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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BB.2019.269
Datum:05.02.2020
Leitsatz/Stichwort:Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 StPO).
Schlagwörter : Recht; Entschädigung; Berufung; Kammer; Beschwerde; Amtliche; Bundes; Urteil; Honorar; Verfahren; Verteidiger; Verteidigung; Kanton; Entscheid; Amtlichen; Obergericht; Bundesgericht; Aufwand; Rechtsanwalt; Kantons; Stunden; Verfahren; Begründung; Bundesgerichts; Honorarnote; Beschwerdekammer; Begründet; Pauschal; Pauschale
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 104 StPO ; Art. 11 StGB ; Art. 126 StGB ; Art. 127 StPO ; Art. 13 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 17 StGB ; Art. 180 StGB ; Art. 29 BV ; Art. 31 ZPO ; Art. 33 OR ; Art. 393 StPO ; Art. 396 OR ; Art. 396 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 5 StGB ; Art. 7 BGG ;
Referenz BGE:111 Ia 1; 111 Ia 273; 127 V 431; 133 I 201; 136 I 265; 136 I 39; 137 I 195; 137 V 210; 139 IV 179; 140 I 99; 140 III 167; 140 IV 213; 141 I 124; 141 I 60; 141 I 70; 143 IV 40; 143 IV 453; 144 I 11; 144 II 427; 145 IV 99; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2019.269

Beschluss vom 5. Februar 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Giorgio Bomio-Giovanascini, Vorsitz,

Cornelia Cova und Patrick Robert-Nicoud

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

Rechtsanwalt A. , vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Bulaty,

Beschwerdeführer

gegen

Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer ,

Beschwerdegegner

Gegenstand

Entschädigung der amtlichen Verteidigung
(Art. 135 Abs. 3 StPO )


Sachverhalt:

A. Rechtsanwalt A. war seit dem 7. Dezember 2015 der amtliche Verteidiger von B. Das Bezirksgericht Brugg verurteilte B. am 14. März 2017 wegen vorsätzlicher Tötung (Art. 111 StGB) seiner Ehefrau, Tätlichkeit (Art. 126 Abs. 1 StGB ), Drohung (Art. 180 Abs. 2 lit. a StGB ) sowie Beschimpfung (Art. 177 StGB ) zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und zwei Monaten, zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 30 Franken und zu einer Busse. Das Bezirksgericht ordnete zugleich für B. eine stationäre psychiatrische Behandlung nach Art. 59 StGB an. Es sprach ihn frei des Mordes, der Täuschung von Behörden gemäss Ausländergesetz sowie der versuchten Nötigung. Es zog ein Bankguthaben ein und sprach den Privatklägern Schadenersatz und Genugtuung zu. Das Bezirksgericht sprach der amtlichen Verteidigung insgesamt ein Honorar von Fr. 87'760.25 zu, wobei eine allfällige Nachzahlung von Fr. 3'200.-- vorbehalten blieb (pag. 152, 154 Vorinstanz). Das Urteil umfasst 89 Seiten.

B. Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach erhob am 10. April 2018 Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Brugg. Sie beantragte, B. sei im Sinne der Anklage für schuldig zu sprechen, zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe zu verurteilen und zu verwahren (pag. 90). Die Privatkläger erhoben am 24. April 2018 Berufung. Sie beantragten im Strafpunkt eine Verurteilung wegen Mordes (pag. 93). Rechtsanwalt A. erklärte am 24. April 2018 für B. ebenfalls Berufung (pag. 160). Er beantragte hauptsächlich, B. sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei er nur des Totschlags (Art. 113 StGB ) schuldig zu sprechen. Daneben seien die Gelder freizugeben und die Zivilforderungen der zwei Strafkläger abzuweisen.

Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach reichte am 16. Juli 2018 die Berufungsbegründung ein (pag. 210, 18 Seiten). Die Privatkläger begründeten ihre Berufung am 20. Juli 2018 (pag. 234, 18 Seiten), Rechtsanwalt A. begründete seine Berufung am 19. September 2018 (pag. 261, 27 Seiten). Die Berufungsantwort der Privatkläger erging am 9. August 2018 (pag. 294, 4 Seiten). Am 15. Oktober 2018 beantwortete die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach ihrerseits die Berufungen der Gegenparteien (pag. 300, 6 Seiten). Rechtsanwalt A. erstattete die Berufungsantwort für B. am 30. Oktober 2018 (pag. 330, 22 Seiten). Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach nahm am 12. November 2018 erneut Stellung (pag. 355, 6 Seiten). Die weitere Stellungnahme von Rechtsanwalt A. datiert vom 14. November 2018 (pag. 378, 12 Seiten). Am 3. Dezember 2018 reichte die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach abermals eine Stellungnahme ein (pag. 392, 2 Seiten).

Das Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer (nachfolgend "Strafkammer"), verfügte am 5. August 2019 unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, dass eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt wird (pag. 405). Sie fand am 21. Oktober 2019 statt (pag. 439 Protokoll).

