelne Posten der Kostennote, setzt es aber andere herab, hat es zu jeder Reduktion zumindest kurz auszuführen, aus welchem Grund die Aufwendungen als unnötig betrachtet werden (Urteil des Bundesgerichts 9C_991/2008 vom 18. Mai 2009 E. 3.1.2, in: SZZP 2009 S. 391; zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 5D_15/2012 vom 28. März 2012 E. 4.2.2).

3.10 Das Recht auf Anhörung und die Begründungspflicht stärken die Vorhersehbarkeit und damit die Akzeptanz von Entscheiden, was bei Pauschalentschädigungen der Strafkammer besonders bedeutsam ist (vgl. Erwägungen 3.8 f. vorstehend). Eine konsequente Publikation der Entscheide würde deren Vorhersehbarkeit stärken und über die entscheidwesentlichen Vorgänge und Grundlagen orientieren.

Eine pauschale Entschädigung ist nachvollziehbar zu begründen. Die konkreten Begründungselemente sollen ohne Studium der Strafakten erkennbar sein. Ein konkretes, offensichtliches Missverhältnis spränge ins Auge und bedarf nicht vieler Worte. Allgemein hat sich die Begründungsdichte dem konkreten Fall anzupassen. Bei Entschädigungsentscheiden die - z.B. durch grosse Kürzungen - besonders stark in die Rechtsstellung eingreifen, ist grundsätzlich eine eingehendere Auseinandersetzung erforderlich (vgl. Steinmann , Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 29 N. 49; Häfelin/Müller/Uhlmann , a.a.O., S. 233 N. 1072; BGE 145 IV 99 E. 3.1). Dies hat freilich zwei Seiten. So kann nur geprüft und begründet werden, was auch genügend, ohne dabei in überspitzten Formalismus zu verfallen, in Honorarnoten ausgewiesen ist. Verschiedene Aktivitäten zusammen in einer Zeiteinheit abgerechnet - statt einzeln - verringert die Transparenz von Honorarnoten. Sollen Honorarnoten ihre Überprüfung erleichtern, so sind auch Übersichten zu den Aufwandpositionen (z.B. Anzahl/Dauer Kontakte mit Beschuldigten, Aufwand per Verfahrensschritt) dienlich und zumutbar. Zumindest in Honorarbeschwerdeverfahren vor der Beschwerdekammer machen dies Verteidiger. Spezifische Anforderungen wären der amtlichen Verteidigung mit Vorteil bereits bei Beginn des Berufungsverfahrens mitzuteilen.

4.

4.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 144 I 11 E. 5.3 S. 17; 137 I 195 E. 2.2 S. 197).

Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann (BGE 127 V 431 E. 3d/aa S. 437). Von einer Rückweisung der Sache ist selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 133 I 201 E. 2.2; 132 V 387 E. 5.1 S. 390). Allerdings kommt eine nachträgliche Heilung nur ausnahmsweise in Frage. Die erstinstanzliche Behörde darf nicht darauf vertrauen, dass von ihr missachtete Verfahrensrechte systematisch nachträglich geheilt werden, ansonsten die gerade für das erstinstanzliche Verfahren vorgesehenen prozessualen Garantien ihren Sinn verlieren (BGE 137 I 195 E. 2.7; 126 II 111 E. 6b/aa S. 123 f.).

4.2 Die Gehörsverletzung kann vorliegend von der Beschwerdekammer nicht geheilt werden. Die strukturell fehlende Begründung erlaubt nicht, ein Honorar selbst festzusetzen. Die Gehörsverletzungen betreffen überdies zu viele Fälle, als dass eine Heilung angezeigt wäre (vgl. die Entscheide vom heutigen Tag BB.2020.1 ; BB.2019.280 ; BB.2019.269 ; BB.2019.256 ; BB.2019.209 ; BB.2019.203 ; BB.2019.118 ; BB.2019.77 ; so schon Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BB.2016.365 vom 1. Juni 2017 E. 4.5; BB.2016.285 vom 26. August 2016 E. 4.3; BB.2016.252 vom 31. August 2016 E. 4.3; BB.2016.93 vom 8. September 2016 E. 3.5). Erlaubt das angefochtene Urteil keinen reformatorischen Entscheid und ist eine Kassation angezeigt, so obsiegt der amtliche Verteidiger vollumfänglich (vgl. nur BGE 137 V 210 E. 7.1). Die Beschwerde ist dementsprechend gutzuheissen und Dispositiv Ziffer 10.2 des angefochtenen Urteils ist antragsgemäss aufzuheben. Das Verfahren ist an das Obergericht des Kantons Aargau, Strafkammer, zu neuem Entscheid über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung zurückzuweisen.

5.

5.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben.

5.2 Der obsiegende amtliche Verteidiger hat Anspruch auf eine Prozessentschädigung (Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO ). Das Obergericht des Kantons Aargau ist zu verpflichten, Rechtsanwalt A. für das Honorarbeschwerdeverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 3'000.-- (inkl. Barauslagen und MwSt.) zu bezahlen (vgl. Art. 10 und 12 Abs. 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren; BStKR, SR 173.713.162).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv Ziffer 10.2 des Urteils vom 19. Dezember 2019 des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafkammer, wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an das Obergericht des Kantons Aargau, Strafkammer, zurückgewiesen, damit es über das Honorar des amtlichen Verteidigers im Berufungsverfahren SST.2017.74 neu entscheide.

3. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

4. Das Obergericht des Kantons Aargau wird verpflichtet, Rechtsanwalt A. eine Prozessentschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.

Bellinzona, 6. Februar 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- Rechtsanwalt A.

- Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben (Art. 79 BGG ; SR 173.110).

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