C. Das Obergericht des Kantons Aargau stellte mit Urteil vom 21. Oktober 2019 eine Verletzung des Beschleunigungsgebots fest und sprach B. vom Vorwurf der versuchten Nötigung frei (Verfahren SST.2018.101). Es bestätigte die Verurteilungen des Bezirksgerichts Brugg wegen vorsätzlicher Tötung, Tätlichkeit, Drohung sowie Beschimpfung und ordnete ebenfalls eine stationäre psychiatrische Behandlung an. Es verurteilte ihn zusätzlich wegen Täuschung der Behörden (Art. 118 Abs. 1 AuG ). Das Obergericht verurteilte B. zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren, zu einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 10 Franken sowie zu einer Busse. Es zog das Geld auf dem gesperrten Konto von B. ein. Rechtsanwalt A. hatte in seiner Kostennote vom 21. Oktober 2019 eine Entschädigung von Fr. 20'821.-- beantragt (pag. 465). Die Strafkammer entschädigte ihn im Urteil vom 21. Oktober 2019 für die amtliche Verteidigung mit Fr. 6'000.-- (Dispositiv Ziff. 9.2, 1. Absatz). Dies entspricht einer Kürzung von gut 70%.

D. Dagegen liess Rechtsanwalt A. am 14. November 2019 Honorarbeschwerde führen. Er beantragt (act. 1):

1. Es sei Dispositiv-Ziff. 9.2 des Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau vom 21. Oktober 2019 (SST.2018.101) aufzuheben und die Entschädigung des amtlichen Verteidigers auf CHF 21'377.45 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) festzulegen.

2. Eventualiter sei Dispositiv-Ziff. 9.2 des Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau vom 21. Oktober 2019 (SST.2018.101) aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die Strafkammer liess sich am 18. November 2019 vernehmen (act. 3). Sie beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf überhaupt einzutreten sei. Rechtsanwalt A. hielt in der Beschwerdereplik vom 2. Dezember 2019 an den gestellten Anträgen fest (act. 5). Seine Eingabe stellte die Beschwerdekammer am 3. Dezember 2019 dem Obergericht des Kantons Aargau zur Kenntnis zu (act. 6).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gegen den Entschädigungsentscheid durch eine kantonale Berufungs- oder Beschwerdeinstanz kann die amtliche Verteidigung bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde nach den Vorschriften der Art. 393 ff . StPO erheben (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO i.V.m. Art. 35 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 1 StBOG ; BGE 143 IV 40 E. 3.2.2; 141 IV 187 E. 1.2). Die amtliche Verteidigung zählt nicht zu den Verfahrensparteien (Art. 104 Abs. 1 StPO). Ihre Rechtsmittellegitimation ergibt sich aus Art. 135 Abs. 3 StPO . Sie muss deshalb in eigenem Namen Beschwerde führen (BGE 140 IV 213 E. 1.4; 139 IV 199 E. 5.6 S. 204). Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Die Frist für die Beschwerde beginnt mit der Eröffnung des schriftlich begründeten Entscheids (BGE 143 IV 40 E. 3.4.4).

1.2 Die Strafkammer bringt vor, eine Substitution der amtlichen Verteidigung sei nur mit Zustimmung der Verfahrensleitung zulässig (Art. 134 StPO ). Der amtliche Verteidiger sei kein Verfahrensbeteiligter i.S. von Art. 127 Abs. 1 StPO , der eine Vertretung bestellen könne. Und selbst wenn, es mute eigenartig an, wenn ein erfahrener Strafverteidiger sich nicht in der Lage sehe, seinen Entschädigungsentscheid selbst anzufechten. Dies sei von Amtes wegen zu prüfen (act. 3 S. 1).

1.3 Der amtliche Verteidiger hat ein eigenes Recht, gegen seine Entschädigung Beschwerde zu führen. Dies ist nicht Teil des amtlichen Mandates und wird nicht in diesem Rahmen abgerechnet oder entschädigt. Eine Erlaubnis im öffentlichen Recht, sich vertreten zu lassen (Art. 33 Abs. 1 OR; Zäch , Berner Kommentar zum Obligationenrecht, 2. Aufl. 2014, Art. 33 N. 26, 3 mit Verweis auf Art. 33 Abs. 2 OR), liegt nicht vor und eine solche braucht es auch nicht. Es gilt die Vertretungsfreiheit (namentlich Art. 33 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 396 Abs. 2 OR ). Die Vertretung bei vermögensrechtlichen Ansprüchen ist auch nicht höchstpersönlich oder vertretungsfeindlich. Während die Stellvertretung ebenso wenig begründet werden muss, ist es doch nachvollziehbar, nicht in eigener Sache prozessieren zu wollen. Die Vertretung hat übrigens auch keine grosse Auswirkung auf die Höhe einer allfälligen Entschädigung, da die Beschwerdekammer sie auch pro se prozessierenden Anwälten zuspricht. Der Einwand ist unbegründet.

1.4 Der Beschwerdeführer erhielt von der Vorinstanz als amtlicher Verteidiger eine tiefere Entschädigung zugesprochen, als er beantragt hatte. Er ist zur vorliegenden Beschwerde legitimiert. Auf die auch frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

2. Die urteilende Instanz muss sich nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen. Sie kann sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken, und es genügt, wenn die Behörde wenigstens kurz die Überlegungen nennt, von denen sie sich leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 145 IV 99 E. 3.1; 141 IV 249 E. 1.3.1; 139 IV 179 E. 2.2; Urteil des Bundesgerichts 1C_143/2016 vom 2. Mai 2016 E. 2).

3.

3.1 Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung richtet sich unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nach dem notwendigen Aufwand und wird im Einzelnen bestimmt durch den Anwaltstarif des Bundes oder des Kantons, in dem das Strafverfahren durchgeführt wurde (Art. 135 Abs. 1 StPO ). Für den Kanton Aargau gilt das Dekret des Grossen Rates über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif) vom 10. November 1987 (AnwT/AG; SAR 291.150). Gemäss § 9 Abs. 1 AnwT/AG bemisst sich die Entschädigung nach dem angemessenen Zeitaufwand des Anwaltes. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers wird auf Grund einer Rechnung des Anwaltes festgesetzt (§ 12 Abs. 2 AnwT/AG). Bei der amtlichen Verteidigung beträgt der Stundenansatz in der Regel Fr. 200.- und kann in einfachen Fällen bis auf Fr. 180.- reduziert werden (§ 9 Abs. 3 bis AnwT/AG). Neben der Entschädigung sind dem Anwalt sämtliche notwendigen Auslagen (Gerichts- und Betreibungskosten, Vorschüsse, Reisespesen, Porti, Telefon-, Telex- und Telefaxgebühren, Kopien usw.) zu ersetzen. Die Entscheidbehörde kann für den Auslagenersatz eine Pauschale festsetzen (§ 13 Abs. 1 AnwT/AG).

Nach der verfassungsrechtlichen Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV umfasst der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand nicht alles, was für die Wahrnehmung der Interessen des Mandanten von Bedeutung ist. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch besteht gemäss Art. 29 Abs. 3 BV vielmehr einzig, soweit es zur Wahrung der Rechte notwendig ist. Der Begriff der Notwendigkeit bestimmt nicht nur den qualitativen Anspruch (die Bestellung eines Rechtsbeistands), sondern auch den quantitativen (sprich den Umfang der Vergütung). Entschädigungspflichtig sind jene Aufwendungen, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Wahrung der Rechte im Verfahren stehen und notwendig und verhältnismässig sind. Nur in diesem Umfang lässt es sich rechtfertigen, die Kosten der Staatskasse und qua Rückzahlungsverpflichtung der beschuldigten Person aufzuerlegen. Allerdings muss das Honorar so festgesetzt werden, dass der unentgeltlichen Rechtsvertretung ein Handlungsspielraum verbleibt und das Mandat wirksam ausgeübt werden kann (vgl. BGE 141 I 124 E. 3.1; Urteile des Bundesgerichts 1B_96/2011 vom 6. Juni 2011 E. 2.2; 6B_856/2009 vom 9. November 2009 E. 4.2; 6B_130/2007 vom 11. Oktober 2007 E. 3.2.5).

Wird eine detaillierte Honorarnote eingereicht und steht der geltend gemachte Zeitaufwand zum Umfang und zur Schwierigkeit des Falles in einem offensichtlichen Missverhältnis, dann darf nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Strafsachen die Entschädigung pauschal bemessen werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_224/2013 vom 27. Januar 2014 E. 2.5 f. betreffend den Kanton Zürich). Gewisse Kantone sehen Pauschalen nach Rahmentarifen vor, so z.B. der Kanton Zürich (aber nur für das gerichtliche Verfahren; BGE 143 IV 453 E. 2.5.1 und Urteil des Bundesgerichts 6B_224/2013 vom 27. Januar 2014 E. 2.5) oder der Kanton St. Gallen (für den ganzen Strafprozess; BGE 141 I 124 E. 4.4 und Urteil des Bundesgerichts 6B_618/2015 vom 16. Dezember 2015 E. 2.6.1). Bei einer Honorarbemessung nach Pauschalbeträgen werden alle prozessualen Bemühungen zusammen als einheitliches Ganzes aufgefasst und der effektive Zeitaufwand lediglich im Rahmen des Tarifansatzes berücksichtigt. Pauschalen nach Rahmentarifen erweisen sich aber als verfassungswidrig, wenn sie auf die konkreten Verhältnisse in keiner Weise Rücksicht nehmen und im Einzelfall ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Rechtsanwalt geleisteten Diensten stehen ( BGE 141 I 124 E. 4.3 S. 128). Ausgangspunkt ist eine Gesamtbetrachtung des Honorars unter Berücksichtigung des konkreten Falles. Das Bundesgericht unterstrich, dass eine Vorinstanz, indem sie das Anwaltshonorar nach dem massgebenden Tarif als Pauschalbetrag ausgerichtet hatte, zutreffend von einer Beurteilung der einzelnen Positionen der eingereichten Honorarrechnung absehen konnte ( BGE 143 IV 453 E. 2.5.1; 141 I 124 E. 4.5 S. 129).

3.2 Die Honorarnote von Rechtsanwalt A. vom 21. Oktober 2019 schlüsselt seinen Aufwand von Fr. 20'821.-- auf (pag. 465). Er legt transparent seinen zeitlichen Aufwand für jede einzelne Tätigkeit dar. Im Beschwerdeverfahren stellte er seine Bemühungen zudem pro Kategorie (Besprechungen/Kontakte, Berufungsbegründung; Berufungsantworten, Vorbereitung Verhandlung etc.) inkl. der Teilsummen zusammen (act. 1.4). Er verrechnet insgesamt 94.35 Stunden. Dazu kommen nicht einzeln ausgewiesene Auslagen. Prozessual fiel im umfangreichen Schriftenwechsel die Erklärung und Begründung der Berufung, die Berufungsantwort und Reaktion auf die Eingaben der Gegenparteien sowie die Berufungsverhandlung an. Grobthematisch ging es um die Erfüllung und Qualifikation des Tötungsdeliktes, ob sich der Beschuldigte weiterer Straftatbestände schuldig gemacht habe, die Strafzumessung sowie die Frage einer Verwahrung. Weiter ging es um Einziehungen, Zivilansprüche und die Kosten.

Die Strafkammer begründet die Entschädigung des Verteidigers im Urteil vom 21. Oktober 2019 wie folgt (act. 1.2 Ziff. 10.1.2. S. 84 f.): Der amtliche Verteidiger sei aus dem Verfahren vor Bezirksgericht mit den tatsächlichen und rechtlichen Fragen wohlvertraut. Er selbst sei für dieses denn auch mit sehr hohen Fr. 37'000.-- (für 163.83h) entschädigt worden. Er habe im Berufungsverfahren keine neue Taktik verfolgen müssen, sondern habe nahtlos an seiner Argumentation vor Bezirksgericht anknüpfen können. Angesichts dessen sei die Kostennote des Verteidigers vom 21. Oktober 2019 klar überhöht, weshalb nicht unbesehen darauf abgestellt werden könne. Nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren abgegolten und angemessen erscheine nicht ein Aufwand von 94.35 Stunden, sondern von insgesamt rund 27 Stunden: 2 ½ Stunden für die Berufungserklärung sowie Kontakte mit dem Beschuldigten; 11 Stunden für die Berufungsbegründung; 5 Stunden für die Berufungsantworten; ½ Stunde für die Vorbereitung der Berufungsverhandlung; 4 Stunden für die Teilnahme an der Berufungsverhandlung inkl. Anreise; 1 ½ Stunden für übrige Aufwendungen mit verfahrensleitenden Verfügungen; 2 ½ Stunden für das Studium des Obergerichtsurteils mitsamt kurzer Nachbesprechung mit dem Klienten. Dazu kämen nach §13 AnwT/AG pauschalisiert und praxisgemäss auf 3% festgelegte Aufwendungen. Dies ergebe die angemessene Entschädigung von Fr. 6'000.--.

3.3 Der Verteidiger stellt in seiner Beschwerde mittels einer Tabelle übersichtlich je Aufwandskategorie den von der Strafkammer zugesprochenen und den von ihm verrechneten Aufwand gegenüber und zieht die Differenz. Der Fall sei komplex gewesen. Nicht nur habe der Angeklagte den Sachverhalt des Tötungsdelikts bestritten, es sei auch die rechtliche Qualifikation inkl. Freispruch zu behandeln gewesen. Zur Anordnung der stationären Massnahme habe er Verfahrensfehler gerügt. Auf eine hohe Entschädigung vor Bezirksgericht zu verweisen sei nicht statthaft, da diese rechtskräftig geworden sei und keine Gesamtbeurteilung vorgenommen werden dürfe. Die Strafkammer habe weder begründet, welcher Aufwand objektiv geboten sei noch die Kriterien genannt, nach denen sie dies beurteilt habe. Dies verletze sein rechtliches Gehör. Die drei Gegenparteien hätten, vehement und detailliert begründet, eine Verurteilung wegen Mordes verlangt und dazu insgesamt 79 Seiten eingereicht. Er habe darauf reagieren müssen, zumal die Strafkammer das schriftliche Verfahren angeordnet habe, mithin damals nicht klar gewesen sei, dass eine Verhandlung stattfinde. Seine Aufwendungen seien angemessen und notwendig. Die Strafkammer habe die Verletzung des Beschleunigungsprinzips festgehalten. Selbst ein erfahrener Verteidiger könne nicht 20 Bundesordner für die Berufungsbegründung nach 17 Monaten vollständig präsent behalten. Auch seien 3 ½ Stunden für den Kontakt mit dem Beschuldigten im Verlaufe von 2 ½ Jahren (zwischen Erklärung der Berufung und Durchführung der Verhandlung) angemessen.

Die Strafkammer führt dazu in ihrer Vernehmlassung aus, die Entschädigung im Berufungsverfahren habe nicht so zu erfolgen, als hätte kein bezirksgerichtliches Verfahren stattgefunden. Es sei in weiten Teilen dasselbe geltend gemacht worden. Es sei in erster Linie darum gegangen, die Täterschaft hinsichtlich des Mordvorwurfes, für welchen es keine Zeugen gab, zu bestreiten. Die Voraussetzungen einer pauschalen Bemessung des angemessenen Zeitaufwands lägen vor. Die dabei berücksichtigten Stundenangaben orientierten sich an vergleichbaren Fällen und dafür angemessenen Honorarnoten. Bei rund 300 Berufungen im Jahr verfüge das Obergericht über einen grossen Erfahrungswert. Die Strafkammer weist abschliessend darauf hin, dass nur ein Honorar ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den geleisteten Diensten nicht statthaft sei (act. 3 Vernehmlassung vom 18. November 2019).

3.4 Ein Entscheid muss, um dem verfassungsmässigen Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) Genüge zu tun, dergestalt abgefasst sein, dass sich der Betroffene über seine Tragweite Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Tatsache an die höhere Instanz weiterziehen kann (zum Ganzen BGE 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; 138 I 232 E. 5.1 S. 237). Gegenteiliges, das heisst ein Rechtsmittelverfahren ohne Kenntnis der Entscheidgründe, ist den Parteien und der Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nicht zuzumuten (vgl. zur Berufung im Zivilprozess Reetz/Theiler , in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 16 zu Art. 311 ZPO; zum Ganzen BGE 143 IV 40 E. 3.4.3).

Eine Begründungspflicht besteht, wenn der unentgeltliche Rechtsbeistand eine Kostennote einreicht und das Gericht die Entschädigung abweichend davon auf einen bestimmten, nicht der Praxis entsprechenden Betrag festsetzt (Urteil des Bundesgerichts 8C_465/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 2.1 und 5.1.1). Akzeptiert das Gericht einzelne Posten aus der Kostennote, setzt es aber andere herab, hat es zu jeder Reduktion zumindest kurz auszuführen, aus welchem konkreten Grund die Aufwendungen oder Auslagen als unnötig betrachtet werden (SVR 2013 IV Nr. 26 S. 75; Urteile des Bundesgerichts 6B_121/2010 vom 22. Februar 2011 E. 3.1.4; 8C_54/2013 vom 8. Mai 2013 E. 4.1; zum Ganzen BGE 141 I 70 E. 5.2).

3.5 Die Strafkammer geht gestützt auf die folgenden Elemente in einem ersten Schritt von einer überhöhten Honorarnote der amtlichen Verteidigung aus:

· Vertrautheit der Verteidigung mit den tatsächlichen und rechtlichen Fragen aus dem erstinstanzlichen Verfahren;

· Verweis auf die Entschädigung im erstinstanzlichen Verfahren;

· Im Berufungsverfahren keine neue Strategie oder neue Vorbringen.

Die ersten beiden Begründungselemente (Vertrautheit, vorinstanzliche Entschädigung) liegen vor, wann immer ein amtlicher Verteidiger ein Urteil weiterzieht. Sie sind wenig geeignet zu klären, ob eine konkrete Honorarnote überhöht sei. Ebenso wenig sind das Fehlen einer neuen Strategie oder von neuen Vorbringen ausschlaggebende Entscheidungskriterien. Die Begründung bleibt abstrakt und substanzarm, mithin generisch. Es ist kein offensichtliches Missverhältnis zwischen beantragter und angemessener Entschädigung dargetan, welches im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. obige Erwägung 3.1) eine pauschale Honorarfestsetzung erlaubte.

3.6 Da die Honorarnote überhöht sei, setzt die Strafkammer in einem zweiten Schritt den angemessenen Aufwand pauschal fest, also ohne sich konkret mit dem Aufwand der Verteidigung auseinanderzusetzen. Gemäss dem Urteil der Strafkammer seien 6 ½ Stunden (anstelle von 11.63h) angemessen: 1 Stunde für Besprechungen/Kontakte mit dem Beschuldigten (soweit nicht bereits von der erstinstanzlichen Entschädigung abgegolten); 1 Stunde für die Berufungserklärung; 4 Stunden für die Berufungsbegründung und Stellungnahme; ½ Stunde für übrige Aufwendungen. Die dabei berücksichtigten Stundenangaben orientierten sich an vergleichbaren Fällen und dafür angemessenen Honorarnoten. Bei rund 300 Berufungen im Jahr verfüge das Obergericht über einen grossen Erfahrungswert.

Die Strafkammer bemisst die Pauschale nur ungenügend nach den konkreten Verhältnissen. Es wird nicht klar, welcher Aufwand sachfremd oder übertrieben sei, was die Verteidigung hätte tun oder unterlassen sollen. Die Bemessung der Pauschale kann von der Beschwerdekammer anhand der Begründung nicht zuverlässig überprüft werden. Sollten die drei Begründungspunkte zur überhöhten Honorarnote (vgl. vorstehende Erwägungen 3.5, 3.2) auch in die Bemessung der Pauschale eingeflossen sein, so wäre dies zumindest teilweise nicht sachgerecht: Die Verteidigung vor der Vorinstanz erspart zwar eine Einarbeitung in die tatsächlichen und rechtlichen Fragen der Strafsache. Die Entschädigung im Verfahren vor Bezirksgericht entschädigt aber nicht auch Aufwand der Verteidigung im Verfahren vor der Strafkammer. Die präsente Kenntnis des Falles war für den Verteidiger durch die lange Verfahrensdauer (Verletzung des Beschleunigungsgebots) erschwert. Sie erspart zudem nicht die Redaktion der Berufungserklärung oder die Vorbereitung des Plädoyers. Sie schreibt auch noch nicht die von der Strafkammer gewünschte Berufungsbegründung. Der Verteidiger muss sich vielmehr mit der Begründung der unteren Instanz, vor allem aber mit der Berufung und den Begründungen der (hier beiden) Gegenparteien, auseinandersetzen. Dem Rechtsmittelsystem der "double instance" ist zudem inhärent, dass vor der oberen Instanz auch gleiche Rechtsfragen nochmals aufgeworfen werden dürfen (resp. für einen Weiterzug ans Bundesgericht, müssen). Mass­geb­lich für die Entschädigung der amtlichen Verteidigung durch die Strafkammer ist, ob die konkreten Rechts- und Tatfragen den Aufwand im Berufungsverfahren selbst rechtfertigen.

3.7 Weder die Voraussetzungen für eine pauschale Entschädigung der amtlichen Verteidigung noch für deren Bemessung sind genügend nachvollziehbar. Die Verteidigung hat ihren Aufwand für die Mandatsführung in allen Einzelheiten ausgewiesen, weshalb die Vorinstanz unter dem Gesichtspunkt von Art. 29 Abs. 2 BV verpflichtet gewesen wäre, sich damit auseinanderzusetzen und in Bezug auf die konkreten, geltend gemachten Aufwendungen der Verteidigung nachvollziehbar darzulegen, aus welchem Grund es diese als sachfremden oder übertriebenen Aufwand nicht entschädigt. Die Beschwerdekammer hat nicht von sich aus ein mögliches offensichtliches Missverhältnis zwischen beantragter und angemessener Entschädigung aus den Strafakten zu eruieren. Dazu hätte sie sich ähnlich einem Sachgericht in den Fall einzuarbeiten.

3.8 Die Beschwerdekammer hatte jüngst mehrfach Anlass, sich mit Fällen von Pauschalentschädigungen durch das Obergericht des Kantons Aargau zu befassen (vgl. die Entscheide vom heutigen Datum BB.2020.5 ; BB.2020.1 ; BB.2019.280 ; BB.2019.256 ; BB.2019.209 ; BB.2019.203 ; BB.2019.118 ; BB.2019.77 ). Entschädigt die Strafkammer wie vorliegend pauschal - ohne dass eine pauschale Festsetzung nach Rahmentarif vorgesehen ist - so belässt sie amtliche Verteidiger im Dunkeln, ob und wie ihr Aufwand honoriert wird. Dabei handelt es sich um eine bedeutsame Frage - nicht nur wegen der Anzahl betroffener Verteidiger, der Akzeptierbarkeit und der finanziellen Bedeutung (vgl. zu den vorstehenden Kriterien Schindler , Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 5 N. 32 ff.; Häfelin/Müller/Uhlmann , Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, S. 80-85). Es tangiert auch den Individualanspruch des Beschuldigten auf wirksame Verteidigung. Die Kantone Zürich und St. Gallen umschreiben die Pauschalen auf Verordnungsstufe. Ein generell-abstrakter und genügend bestimmter Rechtssatz stellt sicher, dass die Entschädigung für die amtlichen Verteidiger vorhersehbar ist und sie rechtsgleich behandelt werden.

Das Dekret des Grossen Rates des Kantons Aargau über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif) sieht zwar Pauschalen in Zivil- und Verwaltungssachen vor (§ 3 , 8 , 8 a AnwT AG), basierend auf dem Streitwert (§ 4 AnwT AG). Demgegenüber bemisst sich in Strafsachen die Entschädigung gemäss § 9 Abs. 1 AnwT/AG nach dem angemessenen Zeitaufwand alleine. Entsprechend sieht § 12 Abs. 2 AnwT/AG vor, dass die Entschädigung des amtlichen Verteidigers auf Grund einer Rechnung des Anwaltes festgesetzt wird. Die Pauschalentschädigungen der Strafkammer stützen sich offensichtlich nicht auf den (vom Parlament erlassenen) kantonalen Anwaltstarif ab. Es bestehen auch keine Hinweise, dass das Bundesgericht mit seiner Praxis zu Entschädigungspauschalen bei einem offensichtlichen Missverhältnis (vgl. obige Erwägung 3.1) kantonales Recht derogieren wollte. Im Gegenteil führte das Bundesgericht in einem Zivilverfahren aus, die analoge Anwendung seiner Rechtsprechung zur Entschädigung der amtlichen Verteidigung (welche auf die anwendbaren Anwaltstarife verweist) ohne Prüfung des in der Sache anwendbaren Tarifrechts verletze das Willkürverbot (BGE 140 III 167 E. 2.3).

Für eine pauschale Entschädigungspraxis fehlt im Kanton Aargau eine Grundlage in dem vom Parlament erlassenen Rechtssatz. Liegt nur in Einzelfällen ein offensichtliches Missverhältnis vor, so können die bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. obige Erwägung 3.1) und die aus dem rechtlichen Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) fliessenden Mitwirkungsrechte eine vorhersehbare, rechtsgleiche und nach § 9 Abs. 1 AnwT/AG angemessene Entschädigung von amtlichen Verteidigern gewährleisten.

3.9 Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines solchen Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen und Einsicht in die Akten zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (BGE 140 I 99 E. 3.4 S. 102 f.; 135 II 286 E. 5.1 S. 293). Voraussetzung des Äusserungsrechts sind genügende Kenntnisse über den Verfahrensverlauf, was auf das Recht hinausläuft, in geeigneter Weise über die entscheidwesentlichen Vorgänge und Grundlagen vorweg orientiert zu werden (BGE 141 I 60 E. 3.3 S. 64; 140 I 99 E. 3.4 S. 102 f.). Wie weit dieses Recht geht, lässt sich nicht generell, sondern nur unter Würdigung der konkreten Umstände beurteilen (BGE 111 Ia 273 E. 2b S. 274; Urteil des Bundesgerichts 8C_158/2009 vom 2. September 2009 E. 5.2, nicht publ. in: BGE 136 I 39). Entscheidend ist, ob dem Betroffenen ermög­licht wurde, seinen Standpunkt wirksam zur Geltung zu bringen (BGE 136 I 265 E. 3.2 S. 272; 135 II 286 E. 5.1 S. 293; 132 II 485 E. 3.2 S. 494; Urteil des Bundesgerichts 2C_807/2015 vom 18. Oktober 2016 E. 2.2.1; zum Ganzen BGE 144 I 11 E. 5.3; vgl. auch BGE 144 II 427 E. 3.1).

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Parteientschädigung, die auch auf die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands Anwendung findet (Urteile des Bundesgerichts 5D_4/2011 vom 20. April 2011 E. 4.2.2; 5D_45/2009 vom 26. Juni 2009 E. 3.1), muss der Entscheid über die Höhe des anwaltlichen Honorars in der Regel nicht begründet werden, was zumindest dann gilt, wenn ein Tarif oder eine gesetzliche Regelung der Ober- und Untergrenze der Entschädigung besteht und das Gericht diesen Tarif beziehungsweise diese Bandbreite einhält und von der Partei keine aussergewöhnlichen Umstände vorgebracht werden (BGE 111 Ia 1 E. 2a S. 1 f.; 93 I 116 E. 2 S. 120 f.). Eine Begründungspflicht wird namentlich dann angenommen, wenn das Gericht die Entschädigung abweichend von der Kostennote der Rechtsanwältin auf einen bestimmten, nicht der üblichen, praxisgemäss gewährten Entschädigung entsprechenden Betrag festsetzt. In einem solchen Fall kann nicht mehr davon gesprochen werden, die Anwältin vermöge die Überlegungen, die das Gericht zu einem solchen Entschädigungsentscheid führten, auch ohne Begründung zu erkennen (Urteile des Bundesgerichts 4A_275/2010 vom 11. August 2010 E. 8.2; 2C_832/2008 vom 4. Mai 2009 E. 6.3, in: StR 64/2009 S. 668; Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 308/1998 vom 28. Juli 1999 E. 3b, in: Pra 2000 Nr. 109 S. 635). Akzeptiert das Gericht in einem solchen Fall einzelne Posten der Kostennote, setzt es aber andere herab, hat es zu jeder Reduktion zumindest kurz auszuführen, aus welchem Grund die Aufwendungen als unnötig betrachtet werden (Urteil des Bundesgerichts 9C_991/2008 vom 18. Mai 2009 E. 3.1.2, in: SZZP 2009 S. 391; zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 5D_15/2012 vom 28. März 2012 E. 4.2.2).

3.10 Das Recht auf Anhörung und die Begründungspflicht stärken die Vorhersehbarkeit und damit die Akzeptanz von Entscheiden, was bei Pauschalentschädigungen der Strafkammer besonders bedeutsam ist (vgl. Erwägungen 3.8 f. vorstehend). Eine konsequente Publikation der Entscheide würde deren Vorhersehbarkeit stärken und über die entscheidwesentlichen Vorgänge und Grundlagen orientieren.

Eine pauschale Entschädigung ist nachvollziehbar zu begründen. Die konkreten Begründungselemente sollen ohne Studium der Strafakten erkennbar sein. Ein konkretes, offensichtliches Missverhältnis spränge ins Auge und bedarf nicht vieler Worte. Allgemein hat sich die Begründungsdichte dem konkreten Fall anzupassen. Bei Entschädigungsentscheiden die - z.B. durch grosse Kürzungen - besonders stark in die Rechtsstellung eingreifen, ist grundsätzlich eine eingehendere Auseinandersetzung erforderlich (vgl. Steinmann , Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 29 N. 49; Häfelin/Müller/Uhlmann , a.a.O., S. 233 N. 1072; BGE 145 IV 99 E. 3.1). Dies hat freilich zwei Seiten. So kann nur geprüft und begründet werden, was auch genügend, ohne dabei in überspitzten Formalismus zu verfallen, in Honorarnoten ausgewiesen ist. Verschiedene Aktivitäten zusammen in einer Zeiteinheit abgerechnet - statt einzeln - verringert die Transparenz von Honorarnoten. Sollen Honorarnoten ihre Überprüfung erleichtern, so sind auch Übersichten zu den Aufwandpositionen (z.B. Anzahl/Dauer Kontakte mit Beschuldigten, Aufwand per Verfahrensschritt) dienlich und zumutbar. Zumindest in den Honorarbeschwerdeverfahren vor der Beschwerdekammer machen dies Verteidiger. Spezifische Anforderungen wären der amtlichen Verteidigung mit Vorteil bereits bei Beginn des Berufungsverfahrens mitzuteilen.

4.

4.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 144 I 11 E. 5.3 S. 17; 137 I 195 E. 2.2 S. 197).

Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann (BGE 127 V 431 E. 3d/aa S. 437). Von einer Rückweisung der Sache ist selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 133 I 201 E. 2.2; 132 V 387 E. 5.1 S. 390). Allerdings kommt eine nachträgliche Heilung nur ausnahmsweise in Frage. Die erstinstanzliche Behörde darf nicht darauf vertrauen, dass von ihr missachtete Verfahrensrechte systematisch nachträglich geheilt werden, ansonsten die gerade für das erstinstanzliche Verfahren vorgesehenen prozessualen Garantien ihren Sinn verlieren (BGE 137 I 195 E. 2.7; 126 II 111 E. 6b/aa S. 123 f.).

4.2 Die Gehörsverletzung kann vorliegend von der Beschwerdekammer nicht geheilt werden. Die strukturell fehlende Begründung erlaubt nicht, ein Honorar selbst festzusetzen. Die Gehörsverletzungen betreffen überdies zu viele Fälle, als dass eine Heilung angezeigt wäre (vgl. die Entscheide vom heutigen Datum BB.2020.5 ; BB.2020.1 ; BB.2019.280 ; BB.2019.256 ; BB.2019.209 ; BB.2019.203 ; BB.2019.118 ; BB.2019.77 ; so schon Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BB.2016.365 vom 1. Juni 2017 E. 4.5; BB.2016.285 vom 26. August 2016 E. 4.3; BB.2016.252 vom 31. August 2016 E. 4.3; BB.2016.93 vom 8. September 2016 E. 3.5). Erlaubt das angefochtene Urteil keinen reformatorischen Entscheid und ist eine Kassation angezeigt, so obsiegt der amtliche Verteidiger vollumfänglich (vgl. nur BGE 137 V 210 E. 7.1). Die Beschwerde ist dementsprechend gutzuheissen und Dispositiv Ziffer 9.2 des angefochtenen Urteils ist antragsgemäss aufzuheben. Das Verfahren ist an das Obergericht des Kantons Aargau, Strafkammer, zu neuem Entscheid über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung zurückzuweisen.

5.

5.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben.

5.2 Der obsiegende amtliche Verteidiger hat Anspruch auf eine Prozessentschädigung (Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO ). Er hat hierzu am 2. Dezember 2019 eine Honorarnote eingereicht. Seine Bemühungen sind ausgewiesen und vorliegend noch angemessen (vgl. Art. 10 und 12 Abs. 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren; BStKR, SR 173.713.162). Entsprechend ist das Obergericht des Kantons Aargau zu verpflichten, Rechtsanwalt A. antragsgemäss eine Prozessentschädigung für das Honorarbeschwerdeverfahren von gerundet Fr. 3'550.75 (inkl. Barauslagen und MwSt.) zu bezahlen.


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv Ziff. 9.2 des Urteils vom 21. Oktober 2019 des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafkammer, wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an das Obergericht des Kantons Aargau, Strafkammer, zurückgewiesen, damit es über das Honorar des amtlichen Verteidigers im Berufungsverfahren SST.2018.101 neu entscheide.

3. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

4. Das Obergericht des Kantons Aargau wird verpflichtet, Rechtsanwalt A. eine Prozessentschädigung von Fr. 3'550.75 zu bezahlen.

Bellinzona, 6. Februar 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Die Vizepräsidentin: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- Rechtsanwalt Oliver Bulaty

- Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben (vgl. Art. 79 BGG ; SR 173.110).

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